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Tagi gegen SoZ

Einmal kein Konzernjournalismus.

Wer meint, Tamedia produziere nur violett-grünen Einheitsbrei, sieht sich für ein Mal getäuscht. Es geht auch anders. Wie in alten Zeiten, wo man sich gegenseitig nix gönnte, haut der «Tages-Anzeiger» einem anderen Organ eins über die Rübe. Lustigerweise der «SonntagsZeitung», die ja nicht nur im gleichen Glashaus erscheint, sondern auch weitgehend von den gleichen Redaktoren bestückt wird.

Stein des Anstosses ist ein Artikel in der SoZ «Palästinenser hetzten gegen Israel – und kassieren Geld von der Schweiz». Darin kritisieren Adrian Schmid und Cyrill Pinto, dass der Bund mit Steuergeldern Organisationen wie Al-Shabaka finanziert, die nach dem Terrorangriff der Hamas mit markigen Aussagen glänzte: «Al-Shabaka lehnt die kolonialen Grenzen des israelischen Regimes ab, die darauf abzielen, die palästinensische Existenz zu fragmentieren und letztlich auszulöschen.» Das Massaker sei «keine Provokation der Hamas» gewesen, doppelte die «leitende Analystin» nach.

Dieser Artikel habe Bundesrat Cassis aufgescheucht, schreibt Charlotte Walser, der «wollte, dass ein Kopf rollte – jener von Botschafterin und Deza-Vizedirektorin Andrea Studer. Manche sprechen von einem Bauernopfer». Zuvor habe Cassis mit Falschaussagen vom Deza unterstützte NGOs «in eine schwierige Lage gebracht». 

Dagegen habe sich Studer «besonnen verhalten und dafür plädiert, die Öffentlichkeit erst nach erfolgter Überprüfung zu informieren, nicht vorher. Das hätte jene NGOs, deren Mitarbeitende sich korrekt verhielten, vor einem Reputationsschaden bewahrt. Cassis habe das aber nicht gewollt. Er habe nach dem Artikel in der «SonntagsZeitung» demonstrieren wollen, dass gehandelt werde».

Schliesslich habe das Deza «die Zusammenarbeit mit drei NGOs – nicht jenen, die in der «SonntagsZeitung» kritisiert wurden», beendet. Fazit des Artikels: die SoZ schwärzt vom Deza unterstützte NGOs an: «Der Vorwurf: Einzelne Mitarbeitende sollen sich ungenügend von der Hamas distanziert haben.» Ziemliches Schönschreiben, angesichts der von der SoZ zitierten Aussagen.

Daraufhin habe Cassis hektisch eine Untersuchung gefordert, die von Studer ruhig und korrekt durchgeführt worden sei. Dann aber wurde sie «Opfer der grossen Angst vor Kritik, der alles andere untergeordnet werde. Studer habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Im Gegenteil: Sie sei Prinzipien gefolgt, statt diese wegen eines Zeitungsartikels über Bord zu werfen

Im Gegensatz zu Cassis, der nicht nur das tat, sondern dann auch noch Studer feuerte. Und all das, weil die SoZ auf die Kacke gehauen habe. Sozusagen eine doppelte Ohrfeige von Walser. Das sorgt sicher für Stimmung und rote Köpfe in der zentralen Breiredaktion von Tamedia.

Vielleicht erklärt der Werdegang von Walser ein wenig, wieso sie sich zu diesem Rundumschlag bemüssigt fühlte. Bevor sie 2021 zum «Bundeshausteam der Redaktion Tamedia» stiess, war sie bei der NGO InfoSüd – und bei der Uno-Flüchtlingsorganisation UNHCR.

 

Bildbetrachtung

Besserwisser Yann Cherix liest dem Bundespräsidenten die Leviten.

