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Vermisst: die Kultur bei Tamedia

Sag mir, wo ist sie gebliehiben?

Immerhin 7 Fachkräfte umfasst das «Team Kultur» im Abfall-, Pardon, Sammelgefäss «Leben». Da gibt es auch das «Team Gesellschaft», dem auch wieder der eigentlich gefeuerte Jean-Martin Büttner angehört. Offenbar hat er sich die Rückkehr durch unerschrockene Peino-Artikel erschrieben.

Darüber thronen zwei Co-Leiter, ein «Content-Manager», ein Autor und eine Lisa Füllemann einfach so. Nochmals darüber gibt es die «Chefredaktion Tages-Anzeiger» (4 Nasen) und die «Redaktionelle Steuerung» (13 Nasen), wobei es teilweise zu Funktionsüberschneidungen kommt. So ist Kerstin Hasse hier in der «Tagesleitung», gleichzeitig aber auch in der Chefredaktion. An beiden Orten bleibt sie, nun, eher unauffällig

Aber was schafft denn diese geballte Kompetenz mit gewaltiger Führungscrew in Sachen Kultur; nicht ganz unwichtig für ein sogenanntes Qualitätsmedium mit unzähligen Kopfblättern? Nehmen wir die «Literaturchefin» Nora Zukker. Deren Ausstoss im letzten Monat bestand aus vier Wortmeldungen. Vielleicht will sie sich damit für eine Mitarbeit bei der «Republik» bewerben. Und bei genauerer Betrachtung waren das ein Sammel-Buchtipp (darunter Kim de l’Horizon, Claudia Schumacher und Martin Suter, also untere Etage) mitsamt launigen Bemerkungen (Rezept für selbstgemachte Glace) und dem Ratschlag, nicht «1000 Seiten Hardcover auf dem Rücken liegend» zu lesen.

Der Rest waren Interviews, die billigste Art von Journalismus, ohne Aufwand, ohne nix. Oder nehmen wir Alexandra Kedves (Ladies first). Sie schaffte in einem Monat ein Interview mit einer «legendären Feministin», etwas zum Theater Spektakel in Zürich und ein Sprachquiz.

Ebenfalls auf drei Werke brachte es Christoph Heim. Caspar David Friedrich in Winterthur, Käthe Kollwitz in Zürich und Fotografien aus Südafrika. Ein abendfüllendes Programm. Richtig im Schreibstau steckte Martin Ebel, ein einziges Werk in einem Monat.

Kein Wunder, muss man auf der Homepage weit, sehr weit nach unten scrollen, bis nach den Blogs endlich die Kultur kommt. Und was für eine:

Das ist durchaus repräsentativ. Der ewig laufende «News-Ticker Kultur», das Abfall-, Pardon, Sammelgefäss für alle Arten von Tickermeldungen. Die «besten Bücher des Monats» August verweilen hier bis zum allerletzten Tag des Monats. Dann noch «Unsere Streaming-Tipps im August» und schliesslich noch der lustige Leserwettbewerb «Stimmen Sie ab».

Mit Verlaub, das ist kein Kulturteil, das ist Leserverarsche. Immerhin traut sich Tamedia schon lange nicht mehr, das Ganze «Feuilleton» zu nennen. Das hier ist aber einfach erbärmlich. Hier gibt es gewaltiges Sparpotenzial nicht nur bei Andreas Tobler, der eigentlich nie in Kulturellem unterwegs ist, sondern die Bührle-Sammlung, die Band Rammstein und die ganze Welt mit seinen Ratschlägen, Forderungen und unqualifizierten Kommentaren belästigt.

7 Fachkräfte, die kosten im Monat mit allem Drum und Dran und Spesen und überhaupt so um die 100’000 Franken. Um auch hier fast alles von der «Süddeutschen Zeitung» zu übernehmen, bräuchte es eigentlich höchstens eine Fachkraft, die ß in ss verwandelt, ein paar Germanismen durch Helvetizismen ersetzt und gelegentlich mal ein Interview macht.

Der Qualität täte das keinen Abbruch, im Gegenteil. Umso schneller Nicht-Literaten, Möchtegerns, Eintagsfliegen und kampffeministische Autoren wieder verschwinden, desto grösser die Chance, dass bei Tamedia wieder so etwas wie ein Kulturteil wahrgenommen wird.

