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Flieg, Schumi, flieg!

Überflieger im Journalismus sind meist Bruchpiloten.

Von Thomas Baumann
ÜberfliegerSamuel Schumacher, Auslandsredaktor «Blick» mit beeindruckendem Lebenslauf, beglückte die Welt unlängst wieder mit einer seiner beeindruckend schrecklichen «Analysen».
Und das kam so: Vor fünf Wochen lag ein Exemplar des «Blick» im Briefkasten. Weder bestellt noch abonniert. Daher auch erst jetzt gelesen. Aber der Inhalt ist es trotzdem wert, selbst mit Verspätung hier rapportiert zu werden.
Das Stück hiess im Print: «Nur ein neuer Rütlischwur kann den Bürgenflop verhindern». Online noch etwas knalliger: «Letzte Chance für die Schweiz: So wird die Bürgenstock-Konferenz zum Wendepunkt im Ukraine-Krieg».
Für Thesenjournalismus sind Fakten entweder a) unbedeutend oder b) lästig. Entsprechend ist Überflieger Schumacher bei diesen etwa so sattelfest wie ein Rodeo-Reiter kurz vor dem Abflug. Oder vielleicht orientiert er sich ja eher an Goethe: Sind die Fakten nicht willig, so brauch ich Gewalt!
So schrieb er: «Gewichtige Stimmen wie die Türkei, […] Südafrika oder Saudi-Arabien fehlen am runden Tisch hoch über dem Vierwaldstättersee.» Faktencheck: Dreimal falsch.
An demselben Abend, an dem Samuel Schumacher die Tasten seines Computers malträtierte, gab der Präsident der Jungen SVP, Nils Fiechter, dem russischen Sender RT ein Live-Interview. Darin behauptete er, dass Indien, Brasilien und Indonesien nicht an der Konferenz teilnähmen. Ebenfalls dreimal falsch.
Der Unterscheid: Während die Tamedia-Blätter Fiechter umgehend «Fake News» vorwarfen, gab es zu Schumacher keinen Pieps.
OK, das sind, wie der Presserat so schön zu sagen pflegt, «handwerkliche Fehler». Ganz so, als wäre Journalismus kein Handwerk. Doch damit hat es sich natürlich noch längst nicht. Die Passage, wo einem glatt die Spucke wegbleibt, im Folgenden integral und unkommentiert (die Schreibe spricht für sich selbst):
«Jetzt [wäre] der perfekte Zeitpunkt, um sich das Wirken der helvetischen Ahnen in Erinnerung zu rufen. Unweit des Bürgenstocks auf einer steilen Wiese am Urnersee kamen die Eidgenossen schon einmal zu einer Friedenskonferenz zusammen und schworen sich ‹im Hinblick auf die Arglist der Zeit … Beistand, Rat und Förderung mit Leib und Gut … mit ihrem ganzen Vermögen gegen alle und jeden, die ihnen Gewalt oder Unrecht antun› — und zwar explizit ‹innerhalb ihrer Täler und ausserhalb›.
1291 war das. 2024 ist die ‹Arglist der Zeit› nicht weniger geworden. Ein neuer Rütlischwur täte not. Die Sicherheit unserer Talschaften wird vom russischen Regime mit seinem kaltblütigem Meucheln im Osten und seinen unermüdlichen Vernichtungsdrohungen gegen den Westen massiv gefährdet. Den ukrainischen Kämpfern, die für uns die Drecksarbeit übernehmen, gebührt mehr Ehre als ein lahmes Communiqué, verlesen im Presseraum des Luxusressorts.
Die Schweiz müsste die Zäsur wagen und vor versammelter internationaler Gästeschar auf dem Bürgenstock die Abkehr von der starren Neutralität verkünden. Indirekte Waffenlieferungen und eine Aufstockung der wirtschaftlichen Hilfe (etwa durch den Einsatz von hierzulande eingefrorenen Russenvermögen) wären ein guter Start. Wagt die Schweiz den Schritt und legt den Schalter um, dann bleibt der Bürgenstock-Gipfel womöglich für immer als Wendepunkt im Ukraine-Krieg in Erinnerung.»
Amen! Ein Fakt doch noch: Während die EU-Staaten bestenfalls die Kapitalerträge russischer Vermögen für die Hilfe an die Ukraine verwenden, will der wackere «Blick»-Reporter dafür offenbar auch das Kapital antasten.
Natürlich erkennt man in dieser Passage unschwer auch die typisch helvetische Selbstüberschätzung: Wir brauchen bloss «den Schalter» umzulegen, und alle Probleme der Welt sind gelöst — Klimawandel, Ukraine-Krieg, you name it… Die Welt nimmt’s zur Kenntnis und lacht.
Um ‹Überflieger› Samuel Schumacher jedenfalls braucht man sich angesichts solcher Artikel keine Sorgen zu machen: Der ist so aufgeblasen, dass er von selbst fliegt.
Und was das Blatt betrifft, für das er schreibt: Vor langer Zeit diente es einst auf Baustellen-WCs als informelles Toilettenpapier. Die Zeiten haben sich geändert: Dank solcher Artikel steht heute im Blatt, was früher  …

«Blick», reloaded

Das enteierte Bunt-Blatt hat doch seine Sternstunden und labt den Leser mit Oasen.

