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Folterkammer Glashaus

In jeder normalen Firma würde das zu Entlassungen führen.

Hoppla, bei Tamedia gibt es ja Entlassungen. Sogar massenhaft. Nur an der falschen Stelle. Nämlich im Maschinenraum statt auf der Kommandobrücke.

Denn die Unfähigkeit derjenigen, die hier die grossen Räder drehen, ist himmelschreiend. Ein Magazin wird einfach mal so eingestellt. Ohne Vorwarnung, nach der Devise: ach, ist uns gerade noch eingefallen, den «ZüriTipp» braucht’s nicht mehr.

Bei «ZürichStadtleben/Züritipp» arbeiten 12 Menschen, Claudia («Nutella») Schmid als Ressortleiterin, Isabel Hemmel als stv. Ressortleiterin und Leitung Züritipp. Plus zehn Indianer. Braucht’s die noch? Wer weiss. Braucht’s die Chefredaktoren der eingesparten Lokalblätter noch? Reden wir mal drüber. Braucht’s die Redaktionsleitung «SonntagsZeitung» noch? Schauen wir mal. Wozu braucht es Arthur Rutishauser als Chefredaktor ohne Redaktion genau? Ach, irgendwie.

Aber der Gipfel des Zynismus ist: Weder Jessica Peppel-Schulz noch Simon Bärtschi haben das Rückgrat, den Leuten in die Augen zu schauen und zu sagen «you’re fired». Denn zuerst 90, dann 55 eingesparte Stellen in den Raum zu stellen, das war der einfache Teil. 200 Drucker rauszuschmeissen, nun ja, da muss wenigstens nicht selektioniert werden. Sondern einfach alle müssen weg.

Aber Familienväter, Ü-50-Jährige, welche Lebensplanung wird nun vom unfähigen Management von TX (oder Tamedia oder «Tages-Anzeiger») über den Haufen geworfen? Niemand weiss nichts Genaues. Gerüchte besagen, dass vielleicht im Verlauf des Oktobers das grosse Schlachten beginnen soll, aber eher in der zweiten Hälfte. Damit sich die Betroffenen dann so richtig auf die Feiertage freuen können.

Schon Koryphäen wie Mathias Müller von BlumencronVerkehrsmonitor») fiel mit geborgten Ideen auf die Schnauze. Laberte aber, wenn man ihn liess, von der neuen Digitalstrategie, so auf dem Niveau: «noch näher beim Leser».  Diese Worthülsen sind zurzeit verräumt, nun geht es um «Qualität». Ach, und «noch näher beim Leser».

In Wirklichkeit besteht aber die Tragödie darin: Weder Peppel-Schulz, noch Bärtschi, noch ein anderes Mitglied der GL oder gar des Verwaltungsrats hat auch nur die blasseste Idee, was man mit dem von Bigboss Pietro Supino wild zusammengekauften Tageszeitungsimperium eigentlich anstellen soll. Wozu es eigentlich noch Ableger in Bern und Basel braucht. Wozu es noch eine Sonntagszeitung braucht. Wieso es noch einen Ableger in der Romandie braucht.

Die bittere Wahrheit ist doch: an der Werdstrasse breitet sich langsam Verwesungsgeruch aus. Und der Aussenstehende wird den Verdacht nicht los, dass sich Supino mit solchen Flaschen umgibt, damit er nicht weiter auffällt. Denn im Vergleich zu einer Pasquale Bruderer, einer Peppel-Schulz, einem Bärtschi ist er doch geradezu ein visionärer Macher.

Es ist allerdings ein unwürdiges Ende, das der einst stolze «Tages-Anzeiger» nimmt. In seinen besten Zeiten war er eine ernstzunehmende Stimme mit Einfluss und Wirkung. Stiess er Themen an, beherrschte Diskurse, kam in seinen besten Momenten sogar an die NZZ heran.

Und jetzt? Würde man an der Eingangspforte zum Glashaus an der Werdstrasse ein Gedankenlesegerät aufstellen, wenn die motivierten, enthusiastischen, auf mehr Qualität brennenden Journalisten hineinströmen, man würde erbleichen und schamvoll Augen und Ohren schliessen.

