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«Weltwoche» eiert

In den Seilen hängend, wuschig, schlecht gelaunt.

So kann’s gehen. In der heilen Werbewelt preist sich die «Weltwoche» als «unabhängig, kritisch, gut gelaunt» an. Dabei greift sie in die Harfe: «Oberstes Ziel der Weltwoche bleibt es, die Intelligenz ihrer Leserinnen und Leser anzusprechen mit möglichst brillant geschriebenen Artikeln.»

So viel zur Theorie. Die die WeWo durchaus immer wieder und häufiger als die Mainstream-Medien einlöst. Ausser, es geht um Russland. Oder China. Oder das Christentum. Oder Sanija Ameti.

Angesichts eher beschränkten Platzes ist auch Auswahl und Gewichtung ein Thema. Da gibt es aktuell wichtige und unwichtige Ereignisse. Ein wichtiges ist zum Beispiel, dass der russische Präsident Putin die mögliche Lieferung von Mittelstreckenraketen an die Ukraine als direkte Kriegshandlung der NATO gegen sein Land bezeichnet.

Und selbst die Kriegsgurgeln von der «Süddeutschen Zeitung» einen Moment innehalten, ob eine solche Eskalation eine gute Idee wäre oder uns einem Atomkrieg einen guten Schritt näher brächte.

Wenn aber die Titelstory lautet «Free Sanija Ameti» und von Daniel Ryser geschrieben wird, dann ist ein seltener Tiefpunkt höheren Schwachsinns erreicht. Wäre das Cover der aktuellen Ausgabe eine Referenz an «Titanic», das grossartige Satiremagazin, könnte man es noch knapp goutieren. Aber ein Wendehals, der wegen unmöglichen Verhaltens gefeuert wurde, schreibt über eine dummdreiste Provokateurin, die wegen unmöglichen Verhaltens gefeuert wurde? In einem Organ, das er noch kurz zuvor als Hort von Verschwörungstheoretikern, angeführt von einem Jünger Bannons, beschimpfte?

Und ist jemand, der für eine sich in aller herrlichen Freiheit befindende Person «Befreiung» fordert, noch ganz dicht? Ist ein Organ ganz dicht, das das zur Titelgeschichte macht? Damit insinuiert, Ameti sitze im Knast, sei politische Gefangene, müsse befreit werden, so à la Julian Assange? Wie bescheuert ist das denn?

Nebenbei: «Swatch ist unterbewertet», das zeugt wieder einmal von der grossen Wirtschaftskompetenz des Blatts. Sollte eigentlich schadenersatzpflichtig sein, so ein Unsinn.

Da ist das Wort Realsatire zu schwach dafür. Und abgesehen davon: seit dieser Swiss Miniature erschütternde Skandal ausbrach, also seit knapp einer Woche, hat die WeWo sagenhafte 18 Artikel auf dieses Null-Thema verbraten. Dabei hat sie eine Pirouette gedreht, bei der sie auf allzu dünnem Eis einbrach. Zuerst durften Christoph Mörgeli und Philipp Gut zubeissen. Dann bekamen sie einen Maulkorb, und Roger Köppel himself forderte «Gerechtigkeit für Sanija Ameti», obwohl er sich in seinen religiösen Gefühlen durchaus verletzt sah.

Dann griffen alle engelsgleich in die Harfe. Ein selten sanfter Mörgeli forderte «Milde» ein. Köppel gar «Gerechtigkeit». Alex Baur sprach sich gegen Männerfantasien aus: «Finger weg von Ameti».

Und dann die nächste Volte: «Opfer Ameti? Nach der Empörung nehmen die Medien Sanija Ameti allmählich wieder in Schutz. Bei allem Verständnis sollte man nicht vergessen, dass sie symbolisch auf das Fundament unserer Werte geschossen – und die Affäre selbst losgetreten hat».

Ist halt schon blöd, wenn man aus Prinzip immer gegen den Strom schwimmen will – und der Strom ständig seine Richtung ändert. Sie habe das alles selber losgetreten, schimpft Hubert Mooser, ganz ohne Milde oder christliche Nächstenliebe.

Ist das ein Thema, das der WeWo-Leser dermassen ausführlich ventiliert sehen möchte? Als Titelgeschichte? Aufregung um ein Politik-Pin-up-Girl? Die Berichterstattung über dies Bachelorette der Politik zieht sich selbst auf ihr Niveau herab.

Dagegen kann man nichts machen. Das widerfährt Kritikern, Bewunderern, Fans, Verteidigern und der überwältigenden Mehrheit, die überzeugt ist, dass der Primitiv-Provokateurin recht geschah. Die jetzt noch ihre letzte Karte ausspielt: das Drücken auf die Tränendrüse, die Mitleidsnummer. Frau mit Migrationshintergrund, gelegentlich Muslima, lasziv, posierend, immer eine vorbereitete Rempelei auf Lager. Aber sonst nichts. Und nun gehe es ihr ganz schlecht, wisse sie nicht, wie lange sie das noch aushalte. Und dann?

Aktion und Reaktion sind inzwischen gleichermassen widerlich geworden. Daher stellt ZACKBUM hiermit die Berichterstattung über dieses Sumpfgebiet ein. Und befreit sich selbst von Ameti, Rysers und allen anderem Gesocks.

Bock zum Bock gemacht

«Weltwoche» spinnt: Kampffeminist Ryser verteidigt Ameti.

Der Mann darf sich auf keiner linken Redaktion mehr blicken lassen. Wenn Daniel Ryser nicht ein Rückgrat aus Gummi und den Ehrbegriff eines Strassenköters hätte, dürfte er sich bei den von ihm noch im Solde der «Republik» bösartig denunzierten «Infokriegern» auch nicht blicken lassen.

Aber Roger Köppel hat nicht immer ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Mitarbeiter. Kenneth Angst, Tom Kummer, Daniel Ryser, die Liste ist nicht kurz.

Dass die «Weltwoche» vom Ameti-Bashing zu «wir sind dagegen» umschwenkt, war so vorhersehbar wie der Furz nach der Zwiebel.

Leider scheint der in die Hose gegangene Provokations-Stunt einer offensichtlich dummen Frau bei der «Weltwoche» kollektive Hirnstarre ausgelöst zu haben. So ausser Rand und Band war das Blatt schon lange nicht mehr. Obwohl natürlich immer mehr sich hinter dem Chefredaktor einreihen und Ameti-Kritiker wie Philipp Gutdie Operation Libero hält an ihrem durchgeknallten Aushängeschild fest») und Christoph MörgeliAngesichts verschiedenster islamistischer Morde und Mordversuchen …») kurzfristig ein Schweigegelöbnis ablegen. Oder sie legen sich rasant in die Kurve und plädieren plötzlich «für Milde». His master’s voice, das gilt auch für Mörgeli.

Alex Baur versteht nicht den Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Haftungsfreiheit. Ameti konnte sich völlig unzensiert öffentlich zum Deppen machen. Sie konnte ihre primitive Provokation posten, sie konnte sie löschen, sie konnte ihre völlig verunglückte Entschuldigung hinterherschreiben, sie konnte sich nochmals weinerlich entschuldigen, nachdem sie gemerkt hatte, dass das Publikum ihre erste Verarsche («Auf den Inhalt der Bilder habe ich nicht geachtet») nicht goutiert hatte.

Köppel neigt schon seit einiger Zeit zum Frömmlertum, hier übertrifft er sich aber selbst: «Möglicherweise hat Ameti durch ihr Luftpistolentraining gegen Jesus und die Jungfrau Maria die selbstzerstörerischen Übertreibungen zur Kenntlichkeit entstellt, mit denen wir unser christliches Erbe in den letzten Jahren beschleunigt zugrunde reiten.» das ist nun mal ein hochtrabender Schwachsinn, wie man ihn nicht alle Tage liest.

Das kann der Mann in seinem Editorial allerdings noch steigern: «Ein neues Frömmlertum, ein religiöser Fanatismus scheinen die Schweiz elektrisch unter Strom zu setzen, und die Ameti-Kritiker schichten munter einen Scheiterhaufen nach dem andern auf. Offenbar hat die Junge SVP schon Strafanzeige eingereicht. Will man sie auch hinter Gitter bringen? Im alten Zürich unter Zwingli hätte man Ameti in der Limmat versenkt.»