ZACKBUM vermutet, dass einzelne Leistungen gegen den Widerstand des Head-, Chief- und Führungssalats auf oberster Leitungsebene stattfinden, wo man sich gegenseitig auf der Leitung steht.

So ist es Raphael Rauch offenbar gelungen, einige Vorfassungen des Schlusscommuniqués der Birkenstock-Konferenz zu behändigen.

Und sie zeigen, dass auch hier kräftig enteiert wurde:

«Blick liegt eine Entwurfsfassung des Abschlusskommuniqués vor. Demnach sollten künftig «Vertreter der Russischen Föderation einbezogen werden». Und weiter: «Wir kamen überein, den zweiten hochrangigen Friedensgipfel in [***] abzuhalten.» Doch der Abschnitt musste umgeschrieben werden. Statt von Russland war nun von «allen Parteien» die Rede; der Ort für die Nachfolge-Konferenz fiel ganz weg.»

Gnadenlos zählt Rauch dann nochmal die Absagen auf – und den Ersatz. So sprang Kolumbien kurzfristig ab, dafür kam Mauretanien. Im letzten Moment liessen sich Jordanien, Irak und Ruanda (nach allen BRICS-Staaten) von der Unterzeichnerliste streichen.

«Hinzu kamen dafür das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel, Antigua und Barbuda, die Organisation Amerikanischer Staaten, Sambia, die Republik der Marshallinseln und Barbados. «Lauter Schwergewichte, die Einfluss auf Putin nehmen könnten», lästert ein erfahrener EDA-Diplomat

Schliesslich habe es sogar eine «Operation Desperados» (Verzweifelte) gegeben, also verzweifelte Versuche in letzter Minute, Schwergewichte zur Teilnahme zu bewegen – vergeblich.

Und Chef Reza Rafi kam auf die originelle Idee, den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz zu interviewen. Der sich allerdings sicherlich alle Fragen zu seinem Rücktritt und laufenden Verfahren gegen ihn verbat.

Aber das wird überstrahl von einem Editorial Rafis, das sich wohltuend vom Gesülze in anderen Mainstreammedien abhebt, nicht zum ersten Mal.

Rafi nimmt sich vor, dass Selenskyj verkündete, dass die EU bereits diese Woche Beitrittsgespräche mit Kiew beginnen werde. Ha, ein Schlag in die Fresse für den Kremlherrscher. Oder nicht?

«Ist sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der Risiken bewusst, wenn sich die Union dereinst bis zum Kaukasus erstreckt? Wenn ein Flächenstaat mit 38 Millionen Einwohnern und einem gravierenden Korruptionsproblem, der bis an den Osten des Schwarzen Meers reicht, zum Gebilde gehören wird

Das zudem mit einer Unzahl von Problemen zu kämpfen hat, auch ohne die Ukraine. Rafi vermutet, dass sich Beton-Uschi damit ein Denkmal setzen will. «Die negativen Auswirkungen einer solchen Übung werden jeweils den nächsten Generationen überlassen.»

Ach, und Frank A. Meyer echauffiert sich darüber, wo der Gipfel stattfand. Der Bürgenstock sei die «Freiheitskanzel im Herzen der Eidgenossenschaft». Allerdings: «im Besitz Katars». Grimmige Schlussfolgerung: «Geld hat auf dem Bürgenstock den Geist gekauft – Schweizer Geist

Und das bittere Fazit Meyers: «Hätten die sonst so tapferen Vaterlandsverteidiger da nicht sagen müssen: «Katar auf dem Bürgenstock? Kommt gar nicht infrage! Das Resort dort oben machen wir selbst. Das gehört zur Eidgenossenschaft – das i s t die Eidgenossenschaft.» Leider, leider steht der Bürgenstock für die Käuflichkeit der Schweiz.»

ZACKBUM ist flexibel, gerecht und lernfähig. Offenbar gibt es doch Leben in der Wüstenlandschaft «Blick». Kleine Oasen mit Quellen der Erbauung und Leserbefriedigung.

Wir werden ihn selektiv wieder in unser Lektüreprogramm aufnehmen; es gibt andere Organe, bei denen wir dafür weniger quälen lassen werden.

Loblied mit nz, nz, nz

Die alte Tante NZZ kann’s halt doch. Nicht immer, aber öfter.

Vielleicht ist es das Elend der übrigen Schweizer Medien, angeführt von Tamedia, wo man von jeder neuen Sparwelle hofft, dass sie die Richtigen hinausspült. Denn die Stimmung im Laden hat – nicht nur wegen der Chefredaktion – Bodenkontakt.

