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Das KOF ist doof

Der «Blick» liebt die Lachnummer Jan-Egbert Sturm.

ZACKBUM musste sich schon mehrfach mit dem Meister der Fehlprognose befassen:

Herausragend in diesem Business ist die «Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich» (KOF). Deren Direktor Jan-Egbert Sturm gehört zu den Expertenlieblingen des Fachblatts «Blick». Der ist aber der Sturmvogel der verhauenen Prognosen, so musste er vor Kurzem eine doofe Konjunkturprognose um fast 5 Prozent korrigieren, schrieben wir im Juni 2022

Auch als Virologe machte er sich einen Namen, als er 2020 auch auf diesem Gebiet mit schrägen Aussagen auffiel.

Nun möchte aber der «Blick» seine Leser weiterhin mit schrägen Nummern von Sturm bespassen; immerhin geschützt durch die Bezahlschranke «Blick+». Das soll wohl in diesem Fall eine Vergnügungssteuer sein, die der Leser zu entrichten hat, bevor er Weisheiten wie dieser teilhaftig wird:

««Wir sind pessimistischer geworden, aber es gäbe durchaus auch Grund zu einem gewissen Optimismus», erklärt der Leiter der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich.»

Ohä. Pessimistisch gesehen regnet es morgen aber es gibt auch Anlass zum Optimismus, dass es das nicht tut.

Putzig ist allerdings die «KOF Prognosetagung 2024», die immer noch auf der Webseite («jetzt anmelden!») angepriesen wird. Zu den «Chancen und Grenzen von Prognosen» ist hier dem KOF etwas Originelles eingefallen. Denn wenn eine Tagung vom 25. September am 26. Anmeldungen entgegennehmen will, dann sei die Prognose gewagt: Publikumsverarsche.

Im wilden Einerseits-andererseits-aber-dann-doch-nicht-oder-schon wagt Sturm im «Blick» einen seiner berüchtigten Blicke in die Glaskugel:

«Eigentlich müssten wir jetzt einen Boom sehen, bestenfalls erreichen wir eine gewisse Normalisierung der Wachstumsraten», dämpft Sturm etwas die Erwartungen. Die KOF hat ihre Prognosen deshalb leicht nach unten korrigiert: In diesem Jahr wird die Schweizer Wirtschaft mit 1,1 Prozent wachsen, 2025 mit 1,6 Prozent und 2026 mit 1,7 Prozent.»

Ohä. Boom oder Normalisierung, leichte Korrektur nach unten, damit Raum für eine leichte Korrektur nach oben bleibt. Dann aber ein klares Wort, denn Sturm weiss als alter Medienprofi, dass der Journalist an den Fingernägeln knabbert, wenn’s kein knackiges Quote für den Titel gibt. Aber Christian Kolbe vom «Blick» konnte aufatmen: «Die Inflation in der Schweiz ist besiegt», verkündet Sturm wagemutig.

Das würde ja dann wohl bedeuten, dass die SNB den Leitzins weiter senken dürfte. Allerdings muss Sturm da auch ein «schon, aber, wenn nicht, wobei» hinzufügen: «Die SNB sollte sich noch etwas Pulver aufbewahren, sollte es doch zu einer grossen Krise der Weltwirtschaft kommen, wovon ich aber derzeit nicht ausgehe.»

Ohä. Also Pulver trockenhalten, falls es zu einer grossen Krise kommt. Aber die kommt dann doch nicht, zumindest nicht «derzeit». Sonst aber jederzeit.

Aber wieso immer Trübsal blasen, ein aufmunterndes Wort zum Schluss: «Weil die Löhne in der Schweiz steigen, die Teuerung aber tief ist, bleibt vielen real mehr Geld im Portemonnaie. Was wiederum gut für die Konsumentenstimmung und damit den Binnenkonsum ist. Einzig der Arbeitsmarkt muss uns etwas Sorge machen: «Der Aufbau neuer Stellen wird abflachen, die Arbeitslosenquote leicht ansteigen», giesst Sturm dann doch wieder einen Wermutstropfen in den Kelch der frohen Botschaft.