Scheiterhaufen, Hexenjagd, Ersäufen, Existenzvernichtung? Wieso verrutschen all diesen Dampfschreibern ständig die Massstäbe, kennen sie keine Mässigung, Einbettung?

Es mag ja Zeitgenossen geben, die sich durch Ameti in ihrem religiösen Empfinden beleidigt fühlen. Aber die Mehrheit  ist verstimmt, weil die Provokation so durchschaubar-absichtlich war, die Entschuldigung so triefend vor Arroganz und verlogen. Erst mit ihrer absurden Behauptung, sie habe gar nicht gewusst, worauf sie da schiesst, obwohl sie das zuvor als Nahaufnahme gepostet hatte, trat sie den Shitstorm los.

Wenn etwas noch widerlicher ist als eine hirnlose Provokation, dann der Text des Berufsheuchlers und Wendehalses Ryser. Hoffentlich hat er nicht versucht, mit Ameti per SMS in Kontakt zu treten, das wäre dann wohl ausgeartet, wie das bei ihm üblich ist. Der Mann ist völlig schamfrei und keift nun gegen die «Gesetze des Mobs», «gegen den religiösen Eifer der Cancel-Culture», er fordert doch ernsthaft «Free Sanija Ameti». Der gleiche Ryser, der noch vor Kurzem demagogisch und völlig unjournalistisch – keiner der vielen Angepinkelten bekam von ihm Gelegenheit zur Stellungnahme – gegen seinen jetzigen Brötchengeber und dessen Umfeld polterte: ein «ganzes Netzwerk aus rechten etablierten Journalistinnen und verschwörungsideologischen Akteuren», auf Rysers «Reise ans Ende der Demokratie», das insbesondere von Köppel befördert würde: ««Flute den Raum mit Scheisse» gibt Steve Bannon aus den USA den Takt vor. Am extremsten führt diesen Kulturkampf in der Schweiz die «Weltwoche», wo sich inzwischen Verschwörungs­ideologen tummeln.» 

Und in dieser Scheisse schreibt nun Ryser seine eigene Scheisse, um es in seiner Fäkaliensprache auszudrücken. Was sagte er noch zuvor über seinen aktuellen Chef: «Roger Köppel und Daniel Stricker: wütende, monologisierende Männer auf den Platt­formen Youtube, Locals, Rumble.»

Gegen Ryser ist Kummer ein geradezu vorbildlicher, wahrheitsliebender, aufrechter Journalist. Ryser hingegen hat nicht einmal die Fakten im Griff: «Ein Blick-Reporter wird auf die Story aufmerksam – Ameti löscht den Beitrag umgehend, entschuldigt sich, sollte sie religiöse Gefühle verletzt haben.» Falsch, ZACKBUM wurde zuerst auf den Post aufmerksam und erkundigte sich. Ameti löschte ihn keineswegs «umgehend», sondern nach mehr als 10 Stunden.

Dann faselt Ryser von einer «Hexenjagd», die keine Grenzen kenne. Himmels willen, Ameti wollte doch provozieren, nur ist ihr das zu gut gelungen. Und «der Arbeitgeber Farner Consulting trennt sich von ihr». Tja, Ryser, wenn sich jemand unmöglich benimmt, dann trennt man sich von ihm, das sollten Sie doch nur zu gut kennen.

Dann wiederholt er die weinerliche Nummer Ametis, dass sie Polizeischutz brauche und es fast nicht mehr aushalte. Wobei sie wohlgemerkt keinen hat, sondern nur darum bettelt. Dabei bekommt jeder, der ein wenig in der Öffentlichkeit steht, von Feiglingen, die versteckt hinter der Anonymität des Internets randalieren, Drohmails und andere Bösartigkeiten. Nur hängt das (fast) niemand an die grosse Glocke.

Dann macht Ryser noch die langweilige Täter-Opfer-Umkehr, Ameti sei nun zum Opfer geworden. Jeder, der einen Fehler mache, «verliert in unserer heutigen Social-Media-Gesellschaft alle Rechte und wird zum Freiwild, darf grenzenlos an den Pranger gestellt werden, muss Hetze aushalten und soll verschwinden, weg aus der Gesellschaft, weg aus der Arbeitswelt. Aus den Augen, aus dem Sinn, gecancelt eben

Da spricht Ryser eindeutig aus eigenem Erleben, obwohl er selbst gar nicht an den Pranger gestellt wurde. Im Schlussgalopp fantasiert Ryser sogar davon, dass «es diese moralische, fehlerfreie, perfekte, ja, eigentlich ganz grauenhafte Social-Media-Gesellschaft liebt, Hexen zu verbrennen, Sauen durchs Dorf zu jagen, reinzutreten, wenn jemand am Boden liegt. Es sind Gesetze des Mobs, wo Entschuldigungen niemanden interessieren, und schon gar nicht die Frage, ob Menschen aus Fehlern lernen».

What a bullshit, um es vornehm zu formulieren. Hätte sich Ameti authentisch entschuldigt und nicht durchschaubar verlogen, dann hätte sie vielleicht noch eine Chance gehabt, aus der selbstverschuldeten Kloake herauszukommen.

Vielleicht hätte sich Ryser bei seinem vorletzten Arbeitgeber das auch gewünscht:

«Bleibt zu hoffen, dass, wenn der Sturm vorbei ist und damit die Angst, vom Shitstorm miterfasst zu werden, wenigstens der Arbeitgeber Ameti Gehör gewährt und die Entlassung rückgängig macht.»

Er empfiehlt also ernsthaft einer PR-Firma, jemanden wie Ameti wieder einzustellen, die nicht nur als dummdreiste Provokateurin stigmatisiert ist, sondern vor allem als absolut unfähige Kommunikatorin. Und die soll dann im Namen von Farner-PR auf Kunden losgelassen werden, um die zu beraten?

Man fragt sich, ob in der Redaktion der «Weltwoche» etwas Ansteckendes herumschwirrt oder die meisten heissen Shit geraucht haben. Oder ob man wirklich so vielen ins Hirn gehustet hat, dass ein solcher Stuss zusammengeschrieben wird.

Ein Ryser verteidigt eine Ameti in der «Weltwoche». Wer dem Wort Realsatire einen tiefen Sinn geben will, denkt sich dieses Beispiel aus. In völliger Sicherheit, dass seine Fantasie mal wieder weit, weit weg von der Realität schwebt.

Seit «la crise n’existe pas», seit Putin, «Der Unverstandene», hat sich die WeWo keinen solchen Ausrutscher mehr geleistet.

Hier wird der Bock zum Bock gemacht, eine primitive Provokateurin geadelt, sie gegen einen selbstverschuldeten Shitstorm verteidigt. Oder um den religiösen Eiferer Köppel an ein Bibelzitat zu erinnern:

«Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten
Hosea, Kapitel 8, Vers 7.

 

 

Dschihad im Tagi

Anti-israelische Schmierereien, Beschimpfungen und Meinungszensur.

Von Christoph Mörgeli*

Der Gaza-Krieg reicht inzwischen weit in den Schweizer Alltag. «Fuck Israel» hat ein Unbekannter am Montag in grossen Lettern auf den Asphalt geschrieben. Dies geschah nicht irgendwo, sondern vor dem Eingang des vielbesuchten Coop-Supermarkts an der Zürcher Bahnhofbrücke. Über lange Zeit dachte niemand daran, das Gekritzel zu entfernen, das nicht nur Einheimische, sondern auch viele Sommertouristen aus aller Welt befremden musste. Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Ende Juni beunruhigten in Zürich verschiedentlich grosse rote Dreiecke an Betonwänden und linksautonomen Begegnungsorten. Mit diesem Symbol hat die Terrororganisation Hamas nach dem 7. Oktober israelische Ziele zum Abschuss freigegeben. Auch bei den Schmierereien an fünf jüdisch geführten oder mit jüdischen Künstlern verbundenen Zürcher Galerien tauchten rote Dreiecke auf. Die deutsche Wochenzeitung Jüdische Allgemeine kommentierte: «Juden als Zielscheibe. Ein glasklarer Mordaufruf».