Die NZZ hat schwer Schlagseite, was den Ukrainekrieg, die USA und den Schweizer Finanzplatz betrifft. Aber daneben setzt sie immer wieder Glanzlichter; manchmal so gehäuft, dass ZACKBUM nicht anders kann, als ein Loblied in nz,nz,nz-Dur zu singen.

Alles in einer einzigen Ausgabe eines hundskommunen Dienstags versammelt, das ist schon ein starkes Stück. Da hätten wir eine würdige Würdigung von Hugo Loetscher, der auch unser Freund, Gesprächspartner und Begleiter in Nächten war, wo man in seiner Klause an der Storchengasse ab und an das Fenster öffnen musste, weil wir uns in den Zigarettenrauchschwaden kaum mehr sahen.

Hier umarmt ihn freundschaftlich Stefan Zweifel, erinnert an den Intellektuellen Loetscher, den Meister des treffenden Bonmots. «Die Schweiz ist ein Land, in das man immer wieder gerne zurückkommt», sagte er, denn Loetscher liebte die Schweiz, so sehr, dass es ihn in die Welt hinaustrieb, um immer wieder zurückzukehren. Er brachte uns die unendlichen Weiten der lateinamerikanischen Literatur nahe, viele Jahre vor der grossen Welle, als nicht einmal Gabriel García Márquez wirklich bekannt war. Von Alejo Carpentier oder Jorge Luís Borges und all den anderen ganz zu schweigen.

Loetscher war der Dritte im Dreigestirn Max Frisch (den er nicht mochte) und Friedrich Dürrenmatt (den er sehr mochte). Dass dessen Witwe, die Karikatur einer Dichtergattin, ihn wegen seiner Beschreibung des Begräbnisses als wär’s ein Stück des Verblichenen einklagte, selbst dem konnte er genügend Skurrilität abgewinnen, um ein herrliches Essay zu verfassen.

Dann das Interview mit dem Islamismus-Experten Gilles Kepel. Ein Must-Read für alle, die verstehen wollen, was die Studentenproteste antreibt, welche Entwicklung der Islam nimmt, wie er auf unsere Gesellschaft einwirkt. Und dazu eine messerscharfe Analyse der fatalen Mitschuld Netanyahus am aktuellen Desaster im Nahen Osten: «Im Zweiten Weltkrieg hat François Mauriac gesagt: «Ich liebe Deutschland so sehr, dass ich mir zwei davon wünsche.» Genauso hat es Netanyahu mit den Palästinensern gehalten: Er liebt sie so sehr, dass er die Hamas gefördert hat, um die PLO zu schwächen. Es war die Regierung Netanyahu, die den heutigen Hamas-Führer Sinwar 2011 begnadigt hat – man hat Hunderte Islamisten freigelassen gegen einen israelischen Soldaten. Sinwar hatte zwanzig Jahre gesessen und war bekannt für seine Radikalität. Er hat im Fernsehen schon vor dem 7. Oktober zu Morden aufgerufen, mit Beilen und Metzgermessern. Er sollte im Gazastreifen die Macht übernehmen.»

Natürlich sitzt Kepel mit seinen Ansichten zwischen allen Stühlen, aber nur dort ist heutzutage der Ort, wo noch Erkenntnisforschung betrieben wird und keine Inzucht in Gesinnungsblasen.

Selbst das Interview mit Marc Bodin (der wie Martin Suter weiss, wie wichtig der Wiedererkennungswert ist, daher immer die gleiche Frisur, der gleiche Dreitagebart und der gleiche AD-Look) hat seine Momente der Geistreichelei.

Denn wer, wenn nicht ein Werber, wüsste, wie man ein Sprachfeuerwerk anzündet und kleine Bonmots herabregnen lässt. Allerdings vermisst man hier etwas das kritische Hinterfragen. Denn Bodins Redesign des «Blick» mit Regenrohr und unverständlichen Kästchenlogos ist zumindest zweifelhaft. Oder wie ZACKBUM ausführlich begründete: misslungen und grottenschlecht.

Vielleicht wäre auch die Frage erlaubt gewesen, wie viele Pleiten Bodin eigentlich schon hingelegt hat; ZACKBUM kommt da mit Zählen nicht ganz nach. Das hätte einen der «führenden Kreativköpfe des Landes» nicht kleiner gemacht, aber runder und vollständiger. Denn reine Siegergeschichten gibt es nur in der Werbung, nicht im wirklichen Leben.

Manchmal sagt eine Karte mehr als tausend Worte:

Blau eingezeichnet sind die Länder, die am Bürgenstock teilnahmen und das windelweiche Schlusscommuniqué unterzeichneten. Orange Teilnehmer, die nicht unterschrieben. Und grau alle Länder, die nicht dabeiwaren. Wer da von einem Erfolg faselt, dem kann man nur diese Karte zeigen und sagen: sonst noch Fragen?

