Schlagwortarchiv für: Chihuahua

Der nächste «Blick» ins Elend

Wie tief runter kann’s noch gehen? Oder fragten wir das schon?

ZACKBUM muss schon wieder seine Qual an seine Leser weitergeben. Denn geteiltes Leid ist halbes Leid.

Beginnen wir aber – Überraschung – mit einem Lob:

Der «Redaktor News» Cédric Henry hat zwar nur sauber eine Meldung der Kantonspolizei Schaffhausen abgeschrieben, vermag aber das Herz zu rühren: «Die schwerverletzte Hündin lief zurück zu ihrer Eigentümerin, brach zusammen und verstarb.» Unsere Gedanken sind bei der schwer getroffenen Hundehalterin.

Auch hier versprüht der «Blick» noch einen Hauch vom alten Boulevard:

Vielleicht hätte man noch ein knackigeres Quote herausleiern können. Und dann gilt «können hätten wir schon, aber dürfen haben wir uns nicht getraut». «Blick» hat ein Foto eines Todesopfers ergattert und präsentiert es stolz. Aber völlig verpixelt.

Dann möchte der «Blick» gerne seinen wichtigen Inserenten und Sponsoren eins in die Fresse hauen:

Es ist allerdings so, dass selbst «Blick»-Redakteure der früheren Lieblingsbeschäftigung vieler Journalisten, rauchen und saufen, in der Hölle des Newsrooms und im ganzen Haus nicht mehr nachgehen dürfen.

Pfingsten naht, die Gelegenheit, auf skandalöse Ereignisse aus der Welt des Massentourismus hinzuweisen:

Die Gelegenheit, mal schnell von «Jam Productions» ein Video hochzuladen und es zuvor mit Werbung zuzumüllen, die fast gleichlang weckert wie das zur Zeitvernichtungsmaschine gehörende Video.

Nun aber zum Besten von Besten, das Angebot von «Blick+»:

Ein Aufreger «Sexualtherapeut alarmiert», dazu ein «wenn uns gar nichts einfällt, können wir diese alte Kamelle rezyklieren». Mit dem Ätsch-Effekt für die allermeisten «Blick»-Konsumenten: das könnt ihr zwar anschauen, aber nicht lesen, ausser ihr plusst endlich.

Nachdem sich aus dem Klo-Zwischenfall von Irina Beller beim besten Willen kein Tropfen mehr rausmelken lässt, muss die Abteilung Klatsch und Tratsch auch zu Notlösungen greifen:

Wir warten ungeduldig auf weitere Enthüllungen, um unseren Wissensstand zu erweitern: Wie viele Rechtshänder gibt es? Brillenträger? Unter welchen Zipperlein leiden die Royals, abgesehen von König Charles III.? Wie steht es mit den Trinkgewohnheiten? Gibt es eine Versöhnung mit dem bösen Buben von Prinzessin Diana? Daraus könnte man problemlos eine Serie machen.

Diese Meldung erschliesst sich erst nach mindestens einem guten Schluck:

Wäre es bei Waadtländer Wein nicht angebrachter, zu titeln: «Degustieren, bis die Leber den Regenschirm aufspannt»? Oder: Wer kann danach noch Chihuahua sagen? Ach so, das ist ein Inserat …

Und ach, der Bergsturz. Er ist gestürzt, die Einwohner sind fassungslos oder haben keine Lust, mit Journalisten zu reden, die ja auch immer die gleichen Fragen stellen: Was empfanden Sie, als der Berg herunterkam? Und wie geht es ihnen jetzt?

Also scheut der «Blick» keine Kosten, längst bekannte Bilder nochmals zu liefern:

Was sie dabei wohl zu sehen bekommt?

Von einem fast schon ewigen Wert kann man bei diesem Aufmacher sprechen:

Der steht seit einem Monat zuoberst in dieser Rubrik, dabei werden die Wanderwege wirklich nicht schöner.

Das hier ist ein Beitrag zum sportlichen Wettbewerb: wie man mit dem Lead den Titel totschlägt:

«Die Probleme wurden rasch behoben.» Macht nix, wir machen trotzdem eine Meldung draus.

Viel Lesespass versprechen auch die «Meinungen»:

Wer das auslässt, hat einiges gegen Beschädigung der Lebensqualität getan.

Und zum krönenden Abschluss noch eine Meldung aus der weiten Welt der Jagd:

«Dem Gastro-König Michel Péclard wurde im «Mönchhof am See» in Kilchberg ZH ein Tisch geklaut. Mit Blick spricht der Unternehmer über die Tat. Er hofft, dass der Achtertisch dank einem Finderlohn auftaucht.» Es ist immer nützlich, sein Leid dem «Blick» zu klagen und zum Halali zu blasen. Sei das ein Vorfall auf der «Globus»-Toilette, sei das ein abhanden gekommener Tisch. Von all den Zechprellern ganz zu schweigen.

Der «Blick»-Konsument hingegen fühlt sich auch irgendwie geprellt, kriegt aber nicht mal einen Finderlohn, sollte er einen Artikel entdecken, der sich tatsächlich zu lesen lohnt.