Bei den Parolen an den Kunstgalerien ging es keineswegs um einigermassen versteckte Symbolik. «No Art for Genocide» stand da sowie «Free Palestine» oder «Not Support Zionism». Bereits Mitte März hat die Zürcher Stadtpolizei nicht weniger als vier Dutzend Ereignisse mit mehr oder weniger klar antisemitischem Hintergrund vermeldet. Bei drei Vierteln handelte es sich um Graffitis oder Schmierereien. Trauriger Höhepunkt bildete indessen die Messerattacke mit fünfzehn Einstichen auf einen orthodoxen Juden, verübt von einem aus Tunesien stammenden Fünfzehnjährigen.

Löschung von Pro-Israel-Kommentaren

Ob die Schmierattacken von Migranten mit muslimischem Hintergrund oder von hiesigen Linksaktivisten stammen, bleibt vorderhand unklar. Sicher ist aber, dass es pro-israelische Stimmen in gewissen Medienforen schwer haben, überhaupt zu Wort zu kommen. Entsprechende Kommentare werden beim Tages-Anzeiger oder beim Bund massenweise abgelehnt, während pro-palästinensische und Hamas-freundliche Einträge selbst bei fragwürdigsten Inhalten die Kontrolle problemlos passieren. Der Weltwoche liegen unzählige Beiträge vor, die von Tamedia mit der Standardmitteilung abgelehnt wurden: «Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehört die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken

So unterbindet die «manuelle Moderation» Begriffe wie «verarmte Terroristenbasis» oder «Raketenterror» im Zusammenhang mit Gaza. Auch der Kommentar «Der Plan der Hamas geht auf: Alle Welt empört sich über Israel» wurde gestrichen, ebenso der «andauernde Beschuss der Hamas Richtung Israel». Dasselbe geschah mit der Aussage: «Antisemitismus und Rassismus sind Gewalt. Gewalt hat an unseren Schulen nichts verloren.» Nichts zu suchen hat beim Tages-Anzeiger die Feststellung, dass sich in Gaza «die Terroristen» während der Kämpfe in «Gebäuden verschanzen». Genau so wenig wie, dass «mehr als 300 000 Menschen in Israel aufgrund des Krieges nicht in ihren Häusern leben können». Nicht einmal die Richtigstellung der Behauptung, dass «Netanjahu schon immer die Palästinenser ausrotten wollte», hat eine Chance. Auch gelöscht wurden die Zeilen «Die Vereinten Nationen sind ein Auslaufmodell», oder die Uno foutiere sich um die israelischen Geiseln und erkläre damit ihren «moralischen Bankrott».

Selbst der Hinweis auf «linke Antisemiten» oder auf den «Antisemitismus an der ETH, den Eliteuniversitäten in den USA, der Uni Bern, der Uni Basel» war den Tamedia-Zensoren zu viel. Oder auch die Frage «Wie würden Sie den Terror (zum Beispiel hier in der Schweiz) bekämpfen, wenn nicht militärisch?» Oder der Einwand «Terror gegen Juden gab es schon vor der Gründung Israels, in den zwanziger und dreissiger Jahren», sowie der Hinweis: «Dieser Krieg wurde durch die Hamas mit dem grössten Massaker seit dem Holocaust an Juden begonnen.»

«Unerwünschte Juden in Europa»

Gleichzeitig publizierte der Tages-Anzeiger ohne jeden Skrupel Sätze über den «aktuellen Völkermord an den Palästinensern, dieses rücksichtslose Abschlachten und Aushungern» oder Israels «pure hasserfüllte Rache im Exzess». Den Israelis darf problemlos «Genozid», «Apartheid» und «Rassismus» unterstellt werden. Überhaupt sei Israel ein «geplantes Projekt für die unerwünschten Juden in Europa». Ein anderer ungelöschter Kommentator meint, dass Israels «Lobby mit Geld Politiker kauft und auch mit anderen Mafia-Stil-Machenschaften versucht, die Wahrheit zu manipulieren». Selbst bei folgendem Beitrag hatten die Tagi -Kontrolleure nichts zu beanstanden: «Auf der ganzen Welt die Opferrolle spielen und Wiedergutmachung verlangen und Raubkunst zurückfordern, aber selber die schlimmsten Räuber sein und seit Jahrzehnten ungehindert enteignen und morden.»

*Der Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe der «Weltwoche». Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Zwischen Genie und Wahnsinn

Wir legen mal wieder eine Ausgabe der «Weltwoche» unters Messer.

Zunächst muss ZACKBUM zwei Dinge vorausschicken. René Zeyer schreibt gelegentlich für das Blatt. Und im Gegensatz zu Tamedia darf man hier sogar den Chefredaktor in seinem eigenen Blatt kritisieren. Der steckt das weg, im Gegensatz zu den Mädels im Leitungsgremium von Tamedia.

Aber zur Sache.

Roger Köppel erreicht in seinem «Editorial» schnell Betriebstemperatur, auch wenn er eigentlich Wohlbekanntes nachklappert. Die Ukraine durfte bestimmen, wer auf den Birkenstock kommen darf und wer nicht. Gähn.

Dann kommt die Abteilung «hau den Cassis»: «Der Aussenminister ist seinem Amt augenscheinlich nicht gewachsen … dass diese Konferenz der Einseitigkeit eine unglückselige Übung zu werden droht, eine Art Marignano der schweizerischen Aussenpolitik … der taumelnde Irrlauf des Tessiners … Cassis’ Marignano heisst Bürgenstock

Aber wenn schon, kriegen gleich alle ihr Fett ab: «Schlafwandler, Verblendete des Kriegs: Alle relevanten Parteien des Landes wirken wie Gefangene der westlichen Propaganda.» Tja, seit Köppel nicht mehr im Nationalrat nach dem Rechten schauen kann (die Male, wo er anwesend war) …

Auf der anderen Seite muss man mal wieder sagen, dass der Mann ameisenfleissig ist. Der haut alleine in einer Woche mehr raus als ein «Republik»-Redaktor in Monaten (oder in einem halben Jahr, wenn man den völlig verstummten Constantin Seibt nimmt). Ein Interview mit dem Opfer der Messer-Attacke von Mannheim. Das Editorial. Ein Kommentar zu den Europawahlen. Und noch ein Interview mit dem serbischen Präsidenten Aleksander Vucic.

Allerdings: das Teil ist sechs Seiten lang und hätte wie immer bei Köppel auf die Hälfte oder ein Drittel eingedampft werden müssen. Damit wäre es nicht schlechter, sondern besser geworden. Denn über 34’000 A, das haben normalerweise nur Texte der «Republik» und die liest doch auch keiner wirklich.

Und der Inhalt? Das Titelzitat sagt ja schon alles, in der vollständigen Version: «In einem kurzen Zeitraum, ja, da bin ich mir ziemlich sicher, werden wir eine echte Katastrophe erleben.» Das ist eine interessante Prognose, leicht hysterisch, aber interessant. Dass Köppel aber so Sachen stehenlässt wie «Ich danke Ihnen für diese Frage … Es ist leicht, lieber Freund, dies zu sehen.» Lieber Freund? So viel zur Distanz zwischen Journalist und Interviewtem. Und Köppel bemüht sich nach Kräften, ein «lieber Freund» zu sein:

«An Ihrem Land wird oft herumkritisiert. Sagen Sie uns: Was sind die grössten Qualitäten Serbiens? Worauf sind Sie stolz?» Noch besser: «Was ist das Wichtigste im Leben eines Mannes

Dann darf Vucic seine Doomsday-Fantasien ausleben: «Ich kann nicht von einem dritten Weltkrieg sprechen, aber von einer grossen Konfrontation. Wie weit wir sind? Ich glaube, dass wir davon nicht mehr weit entfernt sind. Nicht länger als drei oder vier Monate. Und es besteht die Gefahr, dass dies schon vorher geschieht.»

Wir halten fest: Anfang November kracht’s. Und wenn nicht? Macht nix.

Und neben den Köppel-Festspielen, was bietet die WeWo noch? Nun, Christoph Mörgeli ist immer für eine saftige Hau-drauf-Geschichte gut. Denn er hat ein elefantöses Gedächtnis. Und so erinnert er anlässlich des golden Fallschirms in der Höhe von exorbitanten 340’000 Franken für die zurückgetretene Chefin des Bundesamts für Polizei an ihre tatsächlich klägliche Rolle, die sie 2007 bei der Affäre um den Privatbankier Oskar Hollenweger im Jahre 2007 spielte. Das ist aber nur ein dunkler Fleck in der Karriere von Nicoletta della Valle, neben vielen anderen.

