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Wumms: Roger Köppel

Der Chef schreibt über sich selbst. Nur merkt er es nicht.

Der religiös gefestigte Chefredaktor, Verleger, Besitzer und Herausgeber der «Weltwoche» hat mal wieder sein Privileg ausgenützt, dass er in seinem Blatt über alles so wie er will, so langfädig er will und so inkohärent wie er will schreiben kann. Denn wer sollte ihm das verbieten wollen?

Also hebt er in seinem neusten Editorial, das man besser «da geht’s lang» nennen sollte, an:

Das ist Latein und stammt ursprünglich von Cicero, der vor dem Machtanspruch von Marcus Antonius warnte. Eigentlich sagte Cicero «Hannibal ad portas». Aber Roger Köppel hat leider weder das grosse, noch das kleine Latinum, und sein Bildungsrucksack ist trotz immenser Belesenheit aktueller Bücher nicht wohlgefüllt.

Aber macht ja nichts; Trump kennt auch nur Hannibal Lecter, von dem er manchmal zusammenhangslos faselt, und Köppel will ja wohl nicht vor Trump (alias Hannibal, alias Marcus Antonius) warnen.

Zur weiteren Verwirrung trägt Köppel bei, indem er nach diesem schrägen Titel die Rückkehr Napoleons aus dem Exil auf der Insel Elba im Jahr 1815 nacherzählt.

Würde sich das jemand in der WeWo trauen, müsste er also dem Vorschreiber spätestens hier sagen: setzen, ungenügend, nochmal, aber bitte mit Logik und Sinn.

Nun dienen diese historischen Verrenkungen Köppel dazu, die Wetterwendigkeit der Medien zu beklagen, die schon beim Triumphzug Napoleons auf Paris zuerst vor Napoleon warnten, ihn dann aber warmherzig begrüssten.

Schlussfolgerung: «Ähnlich scheint es sich nun mit der Wiedergeburt des amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump vom absoluten Paria zur Gestalt eines Märtyrers zu verhalten.»

Um die schrägen historischen Vergleiche zu Ende zu erzählen: die triumphale Rückkehr Napoleons zur Macht endete mit einer krachenden militärischen Niederlage bereits nach 100 Tagen. Und das war dann wirklich das Ende.

Aber Köppel wollte ja nur gelahrte historische Schnipsel verstreuen. Ist immer gut – wenn man’s kann. Wenn man’s nicht kann, ist’s blöd.

Dann konstatiert Köppel, dass nach dem Attentat auf Trump in den Medien ein gewisser Wandel in der Berichterstattung stattgefunden habe. Und fragt keck: «Haben wir es auch hier, wie bei Napoleon, mit einer dramatischen Ent-Monsterung zu tun

Schräge Wörter verraten häufig schräge Gedanken, dafür ist «Ent-Monsterung» ein gutes Beispiel. Das benützt Köppel als Sprungbrett, um in den vom ihm geliebten Gestus des Elder Statesman zu verfallen, der über dem Geschrei und Gemenge thront und weise einordnet:

«Trump war wohl nie so schrecklich und schlimm, wie ihn seine Kritiker aus dem Stegreif pinselten. Handkehrum dürfte auch die Erkenntnis stark übertrieben sein, die Schüsse seines Attentäters hätten Trump zum Märtyrer, zur säkularen Heilsfigur geläutert.»

Hier wird’s nun wirklich lustig. Köppel pinselte Trump tatsächlich nie als schlimm, aber sein letztes frömmlerisches Editorial unter dem Titel «Der Auferstandene» mit deutlichem historischem Bezug auf einen anderen angeblich Auferstandenen roch streng nach Verklärung. Ein typischer Fall von: was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an.