Drama, Baby, Drama

«Gesichter und Geschichten» ist Geschichte. Macht doch eine Soap draus.

Schlechte Nachricht für alle C- und D-Cervelat-Promis. Sie können nicht mehr vor laufender Kamera über den Tod des geliebten Hundes weinen, über den untreuen Partner jammern, meckern, dass der Champagner zu warm sei, ihr neustes Riesenprojekt vorstellen, nach einem Triumph nicht mehr sagen: «Ich kann es noch nicht fassen, mir fehlen die Worte.»

Nun sorgen die Macher selbst für Tränen: «Wir sind hier alle nur am Heulen. Ich kann gar nichts anderes sagen», schluchzt G&G-Chefin Paola Biason dem «Blick» ins Hemd. Sie, die von der «Schweizer Illustrierte» einwechselte und dachte, hier gemütlich bis zur Pension senden zu können.

Auch Kollegin Jennifer Bosshard verspürt den Schmerz und wird elegisch-länglich: «Es bricht mir das Herz. Einerseits für mein einzigartiges, grandioses und effizientes Team. Andererseits für all die Menschen in unserem Land, die zur bunten Vielfalt in der Schweiz beitragen, die mit ihren Theatern, Filmen, Büchern ihrer Musik und ihrer Kunst neue Perspektiven bieten und unsere Gesellschaft bereichern – und die nun bald keine Plattform mehr bei SRF haben.» Da liegt aber Trost in der Tatsache, dass das deutsche Privat-TV jede Menge Ersatz bietet.

Nathalie Wappler macht ihrem Namen endlich Ehre: das Beil vom Leutschenbach. Kein sanftpfotiges Herantragen, Taschentücher, Schokolade und mitleidige Blicke stehen bereit. Sondern um 8 Uhr die Mitteilung, es stehe eine Personalinformation an. Beinahe zeitgleich ging dann schon die Pressemeldung raus.

Keine Zeit zum Trauern. Wie würden die G&G-Moderatoren einfühlsam fragen: «Wie fühlten Sie sich in diesem Moment, als Wuffi für immer die Augen schloss? Wie konnten Sie das verarbeiten? Wer hat Ihnen Trost gespendet

Aber nun ist’s nicht Wuffi, sondern die eigene Sendung. Keinen Trost spenden die mitheulenden Simpel-Promis, aber auch deren Schmerz muss man verstehen. Aufmerksamkeitsmanagement ist deren Leben; wer nichts ist, kann wenigstens prominent sein, wer nichts ausstrahlt, kann wenigstens ausgestrahlt werden. Ein harter Schlag für Irina Beller & Co. («Ich habe für G&G mein Leben riskiert»), die noch ein letztes Mal in diesem Zusammenhang ins Rampenlicht drängen.

Ist das ein Jammer. Die Ukraine, Amok Trump, und dann noch das. Vom Massensterben im Sudan wollen wir erst gar nicht reden. Oder von der AHV, den Bundesratswahlen und anderem Pipifax.

Immerhin kam der Tiefschlag nicht ganz unerwartet: «Es gab viele Gerüchte in den letzten Wochen und Monaten, trotzdem tut dieser Kahlschlag unfassbar weh.» Aber he, eine Anstellung beim Monstersender SRF war doch eigentlich so sicher wie die eines Beamten. Unterhalb von silberne Löffel klauen oder die Assistentin unziemlich anglotzen, gab es keinen Kündigungsgrund. Wenn Personaleinsparungen verkündet wurden, gab es nachher mehr Personal, das war die Regel.

Und jetzt das. Dass die Wirtschaftssendung «Eco», eines der wenigen Glanzlichter, verschwand, nun ja. Immer diese Wirtschaftsthemen. Schwer, kompliziert, nicht zum Einschlafen geeignet. Dabei wurde G&G doch extra noch höhergelegt. Aus Glanz & Gloria wurde Gesichter & Geschichten, das ist doch schon mal ein ganz anderes Niveau.

Ach, waren das noch Zeiten, nur ein Beispiel: «Die Luzerner Sängerin Caroline Chevin hat eine schwere Zeit hinter sich. 2018 ist ihr Mann unerwartet verstorben.» Caroline who? Macht doch nix, was für ein Schicksal. Und sie spricht ganz offen darüber, her mit den Taschentüchern.

Welch Trennungsschmerz nun schon wieder, als wäre ein guter Freund (und Zahlvater) überraschend gestorben. Der Schmerz, er ist so tief, das kann niemand nachfühlen. Aber immer wieder geht die Sonne auf, kommt ein neuer Morgen. Darin liegt Trost, und der Chihuahua kuschelt sich neuerdings so zärtlich an einen, leckt die Tränen weg.

Bitte, so einen gesendeten Nachruf wollen wir noch sehen. Bitte mit einem Tränenausbruch des oder der Moderator:in. Bevor sich das Publikum der angeblich beliebten Sendung ungerührt abwendet und sie vergisst.