Auf die Schnauze gefallen
Guter Sieg des «Beobachter».
Keine Firma mag es, wenn sie medial kritisiert wird. Grosse Firmen beschäftigen Heerscharen von PR-Schnitzern und juristischen Fachkräften. Die Medien in die Zange nehmen, mit Geschwurbel und Schönsprech zuschütten und drohend darauf hinweisen, dass ein Rechtsstreit dann verdammt teuer werden könnte.
Diesmal hat es ein Nicht-so-Grosser versucht – und ist krachend gescheitert.
Ende 2020 veröffentlichte der «Beobachter» einen sorgfältig recherchierten Artikel «Mit Fake-Unterschrift zum Kassenwechsel».
Darin machte die Zeitschrift schwere Vorwürfe gegen den Krankenkassenvermittler Swiss Home Finance und dessen Inhaber Bernard Duzhmani: Mitarbeitende des Unternehmens sollen demnach Kundenunterschriften nachgezeichnet haben, wenn die Originalunterschrift fehlte. Der Beobachter stützte sich dabei u. a. auf Aussagen ehemaliger Mitarbeitender, interne Dokumente und – zentral – auf ein Video.
Duzhmani ging in die Gegenoffensive. Vom Groben. Zivilklage wegen Persönlichkeitsverletzung, er forderte Unterlassung und Schadenersatz. Dafür mietete er die umtriebige Medienanwältin Rena Zulauf. Nicht unbedingt eine gute Idee.
Gleichzeitig beauftragte Duzhami die PR-Bude Rod Kommunikation, ihren Gründungspartner David Schärer, eine Medienkampagne loszutreten. Auch keine gute Idee.
Unter dem Hashtag «#SecondoAugust» wurden ganzseitige Inserate (so in der «NZZamSonntag» oder in «20 Minuten») geschaltet. Mit allen Schikanen aus der Küche der Spindoctors.
«Unser Klient wurde Opfer einer Intrige», bollerte der Aufmacher-Slogan, und dann ging’s richtig zur Sache:
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Der Artikel des «Beobachters» sei falsch und habe ihn und seine Firma «Swiss Home Finance» existenziell geschädigt.
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Die Vorwürfe seien durch «Feinde» oder «Intriganten» konstruiert worden.
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Der «Beobachter» habe angeblich nicht sauber recherchiert und sei voreingenommen gewesen.
Auch die Rassismuskarte wurde gespielt: hier habe es ein Secondo geschafft, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, und nun mache man ihn zu Unrecht fertig.
Immerhin, ein paar Medien fielen auf diese geradezu trumpsche Wirklichkeitsverzerrung rein und übernahmen das Narrativ.
Allerdings hatte sich Duzhami zwar teure, aber vielleicht nicht die besten Hilfstruppen ausgesucht. Denn letztlich verrauchte die teure Medienkurzoffensive ohne grosse Auswirkungen.
Und RA Zulauf erlebte einen weiteren Déjà-vu-Moment: im Mai 2024 schmetterte das Zürcher Handelsgericht die Klage ab. Der Beobachter-Artikel sei, so das Handelsgericht, nicht eine blosse Racheaktion oder Diffamierung gewesen, sondern eine fundierte Recherche. Die vorhandenen Beweise – insbesondere das Video – hätten einen substantiellen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet.
Trotzdem gelangten Duzhami/Zulauf ans Bundesgericht. Und kassierten eine zweite schallende Ohrfeige. Die Beschwerde sei unbegründet.
Das Bundesgericht hält fest, dass der Wahrheitsbeweis für einen Teil der Vorwürfe – nämlich das Nachzeichnen von Unterschriften – als erbracht gilt. Insbesondere das Video bilde einen «Hauptbeweis», der belege, dass in den Büros von Swiss Home Finance Unterschriften nachgezeichnet wurden.
Darüber hinaus erkannte das Gericht den öffentlichen Interessensbezug an: Die Geschäftspraktiken von Vermittlern im Gesundheits- und Versicherungsbereich berühren eine breite Öffentlichkeit. Daher sei die Berichterstattung, trotz schwerwiegender Vorwürfe, gerechtfertigt.
Das Bundesgericht wies Duzhmanis Argumente zurück, wonach es sich bei den Quellen um Intrigen oder aktenunklaren Aussagen handle. Die Vorinstanzen hätten sorgfältig geprüft, ob die Quellen glaubwürdig seien, und es lägen zusätzliche Unterstützungsbelege vor (z. B. Angaben von Kunden).
Also ausser teuren, sehr teuren Spesen nichts gewesen. Immerhin ein Lichtblick im journalistischen Elend der zum Skelett runtergesparten Medien, dass es sich wenigstens der «Beobachter» noch leisten konnte, seine Position bis vors Bundesgericht zu verteidigen.
Und ohne dass er oder der Ringier-Verlag unter der PR-Kampagne einknickten und kostensparend in einen Vergleich eingewilligt hätten. Was natürlich die Absicht der ganzen Kampagne war.
Der bei dem Urteil des Handelsgerichts eigentlich aussichtslose Gang ans Bundesgericht sollte offensichtlich einerseits bis heute die Rechtskraft des Urteils herauszögen. Und andererseits wurden damit hübsche Honorarnoten generiert, allerdings money for nothing.
Rod hingegen liess es bei einem kleinen Feuerwerk um den 1. August 2021 bewenden.
Von der Publikation des Artikels im Dezember 2020 bis zum letztinstanzlichen Gerichtsentscheid vergingen fast fünf Jahre.
Einem solchen Druck (und solchen Kosten) hält nur ein grösseres Medienhaus stand.
Gerade bei Klagen wegen angeblicher Ruf- oder Geschäftsschädigung geht es vielen Klägern in erster Linie darum, dem beklagten Organ möglichst hohe Verteidigungskosten zu verursachen. In der Hoffnung, dass dem irgendwann mal die Luft ausgeht. Wer am Schluss gewinnt, ist eigentlich egal, die Sache soll mit einem Vergleich weggeräumt werden.
Hier hat’s nicht geklappt. Ein Fünkchen Hoffnung in der Düsternis.
















