Reza Rafi: ein Büttel am Werk
Wenn Journalisten zu Mietmäulern werden, ersäuft der Beruf in der Schmiere der verborgenen Parteilichkeit.
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Erfolg der Falschen ist irritierend. Zurzeit demonstrieren Tausende von Massnahmen-Skeptikern. In Bern, Winterthur, Chur und anderswo.
Abgesehen von einer Handvoll Chaoten friedlich und im Rahmen ihrer demokratischen Rechte. Mit erlaubten, aber auch mit nicht erlaubten Umzügen. Meistens vorne dabei: die «Freiheitstrychler».
Eine Gruppe, die sich innert weniger Wochen von völlig unbekannt zu präsent auf allen Kanälen gemausert hat. Kein Wunder, dass die Mainstream-Medien sich Gedanken machen, woher die denn kommen und wer die sind.
Gutes Merchandising ist alles heutzutage.
Früher, viel früher, gab es mal so etwas wie eine entscheidungsoffene Recherche und Reportage. Die Schönheit des Berufs bestand darin: man kann überall hingehen, an Türen klopfen, in fremde Leben eintreten – und beschreiben, was man da antrifft. Prallt man an der Realität ab, kann passieren, dann schob man’s in den Rundordner und widmete sich einem anderen Thema.
Zuerst die These, dann die Bestätigung
Diese Zeiten sind vorbei. Heute wird zuerst eine These gebastelt, daran wird dann die Story nacherzählt. Der alte Taschenspielertrick ohne den geringsten Erkenntnisgewinn. Der Reporter weiss schon von Vornherein, wie’s ist. Dann schreitet er mutig in die Wirklichkeit und kommt von seiner Expedition mit der grandiosen Erkenntnis zurück: sagte ich doch, es ist so.
Auch wenn der Reporter nicht wirklich sehr tief in die Wirklichkeit eingedrungen ist. Früher hätte spätestens der Produzent an dieser Stelle gesagt: Wand dusse, so kann man doch nicht anfangen. Aber auch der Produzent wurde weggespart, also darf Reporter Reza Rafi beschreiben, wie er scheiterte:
«Die Fenster sind verriegelt. Auf dem schmucklosen Balkon im Erdgeschoss steht ein Tisch. Darauf ein Bierkarton der Marke Eidgenoss, der von zwei Corona-Flaschen flankiert wird. Die Symbolik muss der Hausherr bewusst kreiert haben. Der Name des Spassvogels: Andreas «Andy» Benz. Wir stehen vor einem mehrstöckigen Gebäude in der Anlage «Seepark» in Altendorf SZ.»
Mangels anderer Ergebnisse legt Rafi das Stethoskop an die Wohnung und diagnostiziert: «Hier schlägt das Herz einer Bewegung», die der «Freiheitstrychler». Aber oh Graus, «am Donnerstag führten sie einen Marsch durch Bern an, der in Randale vor dem Bundeshaus mündete». Erwähnen, dass auf dem Weg dorthin laut Medienberichten einem Mitmarschierer von gewaltbereiten Antifa-Chaoten die Zähne ausgeschlagen wurden? Ach, was, das passt doch nicht in diese Wirklichkeit.
Grossmäulige Ankündigung, aber nix dahinter.
Wir merken uns den Namen eines Reporters, der ohne rot zu werden bekannt gibt, dass er an einer Wohnungstüre geklingelt hat. Aber niemand machte auf. Zur Strafe tritt Rafi noch nach, denn dieser Benz ist «der Initiator dieser losen Gruppierung», und an der Klingel stehe «Holz & Bauen Consulting». Aber, da war der Rechercheur gnadenlos, «diesen Titel sucht man im Handelsregister oder im Altendorfer Firmenverzeichnis vergeblich».
Genauso wie eine Aussage des «Herzens» der Bewegung in diesem Artikel. Aber was sich von der Verrrichtungsbox im Newsroom aus recherchieren lässt, das tut Rafi natürlich. Denn die «Freiheitstrychler» verfügen doch tatsächlich über eine eigene Webseite, und die stammt von Hilweb, und diese Firma gehört Markus Hilfiker. Der wiederum haust in Glattfelden und schuf «ein Konglomerat von Internetseiten, das um das Portal patriot.ch herum entstanden ist und mit der Covid-Pandemie eine Renaissance erlebt. Womit die 4000-Seelen-Gemeinde Glattfelden gewissermassen den heimlichen Knotenpunkt des neuen rechten Anti-Establishments bildet».
Gewissermassen. Leider ist Rafi auch an Hilfiker nicht herangekommen, deshalb muss er sich mit diesem Anschwärzen begnügen: «Vor einigen Jahren geriet der Zürcher in den Fokus von Szenebeobachtern, als seine Firma der rechtsextremen Seite swissdefenceleague.ch eine Weile lang den Server zur Verfügung stellte.»