ZACKBUM versucht, die Aussagen des Orakels zusammenzufassen. Trotz zunehmendem Pessimismus gebe es Grund für Optimismus. Trotz Boom müssen die Prognosen der Wachstumsraten leicht nach unten korrigiert werden, aber die Inflation ist tot. Was aber die SNB nicht zu feuchtem Pulver verleiten sollte.

Das ist mal eine Leitlinie, nach der sich sowohl der Laie wie auch der Unternehmer richten kann. Da lohnt es sich doch, dass am KOF vollamtlich in 52 Sessel gefurzt wird. Man versuche allerdings mal, das Jahresbudget dieser ETH-Veranstaltung in Zahlen zu fassen. Viel Spass dabei.

Auf jeden Fall: unabhängig davon, wie viele Steuergelder hier verbraten werden, wie viele Fremdgelder eingeworben werden: wenn dieses Geschwafel der Gegenwert dafür sein soll, ist eigentlich jeder Franken rausgeschmissenes Geld.

ZACKBUM macht sich anheischig, solche Prognosen zu jeder beliebigen Zeit abzugeben, sagen wir für ein bescheidenes Honorar, all in, von jährlich 100’000 Franken. Absoluter Discount, das lohnt sich schon mal. Unsere erste Prognose mit 100 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit.

Ansonsten bieten wir diese Standardantwort für alle Lebenslagen. Wir  präsentieren hier den Setzkasten der Textbausteine, die jedes Medium, jeder Empfänger der frohen Botschaft nach Belieben zusammensetzen darf:

Durchaus gedämpft optimistisch, weitere Eintrübung, leichte Aufhellung, unsichere Zukunft, Insel Schweiz, abhängig vom Export, einerseits, andererseits, weiterhin, wenn nicht, unter Voraussetzung, dass, sollte die Entwicklung weiterhin, Wachstum von 1, von 1,1, von 1,2, von 1,3, von 1,4, von 1,5, von 1,6, von 1,7. Inflation zieht leicht an, wenn sie nicht abflacht. Oder umgekehrt. Und auf jeden Fall: aus heutiger Sicht, derzeit, auf absehbare Zeit, falls kontinuierlich, wenn nicht disruptiv, sollte Resilienz, Blabla, Blüblü.

Ad nauseam, um hier gelahrt zu lateinern.

La, La, Läderach

Wie schlägt sich Johannes Läderach im kleinen Orkan?

Klarer Fall für Krisenkommunikation. Es war ein Sturm mit Ansage. Spätestens, als die SRG Vater Läderach mit Vorwürfen konfrontierte, an der evangelikalen Privatschule «Domino Servite» habe es Gewalt gegen Zöglinge gegeben und gar einen Vergewaltigungsfall unter Schülern, wusste CEO Johannes Läderach, dass sich Gewitterwolken zusammenballten. Und konnte mit den Vorbereitungsarbeiten beginnen.

Vergangenen Donnerstag schlug dann der Blitz ein, die Doku wurde ausgestrahlt. Inzwischen zählt das SMD (Stand Montagmittag) bereits 274 Treffer für das Stichwort Läderach. Natürlich sind sehr viele Doubletten dabei, weil die Schweizer Medienszene überwiegend aus Kopfblättern von Tamedia und CH Media besteht, in denen jeweils die gleiche Einheitssauce auf die Leser geschüttet wird.

Am Donnerstag vermeldete SRF die Resultate einer zweieinhalbjährigen Recherche. Darunter diese Aussage eines M.: «Er sei dabei gewesen, als Jürg Läderach seine Mitschüler mit seinem Gurt gezüchtigt habe, erzählt M, der anfangs 2000 auf dem «Hof Oberkirch» zur Schule ging.»