Und wo, ausserhalb der NZZ, liest man ein solches Porträt über den neuen Präsidenten Indonesiens?

Sogar eine saftige Crimestory hat die alte Tante auf Lager:

Damit trocknet die NZZ sogar den «Blick» ab, der mit all seinen Heads, Chiefs, Chefs und Führern so etwas exklusiv haben sollte.

Dann reisst es die Karikatur raus, denn Benedict Neffs Kulturpessimismus ist zwar flott geschrieben, enthält nun aber nur Spurenelemente neuer Gedanken:

Ein wirtschaftlicher Hintergrund nach den Wahlen in Südafrika; wer bringt sowas sonst?

Selbst die Medienkritik der NZZ hat mal wieder Hand und Fuss. Es geht um die «Washington Post», das Spielzeug des Milliardärs Jeff Bezos. Als der das Traditionsblatt 2013 aus seiner Portokasse für 250 Millionen Dollar kaufte, schrien die einen Zeter und Mordio. Die anderen gaben ihm eine Chance, die er auch nutzte. Schon 2016 schrieb die WaPo wieder schwarze Zahlen – und positionierte sich als Sturmgeschütz gegen Trump.

Und nun das. Obwohl das Blatt, das für Transparenz einsteht, seit dem Übergang in private Besitzerschaft keine Zahlen mehr veröffentlicht, geht aus einer internen Präsentation hervor, dass sich die Zahl der Online-Besucher (Unique Visitors) schlichtweg halbiert haben soll. Von 100 auf 50 Millionen im Monat.

Das ist nicht dramatisch, das ist ein Desaster.

Köpferollen, Sparmassnahmen. Und der Ruf von Bezos als Geschäftsmann mit goldenem Händchen ist auch havariert. Vor allem, weil nicht nur die Konkurrentin NYT davonzieht, der Niedergang der WaPo also nicht in einem allgemeinen Trend liegt.

Und schon sind wir auf der letzten Seite 32 mit dem begnadeten Porträt Loetschers mit der ikonischen Fotografie des Schriftstellers.

Bildzitat aus der NZZ.

Nun könnte ZACKBUM eine Zwiebel hacken oder den «Tages-Anzeiger» durchblättern. Das Resultat wäre das gleiche …

Man wird ja wohl noch fragen dürfen …

Obwohl man damit schon in der rechten Hetzerecke verortet wird.

Aber ZACKBUM kennt keine Furcht (und keinen Schmerz, sonst könnten wir uns nicht täglich durch die Medien wühlen).

Also folgende einfach zu beantwortende Fragen:

  1. Was sind die wichtigsten Punkte des Abschlusscommuniqués von der Bürgenstock-Sause?
  2. Wie viele Politiker sind pünktlich angereist und erst am Schluss wieder weg?
  3. Wie viele Politiker haben nur das Familienfoto abgewartet, bis sie sich wieder abtransportieren liessen?
  4. Wieso genau war eine der beiden Konfliktparteien nicht dabei?
  5. Wieso haben alle BRICS-Staaten nicht unterzeichnet?
  6. Wieso wurden Witz- und Winzstaaten eingeladen, auf Kosten des Steuerzahlers?
  7. Was ist aus Selenskyjs 10-Punkte-«Friedensplan» geworden?
  8. Wieso wird der ukrainische Präsident in den wenigen internationalen Meldungen als Organisator bezeichnet?
  9. Wie hiess die Konferenz genau?
  10. Wenn sie ein Anfang war, wo ist die Fortsetzung?

U.A.w.g., wie es so schön heisst.

Bürgenstock geht am Stock

Was ist ausser Spesen gewesen?

Organisatorisch wurde die Aufgabe, 100 VIPs mit Entourage heranzutransportieren, aufzubewahren und wieder wegzuschaffen, mit Schweizer Präzision gelöst. Hat zwar rund 15 Millionen gekostet (Spezialwünsche nicht inbegriffen), aber Chapeau.

Von Zwischenfällen ist nichts bekannt geworden. Kein Staatsoberhaupt fühlte sich beleidigt, niemand wurde von bewaffneten Polizisten der Durchgang verwehrt, wir sind hier ja nicht im Bundeshaus zu Bern. Alle waren pünktlich zum Klassenfoto aufgereiht, nur Italiens Meloni hatte am Samstag Besseres zu tun.

Dass die Vertreter der wirtschaftlich stärksten Staaten, die US-Vizepräsidentin Harris und der deutsche Bundeskanzler Scholz, schon am Samstag wieder abreisten, nun ja, Abendessen können sie auch unterwegs, und nochmal blöd rumstehen, bis der Schlussakt vorbei ist, wozu auch.

Dann ist noch die Sache mit dem Schlusscommuniqué. Alle sollten unterschreiben, das wäre dann als Grosserfolg gewertet worden. War aber nix.