 

Kunst kommt von Können

Also wird’s etwas schwierig für Tamedia.

Redaktor Christoph Heim dekretiert: «Sammlung Bührle»: Was darf bleiben, was muss weg?» Der Mann hat schon seit der Eröffnung des Neubaus diese Attraktion Zürichs mit Häme und Geschimpfe verfolgt. Duftmarke: «Mit der Sammlung Bührle wird das Museum zum Schaufenster privater Sammler. Das ist ein Rückschritt in feudalistische Zeiten.»

Auch zur Nachfolge an der Spitze der Kunsthausgesellschaft hatte Heim eine klare Meinung: «So geht das nicht.» Jetzt übertrifft er sich aber selbst. Er hat nochmals den Provenienzbericht der Bührle-Stiftung «vom Dezember 2021 auf Hinweise durchsucht, welche Bilder auf der Kippe stehen und – vorbehaltlich genauerer Untersuchungen – wahrscheinlich zurückgegeben werden müssen».

Das tut er im Vorgriff auf die Überprüfung dieser Ergebnisse durch den Historiker Raphael Gross, deren Ergebnisse erst in einem Jahr zu erwarten sind. Zunächst macht sich Heim mal wieder lächerlich. Im Pluralis Majestatis schreibt er: «Wir haben exklusiv» diesen Bericht «durchsucht». Was soll an der Lektüre eines seit Jahren öffentlich einsehbaren Berichts «exklusiv» sein?

Oder würde Heim auch schreiben, wenn er einen Blick auf den SBB-Fahrplan geworfen hat, er habe den «exklusiv durchsucht»? Und vielleicht eine bisher unbekannte Verbindung gefunden? Wir wischen uns mal wieder die Lachtränen ab.

Wer übrigens auch ganz exklusiv diesen Bericht durchsuchen will: bitte sehr.

Das Ergebnis dieser Untersuchung war übrigens – wie ZACKBUM hier exklusiv enthüllt – folgendes:

«Nach Auffassung der Sammlung Emil Bührle können heute von den 203 Werken im Bestand 113 Werke der Kategorie A (lückenlos erforschte, unproblematische Provenienz) zugordnet werden. 90 können der Kategorie B (nicht lückenlos erforschte Provenienz, aber ohne Hinweis auf problematische Zusammenhänge) zugeordnet werden.
Werke der Kategorie C (nicht lückenlos erforschte Provenienz und Hinweis auf möglicherweise problematische Zusammenhänge) sind nach heutigem Kenntnisstand keine im Bestand, Werke der Kategorie D (eindeutig problematisch) gibt es seit 1948 keine mehr in der Sammlung Emil Bührle.»

Der Bericht hält zudem fest:

«Heute kann festgestellt werden, dass die als Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich gezeigte Sammlung Emil Bührle keine Fälle von ungeregelter Raubkunst enthält. Nach derzeitigem Wissen fallen fünf Werke im Bestand unter die Kategorie sogenannter Fluchtkunst, also Werke, die nach 1933 von ihren NS-verfolgten Eigentümern in die Schweiz transferiert und hier dem Kunsthandel übergeben wurden. Die Stiftung hat deren Erwerbsgeschichte detailliert analysiert und kann davon ausgehen, dass diese Werke unter Wahrung der Interessen ihrer früheren Eigentümer über den Schweizer Kunsthandel in den Besitz von Emil Bührle gelangt sind.»

Das lässt nun an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Aber nicht für den Exklusiv-Forscher Heim. Er stapelt nochmals schon längst bekannten und abgetischten Unsinn aufeinander. Nehmen wir dafür sein erstes Beispiel. Gustave Courbet: «Portrait du sculptuteur Louis-Joseph Leboeuf». Heim zeichnete dessen Handänderungen nach und behauptet dann faktenfrei: «Wenn die Ullstein-Erbin aus Not verkauft haben sollte, dann gehört dieses Porträt zu den ersten Bildern, für die von der Bührle-Stiftung aktiv nach Erbberechtigten gesucht werden müsste.»

