Köppel kriegt Krawall
Nach der Ermordung von Charlie Kirk will der «Weltwoche»-Chef an Schweizer Unis debattieren. Das kann schwer ins Auge gehen.
Der Mann hat Mut. Als Roger Köppel Chefredaktor der «Welt» in Berlin war, drang ein fundamentalistischer Wirrkopf 2006 mit einem grossen Messer bewaffnet in die Redaktionsräume ein. Er wollte Köppel wegen der Wiederveröffentlichung von Mohammed-Karikaturen ermorden.
Sicherheitskräfte hielten den pakistanischen Studenten auf. Später beging der in Untersuchungshaft Selbstmord.
2016 wollte das berüchtigte «Zentrum für politische Schönheit» unter Mithilfe des Theaters am Neumarkt einen «Exorzismus» an Köppels Wohnort durchführen, um ihm «den Schleicher auszutreiben». Der Saubannerzug endete allerdings an der Zürcher Stadtgrenze, während sich Köppel mitsamt seiner Familie in Sicherheit gebracht hatte.
Am solidarischen, achtsamen und inkludierenden 1.-Mai-Fest im Kasernenhofareal versuchten 2019 vermummte Chaoten, den WeWo-Redaktor Alex Baur zu verprügeln und zerstörten den Empanada-Stand, den seine peruanische Frau mit ihren Kindern betrieb. Die «Weltwoche» habe hier nichts zu suchen.
Nach dem «Schuss ins Herz der Demokratie», wie Köppel das Attentat auf den religiösen Debattierer Kirk bezeichnet, sieht er «auch bei uns die Streitkultur bedroht».
Deshalb hat er angekündigt, er werde auf dem Campus das Streitgespräch mit Andersdenkenden suchen. Motto: Köppel auf dem Campus.
Das wird garantiert krawallig.
Wenn es überhaupt stattfinden wird. In der Schweiz sind Veranstalter ziemlich ängstlich. Als dieser Autor ein Buch in einem Streitgespräch mit Christoph Blocher vorstellen wollte, hagelte es Absagen. Vorgeschobenes Argument: «Sicherheitsbedenken» wegen Blocher.
Also wird die erste Hürde für Köppel sein, dass er überhaupt Bewilligungen erhält, um die heiligen Hallen von Universitäten und anderen Bildungsanstalten zu betreten.
Und dann? In der «Sonntagszeitung» sieht das Julia Bogdan, Co-Präsidentin des Verbands der Schweizerischen Studentenschaft (VSS), ganz entspannt:
«Ich finde es okay, wenn Roger Köppel mit Studierenden debattieren will. Ich glaube einfach nicht, dass die Debattenkultur an Schweizer Unis gefährdet ist.»
Eine typische Meinung aus dem Elfenbeinturm, der weit aus der Realität herausragt.
Offensichtlich hat Bogdan die diversen Protestaktionen und Unibesetzungen im Zusammenhang mit dem Krieg im Gazastreifen nicht mitbekommen.
Alleine seit 2024 kam es zu diversen Polizeieinsätzen. Im April 2024 wurde ein Gast-Vortrag an der ETH Zürich abgesagt. Die Uni Genf sagte gleichzeitig ein Treffen mit Hauptgeldgebern wegen erwarteter Proteste ab.
Die Uni Bern entzog einem Amnesty/UN-Podium kurz vor dem Event die Raumbewilligung. An der Uni Zürich wurde die Ringvorlesung «Antisemitismus» unterbrochen und gestört. An der Uni Freiburg wurde eine Podiumsdiskussion mit Aussenminister Ignazio Cassis wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. An der ETH Lausanne und der Uni Lausanne wurden Veranstaltungen des «Palästina Talks» teilweise abgesagt – nach Protesten und wegen Sicherheitsbedenken.
So viel zur ungefährdeten Debattenkultur in der Schweiz an höheren Lehranstalten.
Bogdan liefert dann gleich selbst ein gutes Beispiel für das hohe Niveau der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden unter Studenten. Sie findet es «offensichtlich», dass Köppel den Tod Kirks «in einer gewissen Weise instrumentalisiert».
Und eine solche Instrumentalisierung sollte man doch verhindern, oder nicht?
Natürlich weiss Köppel, der gerne den als Biedermann mit Krawatte verkleideten Brandstifter spielt, ganz genau, was er mit dieser Ankündigung provoziert. Denn auch hier in der Schweiz zeigen unbedachte Äusserungen auf Social Media, dass sich bei vielen Linken und Woken (natürlich nicht bei allen) die Trauer über den Tod von Kirk in überschaubaren Grenzen hält.
Die Argumentation ist immer ähnlich: natürlich sei Gewalt oder gar die Ermordung eines Andersdenkenden inakzeptabel. Dann kommt jeweils ein mehr oder minder verklausuliertes Aber. Aber er habe halt selbst Hass gesät. Er habe sich gegen eine Verschärfung der Waffengesetze ausgesprochen. Er habe Lügengeschichten über angebliche Wahlfälschungen verbreitet. Er habe selbst Gewalt wie den Sturm auf das Capitol befürwortet. Usw.
Man schaue sich nur an, was auf Bluesky so herumgeistert. Hierhin sind viele Linke und Woke geflüchtet, als Elon Musk Twitter übernahm und zu X machte.
Nun zeichnen sich auch Neonazis und andere Rechtsradikale nicht gerade durch eine offene Debatten- und Streitkultur aus.
Es ist aber unbestreitbar, dass vor allem Linke nicht nur zu Verbalinjurien neigen («Fuck you, Mr. President», der SP-Co-Präsident Cédric Wermuth). Sondern auch der Auffassung sind, dass gewisse Wörter (wie das M- und das N-Wort) verboten gehören. Ein Stand der SVP an der Schwamendinger Chilbi zerstört gehört. Weil gewisse Ansichten nicht zulässig sind.
Genauso wenig wie dahinter vermutete Haltungen (Rechtsradikaler, Hetzer, Rassist, Populist). Und Träger solcher Haltungen sind Unmenschen, die einem gedeihlichen Zusammenleben im Weg stehen – und zumindest mundtot gemacht werden müssen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz».




