Cherix leitete einige Jahre den «Züri Tipp» und ist laut Selbstbeschreibung so: «Surft, tschuttet und glaubt an konstruktiven Journalismus.» Das ist wunderbar, und normalerweise äussert sich Cherix zu solchen welterschütternden Ereignissen:

Aktuell sieht Cherix aber ganz anderen Handlungsbedarf; er versucht sich an einer Bildbetrachtung:

Da muss nun Cherix den Aussenminister scharf rügen: «Cassis’ Fotopanne mit Lawrow». Himmels willen, hat unser Bundespräsident dem russischen Aussenminister die bedingungslose Kapitulation der Schweiz angeboten? Die Aufhebung aller Sanktionen? Hat er ihm gar das Matterhorn geschenkt?

Nein, aber er hat doch tatsächlich die Hand seines russischen Kollegen geschüttelt. «Der Fehlgriff – für alle sichtbar. Und das ausgerechnet am Tag der russischen Teilmobilmachung und Putins Atomkriegsdrohungen. Andere wie die Deutsche Annalena Baerbock zeigten Lawrow in New York die kalte Schulter

Baerbock ist ja auch eher Kriegs- denn Aussenministerin («Deutsche Panzer für die Ukraine»). Aber dann setzt Cherix zu einem merkwürdigen Eiertanz an: «Doch Ignazio Cassis hat durchaus Gründe, den russischen Amtskollegen zu treffen.» Denn die Schweiz wird bekanntlich nächstes Jahr Mitglied im UNO-Sicherheitsrat, da liessen sich solche Treffen nicht vermeiden, räumt Weltpolitiker Cherix ein. «Aber es ist eben oft so: Der Neuling ist übermotiviert. Die Hand, das Lächeln. Das ist zu viel. Das wurde vom alten Kämpfer Russland geschickt ausgenutzt.»

Das kann man allerdings auch von Cherix sagen. Der hält nun gnadenlos Gericht über Cassis: «Warum hat sich die Schweiz im Bilderkampf übertölpeln lassen?» Diese Frage muss Cherix allerdings im Raum stehen lassen, dafür weiss er: «Die UNO in New York ist eine grosse Bühne, im Fokus der Weltöffentlichkeit. Das hätte Cassis’ Delegation antizipieren müssen

Es ist halt immer blöd, wenn Cherix gerade im «Paradies für Freestyle-Sportler» unabkömmlich ist und leider keine antizipierenden Ratschläge erteilen kann.

Daher gibt es nur einen dringenden Rat an das EDA: bevor Cassis das nächste Mal jemanden die Hand schüttelt, muss unbedingt Cherix konsultiert werden. Nur er kann verhindern, dass sich unser Neuling im wahrsten Sinne des Wortes eines Fehlgriffs schuldig macht, sich übertölpeln lässt. Andeutungsweise lächelt, statt dem russischen Aussenminister die kalte Schulter zu zeigen. Vor ihm auszuspucken. Den Handschlag demonstrativ zu verweigern.

Also wenigstens in die Hand kneifen hätte er ihn können. Den Krawattenknoten lockern. Die Haare verwuscheln. Oder was auch immer Cherix als Alternative eingefallen wäre. Wir hoffen allerdings doch, dass dem Schweizer diplomatischen Dienst dieser Neuzugang erspart bleibt, wenn es bei Tamedia die nächste Sparwelle gibt.

Allerdings findet Cherix in einem Dummschwätzer seinen Meister. SP-Nationalrat Fabian Molina, der Mann, der prinzipiell schneller spricht als denkt, ist mit einem vernichtenden Urteil zur Hand: «Mit dem lächelnden Händedruck hat Cassis alle Bemühungen zerstört.» Molina frage sich, «wie die Entourage von Cassis diesen PR-Gau zulassen konnte.» Das Bild spiele Russland in die Hände und «schadet dem Ansehen der Schweiz massiv», zitiert ihn nau.ch.