Im von Heim «exklusiv» durchforschten Bericht heisst es zu diesem Bild, es falle unter die Kategorie «A 5». Das bedeutet: Kategorie A steht für «lückenlos geklärt, unproblematisch», und Kriterium 5 bedeutet, dass das Werkt «als «Fluchtgut» nach der im Belgier-Bericht gegebenen Definition in die Schweiz gebracht und hier nachweislich unter Wahrung der Interessen ihrer Eigentümer verkauft wurde».

Nun kann man natürlich an der jahrelangen und unter Beizug international anerkannter Koryphäen erstellten Provenienz-Forschung der Bührle-Stiftung herummäkeln. Man kann sie als Gefälligkeitsgutachten, als überholt, als neueren Erkenntnissen oder Definitionen nicht mehr entsprechend kritisieren.

Aber auch das nächste von Heim als problematisch aufgeführte Werk, «Le Jardin de Monet à Giverny» wird laut der Bührle-Stiftung unter A 5 eingeordnet.

Völlig abstrus werden die Beispiele, an deren Verkauf der Kunsthändler Walter Feilchenfeldt beteiligt war. Dessen Sohn hat schon mehrfach öffentlich klargestellt, dass sein Vater Bührle ausgesprochen dankbar war, dass er ihn korrekt mit den Käufen von Kunstwerken unterstützte und dass sein Vater bis zu seinem seligen Ende nur in den höchsten und respektvollen Tönen über Bührle sprach, Wie man daraus eine Problematik nachträglich erfinden will, braucht schon eine gewisse Bösartigkeit.

Nachdem Heim diesen kalten Kaffee nochmals aufgewärmt und als exklusive Mischung angepriesen hat, kommt er zu absurden Schlussfolgerungen:

«Es ist also davon auszugehen, dass schon im Jahr 2024, wenn die Resultate der von Raphael Gross geleiteten Provenienzforschung der Bührle-Stiftung vorliegen, einige der hier besprochenen Werke aus der Ausstellung entfernt werden müssen.» Wieso sollte davon auszugehen sein? Weil Heim das behauptet?

Aber er geht noch einen Schritt weiter zur angeblichen Millionenfrage: Schliesslich stellt sich die alles dominierende Frage: Wer bezahlt die Millionenbeträge, wenn die Stiftung Bührle als Eigentümerin nicht einfach Bilder restituiert, sondern im Sinne einer fairen und gerechten Lösung mit den Erben einen Vergleich anstrebt, sodass die Bilder im Museum bleiben können

Wieso sollte die Bührle-Stiftung denn das tun, wenn es reine Spekulation ist, dass der rechtmässige Besitz an diesen Kunstwerken, die bereits unzählige Male auf ihre Provenienz untersucht wurden, angezweifelt werden sollte?

Zu diesem Thema hat sich auch schon die schreibende Schmachtlocke von der «Republik» unsterblich lächerlich gemacht. Daniel Binswanger kroch kritiklos einem Nachfahren eines einstmals wohlhabenden Exilanten in der Schweiz auf den Leim und blamierte sich ungeheuerlich.

Heim schreibt einfach ein weiteres Kapitel im unendlichen Fortsetzungsroman: Bührle, Waffenhändler, Raubkunst, Schweinerei. Diese Mischung ist natürlich auf den ersten Blick verführerisch. Ein Waffenhändler wird mit Geschäften mit Nazi-Deutschland reich und kauft damit verfolgten Juden auf der Flucht für Butterbrote ihre Kunstwerke ab.

Das passt schön ins Bilderbuch der Demagogie. Aber leider, leider: die Realität gibt’s nicht her.

Also erhebt sich doch bei Redaktor Heim die Frage: Darf er bleiben – oder muss er weg?

Beleidigte Leberwurst

Das Kunsthaus hat schon wieder Mist gebaut. Zumindest laut Tamedia.

«Christoph Heim war zehn Jahre lang Ressortleiter Kultur bei der BaZ.» So die inzwischen obligatorische Selbstauslobung am Schluss eines Artikels. Das prädestiniert ihn natürlich dazu, dem Kunsthaus mal wieder die Kappe zu waschen: «Eine Kandidatur nach Gutsherrenart», ätzt Heim in einem Kommentar. Wir hoffen für ihn, dass er eine dunkle Ahnung hat, was Gutsherrschaft war und wie sie sich von heutigen Zuständen unterscheidet.