Einerseits unterschrieben von Albanien über Andorra bis USA und Uruguay 79 der anwesenden Staaten. Von Armenien über Brasilien bis Südafrika und die Vereinigten Arabischen Emirate unterschrieben andererseits 13 nicht. Da im Vorfeld alles unternommen worden war, damit man sich auf eine gemeinsame Resolution einigt, ist das eine krachende Niederlage der Diplomatie. Vor allem, da alle BRICS-Staaten nicht unterschrieben.

Auch für die abschliessende Medienkonferenz hat man ein merkwürdiges Prozedere gewählt. Dass Amherd und Selenskyj das Wort ergriffen, verständlich. Schliesslich haben die beiden die Konferenz organisiert und gestaltet. Aber dann kam der Präsident von Chile; wieso das? Ausgelost worden? Dann Ursula von der Leyen, die keine Gelegenheit auslässt, Wahlkampf zu betreiben. Zudem hat die EU gleich dreimal unterschrieben, Weltrekord. Aber ZACKBUM will nicht wissen, mit welchen Tricks und Drohungen sich von der Leyen in diese Pole Position manövriert hat.

Wieso dann noch Justin Trudeau, der Premierminister von Kanada, und Nana Akufo-Addo, der Präsident von Ghana, sprechen dürfen? Und wieso Selenskyj im Anschluss noch einen Soloauftritt vor den Medien hinlegen darf, bevor er wieder in den Flieger steigt?

War das nun ein Erfolg oder Misserfolg? Eine sogenannte Konferenz für den Frieden, an der eine der beiden Kriegsparteien fehlt, weil die andere sie nicht dabeihaben wollte. Wo China ganz fehlt, Brasilien und Indien nicht das Schlusscommuniqué unterschreiben, also alle BRICS-Staaten. Wo selbst die USA nur die zweite Garnitur senden, die zudem gleich wieder abreist. Wo aus Europa nur die grossen Wahlverlierer Präsenz markieren, Italiens Meloni schaute am Sonntag mal kurz vorbei. Wo Witz- und Kleinststaaten wie Palau, Cabo Verde, Fiji, San Marino oder Ost-Timor der Konferenz einen skurrilen Touch geben.

Ach, und der Inhalt des Communiqués und der Reden? Sagen wir so: wenn sich in einer Woche noch jemand daran erinnert, publizieren wir alles ausführlich hier auf ZACKBUM. Bis dahin behaupten wir aber: völlig unerheblich, unwichtig, gequirlte heisse und kalte Luft, Schallwellen und Buchstaben, Halbwertszeit: 3 Minuten max.

Glauben einige Verstockte nicht? Bitte, ein Auszug:

«Wir hatten einen fruchtbaren, umfassenden und konstruktiven Meinungsaustausch über Wege zu einem Rahmen für einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden auf der Grundlage des Völkerrechts, einschliesslich der Charta der Vereinten Nationen.»

Ganz besonders erschrecken wird Putin dieser Passus: «Jegliche Androhung oder Verwendung von atomaren Waffen im Zusammenhang mit dem laufenden Krieg gegen die Ukraine ist unzulässig.»

Jemand noch nicht genug? Dann nehmt das, das sollte genügen:

«Wir sind der Überzeugung, dass die Herbeiführung des Friedens die Einbeziehung aller Parteien und den Dialog zwischen ihnen erfordert

Dafür lohnt sich doch der ganze Zirkus, oder nicht? Sehen wir’s von der pragmatischen Seite: immerhin haben 93 führende Politiker 24 Stunden lang nichts Dümmeres angestellt. Ist doch heutzutage schon was.

Und sonst? Tamedia schiebt noch eine letzte Sauerei hinterher. Denn nachdem die Chefs kommentieren durften, darf nun auch der Auslandchef ohne Ausland ans Gerät. Und haut gleich richtig auf die Kacke: «Gerade im demokratischen Westen mit seiner Redefreiheit können Putins willige Helferinnen und Helfer von Sahra Wagenknecht bis Roger Köppel die in Moskau verdrehte Darstellung des Ukraine-Kriegs weiterverbreiten.» Christof Münger hält also Wagenknecht und Köppel für willige Helfer Putins? Hat der Mann sie noch alle?

Kann man so eine diffamierende Frechheit noch steigern? Nur durch Dummheit: «Die Ukraine braucht nicht 15 neue Panzer, sondern 150 oder noch besser 1500.» Wie sagte doch seine Chefin Birrer noch vor Kurzem: auf Diplomatie mit kleinen Schritten solle man setzen. «Wer dies negiert, kann auch direkt für einen Entscheid auf dem Schlachtfeld votieren.» Wie Münger … Ob man das intern klären könnte?

Wie im hölzigen Himmel

Die NZZ ist neben der Spur.

