Schlagwortarchiv für: Cathrin Kahlweit

Reiner Hass

Deutsche und Österreicher: schwierig. Darunter leidet der Tamedia-Leser.

Es geht doch nichts über eine klare Meinung. Pardon, Kommentar heisst’s in der «Süddeutschen Zeitung», wenn’s die Qualitätsmedien von Tamedia übernehmen, wird’s zur «Analyse». Am Inhalt ändert sich dabei nichts (ausser natürlich, dass ß zu ss wird, wozu hat Tamedia auch noch eine Auslandredaktion).

Cathrin Kahlweit zieht hier vom Leder, dass es eine Unart hat. Der Verfolger alles Antisemitischen Maxim Biller hatte mal eine Kolumne, die «100 Zeilen Hass» hiess. Daran muss sich Kahlweit ein Beispiel genommen haben.

Der Kommentar aber auch …

Der Nachfolger von Kurz? «Schneller kann man sich in einer staatstragenden Rolle nicht disqualifizieren.» Die zukünftige Rolle von Kurz? Er wird «wie ein Sektenführer im Hinterzimmer die Devise für die Regierungspolitik» ausgeben «und seine Anhänger ausströmen, um sie devot zu verbreiten und auszuführen». Das System Kurz?

«Die «neue Bewegung» mit ihrem «neuen Stil» war auf Sand gebaut. Nun versinkt sie in demselben – weil sie, wie die meisten populistischen Bewegungen, um eine medial konstruierte Lichtgestalt herum gebaut war, die zum gefallenen Engel wurde.»

Kurz im internationalen Vergleich? «Man muss den 35-jährigen Berufspolitiker nicht überhöhen, indem man ihn mit politischen Zerstörern wie Donald Trump oder Jair Bolsonaro vergleicht. Der Populismus des irren US-Amerikaners hat zu einer tiefen Spaltung der Gesellschaft … Selbst der «kleine Diktator» (Copyright Jean-Claude Juncker)Viktor Orbán taugt letztlich nicht als Vergleich.»

Denn merke: «Die ÖVP-Geschichte ist viel armseliger.» Schlussakkord:

«Solange man sich durch schmierige Deals mit Boulevardblättern Meinung kaufen kann, wird Österreich eine käufliche Republik bleiben.»

Nun ist es wohlfeil, einem Zurückgetretenen noch nachzutreten. Als die gleiche Kahlweit den damaligen Aussenminister Sebastian Kurz 2017 für die SZ interviewte, pflegte sie noch einen anständigen Umgangston und war offensichtlich vom Jungstar durchaus angetan. Auch seinen Aufstieg zum Parteichef im gleichen Jahr begleitete Kahlweit mit freundlichen Kommentaren («Shootingstar»).

Gestern so, heute so, morgen anders

Aber wen interessiert denn schon mein dummes Geschwätz von vorgestern, mag sich Kahlweit gesagt haben. Allerdings sollte ein Kommentar, erst recht eine «Analyse», etwas enthalten, wofür der Leser auch bereit sein könnte, Geld abzudrücken: analytische Spurenelemente.

Denn Meinung ist ja gut und schön, das «System Kurz» kurz und klein zu hauen, kann sicher Spass machen. Nur: wieso Kahlweit zu diesen bahnbrechenden Erkenntnissen nicht schon kam, als sie mit allen anderen im Chor vom jungen Shootingstar schwärmte, bleibt ihr süsses Geheimnis.

Dass eine «Analyse» eine Untersuchung sein sollte, mit der unter Anwendung klarer Kriterien geordnet und ausgewertet wird, was soll’s. Offenbar ist inzwischen auch in der politischen Betrachtung ein Körperteil in den Fokus des Interesses getreten. Der eigene Bauchnabel.

Entscheidend ist die eigene Stimmungslage

Die eigene Befindlichkeit, das Ich, die persönliche Stimmungslage, meine Meinung, damit wird der Leser belästigt. Dass der sich vielleicht aufgrund einer Lektüre eine eigene Meinung bilden könnte und sollte: ach was, das ist so was von old school. Wo kämen wir da hin. Der Leser muss belehrt, erzogen und gelenkt werden. Sonst käme er gar noch auf eigene, daher falsche Gedanken.

Ausserdem wird so die Welt und alles schön übersichtlich, kategorisiert, kartografiert, fassbar. Trump («irrer US-Amerikaner»), Orban («kleiner Diktator»), Bolsonaro («politischer Zerstörer»), Österreich («käufliche Republik»).

Dazu noch ein Schuss New Speak von Orwell (in anderem Zusammenhang: Impfzwang ist freiwillig), und schon hat die sogenannte Qualitätspresse einen weiteren Sargnagel eingeschlagen.

Um genauso holzschnittartig zurückzugeben: bezüglich Käuflichkeit sollte sich gerade die «Süddeutsche» sehr zurückhalten, wie ein Blick in ihre Vergangenheit zeigt. Solche argumentationsfreien, überheblichen, besserwisserischen, abqualifizierenden Seelenrülpser einer Rechthaberin im Nachhinein braucht es weder als Kommentar, noch als Analyse. Und wirklich lustig ist diese Selbstzerstörung auch nicht.