«Bravo Girls» übernehmen früheres Fachmagazin.
Eigentlich ist es ja nur eine Personalie. Okay, Samantha Zaugg und Charlotte Theile werden zusammen ab 1. März den «Schweizer Journalisten» leiten, zumindest die Schweizer Abteilung. Zwei junge Frauen, zwei engagierte Journalistinnen.
Die Zeitschrift heisst dann «Schweizer Journalist:In». Prophetische Veranlagungen helfen im Alltag. Manchmal geht’s es aber auch ohne: Der SJ wird in den kommenden Ausgaben die Lohnungerechtigkeit zwischen Frau und Mann thematisieren, die sexuellen Übergriffen auf den Redaktionen erwähnen und in jeder Nummer die Frage aufgreifen, warum der Frauenanteil im oberen Kader nur bei soundso Prozent liegt. Mutige Journalistinnen werden porträtiert und Patrizia Laeri erhält hoffentlich eine Kolumne, die sich ebenfalls der Lohnungerechtigkeit und den unsittlichen Berührungen widmet.
Die zentrale Frage wird aber folgende sein: Können Zaugg und Theile auch noch mehr? Ein Blick in ihr Oeuvre lässt daran zweifeln. Beginnen wir mit Charlotte Theile. In der «Annabelle» hat sie bisher drei Artikel über die Popsängerin Taylor Swift geschrieben: «Deshalb treffen ihre Lockdown-Alben den Zeitgeist», «Darum liebe ich Taylor Swifts neues Album», «Warum ich auch mit 32 noch ein Taylor-Swift-Fan bin».
Für die «Süddeutschen Zeitung» berichtete sie von 2014 bis 2018 als Korrespondentin aus der Schweiz. Die Texte sind okay. Bei komplizierter Materie, oder wenn es schnell gehen musste, erhielt sie Unterstützung von Tamedia, zum Beispiel von Philipp Loser oder Mario Stäuble. Seit drei Jahren ist Theile nicht mehr im Tagesjournalismus. Sie versucht, sich als Freischaffende über Wasser zu halten. Theile bittet ernsthaft darum, sie mit 1,50 Euro pro Monat zu unterstützen.
In der Branche wird gemunkelt, Johann Oberauer, der Verleger, habe verzweifelt herumgefragt, wer am besten ins gewünschte Profil passe. Nämlich: weiblich, jung und billig.
Oberauer sagte zu ZACKBUM, dass er in der Ausmarchung «komplett offen» mit allen geredet habe: Männer, Frauen, Alte, Junge. Und was ist mit den billigen Arbeitskräften? «Wir bezahlen nun relativ sogar mehr, absolut jedoch weniger, weil wir mit der neuen DACH-Organisation die Stellenprozente je Land reduziert haben.»
Auch die andere Co-Leiterin, Samantha Zaugg, besitzt die gleiche Lochkarte. Zaugg ist natürlich ebenfalls Freischaffende. Ein paar Jahre auf einer grossen Redaktion? Irgendwelche Führungserfahrungen? Error 404. Zauggs Texte sind dafür süss: «Die Schwestern Ruth und Maja Weiss haben ihr ganzes Leben in Hegi verbracht. Sie erlebten die Entwicklung vom Bauerndorf zum Industriestandort und nun zur neuen Wohnzone. Wie gefällt es ihnen?»
Zaugg reagiert wütend auf Zackbum.ch: «Die Aussage, ich hätte keine Erfahrung im Tagesjournalismus und ich würde den hektischen Alltag nur vom Hörensagen kennen, ist schlicht falsch. Ich war vier Jahre Videojournalistin für die tagesaktuelle News Sendung beim Regionalsender Tele Top.» Und: «Gerade diesen Sommer habe ich mehrere Monate bei einer regionalen Tageszeitung gearbeitet, Tagesgeschäft kann ich also immer noch.» Ob das reicht?
Nach dem unspektakulären und gescheiterten David Sieber nun zwei unerfahrene Journalistinnen ohne Seilschaften. Alpinist Oberauer siehts gelassen: «In Seilen kann man sich auch verfangen. Frei klettern hat grosse Vorzüge. Ich habe da grosses Vertrauen.»
Der Verleger macht sich immerhin keine Illusionen: «Die nächsten zwei, drei Jahren werden vermutlich auch nicht einfach.» Und wenn die zwei Freien es vermutlich nicht packen? Was kommt dann als Nächstes? Ein binärer und metrosexueller Praktikant?