Das lautete so: «staatsmännische Würde … eine Art Wiedergeburt. Zum Guten? … bewährte sich als Held … reckte er, nicht zu bändigen, in unbesiegter Kämpferpose seine kraftvoll geballte Faust empor … eigenes Heldengemälde in Echtzeit … eine Schicksalsfügung Gottes … Das gottlose, heuchlerische Frömmlertum sah in Trump den Teufel …»

Daraus schliesst der scharfe Denker dann: «Als Zuschauer lernen wir: Glaube nichts, bezweifle alles.» Auch das ist wieder richtig lustig. Denn Köppel sieht sich überhaupt nicht als Zuschauer, sondern sass mit stolzgeschwellter Brust auf dem Schoss Orbáns, als der seine Friedensmissionshow abzog. Da ihn Orbán dann nicht nach Peking mitnahm, benützte Köppel die Gelegenheit für ein paar Jubelartikel über das blitzsaubere Moskau mit seinen wohlgefüllten Regalen in den Kaufhäusern.

Aber zurück zu seiner Medienschelte: «Je schriller, je giftiger – oder jubelnder –, je emotionaler jedenfalls der Ton, desto härter erfolgt irgendwann der Aufprall auf die Wirklichkeit. Auch die Konjunktur der Kommentare kennt den «irrationalen Überschwang». Recht oft sogar kommt er vor.»

Diese Watsche reicht ihm noch nicht. Denn wer mit schrägen historischen Vergleichen anfängt, muss auch mit solchen aufhören: «So gesehen, haben wir dieser Tage tatsächlich eine biblisch anmutende Transformation erlebt, ein kollektives Damaskus-Erlebnis der Kollegen. Mit den Schüssen von Butler zerstoben ihre Fiktionen.»

Ähm. Als Damaskuserlebnis bezeichnet man die angebliche Begegnung von Paulus mit dem wiederauferstandenen Jesus, der ihn vom Verfolger der Christen zum Apostel des Christentums veränderte. Haben also die «Kollegen» in Trump – vielleicht wie Köppel – den Wiederauferstandenen erblickt? Und welche Fiktionen über den Mann mit der merkwürdigen Frisur sollen dabei «zerstoben» sein?

So holperig der historische Einstieg, so verstolpert der Ausstieg.

Aber der wirkliche Brüller bei diesem Text von Köppel ist: eigentlich schreibt er über sich selbst. Aber ohne das zu merken.

Die NZZ knabbert an den Fingernägeln

Denn die Lage ist ernst. Wirklich wahr.

Gleich zwei grosse Köpfe machen sich tiefschürfende Gedanken, und das an einem harmlosen Montag und noch bevor sich der Heilige Geist ergiesst.

Da hätten wir Joseph de Weck. Der Sohn von Roger de Weck arbeitet bei einem Beratungsunternehmen, daher fühlt er sich bemüssigt, auch die NZZ-Leser zu beraten. Eigentlich ist der (dünne) Inhalt seiner Beratung schon in Titel und Lead vollständig wiedergegeben:

Es gäbe da zwei «eherne Regeln der Geschichte», behauptet de Weck: «Kein grosser Krieg ohne grosse Schulden und ohne Schulden keine Freiheit». Das habe schon Cicero gewusst, und dann muss es ja wohl stimmen.

Nach etwas einleitendem Geplänkel kommt de Weck zur Sache: «Europa muss noch mehr Verantwortung für die Ukraine übernehmen und in die eigene Rüstungsindustrie investieren.» Das untermauert er mit ein paar Taschenspielertricks: «Die Europäer können sich das leisten. Für die EU insgesamt lag das Staatsdefizit 2023 bei 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung im Vergleich zu 7 Prozent in den USA. Auch der Schuldenstand der EU-Europäer (81,7 Prozent) liegt merklich tiefer als derjenige der Amerikaner (99 Prozent).»

Was er nicht schreibt: damit reisst Europa die selbstgesetzten Grenzen von maximal 60 Prozent Verschuldung und 3 Prozent Budgetdefizit. Ausserdem nimmt er die (niedrigere) Zahl der EU-27, der Schuldenstand der «EU-Europäer» in der Eurozone liegt in Wirklichkeit bei 88,6 Prozent, das Schwergewicht Frankreich stemmt 111 Prozent, Italien 137, Griechenland gar 162 Prozent. Desaströse Zahlen.