Was ist passiert? «In einem dürren Communiqué teilte die Zürcher Kunstgesellschaft am Gründonnerstag mit, dass Philipp Hildebrand Nachfolger von Walter Kielholz und Anne Keller Dubach an der Spitze der Zürcher Kunstgesellschaft werden soll.» Dagegen stellt Heim die dürre Bemerkung:

«So geht das nicht

Warum denn nicht? Nun, es gebe «kein Wettstreit der Kandidaten», und ausserdem bezweifelt Heim die Befähigung von Hildebrand. Seine verflossene und aktuelle Gattin hätten zwar beide was mit Kunst zu tun, räumt Heim ein, als ob das etwas mit der Qualifikation von Hildebrand zu tun hätte. Zudem sei er im Stiftungsrat des British Museum.

Das kommt aber ganz schlecht bei Heim an: «Es gibt wahrscheinlich kein Museum, das sich abweisender gegenüber Restitutionsbegehren zeigt als das British Museum.» Und was hat das mit Hildebrand und dem Kunsthaus Zürich zu tun? Dumme Frage:

«Bei der Zürcher Sammlung Bührle geht es bekanntlich darum, die Provenienzen der Bilder nochmals zu prüfen und jene Bilder, bei denen es sich nachweisen lässt, dass es sich um Nazi-verfolgungsbedingten Entzug handelt, möglichst rasch ihren Eigentümern zurückzugeben

Schon der Banker Walter Kielholz war für Heim als Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft nicht über jeden Zweifel erhaben: «Auch wenn der Manager sich gern im hellen Licht des Erweiterungsbaus des Kunsthauses zeigt, er steht auch im Schatten des Bührle-Debakels, das sich zu einem eigentlichen Imagedesaster für das Kunsthaus auswuchs.»

Vielleicht sollte man hier der Gerechtigkeit halber anmerken, dass es mehr ein Mediendebakel war, heubeigeschrieben von Tamedia und der «Republik». Bis heute liess sich kein einziger Vorwurf bezüglich ausgestellter Raubkunst erhärten, sämtliche Provenienzforschungen waren schon vor der Eröffnung der Ausstellung öffentlich einsehbar, von der Möglichkeit von Nachfragen bei der die Sammlung verwaltenden Stiftung wurde abgesehen. Das alles ist sattsam bekannt und abgehandelt. Genau wie der skandalisierte Leihvertrag mit dem Kunsthaus. Da wurde Ungeheuerliches hineingeheimnisst, als er veröffentlicht wird, erstarb die Kritik schlagartig: es gab nix zu meckern.

Nun also Hildebrand. Immerhin erwähnt Heim, dass es sich hierbei nur um einen Vorschlag des Vorstands der Kunsthausgesellschaft handelt, über den die 24’000 Mitglieder abzustimmen haben. Was doch eigentlich ziemlich demokratisch ist. Aber Heims Problem ist ein ganz anderes. Er ist beleidigte Leberwurst. Warum? Hier verrät er’s:

«Die Öffentlichkeit will wissen, warum jemand kandidiert und was ihn zur neuen Aufgabe befähigt. Vor diesem Hintergrund ist das dürre Communiqué der Kunstgesellschaft ein No-go und Philipp Hildebrands Nein auf eine Interviewanfrage dieser Zeitung eine Geringschätzung der Öffentlichkeit.»

Das hätte Hildebrand besser wissen müssen: Wer keine Zeit oder Lust hat, sich von Heim interviewen oder gar grillen zu lassen, der hat’s bei ihm verscherzt. Da fordert der beleidigte Journalist im Namen der Öffentlichkeit Satisfaktion. Ach, so geht das auch nicht.

 

Kunst, Kunsthaus, Banausen

Der Erweiterungsbau des Zürcher Kunsthauses ist ein Geschenk.

Es schmerzt, wenn man die Realität, die eigene Wahrnehmung mit der Darstellung in der Kunstwelt der Medien vergleicht.

In Tamedia erschien eine Hinrichtung des erweiterten Kunsthauses Zürich. Von einem Schmock. Einem geschmäcklerischen, übelgelaunten Redaktor, der wahrscheinlich darunter leidet, dass er für ein Feuilleton schreibt, das niemand mehr ernst nehmen kann, das weitgehend von München aus bestrichen wird, das eine Nullnummer wie Nora Zukker als Literaturchefin ausweist.