Opferlämmer und Folterknechte. Leiter mit langer Leitung. Führungspersonal im gähnenden Vakuum der Ideenlosigkeit. Hektisches Holzen ohne Sinn und Verstand. Oder gar Plan. Wer erbarmt sich dieses Trümmerhaufens? Ringier? CH Media? Beide gesättigt und mit genug eigenen Problemen. NZZ? Kä Luscht. Ein ausländischer Investor? Schwierig, der Schweizer Markt ist klein und speziell.

Also gilt auch hier: der Letzte macht das Licht aus.

Tagi: Rücksturz in die Realität

Nach dem Highlight der SoZ wieder zurück in die Niederungen des Tagi.

Selbst dem «Blick», der SI oder anderen Klatschblättern ist das Nicht-Ereignis keine Zeile wert. Aber das Blatt der Auslotung von Tiefenbohrungen ist ganz aus dem Häuschen. «Besuch aus der Boulevardwelt», schreibt Pascal Unternährer verschämt, im untauglichen Versuch, sich von seiner eigenen Schreibe zu distanzieren.

Begleitet wird die Sosse von superscharfen Fotos des ehemaligen Models:

Diese qualitativ hochstehende Aufnahme wurde aus dem Instagram-Account von Heidi Klum kopiert. Dann zeigt Unternährer, was knallharter Recherchierjournalismus ist: «Ins Fischer’s Fritz gelangten die Feiernden am Sonntag per Schiff vom Bauschänzli aus, wie Augenzeugen berichten.» Augenzeugen, au weia.

Und dann hat offensichtlich ein «Leserreporter» noch diesen Schnappschuss beigetragen:

Darauf weist dezent die Fotobyline hin: «PD», das steht für Pressedienst, bedeutet gar nichts, bzw. dass es gratis verwendet werden kann. Und was man hier sieht? Dass man nichts sieht, ist doch auch eine starke Bildaussage. Aber damit ist der Rechercheur noch nicht am Ende seiner Kunst: «Einen Schwumm im Zürichsee haben sich die Gäste auch gegönnt – offenbar spontan, denn die Badekleider und -hosen mussten sie sich im Lokal ausleihen

Aber es fehlt noch die Abrundung, daher wird nochmals die Berichterstattung über den «Superstar Zendaya» rezykliert. Die gönnte sich nämlich nicht nur eine Glace in Zürich, sondern «tanzte dort sogar Hip-Hop».  Wahnsinn: «Zendaya, die völlig ungeschminkt unterwegs war, sei entspannt, offen und völlig frei von Starallüren gewesen, sagte die Glaceverkäuferin.» Da sieht man mal, was man alles rauskriegt, wenn man richtig recherchiert. Und auch hier darf das Beweisfoto – natürlich PD – nicht fehlen:

Zendaya! Hält! Eine Glace! In der Hand! Wow.

Aber damit ist zwar der Leser, aber Unternährer noch nicht am Ende. Denn «auch Justin Bieber (Mitte) und seine Frau Hailey gönnten sich am See eine Glace.» Der Beweis (PD; was sonst):

Allerdings ist sich ZACKBUM nicht sicher, ob der Schattenriss in der Mitte (und nicht etwa der links) Bieber sein könnte. Da hätte der knallharte Rechercheur vielleicht noch mit der Lupe nacharbeiten müssen.

Ach ja, dann fanden noch Wahlen in den neuen Bundesländern oder einfacher «in Ostdeutschland» statt. Da ist natürlich digitales Storytelling gefragt. Das geht dann so:

Für diejenigen, die das überlesen haben sollten, kommt dann noch eine eigene Rubrik:

Nun hat der Deutschland-Korrespondent Dominique Eigenmann auch nur zwei Hände, also werden einzelne Artikel hier rezykliert.