Aber das ist Pipifax im Vergleich zum fundamentalen Denkfehler de Wecks. Zum einen führen Kriege tatsächlich zu Schulden. Aber genauso führen Schulden auch zu Kriegen, wie nicht zuletzt der Zweite Weltkrieg beweist. Absurd ist auch die Behauptung, ohne Schulden gebe es keine Freiheit. Das würde ja bedeuten, dass je schuldenfreier ein Land sei, desto unfreier. Auch hier muss man sich wieder fragen, wo die Qualitätskontrolle der NZZ bleibt. Oder ist blühenden Unsinn publizieren inzwischen Bestandteil des Geschäftsmodells?

Dann gibt es noch einen zweiten tiefen Flachdenker:

ZACKBUM hat Georg Häsler schon mehrfach als Sandkastenschreibtischgeneral verspottet, als einfältigsten und kältesten aller kalten Krieger. Aber leider hört auch hier die NZZ zu wenig hin. Auch in seinem neusten Werk läuft er zu Tiefstformen auf: «Die Ächtung des Krieges als Fortsetzung der Politik ist spätestens seit der Annexion der Krim und den Kämpfen in der Ostukraine infrage gestellt.» Offenbar ist es Häslers Aufmerksamkeit entgangen, dass seit 1945 alleine die USA ein rundes Dutzend Kriege vom Zaun brachen (die unzähligen Einmischungen in innere Angelegenheiten anderer Länder gar nicht mitgezählt), so weit ist es mit der angeblichen «Ächtung» her.

Dann fantasiert Häsler haltlos weiter: «Der Westen kämpft im Jahr drei der russischen Invasion mit einer fatigue de guerre – ganz besonders in den USA. Die Ukraine-Lageberichte sind praktisch aus den News verschwunden.» Stattdessen dominierten zum Beispiel die «verbalen Exzesse der Studierenden an der Columbia University». Faktenfreier BlödsinnIm vergangenen Monat ergibt die Suche nach dem Stichwort Ukraine rund 12’000 Treffer in Medienarchiv SMD. Beim Stichwort «Columbia University» sind es – schlappe 555.

Genauso faktenfrei ist die nächste Behauptung von Kriegsgurgel Häsler: «Gleichzeitig hat der Kreml im vergangenen Jahr auf Kriegswirtschaft umgestellt. Allerdings nicht, um die Truppen in der Ukraine zu versorgen, sondern um eine zweite Offensive vorzubereiten, womöglich gegen ein osteuropäisches Nato-Land.»

Entweder hat der kalte Krieger ein Hörrohr in die innersten Entscheidungszirkel des Kreml – oder er fantasiert haltlos.

Zum Schluss seines famosen Streifzugs durch die Weiten des wilden Geschwafels kommt Häsler dann noch zu einer überraschenden Schlusspointe: «An der amerikanischen Bereitschaft, auch weiter für die Freiheit einzustehen, besteht kein Grund zu zweifeln. Vielleicht zeigte eine Regierung unter Trump sogar noch mehr Zähne als das Biden-Team

Wo sind denn die USA genau seit dem Zweiten Weltkrieg für die Freiheit eingestanden? In Vietnam? In Nicaragua? In Panama? Im Irak? In Libyen? Und Amok Trump, der schon mehrfach klargestellt hat, dass er am liebsten aus der NATO austreten möchte und europäische Länder ihrem Schicksal überlassen (was er dann jeweils ohne Rücksicht auf Widersprüche teilweise wieder eingefangen hat), ausgerechnet ein möglicher Präsident, der sich mehr um seine Prozesse als um den Ukrainekrieg kümmern würde, ausgerechnet der zeige «vielleicht mehr Zähne»? Oder meint Häsler damit einfach das tadellos-weisse Gebiss, das aus dem gelblich geschminkten Gesicht hervorblitzt?

Die NZZ leistet sich hier einen Doppelschlag der wirklichkeitsfremden Wunschdenke, eines faktenfreien Thesenjournalismus, schlimmer als in der «Republik». Ist Eric Gujer in den Ferien, oder ist das einfach ein Schwächeanfall? Der Leser ist besorgt bis beunruhigt.

NZZ: Es darf gelacht werden

Das Blatt verliert Mass und Mitte und macht sich lächerlich.

Ob die von allen einmal angehimmelte Greta Thunberg, die grosse Ikone der Klimabewegung, gut beraten war, sich in den Nahost-Konflikt einzumischen («Stand with Gaza») ist tatsächlich eine berechtigte Frage.