Man könnte meinen, dass bei einem staatstragenden Ereignis wie auf dem Birkenstock die weltläufige NZZ zur Höchstform aufläuft und Halt sowie Orientierung, von tiefdurchdachter Analyse ganz zu schweigen, abliefert. Aber leider hätte man sich selten so getäuscht, wäre das die Erwartung gewesen.

Wer einen Militärkopf in Militäruniform Kriegsgegurgel faseln lässt, von dem kann man leider beim Thema Ukrainekrieg nichts gut Ausgebackenes erwarten.

Auch Andreas Rüesch erfüllt mal wieder alle Erwartungen, die man in einen Kommentar von ihm setzen muss. Da kommt nichts Gescheites bei raus, wie schon der Titel seines neusten Ergusses zeigt: «Wenn die Ukraine auf dem Bürgenstock nicht gestärkt wird, haben alle verloren, auch die Schweiz».

Dann wirft er allen anderen einen Denkfehler vor, indem er selbst einen begeht: «Sicherheit in Europa entsteht nicht mit, sondern gegen Russland.» Das ist wirklich glorios. Bislang dachte man, dass ein Krieg durch eine Friedenskonferenz unter Beteiligung der Kriegsparteien beendet wird. Ganz falsch, meint Rüesch. Dass er mit diesem Denkfehler ziemlich alleine dasteht, kümmert ihn nicht. Dass Sicherheit in Europa, ob einem das passt oder nicht, immer nur mit Russland entstehen kann, das zum Teil ein Teil Europas ist, das ist eine historische Konstante und banal, dass man sich wundert, dass das jemand mal wieder in Frage stellt.

Rüesch denkt wie der Geisterfahrer, der die Warnmeldung im Autoradio hört und sich sagt: ein Geisterfahrer? Hunderte!

Bei ihm gilt: ein einziger Denkfehler? Nein, einer nach dem anderen: «Die Schweiz ist unter Druck geraten wegen ihrer international unverständlichen Neutralitätspolitik und ihren als schäbig empfundenen Hilfeleistungen an die Ukraine.» Was soll an der Einhaltung der Neutralität unverständlich sein, so ausserhalb des Denkapparats von Rüesch? Und was soll an Schweizer Hilfsleistungen schäbig sein? Weil die keine Waffen enthalten, wie es die Neutralität gebietet? Weil die Schweiz nicht grossmäulige Ankündigungen wie Frankreich oder Schweden macht – die dann nichts oder kaum was liefern, im Gegensatz zur Schweiz?

Aber zurück zur grossen Weltpolitik gestern, heute und morgen. Da muss Rüesch nun allen Fehldenkenden eine Lektion erteilen: «Der Bundesrat hat denn auch immer wieder durchblicken lassen, dass er Russland gerne mit am Tisch sähe, wenn nicht jetzt, so spätestens beim nächsten Mal. Diese Sichtweise zeugt von einer erschütternden Weltfremdheit und Geschichtsvergessenheit

Wie ist es denn, wenn man so wenig weltfremd und geschichtsvergessen wie Rüesch ist? «Grosse Kriege enden aus ganz anderen Gründen – in aller Regel, weil eine Seite militärisch niedergerungen wurde oder keine Perspektiven für militärischen Erfolg mehr sieht.» Der Irrwisch meint also ernsthaft, man könne Russland – auf Kosten der Ukraine, versteht sich – militärisch niederringen? Das ist erschütternd.

Auch wenn er mit dem ehemaligen deutschen SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel einig geht. Der faselt auch davon, erst noch als Deutscher, dass man Russland «niederringen» sollte. Der letzte Versuch endete mit 25 Millionen toten Russen und einem völlig zerstörten Deutschland.

Aber wer wie Rüesch im vollen Galopp in Parallelwelten abschwirrt, macht auch vor den absurdesten Schlussfolgerungen nicht Halt:

«Dass Moskau nicht vertreten ist auf dem Bürgenstock, ist daher kein Mangel, sondern ein Vorteil.»

Der Leser fragt sich allerdings erschüttert, geschüttelt und unangenehm berührt, ob die Qualitäts-, Denk- und Logikkontrolle der NZZ dorthin abgeschwirrt ist, wo sich die von Tamedia schon längst befindet: ins Nirwana …

Aber immerhin, in den letzten sieben Tagen ergibt das Stichwort Bürgenstock 1627 Treffer für die NZZ im Medienarchiv SMD. Da bleibt die leise Hoffnung, dass einige Artikel vielleicht ein gehobeneres Niveau versprühen. Da sich ZACKBUM dieser Illusion nicht berauben will, schauen wir aber nicht nach.

Es bleibt aber für alle Zeiten festzuhalten: wer in einem Jahr das gesammelte Geschreibsel der grossen Medienkonzerne der Schweiz liest, der wird erschüttert sein. Und entweder in schallendes Gelächter ausbrechen – oder sich in Grund und Boden fremdschämen.