Was ist sonst noch so berichtenswert, aus nah und fern? Zum Beispiel das hier:

Ein Restaurant von und für Veganer. Extremes Randgruppenpublikum, nur 5 Prozent der Schweizer bekennen sich zu dieser ungesunden Mangelernährung. Aber gibt es wenigstens einen Anlass für diese Schleichwerbung? Nicht wirklich, wie man dort esse, «knapp fünf Jahre nach der Eröffnung», fragt sich Claudia Schmid, die sonst eher Spezialistin für Nutella ist. Und für schweineteure Lokale. Denn wer meint, etwas Früchte und Gemüse wären billig, täuscht sich: «Vier Gänge kosten 109, fünf Gänge 120 (unsere Wahl) und sechs Gänge 134 Franken

Darauf einen Schluck «spritzigen Cava» für läppische 14 Franken.

Bei solchen Gewaltsleistungen ist es verständlich, dass im Ressort «Schweiz» Erschöpfung herrscht.

Vier Artikelanrisse am 2. September 2024, und es handelt sich wohlgemerkt um eine Tageszeitung. Theoretisch, denn der jüngste Artikel ist vom 31. August, die anderen sind vom 30. August.

Die Videos «Die Jagd nach der schnellsten Frau der Welt» und «Dein knusprigster Su Börek» sind zwar auch nicht mehr taufrisch (2. und 27. August), aber enthalten immerhin Bewegtbilder.

Wenden wir wieder die Bärtschiskala der Peinlichkeit an und vergeben für das Gesamtprodukt eine solide 10. Ach, eher 11. Milde gemessen.

Der Nutella-Skandal

Tamedia lotet Tiefebenen der kulinarischen Kritik aus.

Redaktorin Claudia Schmid durfte auf Redaktionskosten was kosten. Daher probierte sie mit Mann und Kind «La Soupière» im Hotel Schweizerhof in Zürich aus. Wir lassen mal beiseite, was ein Kind, das auf Schnipo steht, in einem Luxusrestaurant zu suchen hat. Aber schön, wenn es auf Spesen mitessen darf.

Nun leidet der Gatte anscheinend unter einer Nussallergie, was natürlich bedauerlich ist. Nichtsdestotrotz bestellte er eine Schokoladentarte zum Dessert. Als Allergiker sollte er eigentlich wissen, dass solche Speisen meistens Spuren von Nüssen enthalten.

Allerdings wies ihn anscheinend der Kellner nicht auf diese Selbstverständlichkeit hin, trotz Nachfrage. Nun behauptet Schmid aber im Artikel, die Tarte bestünde «zum Grossteil aus Nutella». Das wäre nun ein kulinarischer Betriebsunfall erster Güte für ein Lokal dieses Niveaus.

Deshalb stimmt es natürlich auch nicht, wie eine Nachfrage ergibt:

«Unsere Patisserie verwendet grundsätzlich kein Nutella für unser Dessert.»

Schmid zeichnet sich bei dieser Restaurantkritik nicht nur durch eine banal-rustikale Beschreibung der Speisen aus («schön angerichtet ist der Salat») oder durch Unkenntnis von Champagnerpreisen. Wie sie allerdings auf die abwegige Idee kommt, ein Luxuslokal verwende die Frückstücksschmiere Nutella (besteht aus Zucker mit Zutaten von Palmöl, gerösteten Haselnüssen, Milchpulver, Kakao, Sojalecithin und Vanillin) für eine Tarte, ja das sei sogar der «Grossteil» dieses Desserts, das ist nun wahrlich verblüffend.

Aber immerhin, auf Anfrage griff sie zum Telefonhörer und redete ohne Punkt und Komma. Um das zusammenzufassen: in der Tarte habe es ihrer Meinung nach etwas Haselnussiges drin gehabt, sie habe den Begriff «Nutella» unwidersprochen gegenüber dem Restaurant verwendet, und sie sehe zudem nicht ein, wieso auf diesem Wort so herumgeritten werde, da gäbe es doch wirklich Wichtigeres.

ZACKBUM will aber für einmal dem journalistischen Brauch frönen und aus einem Haselnussspurenelement einen Nutella-Skandal machen.