Dass «Fridays for Future International» ihr Kernthema verlässt und gerne scharfe Israelkritik äussert, ist auch bedenklich. Ob das schon antisemitismuskeulenwürdig sei, ist die Frage. Entsprechende Posts haben sicherlich Anklänge an Verschwörungstheorien und sind etwas wirr: «The western media is capitalizing the sh*t out of the ongoing genOzide in gaza

Nun greift Alexander Kissler, Redaktor der NZZ in Berlin, zum verbalen Zweihänder; damit inzwischen in bester Tradition seines Blatts. Er fordert die führende deutsche Klimaaktivistin ultimativ auf: «Luisa Neubauer muss sich im Namen ihrer deutschen Mitstreiter von der Dachorganisation lossagen.»

Denn: ««Fridays for Future International» ist eine linksextremistische Organisation geworden, die den Klimaschutz als Hebel benutzt, um gegen den Westen, gegen die Marktwirtschaft und gegen Israel hetzen zu können. Da genügt es nicht, wenn sich die deutsche Organisation in ermüdender Vorhersehbarkeit abgrenzt.»

Vielleicht sollte Kissler erst mal sich selbst gegen eigene frühere Aussagen abgrenzen. So schrieb er 2014 in der Politpostille «Cicero»: «Die Kommentatoren sind sich einig: Sibylle Lewitscharoff habe in Dresden eine menschenverachtende Polemik gehalten. Nein, es war eine poetische Rede nach allen Regeln der Kunst.»

In dieser «poetischen Rede» geriet die inzwischen verstorbene Lewitscharoff völlig von der Rolle, wird aber von Kissler zustimmend zitiert: «Horror sah sie bei den „Methoden, auf künstlichen Wegen eine Schwangerschaft zustande zu bringen“, ja „abscheulich“ seien diese. Weil ihre Abscheu in solchen Fällen größer sei als ihre Vernunft, nannte sie Menschen, die auf solche Weise im Labor entstanden sind, „zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas“ ». Das habe sie dann später zurückgezogen, kommentiert Kissler fast bedauernd.

Dass sich die irrlichternde Dame auch für ein «Onanieverbot» ausgesprochen hatte, das waren alles Mosaiksteine, um diese Rede als geistige Entgleisung zu verurteilen, nicht als «allen Regeln der Kunst» entsprechend zu lobhudeln. Auch den absurden Prunk des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz, der zu dessen Entbindung von seiner Position führte, interpretierte Kissler als «Hatz auf Tebartz», die obszönen Kosten eines von Tebartz errichteten sakralen Baus war für Kissler lediglich eine «Provinzposse».

Und so jemand fordert nun von Neubauer ultimativ nicht nur klare Worte, sondern auch eine Abspaltung des deutschen Ablegers von «Fridays for Future International». Auch zu Thunberg selbst findet Kissler klare Worte: «Thunbergs fahrlässige Identifikation mit der «Free Palestine»-Bewegung, auf einem von ihr geteilten Foto zudem unter Verwendung einer als antisemitisch deutbaren Krake, lässt die Bewegung implodieren.»

Antisemitisch deutbare Krake? Der Mann hat doch – mit Verlaub – einen an der Waffel. Um in seinem altestamentarischen Duktus zu bleiben: er sieht den Splitter im Auge des anderen, aber den Balken im eigenen nicht. Dabei müsste er sich doch nur an seinen eigenen Satz gegen Schluss dieses masslosen Sirachens halten: «Jeder Diskurs ist immer so gut wie die Menge an begründeten Gegenmeinungen, die er einbindet

Gute Formulierung. Messen wir sein Geschreibsel daran. Begründete Gegenmeinungen in seinem Diskurs? Null. Wert: null. Eigentlich unter null. Denn er polemisiert nicht nur, sondern versteigt sich zu harschen Befehlen, was andere tun und lassen sollte.

So weit würde ZACKBUM nie gehen. Aber sagen wir mal so: die NZZ wäre gut beraten, solche kreischigen Kommentatoren mit dubioser Vergangenheit etwas zurückzubinden. Sie muss sich ja nicht gleich von ihnen distanzieren …