Der zweite Besitzer eines Zweihänders nimmt sich Daniel Jositsch vor: «Mit markigen Worten will der SP-Ständerat den fremden Richtern «Grenzen setzen». Bis gestern sagte der Rechtsgelehrte noch, ebenso markig, das Gegenteil.»

Dafür haut Philipp Gut ihm Zitate aus dem Abstimmungskampf um die SVP-Selbstbestimmungsinitiative um die Ohren. Dort habe Jositsch noch getönt: ««Wenn die Staaten nicht in ein vertragliches Korsett eingebunden sind, gewinnt das Recht des Stärkeren.» Die Profiteure des Völkerrechts seien Kleinstaaten wie die Schweiz.»

Man ist schon fast daran gewöhnt (und hofft, dass auch dieser Spleen des Chefs mal sein Ende findet), wer könnte wohl der Mitautor eines siebenseitigen Streifens sein? Richtig, natürlich Daniel Ryser. Diesmal berichtet er über Cass Pennant. Cass who? Na, einer der «Gründerväter des Hooliganismus». Also eine weitere Fortsetzung der Ryserschen Freakshow.

Und sonst? Sonst ach ja. Es kann ja nicht jede Nummer ein Kracher sein. Aber ein paar Knaller hat’s schon drin, während bei den Mainstreammedien die Knallfrösche meistens eine nasse Zündschnur haben.

 

Achtung, bissiger Rimoldi

Vor dem Mann muss gewarnt werden.

Der «Souvereignist, Gründer und Präsident Bewegung massvoll» ist ein massloser Rabauke. Jeder, der sich aus welchen Gründen auch immer politisch mit ihm einlässt, biegt auf die Verliererstrasse ein. Denn immer wieder die Weltmeisterschaft auf dem Gebiet «geht noch eine blödere Provokation?» gewinnen, das ist weder zukunftsfähig, noch in der politischen Auseinandersetzung brauchbar.

Das Problem all dieser Provokateure, die inhaltlich wenig zu bieten haben, ist immer das gleiche: Steigerungen sind nötig, aber immer schwerer zu erreichen. Wenn man auf den Zehenspitzen steht und so laut kräht, dass man das Halszäpfchen sieht, was soll da noch gehen?

Immerhin, das ehrt die Dumpfbacke, er versucht’s:

«Menschenfeindin Natalie Rickli, die Ungeimpfte wie mich zum Staatsfeind erklärte, spuckt auf die Gräber der Menschen, die sie mit mRNA und Corona-Zwangsmassnahmen ermordet hat: ‹Der Friedhof ist ein schöner Ort›. Die Aufdeckung wird gnadenlos sein.»

Darüber regt sich sogar Christoph Mörgeli in der «Weltwoche» auf. Die öffnete dem Berufsrandalierer schon wohlwollend ihre Spalten und berichtete auch über seine versuchte Provokation, eine launig-dumme Bemerkung einer Grünen Nationalrätin zum Aufruf zum Mord am ihm hochzuzwirbeln.

Aber nun scheint das Tischtuch zerschnitten: «Der «Massvoll»-Chef wird masslos», schimpft Mörgeli, und gibt (vergeblich) gute Ratschläge: «Solche seiner Sache schadenden Töne sollte Rimoldi schleunigst unterlassen. Denn ein vorgeblicher Kämpfer für die individuelle Freiheit kann es nicht nötig haben, andere Individuen mit justiziablen Verleumdungen und nachweislichen Falschanschuldigungen anzuschwärzen.»

Damit geht er natürlich dem nach jeder medialen Aufmerksamkeit Lechzenden voll auf den Leim. Nicolas Rimoldi belfert auf X zurück:

Mörgeli «taumelt auf Abwegen», aber nicht mit Rimoldi: «Sie können mich attackieren, wie sie wollen. Wir werden siegen», wirft er sich in vorweihnachtliche Märtyrerpose. Dabei kracht und rumpelt es in seinem Verein schon seit Längerem, wenden sich (in der «Weltwoche» notabene) langjährige Kampfgefährten von ihm ab.

Daher ist das Beste in Sachen Rimoldi: gar nicht erst ignorieren. Diesem Ratschlag wird ZACKBUM zukünftig eisern folgen.

Die «Weltwoche» spinnt mal wieder

Immer wieder gerne aufgewärmt, immer falsch: Hitler war kein Sozialist.

«Sozialist Hitler» titelt die «Weltwoche», und der Leser mit etwas historischer Bildung schämt sich mal wieder. Alles klar. Lenin war Kapitalist, Karl Marx war Friseur, der Überfall auf die Sowjetunion war ein Präventivschlag.

Adolf Hitler war eine Ausgeburt der deutschen Grossindustrie, wurde unterstütz und gefördert von Krupp & Co. X-mal minutiös nachgezeichnet. Fast genauso wie die Juden hasste er die Bolschewiken, für ihn der Inbegriff des bösen Kommunismus. Demokratie und Marxismus waren die Feindbilder in Deutschland, neben den Juden. Gegen niemanden ging Hitler so brutal vor wie gegen Linke, Sozialisten und Kommunisten. Entsprechende Tendenzen in seiner eigenen Partei unterdrückte er mörderisch.

Die NSDAP, Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, war aus der DAP, der Deutschen Arbeiterpartei, entstanden. Reiner Etikettenschwindel. Die Partei war durchaus national, aber keineswegs sozialistisch, und der Arbeiter war ihr eigentlich scheissegal, höchstens willkommen als Teil der Volksgemeinschaft. Sie sozialistisch zu nennen, das ist ungefähr so absurd, wie Putin als lupenreinen Demokraten zu bezeichnen.

Kein brutaler, massenmörderischer, verbrecherischer Diktator käme auf die Idee, sich so zu bezeichnen. Wieso Christoph Mörgeli, der doch über eine gewisse historische Bildung verfügt, auf die Idee kommt, dieses uralte Klischee wieder aufzuwärmen? Seine zusammengesuchten Fetzen aus Reden und Deklarationen – völlig unerheblich, wenn man es an der Praxis der NSDAP misst.

Vielleicht sollte Mörgeli Reinhard Kühnl «Der deutsche Faschismus» lesen. Oder sich mal in der umfangreichen Bibliothek des ZACKBUM-Autors zum Thema umsehen. Er sei herzlich eingeladen.

Kein Mensch mit einem Funken Restvernunft wäre zwischen 1920 und 1945 auf die Idee gekommen, Hitler als Sozialisten zu bezeichnen. Am allerwenigsten er selber. Aber die ewige Leier von den braunen und roten Fäusten überlebt die Zeiten. Dabei ist sie ungefähr so real wie die angeblichen Protokolle der Weisen von Zion. Auch so eine Propaganda-Mär, längst und x-mal als plumpe Fälschung entlarvt. Dennoch irrlichtert sie bis heute durch die Köpfe von Verpeilten und Verwirrten.

Die simple Wahrheit ist: Hitler war kein Ideologe; sein «Kampf» ist ein Krampf, eine krude Mischung von Versatzstücken eines irrlichternden Geistes, das zwar millionenfach gedruckt, aber von eigentlich niemandem gelesen wurde. Mit Sozialismus hatte es so viel zu tun wie Strandferien mit Eskimos.

Was hier versucht wird, ist der allgemeinen Verluderung der Begriffe eine weitere Facette hinzuzufügen. Faschist ist inzwischen ein Synonym für Arschloch. Antisemit ist jeder, der eine Kritik an Israel wagt. Werden ein paar Menschen umgebracht, handelt es sich um einen Genozid. Worte wie Holocaust, Shoa oder Endlösung für ein Jahrhundertverbrechen werden wie kleine Münze gehandelt, ein Hohn für die Opfer.

Eine Partei, ein Mann, der die UdSSR als den grössten Feind der Menschheit ansah, zusammen mit dem «internationalen Judentum», eine Armee, die jeden sowjetischen Politkommissar sofort umbrachte, wenn sie seiner habhaft wurde, ein Regime, das von Anfang an mit äusserster Brutalität gegen links, gegen Sozialisten und Kommunisten vorging, eine Bewegung, die vom deutschen Grosskapital aufgepeppelt und gegen alles Linke in Stellung gebracht wurde, das alles soll etwas mit Sozialismus zu tun haben?