Dass ein Allergiker etwas Schokoladiges bestellt, ist sein Fehler. Dass der Kellner auf Nachfrage nicht darauf hinweist, dass solche Nachspeisen immer Spuren von Nüssen enthalten können, ist sein Fehler. Dass Schmid behauptet, das Dessert habe «zum Grossteil aus Nutella» bestanden, ist ihr grober Fehler.

Es gibt Wichtigeres, das stimmt. Naher Osten, Ukraine, Trump, Putin, die Welt. Aber es gibt nichts Wichtigeres als Genauigkeit, die Beherrschung des Handwerks und das Einhalten eines gewissen Niveaus, auch bei einer Restaurantkritik.

Was aber wie immer herausragend ist: die völlige Abwesenheit auch nur von Spurenelementen einer Selbstkritik oder Einsicht in einen begangenen Fehler. Stattdessen Rabulistik und «Irritation» wegen einer solchen Kritik.

Angefressen

Claudia Schmid von Tamedia leistet sich was.

Zu den wenigen Genüssen im Elendsjournalismus gehört, dass man gelegentlich auf Redaktionsspesen was futtern darf. Wenn das Ergebnis lautet «Ein gediegener, aber teurer Abend mit einigen Malheurs», dann ist da offenbar einiges schiefgelaufen.

Man fragt sich allerdings, bei wem. Denn Schmid durfte mit Gatten und Kind (Kind in einem Luxusrestaurant? Grossartig) «La Soupière» im Hotel Schweizerhof in Zürich ausprobieren. Das scheint nicht ganz ihr gewohntes Preisniveau zu sein, denn sie wundert sich einleitend, dass ein Glas Rosé-Champagner 23 Fränkli kostet. Als hätte es nicht billigere Alternativen dazu gegeben.

Obwohl’s doch Tamedia zahlt, wird schon mal gemeckert: «Aber der Gedanke, dass wir mit leerem Bauch schon 50 Franken los sind, ist bemerkenswert.» Der Gedanke, dass ein Apero meistens auf leeren Magen genossen wird, scheint der Restaurantkritikerin nicht gekommen zu sein. Auch dass ein Perrier-Jouet Rosé unter Brüdern 70 Franken die Flasche kostet, im «Schweizerhof» kundenfreundlich nur das Doppelte (normalerweise wird mit Faktor 3,5 kalkuliert), das sind Feinheiten der Gastronomie, die Schmid völlig entgehen.

Dann wird gelobt («schöner kulinarischer Auftakt»), leicht gemeckert (das Schnitzel für kostengünstige 29 Franken von der «Kids-Karte» kam mit gedämpften Kartoffeln statt mit Pommes frites), wieder gelobt («vielschichtige Suppe, schön angerichtet ist der Salat»). Was für ein Feuerwerk gewählter kulinarischer Fachsprache.

Dann enttäuscht der Zander, «ein Stückchen Filet, das in wenigen Bissen weg ist. Das Kartoffelpüree dazu ist trocken». Dann wird wieder gelobt und gemeckert zugleich: «Dafür ist das Filet beim Züri-Gschnätzlets (62 Fr.) wunderbar weich, die Sauce sämig und die Rösti nicht zu fettig und knusprig. Mittlerweile sitzt eine amerikanische Gruppe nebenan, die lautstark ebenfalls «Zuurigöschnatzöltes» bestellt

Mag sein, dass die Amis bei der Aussprache Mühe haben. Aber eine Restaurant-Kritikerin, die behauptet, fürs Züri Geschnätzlets werde Filet verwendet? Die hat nun wirklich keinen Hauch einer Ahnung.

Inwiefern andere Gäste etwas über die Qualität des Gebotenen aussagen, bleibt zudem schleierhaft. Aber dann Höhe- und Tiefpunkt zugleich: «Als Nachspeise erblickt der Familienvater auf dem Dessertwagen eine Schokoladentarte (13 Fr.)». Aber der Familienvater hat eine «starke Haselnussallergie» und fragt daher, ob das Küchlein solche enthalte. Der Kellner verneint. Dann das Malheur: das Dessert bestehe «zum Grossteil aus Nutella». Wie das allerdings Schmid herausfand, bleibt ihr süsses Geheimnis.