Dagegen steht: «Jürg Läderach dementiert. In einer eidesstattlichen Erklärung lässt er notariell festhalten, dass er «niemals Schülerinnen oder Schüler geschlagen oder anderweitig misshandelt habe»

Das ist die Ausgangslage. Unbestritten ist wohl, dass es in der Schule zu Schlägen und körperlichen Bestrafungen kam; wieweit Sexuelles dabei eine Rolle spielte, ist unklar. Umstritten ist hingegen, ob Läderach Senior selbst auch geschlagen hat, wobei zumindest klare Indizien darauf hinweisen, dass er von körperlichen Züchtigungen wusste.

Nun ist die Firma Läderach nicht irgendwer, sondern Arbeitgeber von rund 1800 Angestellten, laut Aussage des aktuellen CEO und Sohnes des im Feuer stehenden Läderach. Zwei Produktionsstandorte, weltweit 140 Läden, ein Schoggi-Museum in Bilten, für 50 Franken kann man eine geführte Tour inkl. Degustation, Schokoladenbrunnen und selbstdekorierter Schokolade buchen. Umsatz rund 180 Millionen Franken im Jahr. Ein Zwerg im Vergleich zu Lindt & Sprüngli (rund 5 Milliarden Franken Umsatz), aber immerhin.

Also ging es am Donnerstag los: «Happige Vorwürfe gegen Ex-Schoggi-König Jürg Läderach», titelte Tamedia flächendeckend. ««Kinder gezüchtigt»: schwere Vorwürfe gegen Chocolatier Jürg Läderach», echote der «Blick». Etwas gemässigter die SDA: «Vorerst keine Untersuchung von Christlicher Privatschule». Auch CH Media stimmt in den Chor ein: «Schwere Vorwürfe gegen Ex-Chocolatier Jürg Läderach: Auch er soll «Domino Servite»-Schüler gezüchtigt haben

Dann natürlich der Sektenexperte, Fragen nach der Auswirkung auf das Image, wie steht es mit der Partnerschaft mit dem Zurich Film Festival (ZFF). Eher ausgewogen neutral meldete sich die NZZ mit etwas Verspätung zu Wort: «Vorwürfe gegen Ex-Patron von Läderach».

Während das ZFF noch am Freitag tapfer zu Läderach stand, machte es am Samstag kehrtum und beendete die Zusammenarbeit mit der Schokoladenfirma.

Das war die Ausgangslage. Es war völlig klar, dass sich CEO Läderach zwischen zwei Optionen entscheiden musste, nachdem er in einer ersten Stellungnahme die Distanz zwischen Firma und Vater betont hatte und dass die dritte Generation Läderach «keinerlei Verbindungen zu der Kirche» mehr habe.

Entweder es dabei bewenden lassen, Kopf einziehen und abwarten, dass auch dieser Sturm – wie alle anderen auch – mal vorbeigehe. Oder offensiv werden und sich in der Sonntagspresse melden. Auch da ist die Auswahl sehr überschaubar. SonntagsBlick kam eher nicht in Frage, keine angemessene Plattform. NZZaS wäre natürlich eine Option gewesen, aber offensichtlich konnte man sich nicht über die Rahmenbedingungen einigen.

Also kam Rico Bandle von der SoZ zum Handkuss, das grosse Interview. Über die Entstehungsgeschichte, die Vereinbarungen und Absprachen ist natürlich nichts bekannt. Es war aber sicherlich nicht so, dass sich Bandle und Läderach bei einer Schokolade zusammensetzten, dann drückte er auf die Aufnahmetaste, und los ging’s. Dafür stand für Läderach zu viel auf dem Spiel.

Also wurden sicherlich die Themengebiete abgesteckt, die Grenzen der Veränderung bei der Autorisierung auch. Ob das Interview mündlich oder gleich schriftlich geführt wurde, weiss man auch nicht. Auf jeden Fall sind entscheidende Antworten von einer eleganten Glätte, die es fast ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ein gestresster Läderach sie so druckfertig äusserte.

