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Der Tiefflieger

Unser Bundesrat fliegt. Nur: wohin?

Ausserhalb der Schweiz wäre das ein Dauerbrenner für die sommerliche Saure-Gurken-Zeit. Ein Regierungsmitglied, dessen Partei eine traditionelle Flugshow verbieten will, gurkt im Privatflieger ins Ausland, kapriolt durch den Himmel und wird schliesslich von einem französischen Kampfjet zur Landung gezwungen.

Offenbar ist «Top Gun Alain» («Inside Paradeplatz») in ein militärisches Sperrgebiet eingedrungen. Der fliegende Bundesrat ist zunächst einmal ein flunkernder Bundesrat:

«Gegenüber der Nachrichtenagentur SDA gab der Innenminister an, er werde seine Ferien zusammen «mit der Familie in der Schweiz verbringen»

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Selbst die staatstragende NZZ greift zu frivolen Formulierungen:

«Ob der Bundesrat irgendwo Schnecken essen oder eine Freundin besuchen wollte, weiss man nicht.»

Immerhin erspart ihm die Autorin den Scherz mit Froschschenkeln oder Austern.

Einen sinnlosen Recherchier-Ausflug unternimmt Tamedia: «Bersets Cessna mit dem Kennzeichen HB-TDR steht auch Tage nach seiner Rückkehr prominent vor dem Hauptgebäude.» Dagegen trägt CH Media Finanzielles zur Untersuchung des Desasters bei: «Kostenpunkt: 489 Franken pro Stunde plus 63 Franken fürs Benzin.» Da scheint Berset aber sehr günstig getankt zu haben.

Aber vielleicht kommt doch noch eine gesalzene Rechnung auf ihn zu: «Einsatz der Luftpolizei – «Für Alain Berset kann es richtig teuer werden»», will «20Minuten» wissen.

nau.ch spannt den Spekulationsmuskel kräftig an:

Tamedia weidet sich hingegen an den gequälten Windungen der SP: «Keine inhaltlichen Kommentare gibt es bei der SP. Liv Mahrer, Co-Präsidentin der SP Stadt Zürich, die Flugshows am Züri-Fäscht verbieten will, sagt: «Der Bundesrat hat natürlich eine Vorbildfunktion. Das gilt für öffentliche Auftritte.» Sie möchte aber «nicht kommentieren, was SP-Bundesräte in ihrer Freizeit machen».

Samira Marti, die Inlandflüge verbieten wollte, ist nicht erreichbar. Cédric Wermuth, der Europaflüge verbieten wollte, weilt in den Ferien und verweist an Co-Präsidentin Mattea Meyer. Diese teilt per SMS mit: «Die SP verzichtet auf eine Stellungnahme.»»

Da und dort kommt man zu abschliessenden Forderungen: «Kurz: Es ist Zeit für einen Jobwechsel.» (Tamedia) «Fliegt Berset, der Vielflieger, nun aus dem Bundesrat? Anmerkungen zu einer tödlichen Bagatelle», macht Markus Somm vor kleinem Publikum im «Nebelspalter».

Inzwischen findet die NZZ wieder zur gewohnten zurückhaltenden Ausgewogenheit: «Rücktrittsforderungen an Alain Berset sind übertrieben. Der Bundesrat offenbart allerdings ein merkwürdiges Verständnis von «privaten Angelegenheiten». Irgendwo hört auch die Privatsphäre eines Regierungsmitglieds auf, und da begänne die öffentliche Verantwortung.»

Wohin und zu wem gurkte unser fliegender Bundesrat durch den französischen Himmel? Wieso behauptete er, mit seiner Familie Ferien in der Schweiz zu machen, während er mutterseelenallein im Flieger durchs Ausland düst? Das wären doch interessante Fragen, die ganze Sache ein gefundenes Fressen für den Boulevard. Aber offenbar durch die Hitze erschöpft fällt dem «Blick» nichts Langweiligeres ein, als «Krisenkommunikationsspezialisten» zu befragen, was die denn von Bersets Kommunikation, bzw. Schweigen hielten. Nicht viel, machen die Werbung in eigener Sache.

Über 500 Treffer verzeichnet das Medienarchiv SMD bislang zum Thema. Aber langsam verröchelt es und wird wohl bald einem Hitzschlag erliegen. Wenn nicht endlich mal ein Recherchierjournalist aufwacht und Neues zu Tage fördert. Prädestiniert dafür wäre Peter Hossli, der angeblich sowieso noch auf einem nicht-veröffentlichten Enthüllungsstück zum Thema Berset sitzt. Mit dem Rückenwind des Propellers einer Cessna wäre das doch nun die Gelegenheit …