Also schlichtweg irrelevant geworden ist. Nein, schlimmer noch: lächerlich. Und wenn ein Journi etwas nicht verträgt, dann ist es, eine lächerliche Figur geworden zu sein. All diesen Frust lässt Christoph Heim an der Erweiterung des Kunsthauses aus. Dabei ist es ein Geschenk.

Wiederbegegnung mit alten Bekannten.

Am Wochenende ist offene Tür, und wer in diesen trüben Zeiten Erbauung und Bereicherung sucht (aber keinen Kant und solches Geschwurbel), der muss unbedingt und gratis den Neubau durchwandern. Das einzige Problem: es ist eine Überfülle, die sich bietet. Aber in so offenen und grosszügigen Räumen, dass selbst das wieder erträglich wird.

Man begegnet natürlich vielen alten Bekannten wieder, vor allem in der Sammlung Bührle, wo Weltberühmtes von Cézanne, van Gogh, Monet, Manet, Picasso und vielen anderen ausgestellt ist.

Huch, was macht denn Degas?

Darunter auch diese Figur von Degas; uns vorher nicht bekannt. Aber geradezu grossartig in ihrer heutigen Wirkung. Es wird nicht lange dauern, bis neben den üblichen Schmährufen (bäh, Bührle) hier noch der Ruf nach Wegschliessen erfolgen wird. Zumindest nach einer ausführlichen «Einordnung», «Klarstellung», Verurteilung. denn schwarz mit Röckchen, das geht nun gar nicht. Selbst wenn es von Degas ist, und überhaupt, wer war denn das?

Unmögliches von Edgar Degas.

Wer ist denn das heute, im Vergleich zu den verletzten Gefühlen von Fremdschämern und Fremdleidern und Entdeckern von Bauchnabelschmerzen?

Kunsthaus macht gute Lauen und Lust auf Da capo

Aber davon wollen wir uns die gute Laune nicht verderben lassen. Zürich, nicht gerade arm an Attraktionen, ist um eine reicher geworden. Im Vergleich zur Unterstützung von Genderwahn, angeblichen Hassverfolgungswebseiten und ähnlichem Unsinn handelt es sich hier endlich mal um sinnvoll angewendete Steuerfranken. Dass der Zürichberg auch noch seinen Obolus entrichtete, weil Bührle, dem das Kunsthaus in der Vergangenheit viel Geld zu verdanken hatte, nicht mehr lebt, ist auch schön.

Licht, luftig, Raum für Fantasie.

Der politischen Korrektheit geschuldet ist ein ganzer Raum, der das Leben, die Einkünfte und die Problematik von Bührle nachzeichnet. Kann man machen, muss man nicht machen. Aber die übrigen Ausstellungen, jeweils thematisch Leihgebern gerwidmet, sind nun keinesfalls ein Rückfall in den Feudalismus. Sondern erlauben vielmehr, die unterschiedlichen Geschmäcker, Vorlieben der verschiedenen Kunstsammler zu entdecken.

Das schafft Raum auch bei Grossandrang.

Also ein Ort zum Wiederkommen, Wiedersehen, Wiederentdecken, Wiedergeniessen.

Das gehört nicht nur den «happy few», sondern allen.

«Im Sinne Kants»

Wie in Tamedia über die Neueröffnung des Zürcher Kunsthauses geschnödet wird.

Kunst kommt bekanntlich von Können. Und von Kennen. Aber das braucht ein Kunstkritiker von Tamedia doch nicht. Es verblüfft allerdings, dass der altgediente BaZ-Kulturredaktor Christoph Heim ansatzlos über die Hauptausstellung des Erweiterungsbaus herfällt: «Das Kunsthaus Zürich verkauft sich».

Wie denn das? Da wird die Sinnsuche schwierig.

«Mit der Sammlung Bührle wird das Museum zum Schaufenster privater Sammler. Das ist ein Rückschritt in feudalistische Zeiten.»

Und das junge Publikum habe nichts davon.

Pfui; das interessiert ein junges Publikum doch nicht.

Der Waffenhändler und Kunstsammler Emil Bührle ist seit Langem aufs engste mit dem Kunsthaus verbandelt. Schon 1958 finanzierte er den damaligen Ausbau, nun hängt eine Auswahl seiner gigantischen Kunstsammlung als Leihgabe im Erweiterungsbau. Wie auch die Sammlungen von Werner Merzbacher und anderen.