Mit Klassenkampf, der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, der Aufhebung des Privateigentums? Mit der Anwendung des Marxismus-Leninismus?

Der «Sozialist» Hitler brach einen Vernichtungsfeldzug gegen die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom Zaun, gegen seine Brüder im Geist, die bolschewistischen «Untermenschen». Wie bescheuert kann man eigentlich sein?

Was hier stattfindet, ist reiner Orwell. Nicht nur eine Entwertung der Begriffe, nein, ihre Umdeutung ins Gegenteil. Faschismus ist Kommunismus, Stalin ist Hitler und umgekehrt, alles ist totalitär, weiss ist schwarz, das Friedensministerium führt Krieg – und Hitler ist Sozialist.

Dabei haben er und seine Partei sich einfach alle Versatzstücke zusammengeleimt, mit denen sie auf Menschenfang gingen. Der Inhalt dieser Begriffe war ihnen völlig egal. War auch Walther Rathenau dann ein nationaler Sozialist? Waren es Spengler, Sombart, Jünger? War es Gregor Strasser? Der war Hitler eindeutig zu sozialistisch, deshalb wurde er während des sogenannten Röhm-Putsches, einer internen Abrechnung, ermordet. Durch den «Sozialisten» Hitler.

Wenn der Papst Atheist ist, dann wäre Hitler Sozialist. Wenn braun rot wäre und wir auf dem Kopf gingen, wäre Hitler Sozialist.

Aber diese krude These ist für Mörgeli nur das Sprungbrett, um den «aufflammenden Judenhass der Linken» zu denunzieren. Denn «Antikapitalismus und Antisemitismus gingen schon immer Hand in Hand». Das stimmt so wenig, wie dass Hitler Kommunist war. Es gab und gibt in der Linken eine starke Anti-Israel-Fraktion, die ebenfalls aus historischer Unkenntnis den Staat Israel als Kolonialmacht betrachtet. Antikapitalismus hat nur eine ganz geringe Schnittmenge mit Antisemitismus. Abgesehen davon, dass auch dieses Wort zur hohlen Hülse verkommen ist, die auf alles angewendet wird und daher nichts bedeutet. Antisemitismus, was sehr bedauerlich ist, ist als Begriff entkernt, begreift nichts mehr. Die meisten, die damit um sich werfen, wären nicht mal in der Lage, ihn zu definieren.

Hier ist die «Weltwoche» leider auf dem Niveau Schmiere angelangt, einer ihr unwürdigen Primitiv-Polemik des ansonsten doch begabten Professors Mörgeli.

Denn wenn alles geht, läuft nichts mehr. Wenn Begriffe keine Griffe mehr sind, um uns an der Wirklichkeit festzuhalten, dann gerät alles ins Rutschen, herrscht die nebulöse Beliebigkeit von Dummschwätzern und Nebelwerfern.

Frömmelnde «Weltwoche»

Kreuzzug im Geiste von anno dazumal.

Die christlichen Kreuzzüge waren eines der vielen Verbrechen, die die christliche Kirche verübte. Kreuz- und Raubritter wateten im Blut, um Jerusalem zu «befreien». «Deus lo vult», Gott will es. Damit rechtfertigte die Kirche dieses Morden und Metzeln und Brandschatzen und Rauben zwischen 1095 und dem 13. Jahrhundert.

Nun soll es aber angeblich einen «Kreuzzug gegen die Kirche» geben. Statt Gotteshäuser stehen nur noch rauchende Ruinen, Priester werden abgeschlachtet, fromme Gläubige massakriert. Oder wie Roger Köppel fromm barmt: «Niemand stellt sich vor die katholische Kirche. Niemand verteidigt die älteste und erfolgreichste Organisation der Welt. Wehrlos taumelt sie in den Seilen.»

Himmels willen, und Gott hilf. Zumindest Köppel eilt der taumelnden Kirche zur Seite. Gut so. Allerdings ist es durchaus eine erfolgreiche Organisation. Es ist die erfolgreiche und älteste Verbrecherorganisation der Welt.

Vielleicht sollte sich Köppel eine Buchempfehlung seines eigenen Blatts zu Herzen nehmen: «Deschner ist der wohl kompromissloseste Autor und Denker im deutschsprachigen Raum.»  Gemeint ist damit Karlheinz Deschner, der wohl bedeutendste Kirchenkritiker des 20. Jahrhunderts. 1986 legte er den ersten Band seiner «Kriminalgeschichte des Christentums» vor. 2013 beendete er die Reihe aus gesundheitlichen Gründen mit dem 10. Band.

Niemals wurde das Walten und Wüten der Verkünder von Gottes Wort fundierter, kritischer und vor allem so unwiderlegbar seziert. Nur schon die völkermörderische Eroberung Lateinamerikas, von der Kirche gefeiert. Der 30-jährige Krieg. Die Hexenverfolgungen, die ungeheuerlichen Perversionen im Vatikan, der obszöne Reichtum der Kirche. Immer fanden sich Pfaffen, die Kanonen den Segen spendeten, das Mordhandwerk als gottgefällig weihten. Ihr – glücklicherweise vergeblicher – Versuch, Aufklärung, Naturwissenschaften, Fortschritt, Moderne unter dem Leichentuch einer Erzählungssammlung aus längst vergangenen Jahrhunderten zu begraben. Ihre Bigotterie, ihre mörderische Inquisition, ihre Heuchelei, ihre liebedienerische Unterstützung aller Mächtigen, wenn sie nur die Kirche walten liessen. All das macht – nicht nur, aber in erster Linie – die christliche Kirche aus.

All das blendet Köppel aus, wenn er zum «Widerstand der Christen gegen die neuen säkularen Heilslehren» aufruft. Und die Kirche als Lordsiegelbewahrer frommer Tugenden sieht: «Der konservative Katholizismus steht, unter anderem, für Familie, für Tradition, für Freiheit vom Staat, für die klare Unterscheidung zwischen Mann und Frau.»

Der konservative Katholizismus steht in Wirklichkeit für alles Muffige, Miefige, Überkommene, Menschen- und Frauenfeindliche in der Gesellschaft. Seine Freiheit vom Staat äussert sich darin, dass er vom Staat die Kirchensteuer eintreiben lässt. Dann schäumt Köppel, wir kritisierten das schon, zur Apotheose auf: «Die Schauprozesse gegen die Katholiken und ihre Kirche erinnern an den Tugendterror der Französischen Revolution. Wie ihre Vorfahren an der Guillotine verfolgen die «Woke»-Jakobiner rabiat das Ideal einer absoluten Gleichheit: gleiche Meinungen, gleiche Gesinnungen, gleiche Lebensstile, gleiche Vermögen, gleiche Werte und Gesetze auf der ganzen Welt.»

Kreuzzüge, Schauprozesse, Tugendterror, Guillotine, Robespierre, der Mann kennt kein Halten, und keiner kann ihn halten, wenn er ins Abseits galoppiert.

Wenn Kreuzritter Köppel wie Don Quijote losreitet, braucht er seinen Sancho Pansa. Der versucht aber nicht, ihn vor wildem Wahnsinn abzuhalten, sondern doppelt nach.

«Der Kirchen-Skandal ist ein Uni-Skandal», die Titelgeschichte von Christoph Mörgeli.

Man muss ihm lassen: mit gewichtigen Argumenten zerpflückt Mörgeli den «Pilotbericht» eines Forschungsteams der Uni Zürich. Der entspricht tatsächlich kaum ernsthaften wissenschaftlichen Kriterien, behauptet unbelegt, verwendet völlig unscharfe und nicht definierte Begriffe wie «problematische Grenzüberschreitungen» oder gar «verbal übergriffiges Verhalten». Dazu beträgt der so untersuchte Zeitraum mehr als 70 Jahre und beginnt 1950.

Mörgeli kommt dann zum polemischen Fazit: «Zweifellos ist die Gefahr, die von Familienvätern und Onkeln bezüglich sexuellen Missbrauchs ausgeht, entschieden grösser als jene von Priestern.»

Bis hierher kann man seiner Autopsie eines offensichtlich allen wissenschaftlichen Ansprüchen Hohn sprechenden Machwerks noch folgen. Aber dann muss auch er noch einen drauflegen: «So ungefähr haben sich dereinst Kreuzzüge, die Inquisition und Hexenprozesse abgespielt.»