Wie bei Kims

Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA könnte es nicht besser.

Rodung Shinmun heisst die Leiblektüre von Kim dem Dickeren, dem Mann mit der etwas anderen Frisur. Erstaunlich, aber war: die Frisur will Tamedia nicht nachahmen, die Art der Wirklichkeitsbeschreibung hingegen schon. Was erschwerend hinzu kommt: kein Diktator zwingt das ehemals ernstzunehmende Blatt «Tages-Anzeiger» (mitsamt seinen x Kopfsalatblättern, die zwangsweise die Einheitssauce aus der Werdstrasse übernehmen müssen) dazu.

Höher als der Bürgenstock (1128 m) schwabbelt der Schleim aus dieser «Fotostrecke» mit dem Titel «Diese Bilder vom Bürgenstock gehen um die Welt». Selbst die leise Hoffnung, dass es Realsatire sein könnte, erstirbt angesichts der Bildlegenden.

Es erübrigt sich jeder Kommentar zu dieser Schleimspur:

«Ein wichtiges Bild für die Schweiz: Das Land kann Gipfelkonferenz … Das grosse Bild für Viola Amherd … Flaggen als Zeichen der Unterstützung … Die Grossen sind gekommen: US-Vizepräsidentin Kamala Harris’ Ankunft … Auch Frankreichs Emmanuel Macron ist da … Und Deutschlands Kanzler Olaf Scholz … Grossbritanniens Rishi Sunak darf natürlich auch nicht fehlen … Überraschend ist auch ein hoher Repräsentant aus Saudiarabien angereist … Hunderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dutzenden Delegationen machen den Bürgenstock an diesem Wochenende zum Zentrum der Weltpolitik …»

Geht noch einer? Aber immer: «Und obwohl Kitsch nicht zum Thema der Konferenz passt: Wer zu später Stunde noch Zeit für einen Blick nach draussen hatte, der sah vom Bürgenstock aus ein wunderbares Licht am Horizont.»

Für solche Fälle kann ZACKBUM ein Allzweckmittel empfehlen:

Wirkt auch gegen Schleim- und Ölspuren.

Denn die bittere Wahrheit ist: nachdem das Licht für Fotografien zu schlecht wurde, reiste die «Grosse», die Vizepräsidentin der USA, bereits am Samstagabend wieder ab. Ihr dicht auf den Fersen der deutsche Bundeskanzler Scholz, einer des Wahlverlierertrios, eingerahmt von Macron und Sunak. Wahlgewinnerin Meloni konnte sich bereits am G7-Gipfel sonnen und schwänze einfach mal, wozu sich mit Losern und Zwergen ablichten lassen?

Aber immerhin, Arthur Rutihauser, Ex-Oberchefredaktor, versucht verzweifelt, etwas Gegensteuer zu geben und interviewt den alten Haudegen Thomas Borer, der banale Wahrheiten gelassen ausspricht: «Selenski muss davon abrücken, dass er die besetzten Gebiete militärisch zurückerobern will», und natürlich sei die Nicht-Einladung Russlands auf Druck der Ukraine ein Fehler gewesen.

Und in seinem Editorial zeigt er der neuen Chefin, wo oben und wo unten ist. Nebenbei recherchiert er noch und kommt zu einer erschütternden Erkenntnis: «Aus vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Amerikanern werden in der Schweiz de facto nicht nur die EU-Sanktionen durchgesetzt, sondern auch die amerikanischen und die britischen, obwohl der Bundesrat diese nicht anerkennt.» Denn die feigen Schweizer Banken sperren inzwischen das Geld «von Leuten, die nirgends auf der Welt sanktioniert sind, nur weil sie einen russischen Pass haben und vielleicht eine Beziehung haben könnten zu einem Oligarchen, der in den USA auf einer Sanktionsliste steht».

Schlimmer noch: Rutishauser moniert zu Recht, dass der Beschluss der G7, zunächst die Zinsen der blockierten 250 Milliarden Franken der russischen Zentralbank für die Ukraine-Hilfe einzusetzen, einer klarer Verstoss gegen das Völkerrecht ist.

Nach den Zinsen wird man sich, übliche Salamitaktik, ans Kapital selbst machen. Rutishauser befürchtet: «Für die Schweiz wird das wohl bedeuten, dass auch die 7,5 Milliarden Franken des russischen Staats, die bei uns liegen, eingefordert werden. Wenn wir die herausgeben, dann ist das wohl kaum mit der Neutralität vereinbar.»

Statt dummem Gedöns über Weltpolitik, Wichtigkeit und «wir können Konferenz», wie sie im Hauptblatt stattfindet, werden hier die wirklichen Fragen aufgeworfen.

Es ist keine Weltpolitik und interessiert ausserhalb der Medienblase nicht wirklich. Aber ist es nicht ein peinlicher Anblick, wenn der zurückgestufte Oberchefredaktor seiner Nachfolgerin zeigt, was ein Editorial sein kann? Und wie peinlich sich ihres dagegen ausnimmt?