Am Samstag hatte noch Tamedia nachgelegt: «Läderach und der Reputationsschaden». Ein vermeintlich schlauer «Marketingexperte» gab Flachheiten zum Besten: «Es ist nun wichtig, dass Läderach proaktiv das Vertrauen bei den Kunden und Geschäftspartnern raschmöglichst wiederherstellt.» Wie er das anstellen soll – vielleicht mit Gratis-Schoggi für alle? – verrät das Marketing-Genie aber nicht.

Aus dem fernen Peru meldet sich Pensionär Alex Baur markig in der «Weltwoche» zu Wort: «SRF betreibt mit dem Läderach-«Dok» Kloaken-Journalismus übelster Machart.». Da ist ihm beim Schreiben etwas die Klobürste in den Weg gekommen.

Dann also Läderach im Interview. Der beste Satz: «Ich plädiere dafür, dass man das Unternehmen nach den Menschen beurteilt, die jetzt die Verantwortung tragen. Und vor allem nach den 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sie machen den grossen Teil der Arbeit, sie sind der Grund für unseren Erfolg.»

Im Niveau etwas liefergelegt machte sich dann auch Reza Rafi, der Mikrofonhalter vom SoBli, so seine Gedanken. Er verwies auf den Fall der Pastamarke Barilla, deren Patron gesagt hatte, dass er niemals mit einem homosexuellen Paar einen Werbespot drehen werde. Er unterschätzte etwas den Aufschrei und musste zu Kreuze kriechen und viel Geld für Schadensbegrenzung ausgeben. Und einen Spot mit einem lesbischen Paar drehen.

Was hat das mit den aktuellen Problemen von Läderach zu tun? Genau nix. Macht nix.

Am Montag war das Thema immer noch so heiss, dass es über 50 Treffer für Läderach im SMD gibt. Es wird allerdings weitgehend an alter Schokolade gelutscht. Das ZFF stellt die Zusammenarbeit ein, der Läderach-Sohn büsse für angebliche Taten des Vaters, «Inside Paradeplatz» will wissen, dass er weiter «mit umstrittenem Vater» geschäfte.

Baur legt in der WeWo noch einen drauf: «Die von SRF befeuerte Cancel-Orgie tritt so ziemlich alles mit Füssen, was uns seit der Aufklärung heilig sein sollte. Sie setzt auf Sippenhaft, hetzt gegen religiöse Minderheiten und verstösst gegen die Unschuldsvermutung. Mehr Verlogenheit, mehr Doppelmoral ist kaum noch möglich.»

Gegen den Strom schwimmen muss nicht immer zielführend sein.

Der «Blick» zieht einen weiteren «Reputationsexperten» aus dem Hut: «Die Marke ist stark beschädigt.» Vielleicht, weil sie nicht «proaktiv» vorgeht. Woher er das wissen will, wie er das misst: das bleibt Amtsgeheimnis.

Geradezu brüllend komisch ist die Schlusspointe im «Blick»: «Bleibt die Frage, ob allein der zu erwartende Umsatzrückgang in der Schweiz reicht, damit sich die Firma klar und deutlich von den Ansichten und dem Verhalten der Familie distanziert.»

Abgesehen davon, dass sich der aktuelle CEO bereits überdeutlich von den Ansichten seines Vaters distanziert hat: die Firma gehört der Familie, bzw. CEO Johannes Läderach  …

Ob Schokoladessen schlau macht, Christian Kolbe?

Ach, und das Schicksal von Hunderttausenden von Kindern, die in den Kakaofarmen in Westafrika schuften müssen, denen Gegenwart und Zukunft gestohlen wird, die misshandelt werden, auch missbraucht – in all den rund 300 aufgeregten Artikeln zum Thema kein Wort dazu. Das ist echt erbärmlich.