Nein, lieber Historiker Christoph, so haben die sich nicht abgespielt. Da wurde gehauen und gestochen, geschlachtet und gequält, massakriert, aufgeknüpft und erschlagen, gefoltert mit allen Methoden, die sich kranke menschliche Hirne ersinnen konnten. Da wurde glühendes Blei in Münder gegossen, Menschen an auf den Rücken gefesselten Armen hochgezogen, bis die Gelenke krachten, da wurde aufs Rad geknüpft, Augen ausgestochen, Zungen herausgerissen, gevierteilt. Da wurden Menschen in blutige Krüppel verwandelt, die mit gebrochenen Gliedmassen vor Schmerzen zuerst schreiend, dann wimmernd darauf warteten, dass der Scharfrichter ihrem Elend endlich ein Ende machte. Da wurden ganze Urbevölkerungen abgeschlachtet im Namen des Herrn. Deus vult.

Und einem Deschner wäre es wie einem Giordano Bruno (und so vielen, allzu vielen anderen) ergangen, wenn diese Kirche heute noch die Macht hätte, die sie einmal missbrauchen konnte: auf den Scheiterhaufen mit dem Ketzer, Sünder, Zweifler, Denker.

Eine solche Verbrecherorganisation, die nur davon abliess, weil sie Gott sei Dank von der Aufklärung endlich in die Schranken gewiesen wurde, einen solch heuchlerischen Haufen als Bollwerk vermeintlicher Tugenden und guter Sitten missverstehen: das ist nun wirklich jenseits von Gut und Böse.

Das ist nicht mal wider den Stachel gelöckt. Wider den angeblichen Zeitgeist gestänkert. Das ist viel schlimmer. Es ist einfach falsch und dumm.

Weltwochenbetrachtung

ZACKBUM legt mal wieder das Zentralorgan der guten Laune auf die Couch.

Es ist schon so: Wo Christoph Mörgeli hinschlägt, wächst so schnell kein Gras mehr. Diesmal erfreut er gleich am Anfang der aktuellen Ausgabe den Leser mit einer gnadenlosen Story: «Irène Kälins Weltreisen». Denn die grüne Nationalpräsidentin hält es nicht so mit dem Vermeiden unnötiger Flugmeilen. So reiste sie in die Ukraine. In den Niger nach Westafrika. Nach Slowenien. Nach Schweden und Finnland. Mit Mann und Kind zum Papst im Vatikan. Alles am liebsten im Bundesratsjet, das hohe Amt verpflichtet. Allerdings: «Genaue Zahlen über die Kosten einzelner Reisen werden nicht publiziert», zitiert Mörgeli genüsslich aus der Antwort des Büros der Nationalratspräsidentin auf eine parlamentarische Anfrage.

Dann kommen wir aber zu einer regelrechten Mogelpackung in Form der Titelgeschichte. «So schützen Sie Ihr Geld», das hört sich mal gut an. Allerdings folgen dann zwei Seiten Bankertalk mit heisser Luft, Wolkenschiebereien und windelweichen Aussagen. Wobei der «ehemalige Chefökonom der Bank Julius Bär» zunächst einmal mehr als eine Seite darauf verschwendet, alle dunklen Wolken am Horizont der Finanzwelt zu beschreiben.

Um dann nach einigem Geeier zur grossartigen Geldschutz-Aussage zu gelangen: «Bei steigender Inflation Aktien und Immobilien, allenfalls Gold … kaufen.» Es ist ziemlich peinlich, eine solche Ansammlung von Allgemeinplätzen, die jeder Bürogummi im Back-Office als Textbausteine aus dem Computer purzeln lassen kann, als Coverstory zu verkaufen. Aber wie meint Roger Köppel in seinem wie immer viel zu langen Interview mit Helmut Markwort (85): «Das Schwierigste ist die Titelstory. Was war da Ihr Konzept? – Das ist jede Woche die schwierigste, fürchterlichste Entscheidung.» Wie wahr.

Der absolute Tiefpunkt dieses Hefts wird aber mal wieder von Urs Gehriger erreicht: «In Florida geht die Sonne auf. Die USA erleben eine Völkerwanderung in den « Sunshine State». Hier ist Amerika noch, was es einmal war.» Das hat man halt davon, wenn er mal wieder in Palm Beach etwas Sonne tanken darf: «Ein paar Golfschläge vom «Breakers» entfernt hat der prominenteste Nachzügler auf Flaglers Spuren, Donald J. Trump, im Märchenschloss Mar-a-Lago sein Hauptquartier bezogen. Während sich der unermüdliche Ex-Präsident kaum in gewöhnliche Kategorien einordnen lässt, …»

Vielleicht wird ja der Gestaltungsdrang des unermüdlichen Ex-Präsidenten bald einmal von schwedischen Gardinen gebremst. Aber Gehriger ist nicht zu bremsen, wenn er mal ins Schwärmen gerät: «… Wohlstandstransfer von gigantischem Ausmass, … Das Narbengesicht Montana verpasste den Kubanern einen schlechten Ruf, der ihnen nicht gerecht wird. Die meisten sind rechtschaffen und steuern einen substanziellen Teil zum Erfolg Floridas bei …»

Die Wirklichkeit sieht ein wenig anders aus. Die Infrastruktur Floridas ist verrottet. Bei jedem kleineren Regenguss verwandeln sich die Strassen in Miami in kleine Flüsse. Die Qualität der meisten Hotels ist lausig. Miami Beach mit seinem Ocean Drive ist nur noch ein billiger Schatten seiner selbst. Das finanzielle Wunder Floridas besteht darin, dass hier die grössten Geldwaschmaschinen der Welt stehen, in denen traditionell und bis heute die lateinamerikanischen Drogengelder gewaschen werden. Wobei die «rechtschaffenen» Kubaner weiterhin den lokalen Drogenhandel im Griff haben und ihn bislang gegen Angriffe russischer Mafiosi oder brasilianischer Banden verteidigen konnten. Downtown Miami ist wohl mit Abstand das schäbigste Stadtzentrum einer US-Grossstadt.

Der Verkehr kommt regelmässig zum Erliegen, und es ist keine Seltenheit, dass man vom Flughafen bis nach Miami Beach in der Rush Hour locker anderthalb bis zwei Stunden in der Kolonne verbringt. Immer in der Hoffnung, unterwegs nicht ausgeraubt zu werden. Aber von solchen Kleinigkeiten lässt sich ein Reporter doch nicht stören, der den Vollversager Trump mit Henry Flagler vergleicht. Besonderes Lob schüttet er auch über Floridas Gouverneur Ron deSantis aus. Dabei erwähnt er allerdings nicht, dass der gerade in gröbere Schwulitäten verwickelt ist, weil er als misslungenen PR-Stunt ein paar Dutzend Migranten per Flugzeug nach Martha’s Vineyard verfrachten liess, eine der US-Lieblings-Urlaubsinseln der Demokraten.

Immerhin ein gelungener Versuch, sich noch blöder anzustellen als sein grosses Vorbild Trump. Schafft das auch jemand in der «Weltwoche» im Nahvergleich mit Gehriger? Da kann es natürlich nur einen geben. Genau, den Mann, der angeblich «basierend auf wahren Gegebenheiten» schreibt. Wenn Tom Kummer titelt: «Federer im Final gegen die Ewigkeit», dann überfallen den Leser spontane Zweifel, ob es Roger Federer eigentlich überhaupt gibt. Oder die Ewigkeit. Oder einen Text über Federer. Oder Tom Kummer. Oder die Fähigkeit, die Schmerzgrenze der Leser nicht immer wieder auszutesten bei Roger Köppel.

Dass dann der in Peru seine Pension geniessende Alex Baur den unfähigsten Präsidenten Brasiliens (und das will in diesem Land etwas heissen) als einen «Pragmatiker» bezeichnet, dessen «Politik vernünftig» sei, ist dann nur noch eine Randnotiz. Dass Jair Bolsonaro bei der Bewältigung der Pandemie krachend versagt hat, von noch mehr Korruptionsskandalen umweht wird als seine Vorgänger, so schlecht regiert, dass sogar das abgehalfterte Schlachtross Lula da Silva gute Chancen hat, ihn bei den nächsten Wahlen zu besiegen, das blendet Baur altersmilde aus.