Dass die Webseite nicht mehr existiert und der Name nicht mehr registriert ist, was soll’s, irgendwann hört’s auch mal auf mit Nachforschungen.
Eine Medienmitteilung recherchieren? I wo.
Dennoch von so viel Recherche völlig erschöpft, kommt es Rafi nicht mal in den Sinn, sich eine «Medienmitteilung» anzuschauen, die auf der Webseite der Treichler für Recherchierjournalisten und Laien problemlos einsehbar ist.
Stellungnahme zu Übergriffen: interessiert doch keinen Büttel.
Hier schreiben die Treichler unter anderem: «Der Sicherheitsdienst wurde angegriffen und ein Teammitglied erlitt mittelschwere Verletzungen. Die Täter sind flüchtig.» Dann wird die Vermutung geäussert, dass es sich bei den paar Chaoten, die am Absperrgitter vor dem Bundeshaus rüttelten, um «Agents Provocateurs» handelte. Dieser Behauptung hätte ein umsichtiger Reporter nachgehen können. Aber doch nicht Rafi.
Auch dieses Foto aus der Medienmitteilung sah man nirgends.
Aber damit der knallharten Recherche nicht genug. Der Name «Freiheitstrychler» ist doch tatsächlich beim Amt für geistiges Eigentum eingetragen, von Andy Benz. Hängig sei noch ein zweites Gesuch, auch das Logo zu schützen. Dahinter stehe wiederum Benz, zusammen mit, oha, Markus Hilfiker.
Als Journalismus noch gewissen Minimalanforderungen genügen musste, hätte nach all diesen Erkenntnissen spätestens der Ressortleiter gesagt: bis hierher eine Nullnummer, spülen.
Aber doch nicht mehr heute, und nach all diesen Karikaturen einer Recherche gibt Rafi Vollgas. Denn das «Netzwerk» dieser dunklen Gestalten ist natürlich noch viel umfassender. Schliesslich habe der Rapperswiler Bruno Hug vor Jahren Benz «publizistisch begleitet und unterstützt», als der «sich einen bizarren Streit mit den Altendorfer Behörden lieferte, die seine Eigentumswohnung zu einem Bastelraum herabstufen wollten».
Alle bizarr, streitlustig und vernetzt
Ja und? Ha, dieser Hug mache als «Komiteegründer gegen das Mediengesetz Furore». Noch entlarvender: «Hugs Kompagnon, der Autor Philipp Gut (49), trat am Samstag als Redner am Trychler-Protest in Winterthur auf.»
Abgründe tun sich da auf, denn: «Dass der Kreis der Trychler und Patrioten anderen Massnahmen-Gegnern wie Nicolas A. Rimoldis Verein Mass-Voll oder den Freunden der Verfassung nahesteht – geschenkt.»
Geschenkt? Geschenkt wie billig, wie nichts wert? Aber es fehlt noch etwas.
«Nationalräte der SVP überbieten sich gegenseitig mit Trychler-Huldigungen. Der grösste Fan ist und bleibt indes Finanzminister Ueli Maurer.»
Und fertig ist die Schmiere. Ist ein Artikel, der behauptet, das angeblich «stille Netzwerk» der «Freiheitstrychler» zu enttarnen. Gut, dass die beiden Hauptnetzwerker «Anfragen von SonntagsBlick unbeantwortet» liessen.
Das macht die Arbeit des des Medienbüttels viel einfacher. Aber nicht besser. Treichler, SVP, Ueli Maurer, Rechtsradikale, Verschwörungstheoretiker – und das Komitee gegen das Mediengesetz. Alles eine Sauce. Das will Rafi insinuieren.
Früher gab es auch mal ein Korrektorat bei Zeitungsredaktionen.
Eigene Interessen wenigstens ausweisen? I wo.
Ohne darauf hinzuweisen, dass dieses Komitee den Verlegern kräftig in die Subventionssuppe gespuckt hat. Die schaukelten bekanntlich einen Raubzug auf das Portemonnaie des Steuerzahlers durchs Parlament. Eine Milliarde zusätzlich, damit die Verlegerclans nicht verlumpen.
Kaum waren die Champagnerflaschen nach der erfolgreichen Gesetzgebung geleert, kam doch tatsächlich ein Referendum dagegen zustande. Nun kann die Bevölkerung im Februar nächsten Jahres darüber abstimmen, ob sie wirklich Yachten, Schlösser und Kunstsammlungen von Multimillionären subventionieren will.
Das hingegen ist kein übles Geraune wie das von Rafi. Sondern einfach die Wahrheit. Dagegen: Ein Redaktor als Alarmglocke läutet Sturm gegen Randalierer und vernetzte Gesellen. Ein Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung, aber das Totenglöcklein für anständigen Journalismus.
Ach, zwei weitere Eigenschaften sind im modernen Spar- und Elendsjournalismus verloren gegangen: Scham und Selbstachtung.
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