Auch über die gesundheitlichen Auswirkungen schweigt der Kritikerin Höflichkeit, dabei wäre es hier doch angemessen gewesen, die Frage in den Raum zu stellen, ob eine Schokoladentarte wirklich aus Nutella bestehen darf. Natürlich nicht, aber vielleicht ist das zu sehr gehobene Gastronomie für Schmid.

Denn eine klassische Tarte besteht nur aus Zartbitterschokolade, Butter, Eier, Zucker und Mehl. Sollte in «La Soupière» tatsächlich das Dessert so angekündigt worden sein und Nutella enthalten, dann wäre das wirklich ein Grund, loszuprügeln. Aber das ist Schmid entgangen.

Sie vergisst dann nicht zu erwähnen, dass Tamedia um 300 Franken ärmer geworden sei, sich die Hoteldirektion nach telefonischer Meldung des Nutella-Unfalls schriftlich entschuldigte. Aber sie muss nachtreten: «Warum La Soupière auf Tripadvisor so hoch bewertet ist, wird nach diesem Besuch nicht klar.»

Noch weniger klar ist, wieso eine offensichtlich jeglicher Befähigung zu einer kulinarischen Kritik abholde Esserin, die mit Mann (Allergiker) und Kind (Schnipo-Fan) ein Luxuslokal aufsucht, sich zum Anfang samt Familienvater zwei Rosé-Champagner reinpfeift, um dann in rustikalen Worten («schön angerichteter Salat, Filet wunderbar weich») das Dargebotene zu beckmessern, meint, dass eine solche Watsche etwas mit Qualitätsjournalismus zu tun habe.

Sie weiss nicht, woraus eine Tarte besteht, sie weiss nicht, welches Fleisch für ein Geschnätzlets verwendet wird, und sie weiss nicht, was ein Rosé-Champagner einer Prestigemarke kostet.

Wahrscheinlich war der Guide Michelin in einem anderen Restaurant zu Gast, der von der «stilvollen Einrichtung» schwärmt, dem «geschulten Service» und der «modern umgesetzten klassisch-französischen Küche». Wozu nun weder ein Schnipo (mit oder ohne Pommes frites) oder gar ein Züri Geschnätzlets gehören.

Dass man zu dritt in einem Luxuslokal 300 Franken ausgibt, kann als eher kostengünstig eingestuft werden. Dafür ein Kind mitzuschleppen, gehört eigentlich zu den kulinarischen Todsünden (aber he, wenn Papi Tamedia zahlt). Und den einzig wahren Faux-pas nicht zu bemerken, dass eine Schokotarte sicherlich nicht aus Nutella bestehen darf, das disqualifiziert endgültig.

Eigentlich sollte «La Soupière» Schadenersatz für eine unqualifizierte Schmähkritik verlangen. Aber dafür ist man sicher zu stilvoll.

 

Journalismus von Fall zu Fall

Tamedia widmet sich dem Ausloten von Tiefen.

Alles auf einmal. Da porträtiert Jacqueline Büchi den fehlgestarteten CEO von CH Media. «Transparenzhinweis: Die Autorin hat von 2017 bis 2018 bei «Watson» gearbeitet, das heute zu CH Media gehört.» Was heisst da heute? Das Millionengrab ist einer der vielen Beweise, dass der Wannerclan völlig beratungsresistent ist, wenn es um die Korrektur eigener Fehler geht.

Wieso aber Tamedia ein üppig bebildertes, liebedienerisches Porträt zur Machtübernahme der nächsten Generation schreiben muss? «… blickt er erstaunlich frisch hinter der silbern gerahmten Brille hervor … Das Geschäft ist deutlich härter geworden … Aber die Strategie, im Bereich der elektronischen Medien ein zweites Standbein aufzubauen, war richtig.»

