«Weltwoche» eiert
In den Seilen hängend, wuschig, schlecht gelaunt.
So kann’s gehen. In der heilen Werbewelt preist sich die «Weltwoche» als «unabhängig, kritisch, gut gelaunt» an. Dabei greift sie in die Harfe: «Oberstes Ziel der Weltwoche bleibt es, die Intelligenz ihrer Leserinnen und Leser anzusprechen mit möglichst brillant geschriebenen Artikeln.»
So viel zur Theorie. Die die WeWo durchaus immer wieder und häufiger als die Mainstream-Medien einlöst. Ausser, es geht um Russland. Oder China. Oder das Christentum. Oder Sanija Ameti.
Angesichts eher beschränkten Platzes ist auch Auswahl und Gewichtung ein Thema. Da gibt es aktuell wichtige und unwichtige Ereignisse. Ein wichtiges ist zum Beispiel, dass der russische Präsident Putin die mögliche Lieferung von Mittelstreckenraketen an die Ukraine als direkte Kriegshandlung der NATO gegen sein Land bezeichnet.
Und selbst die Kriegsgurgeln von der «Süddeutschen Zeitung» einen Moment innehalten, ob eine solche Eskalation eine gute Idee wäre oder uns einem Atomkrieg einen guten Schritt näher brächte.
Wenn aber die Titelstory lautet «Free Sanija Ameti» und von Daniel Ryser geschrieben wird, dann ist ein seltener Tiefpunkt höheren Schwachsinns erreicht. Wäre das Cover der aktuellen Ausgabe eine Referenz an «Titanic», das grossartige Satiremagazin, könnte man es noch knapp goutieren. Aber ein Wendehals, der wegen unmöglichen Verhaltens gefeuert wurde, schreibt über eine dummdreiste Provokateurin, die wegen unmöglichen Verhaltens gefeuert wurde? In einem Organ, das er noch kurz zuvor als Hort von Verschwörungstheoretikern, angeführt von einem Jünger Bannons, beschimpfte?
Und ist jemand, der für eine sich in aller herrlichen Freiheit befindende Person «Befreiung» fordert, noch ganz dicht? Ist ein Organ ganz dicht, das das zur Titelgeschichte macht? Damit insinuiert, Ameti sitze im Knast, sei politische Gefangene, müsse befreit werden, so à la Julian Assange? Wie bescheuert ist das denn?
Nebenbei: «Swatch ist unterbewertet», das zeugt wieder einmal von der grossen Wirtschaftskompetenz des Blatts. Sollte eigentlich schadenersatzpflichtig sein, so ein Unsinn.
Da ist das Wort Realsatire zu schwach dafür. Und abgesehen davon: seit dieser Swiss Miniature erschütternde Skandal ausbrach, also seit knapp einer Woche, hat die WeWo sagenhafte 18 Artikel auf dieses Null-Thema verbraten. Dabei hat sie eine Pirouette gedreht, bei der sie auf allzu dünnem Eis einbrach. Zuerst durften Christoph Mörgeli und Philipp Gut zubeissen. Dann bekamen sie einen Maulkorb, und Roger Köppel himself forderte «Gerechtigkeit für Sanija Ameti», obwohl er sich in seinen religiösen Gefühlen durchaus verletzt sah.
Dann griffen alle engelsgleich in die Harfe. Ein selten sanfter Mörgeli forderte «Milde» ein. Köppel gar «Gerechtigkeit». Alex Baur sprach sich gegen Männerfantasien aus: «Finger weg von Ameti».
Und dann die nächste Volte: «Opfer Ameti? Nach der Empörung nehmen die Medien Sanija Ameti allmählich wieder in Schutz. Bei allem Verständnis sollte man nicht vergessen, dass sie symbolisch auf das Fundament unserer Werte geschossen – und die Affäre selbst losgetreten hat».
Ist halt schon blöd, wenn man aus Prinzip immer gegen den Strom schwimmen will – und der Strom ständig seine Richtung ändert. Sie habe das alles selber losgetreten, schimpft Hubert Mooser, ganz ohne Milde oder christliche Nächstenliebe.
Ist das ein Thema, das der WeWo-Leser dermassen ausführlich ventiliert sehen möchte? Als Titelgeschichte? Aufregung um ein Politik-Pin-up-Girl? Die Berichterstattung über dies Bachelorette der Politik zieht sich selbst auf ihr Niveau herab.
Dagegen kann man nichts machen. Das widerfährt Kritikern, Bewunderern, Fans, Verteidigern und der überwältigenden Mehrheit, die überzeugt ist, dass der Primitiv-Provokateurin recht geschah. Die jetzt noch ihre letzte Karte ausspielt: das Drücken auf die Tränendrüse, die Mitleidsnummer. Frau mit Migrationshintergrund, gelegentlich Muslima, lasziv, posierend, immer eine vorbereitete Rempelei auf Lager. Aber sonst nichts. Und nun gehe es ihr ganz schlecht, wisse sie nicht, wie lange sie das noch aushalte. Und dann?
Aktion und Reaktion sind inzwischen gleichermassen widerlich geworden. Daher stellt ZACKBUM hiermit die Berichterstattung über dieses Sumpfgebiet ein. Und befreit sich selbst von Ameti, Rysers und allen anderem Gesocks.