ZACKBUM fragt sich hingegen, wie Molina selbst in eigener Sache diesen GAU zulassen konnte:

Ein Politiker-Rüpel an einer unbewältigten Demo, umgeben von schwarzbekleideten Linksautonomen. Aber damit schadet er nur seinem eigenen Ansehen massiv.

 

Wer verwendet als Erster das K-Wort?

Geschnatter aus dem Bundesrat.

Es sind bedrückende Fotos, Videos und Augenzeugenberichte, die uns aus der Ukraine erreichen. Die Indizien verdichten sich, dass die russischen Besatzungstruppen in den von ihnen beherrschten Gebieten ein Terroregime gegen die Bevölkerung errichtet haben.

Das tritt offen zu Tage, wenn sie sich zurückziehen müssen. Es verdichten sich ebenfalls die Hinweise, dass Butscha kein Einzelfall ist. Wenn Verbrechen normale Dimensionen sprengen, sind zwei Wörter schnell zur Hand: Kriegsverbrechen und Völkermord.

Der Schweizer Bundespräsident und Aussenminister Cassis spricht von «krassen Verletzungen» des Völkerrechts und von «mutmasslichen Kriegsverbrechen». Damit hat er völlig recht und bewegt sich auch innerhalb dessen, was von der Schweizer Neutralität übriggeblieben ist. Durch die Übernahme der EU-Sanktionen hat sich die Schweiz bereits für Russland als neutraler Vermittler, der wie üblich seine guten Dienste anbietet, disqualifiziert.

So fanden die ersten bilateralen Kontakte zwischen Russland und der Ukraine nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, in Genf, sondern in der Türkei statt. Nun kann man argumentieren, dass es der Schweiz egal sein könnte, wie sie vom Totalversager Putin qualifiziert wird.

Es wäre allerdings doch wünschenswert, wenn der Bundesrat mit einer Zunge spräche. Die im besten Fall dem dafür zuständigen Aussenminister gehören sollte. Nun ist allerdings ein Jekami ausgebrochen.

Bundesrätin Keller-Sutter, eigentlich für die Justiz innerhalb der Schweiz zuständig, spricht bereits von «klaren Hinweisen auf Kriegsverbrechen». Bundesrätin Sommaruga, eigentlich für inländischen Verkehr zuständig, wollte den Bundesrat zu einer Zustimmung bewegen, die Kanada erlaubt hätte, Kriegsmaterial über den Luftraum der Schweiz zu transportieren.

Und schliesslich meldet sich nun auch noch Gesundheitsminister Berset zu Wort. Er leidet offensichtlich unter einem Aufmerksamkeitsdefizit, seitdem Corona nicht mehr die Schlagzeilen beherrscht. Also gewährt er Christian Dorer, dem Oberchefredaktor der «Blick»-Gruppe, ein Interview. Und dort erklärt er nassforsch, dass es sich selbstverständlich um Kriegsverbrechen handle, was sich in der Ukraine abspiele.

Das sind keine Wortspielereien und auch kein Tanz um Nebensächlichkeiten. Auf der obersten Ebene der Politik, vor allem, wenn es ums Ausland geht, ist eine klare Sprache unabdingbar. Es kann eigentlich nicht sein, dass verschiedene Mitglieder der Landesregierung verschiedene Formulierungen verwenden.

Medien, Journalisten, ZACKBUM können von Kriegsverbrechen schreiben, wenn ihnen danach ist. Auf politischer Ebene ist die einzig korrekte Formulierung «mutmassliche Kriegsverbrechen». Aber das Wort Unschuldsvermutung ist dermassen ausser Mode gekommen, dass man in weiten Kreisen kaltlächelnd darauf verzichtet.

Schliesslich geht es um die markige Verurteilung des Kremlherrschers. Der autokratisch in einem Unrechtsstaat herrscht. Dem Rechtsstaatlichkeit abgeht, wo die Justiz parteiisch ist und die Unschuldsvermutung mit Füssen getreten wird. Ups.