Das stört Heim weniger. Auch dass ein eigentlicher Dokumentationsraum die Biographie und die Geschäfte Bührles nachzeichnet, seine Waffenexporte und das Entstehen seiner Sammlung, das vermag Heim nicht milde stimmen.

«Interesseloses Wohlgefallen» (im Sinne Kants)

Das Kunsthaus sei nun ein «Schaufenster privater Sammlungen wie die Museen des 18. Jahrhunderts». Na und? Stört Heim weniger, dass die private Fondation Beyeler in Riehen zurzeit eine grossartige Goya-Ausstellung beherbergt, natürlich grösstenteils mit privaten Leihgaben bestückt, die dadurch öffentlich zugänglich werden?

Ein «interesseloses Wohlgefallen (im Sinne Kants)» sei bei diesen Bührle-Bildern nicht möglich, schwurbelt Heim. Ohne hier auf die «Kritik der Urteilskraft» des spätfeudalistischen Denkers Immanuel Kant von 1790 einzugehen: das hört sich irgendwie tief und gut an, hat aber mit dem Ausstellen von Gemälden schlichtweg nichts zu tun.

Kant (gest. 1804): kann sich nicht mehr wehren.

Denn Heim hätte seinen Ansatz auch ehrlicher und einfacher formulieren können: Er findet es ziemlich scheisse, dass die Sammlung von Bührle hier öffentlich ausgestellt wird. Was beinhaltet, dass es ihm lieber wäre, wenn sie nicht angeschaut werden würde, obwohl das der Erhebung und Erbauung (auch Kant) dient.

Der Kritiker lässt keinen Stein auf dem anderen

Heim gefällt einfach nichts an dieser Neueröffnung. «Meritokratischer Erinnerungsort», «gemahnt an eine Shoppingmall», «Privatsache des Zürichbergs», also eigentlich alles furchtbar.

Wenn das alles falsch ist, wie sollte, könnte es denn richtig, besser werden? Na, einfach Heim fragen: «Für die Zukunft wäre es aber wichtig, wenn das Museum mit seinen Ausstellungen zu einem zentralen Forum demokratischer und ästhetischer Auseinandersetzungen würde, das auch die jüngere Generation interessiert.»

Die Kunst-Shoppingmall von aussen.

Dunkel raunt der Kritiker, inhaltsschwer und unverständlich

Ohä, da sagt der Leser vorsichtig: interessanter Ansatz. Was man halt so sagt, wenn man nur Bahnhof versteht. Aber Heim definiert auch gnadenlos, was ein modernes Kunsthaus (im Gegensatz zu einem postfeudalistischen) sein soll:

«Dabei ist das moderne Museum schon längst kein selbstgenügsames Bilderlager mehr, sondern, um das mit Begriffen der Kommunikationswissenschaft zu sagen, ein Sender, der mit Kunst ein überaus diverses, in verschiedene Gruppen zerfallendes Publikum erreichen muss.»

Oder um das in den Begriffen der Erkenntnistheorie im Zeitalter des Postdekonstruktivismus, im Luhmannschen Sinne und mit einem Sprutz Baudrillard zu sagen, nicht ohne auf den zu Unrecht vergessenen Louis Althusser zu rekurrieren: auch im Kunsthaus muss der herrschaftsfreie Diskurs (Jürgen Habermas) eingefordert werden! Das meinte auch schon Michel Foucault, aber der war homosexuell.

Eigentlich müsste jeder Besucher beweisen, dass er die «Ästhetik des Widerstands» von Peter Weiss gelesen hat, bevor er eintreten darf.

Oder auf Deutsch: welch ein geschmäcklerisches Kritikastern, aufgeblasen, aber ohne Sinn und Verstand. Völlig am Interesse und Geschmack des Publikums vorbei, dem in immer trüberen und immer kunstferneren Zeiten immerhin ein grosses Stück Teilhabe an sonst unerreichbaren Kunstwerken offeriert wird.

Das ist auch bitter nötig, angesichts des jämmerlichen Zustands, in dem sich das Feuilleton von Tamedia befindet. Wer eine Nora Zukker zur Literaturchefin ernennt (und erträgt), hat eigentlich jedes Recht auf Kunstkritik verwirkt.