Der «Medienjournalist» Nick Lüthi darf auch noch seinen Senf dazu geben. Eine berufene Quelle, denn Lüthi hat schon vor einer Weile seine «Medienwoche» gekillt, wegen anhaltender Erfolglosigkeit. Es gäbe da noch einen aktiven «Medienjournalisten», aber den mag Büchi wohl nicht besonders, weil sich ZACKBUM schon einige Male kritisch zum kreischigen Schaffen der Dame äusserte.

Hier aber kommt sie auf Samtpfoten daher; der Abgang von Axel Wüstmann, der krachend gescheiterte Expansionskurs, das Fehlen einer zukunftsträchtigen Strategie – kein Thema. Ist halt blöd, wenn Tamedia (83 abgebaute Stellen) über CH Media (140) schreibt. Der Blinde über den Lahmen.

Passend zum Lobhudel über das neue Savoy-Hotel in Zürich (schlappe 1200 Franken pro Nacht, beliebig nach oben steigerbar) kommt nun «Restaurant Widder: Sterneküche in 90 Minuten». Wundersam, was passiert, wenn Claudia Schmid auf Spesen essen darf. Da wird ein hübsches Dreigang-Menü am Mittag im Luxusrestaurant Widder («es lohnt sich, für nächstes Jahr schon jetzt zu reservieren») sprachlich etwas holprig in den Himmel gelobt: «Mit Perigord-Trüffel und wildem Broccoli verbinden sich die Säure des Yuzu und die erdig-nussigen Akzente der Trüffel zu einer unerwarteten Vollkommenheit.»

Diese unerwartete Vollkommenheit kostet läppische 160 Franken. Ein Schnäppchen, denn am Abend schlägt das 5-Gang-Menü («ohne Getränke» notabene) mit 295 Franken auf den Magen. Man gönnt sich ja sonst nix, und besser als in der Tagi-Kantine ist’s alleweil (ausser, man darf mit Big Boss Pietro Supino auf der Empore tafeln und auf die Plebs hinunterschauen).

Den absoluten Nullpunkt erreicht Tamedia aber mit dem Interview mit Michael Krogerus. Das läuft schon mal unter der Rubrik «Journalisten interviewen Journalisten», wobei hier noch erschwerend dazukommt, dass Krogerus Redaktor beim «Magazin» ist. Der darf hier – einfühlsam bis schleimig befragt von Sarah Rickli – ungehemmt und ungeniert Werbung für sein neues Buch machen. Das kostet für schlappe 132 Seiten lüpfige 32 Franken – und beinhaltet nicht mehr als einen Rehash von längst veröffentlichten Kolumnen. Also genau das, was der Mensch unter dem Weihnachtsbaum braucht, will er sich kräftig ärgern.

Der Inhalt des Interviews ist völlig nichtssägend. Wichtiger ist jedoch, worüber nichts gesagt wird. Die Mutter seiner Kinder kommt – obwohl sich Krogerius als Feminist bezeichnet – nicht mal in einem Nebensatz vor. Seine Lebensgefährtin, die Krampffeministin Katharina Schutzbach, auch nicht. Die Tatsache, dass der Mann, dem Frauenrechte so wichtig sind, bis heute feige schweigt, was die Anschuldigungen von Anuschka Roshani betrifft, deren Ohren- und Augenzeuge er war, ebenfalls nicht.

Die Indizien mehren sich, dass bei Tamedia ungehemmt eine allgemeine Verluderung der Sitten stattfindet. Die einzige Chance, den Niedergang der Einnahmen aufzuhalten, bestünde darin, hier einen radikalen Kurswechsel vorzunehmen. Kein «Journalisten schreiben über Journalisten»-Gelaber mehr. Keine Gefälligkeitsinterviews zwecks Promoten eines Buchs eines Kollegen mehr. Keine absurden Hotel-, Auto- und Esstipps mehr. Weder von Luxusrestaurants, noch in Form von bescheuerten Ratgebern, wie das Weihnachtsmahl gelänge.

Weniger Bauchnabel, mehr Weltsicht, und zwar nicht nur aus München. Geistige Nahrung und Anregung, statt Plattitüden und Geholpertem. Nur: wie sollte das mit diesem Personal gelingen?