Ach, und dann auch noch David Klein, das Elend nimmt in dieser WeWo kein Ende. Schwedendemokraten, Gérald Darmanin, Giorgia Meloni, das ganze Panoptikum wird aufgefahren. Allerdings: Vielleicht liegt ein Fluch auf der WeWo, denn meistens schmieren von ihr hochgelobte Politiker (Trump, Putin) oder Firmen (UBS, CS) grausam ab, kaum konnten sie sich im Glanz eines wohlwollenden WeWo-Artikels sonnen.

 

Schuss nach hinten

Wir wollten uns an der «Weltwoche» laben. Aber …

Manchmal sagt ein Titelbild mehr als tausend Worte:

Ein auch schon von ZACKBUM verwendetes Symbolbild; da fehlt nur noch die Hand des WeWo-Redaktors, der den Revolver abfeuert. Aber der Reihe nach. Zunächst: Die WeWo behauptet, das sei eine «Illustration von Wieslaw Smetek für die Weltwoche». Vielleicht müsste sie mal ein ernstes Wörtchen in Sachen copy/paste mit ihm reden, denn dieses Symbolbild geistert in x Varianten durchs Internet:

Zuerst, wir sind unparteiisch, streng, aber gerecht, müssen wir Roger Köppel loben. Er schreibt nicht über Religion in seinem Editorial. Sondern über Churchill, die Geschichte und überhaupt. Ach, und als SVP-Nationalrat gegen den FDP-Parteichef Thierry Burkart. Wobei Köppels politisches Amt natürlich überhaupt nichts mit seiner Position als Journalist zu tun hat.

Aber es sei ihm diesmal alles verziehen, denn dieses Bonmot von Henry Kissinger, dem alten Kriegsverbrecher und Friedensnobelpreisträger, kannten wir nicht:

«Um sich einer Sache absolut sicher zu sein, muss man entweder alles darüber wissen oder nichts.»

Wenn sich das die WeWo doch nur auch öfter zu Herzen nähme.

Allerdings hat Köppel ja ein neues Steckenpferd, und das müssen nun seine Untergebenen zu Schanden reiten. Also echot Beat Gygi in der Titelgeschichte brav: «Besonders in der Gasversorgung wird klar, dass die Russland-Sanktionen das Dümmste sind, was Europa machen konnte.» Die steile These: Russland merke gar nicht viel von den Sanktionen, dagegen habe sich «Europa nicht nur eine selbstverschuldete Energiekrise eingebrockt. Man unternimmt nun alles, um bei deren Bewältigung die Marktkräfte auszuschalten …»

Das ist in etwa so blühender Unsinn, wie Putin als den «Missverstandenen» aufs Cover zu heben, als er gerade in die Ukraine einmarschieren lässt, oder der UBS zu ihrer Krisenbewältigung zu gratulieren, als sie gerade wieder angekrochen kam und um Staatshilfe betteln musste. Nun geht’s also um die steile These, dass die Sanktionen dumm seien. Kontraproduktiv. Ein Schuss ins eigene Knie. Falsch, Unsinnig.

Es herrscht (noch) Meinungsfreiheit in der Schweiz, daher sei diese Meinung unbenommen. Nur ist ist fragwürdig, weil zu ihrer Stützung die Auswirkungen in Europa dunkelschwarz, in Russland blendend weiss gemalt werden. Sicherlich hühnert das politische Personal in der EU (und in der Schweiz) aufgeregt gackernd herum. Aber die versammelte Wirtschaftskraft wird diese Krise mehr oder minder problemlos stemmen. Russland hingegen siecht merklich, zunehmend dahin. Denn es ist heutzutage halt so, dass nur ein winziger Chip fehlen muss, und eine Riesenmaschine, ein Kampfflieger, die ganze Aeroflot, Produktionsstrassen und Massenprodukte fallen flach.

Die Zerstörung der Beziehungen zwischen Russland und Europa wird mittelfristig der Atommacht mit angeschlossener Rohstoffproduktion viel mehr schaden als dem energiehungrigen Westen. Russland könne «Lieferbeziehungen in den Osten, etwa nach China aufbauen», fantasiert Gygi. Vielleicht sollte er sich einmal schlau machen, wie lange der Aufbau der dafür nötigen Infrastruktur dauert. Ausserdem: für Russland wäre es viel besser, über Wirtschaftsbeziehungen mit dem liberalen und marktwirtschaftlichen Westen verbandelt zu sein – als in Abhängigkeit vom rabiat-egoistischen chinesischen Regime zu geraten.

Auch der Schlusssatz des Auftragsartikels zeugt nicht gerade von tiefer Durchdringung der Materie; der Staat nehme dem Stromriesen Axpo «mit Milliarden  Strompreisrisiken ab». Na und, kann man da nur sagen, das Geld wird wie bei UBS wieder zurückkommen.

Und sonst? Mörgeli wandert in den Fussspuren von ZACKBUM und faltet den Konzernjournalisten Philipp Loser zusammen. Wolfgang Koydl jubiliert, dass die Demonstration in Prag ein «Vorbote für einen heissen Herbst in Europa» sei. Alles so schrecklich erwartbar.

Dann reitet ein weiteres Steckenpferd Köppels durchs Blatt. Niemand sonst will noch etwas vom Münchhausen-Imitator Tom Kummer veröffentlichen – oder lesen. Auch die WeWo beendete schon mal die Zusammenarbeit. Aber Köppel muss eine verborgene Ader als Sozialarbeiter haben. Vielleicht ist er eben doch ein Gutmensch, der versteht und verzeiht, Gefallenen die Hand reicht, seinen Mantel teilt wie weiland St. Martin auf der alten Hunderternote. Auf jeden Fall darf Kummer wieder mal «basierend auf wahren Begebenheiten» irgendwas über irgendwen schreiben. ZACKBUM ist nicht weiter als bis zur Autorenzeile gekommen. Und zweifelt seither, ob es Irène Kälin wirklich gibt. Ob sie sich mit Kummer getroffen hat. Und ob es ihn wirklich gibt. Drei wertvolle WeWo-Seiten verschwendet, wie schade.

Dann ist natürlich die SP und die ehemalige CVP für das «Schlamassel in der Stromversorgung verantwortlich». Schweden wird zum «gefährlichsten Land des Kontinents», wegen «Bandenmorden». Das wird aber diverse südöstliche Staaten Europas ungemein freuen, dass sie angeblich von Schweden überholt wurden.

Dann interviewt Pierre Heumann ausgerechnet John Bolton über das Vermächtnis von Gorbatschow. Bolton ist der Flachdenker, der zuerst allen politischen Schwachsinns Trumps durch alle Böden verteidigte, dann dennoch von ihm gefeuert wurde und auf dem Absatz kehrt machte und seinen ehemaligen Herrn und Meister in allen Tonlagen beschimpfte. Das hat Gorbi nun wirklich nicht verdient.

Überraschend wird Liz Truss zur «richtigen Frau zur richtigen Zeit» ernannt. Bei der Trefferquote der WeWo bei solchen Prognosen dürfte sie eine eher kurze Karriere vor sich haben.

Und schon kann man wieder im Feuilleton durchatmen, um «Leben heute» zu überblättern. Also Hand aufs Herz, im Reich der blinden Kolumnisten der Mainstream-Medien sind die Einäugigen Könige. Aber im Ernst, Huisseling, Reichlin, Burchill, Schnapp als Gourmet-Autotester und schliesslich Häfliger als «wer war wo und wollte warum gesehen werden»-Kolporteur, von David Schärer oder Dania Schiftan (diesmal über Analsex, den angeblich eine Frau will, während es ihn «davor graust»), plus das schon vor 30 Jahren angestaubte «indiskrete Interview»: da entwicklen sich ganze neun Seiten der WeWo doch zu verwehten Wanderdünen, in denen abgehalfterte, leergeschriebene und ausgebrannte Nulpen nicht mal anständig eine Locke auf einer Glatze drehen können.

Auch schade.

 

 

«Weltwoche»: Bier her!

Auch das gut gelaunte Blatt des gepflegten Tischgesprächs leidet unter der Hitze.

Anders ist es nicht zu erklären, dass das sonst eher nüchterne Wochenmagazin ganze 15 Seiten dem Gerstensaft widmet. Das hat sicherlich überhaupt nichts mit diesen beiden Inseraten zu tun:

Nachdem das geklärt ist, können wir uns dem weniger flüssigen Inhalt widmen. Roger Köppel ist mal wieder begeistert. Das merkt man daran, dass er von «Viktor Orbáns grosser Rede in Dallas» schwärmt. «Hervorragend, selbstbewusst und humorvoll» habe der ungarische Autokrat für die «Werte des Westens plädiert: Christentum, Freiheit, traditionelle Familie, tiefe Steuern».

Freiheit und tiefe Steuern könnte man gelten lassen. Hier wird’s dann aber düster mittelalterlich: «Wir müssen unseren jüdisch-christlichen Lehren vertrauen», rief Orbán den Republikanern zu, «denn diese Lehren helfen uns zu entscheiden, welche unserer Handlungen gut und welche böse sind». Wer an Gott glaube, könne kein Rassist sein», zitiert Köppel zustimmend.

Ein Ayatollah hätte das auch nicht besser formulieren können, allerdings hätte er eher an Mohammeds Lehren gedacht. Wer an Gott glaubt, war und ist so was von einem Rassisten. Was Millionen und Abermillionen von versklavten, missbrauchten, wie Vieh behandelten und abgeschlachteten Menschen in Lateinamerika und Afrika und Asien bezeugen, alles mit dem Segen, dem Einverständnis und der gottesfürchtigen Legitimation der christlichen Kirche, dieser ältesten Verbrecherorganisation der Welt. Vielleicht sollte Köppel, der ja viel liest, nur ein paar Bände von Karlheinz Deschners Lebenswerk «Kriminalgeschichte des Christentums» lesen.

Hier merkt man wieder schmerzlich, dass der WeWo Checks and Balances fehlen, denn niemand konnte Köppel davon abhalten, diese im Übrigen eher mässige, demagogische und effekthascherische Rede auf vier Seiten abzudrucken. Bier her, kann man da nur sagen.

Dann geht’s erwartbar weiter. Copy/paste-King Urs Gehriger erregt sich über «Amerikas politisierte Justiz». Natürlich meint er die Razzia bei Donald Trump zu Hause, die sei «beispiellos», «Geheimniskrämerei», wieso sage der FBI-Chef nix? Der übrigens noch von Trump höchstselbst ernannt worden war, der Schlingel.

Weil auch Gehriger nicht mehr weiss als alle anderen, nämlich nix, spielt er dann «wieso der, aber der und die nicht?» Also wieso Trump und nicht Hunter Biden, der dubiose Sohn des amtierenden Präsidenten? «Für Hillary Clintons Hetzkampagne gegen Trump hat sich das FBI nie interessiert», klagt Gehriger. Um gleich zum Schluss zu kommen, dass sich der Eindruck bei vielen Amerikanern bestätige, «dass die US-Justiz nicht nur auf einem Auge blind ist, sondern aus politischen Motiven agiert». Das ist dann schlichtweg andersrum blöd als der Kommentar von Tamedia-Münger. Sollen die beiden doch mal ein Bier trinken gehen.

Aber für bösartige Qualität sorgt wie meist dann Christoph Mörgeli. Er nimmt sich die «gefährlichste Denkfabrik der Schweiz» vor. Übertriebene Ehre für Foraus, aber dass hier Bundesbeamte mitschreiben und der Haufen mit 120’000 Steuerfranken subventioniert wird, sind zwei schöne Giftpfeile. Über die mangelnde Eignung der Co-Geschätfsführerin Anna-Lina Müller konnte man hier schon lesen.

Gerecht wie Salomon haut Mörgeli dann auch noch ihrer Kollegin Sanija Ameti eins über die Rübe. Auch über diese Flop-Königin war hier schon zu lesen. Mit seinen giftigen Bemerkungen hat sich Mörgeli gleich eine genauso giftige Reaktion eingefangen. Denn auch Libero ist kein Kind von Traurigkeit:

Mit solchen spätpubertären Scherzen verspielt die einstmals erfolgreiche Lobbytruppe ihr Renommee.

Wir wissen nun nicht, ob Mörgeli gläubig genug ist, um Rassist zu sein. Ihn aber wegen dieser Polemik als solchen zu bezeichnen, ist schlichtweg dumm.

Es folgt Erwartbares und Wiedergekäutes, «Die scheinheilige Supermacht» USA, auch Gehriger macht im Spielchen mit «Journalisten interviewen Journalisten» und will sich in den gleichen Sessel gesetzt haben, den zuvor noch Richie Sunak gewärmt habe, einer der beiden Spitzenkandidaten um die Nachfolge von Boris Johnson. Doch der war schon wieder weg, also interviewt Gehriger seinen Kollegen Charles Moore vom «Spectator». Damit sich die Reise nach London auch gelohnt hat, auf drei Seiten. Erkenntnisgewinn?

Aber, sonst wär’s ja nicht die WeWo, die Erinnerung an Hellé Nice, Aktmodell, Nackttänzerin und Rennfahrerin, grossartig. Hier leuchtet das Blatt auch hell, denn als nächstes kommt «Ukraines polnische Gespenster», eine gewinnbringende historische Einordnung des Verhältnisses zwischen Polen, Russland und dem Land, das heute Ukraine heisst. Erkenntnisgewinn:

Auf kulturellem Gebiet kann der WeWo schon seit Längerem höchstens noch die NZZ das Wasser reichen. Ein Jean-Martin Büttner in Bestform über Reggae, Bob Marley und kulturelle Aneignung. Das Feuilleton von Peter Weber ist jedes Mal ein Genuss. Intelligent, der Platz ist gut verwaltet, Aktuelles und Interessantes im Wechselspiel. Vielleicht fand deswegen das Gejammer von Milosz Matuschek ausserhalb statt. Der erzählt nochmal, als Teaser für sein Buch zum Thema, die leidige Geschichte nach, wie er als NZZ-Kolumnist abserviert wurde. Sicher kann man ihm da keine allzu grosse Objektivität unterstellen. Richtig Liga Ameti (die mit dem Sprung vor Rodins Höllentor) wird’s allerdings bei der Bebilderung. Da sehen wir Matuschek auf einem Steinbänkchen mit der NZZ in der Hand. Er schaut links nach oben, wo ein Denkmal von Victor Hugo thront. Man spürt die Absicht und ist verstimmt: ich, Matuschek, bin schon deutlich kleiner als der. Aber irgendwie spiele ich doch in der gleichen Liga. Tut er aber nicht. Um die Proportionen zu wahren, hätte man ihn so schrumpfen müssen, dass man ihn nur mit Lupe und hoher Auflösung erkannt hätte.

Ab «Leben heute» seichtelt es etwas vor sich hin; mit einzelnen Ausnahmen sind die Texte einfach zu platt und flach geschrieben, als dass Lebensfreude aufkommen könnte. Und bei allem Verständnis für die Massage von Werbekunden, was soll so ein Lead? «Niemand braucht ein Auto wie den Porsche Cayenne Turbo GT. Zum Glück wird es trotzdem gebaut.» Niemand braucht so einen Text, zum Pech des Lesers wird er trotzdem gedruckt.

Das gilt auch für den «Werber des Jahres», der offenbar das Pech hatte, in einem All-Inclusive-Hotel auf Mallorca zu landen. Dabei hätte er sich problemlos ein schnuckeliges Artsy-Fartsy-Designerjuwel-Boutique-Hotel leisten können, in dessen Stühle schon Philipp Starck persönlich furzte.

Aber so bleibt David Schärer nur, «Grüsse aus der Mittelschichts-Hölle» auszurichten: «Es herrschte rastlose Ereignislosigkeit.» Am Buffet habe er doch tatsächlich «an Sartre gedacht: «L’enfer, c’est les autres» (die Hölle, das sind die anderen).» Nett von ihm, dass er des Französischen nicht so mächtige Leser gleich mit der Übersetzung beglückt. Nur fragen die sich vielleicht: wer ist Sartre, war das ein Kämpfer gegen schlechten Buffet-Frass? Und wenn man schon beim Fragen ist: wieso hat sich der Geizhalz diese Hölle angetan? Und ob er in der Lage wäre, ohne zu googeln zu sagen, aus welchem Buch das stammt und worum es darin geht?

Damit überspringen wir das EMS-Chemie-Kreuzworträtsel und sind auf Seite 100, also am Schluss angelangt. Himmel und Hölle liegen in der «Weltwoche» wirklich nahe beieinander.