Hofberichterstattung

Tamedia fällt in mittelalterliche Gebräuche zurück.

Dieses Gehampel steht zuoberst beim Tagi online. Man muss es mit Humor nehmen. So ist beispielsweise auf dem Foto, das die weiterschüttende News begleitet, «Kamala Harris ist am Flughafen Zürich gelandet», einzig ein Edelweiss-Flieger zu sehen. Handelt es sich da neuerdings um Sparmassnahmen der US-Regierung, die der Bedeutung von Harris entsprechen? Schliesslich ist die Businessclass von Edelweiss durchaus zu empfehlen.

Dann findet sich immer irgend ein «Historiker», hier den Titularprofessor Sacha Zala, der Gewünschtes absondert. Laut Wikipedia hat er eine USP: «Zala wird von den Massenmedien oft zu historischen Themen um Auskunft angefragt, und zwar in mehreren Sprachen, die er alle fliessend spricht: neben seiner Muttersprache Italienisch Deutsch Schweizerdeutsch, Französisch und Englisch.»

Hier meint der Professor: «Die Konferenz baut sehr hohen Druck auf Russland auf». Ach ja? Weil bedeutende Länder wie Palau, Benin oder die Elfenbeinküste daran teilnehmen, wirklich bedeutende wie China, Brasilien oder Indien nicht oder mit zweitrangigem Personal?

Edgar Schuler versteigt sich zu einer Ferndiagnose des russischen Präsidenten: «Der Kremlchef wirkt nervös: Am Freitag legte er einen eigenen Friedensvorschlag vor.» Sicher ist es auch ein Ausdruck seiner Nervosität, dass  Russland zu einem Forum der BRICS-Staaten eingeladen hat. Dafür erwartet Moskau über 5000 Teilnehmer aus 126 Ländern. Ätsch.

Und schliesslich, jetzt wird’s echt heikel, denn ZACKBUM will keinesfalls sich dem Vorwurf aussetzen, zu diffamieren: Raphaela Birrer schreibt einen Leitartikel, Pardon, Leitartikel: «Amherd und Cassis beweisen Mut».

Schon der erste Ton sitzt schief, sozusagen eine Dissonanz wie beim Martinshorn: «Oben auf dem Berg, da wird heute Geschichte geschrieben.» Und siehe, Cassis und Amherd steigen mit einer neuen Gebotstafel vom Berg herab.

Aber solche Erwartungen an die Geschichtsschreibung muss Birrer gleich dämpfen: «Ein Erfolg ist sie bereits, wenn sie den Friedensprozess zumindest anstösst. Ein zählbares Resultat ist schon, wenn sich die anwesenden Staaten auf eine gemeinsame Schlusserklärung einigen können

Selbst wenn das gelingen sollte: der Inhalt dieser Schlusserklärung ist offensichtlich völlig wurst, wichtig ist: es gibt sie. Wir wollen nicht höhnen, sonst trifft uns auch noch der Bannstrahl Birrers: «Über solch angeblich ambitionslose Ziele wurde hierzulande in den vergangenen Monaten viel gehöhnt. Und kleinlich wurde jeder vermeintliche Misserfolg von Bundespräsidentin Amherd und Aussenminister Cassis bewertet».

Kleinlich, vermeintlich? Keine einzige wichtige Macht (Europa und Japan ausgenommen) nimmt mit erstklassigem Personal oder überhaupt teil, das zu kritisieren soll kleinlich sein? Nein, noch schlimmer:

«Die Kritik ist aber in mehrfacher Hinsicht unredlich. Sicherlich wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Aggressor Russland und dessen Verbündeter China auch am Tisch gesessen hätten. Aber es ist das Wesen der Diplomatie, dass sie auf kleine Schritte statt grosser Würfe setzt. Wer dies negiert, kann auch direkt für einen Entscheid auf dem Schlachtfeld votieren.»

Was nicht nur Tamedia unablässig tut, nebenbei. Aber immerhin, auch hier krebst Birrer mutig wieder zurück: «Sicher, Amherd und Cassis machten Fehler».

Dann schwingt sich Amherd noch zu allgemeinen Bemerkungen auf, und da ist sie, jetzt wird’s ganz heikel in der Formulierung, nun, intellektuell deutlich gefordert. Oder sagen wir, ZACKBUM hat ja nichts mehr zu verlieren, überfordert:

«Innenpolitisch leben Amherd und Cassis damit das Konzept einer Neutralität, die nicht gleichgültig ist. Einer Neutralität, die den proaktiven Einsatz für den Frieden und für das Völkerrecht höher gewichtet als die klinisch gleiche Distanz zu beiden Kriegsparteien. Sie nehmen den Ärger Russlands in Kauf. … Oben auf dem Berg, da werden hoffentlich auch die Weichen für eine zeitgemässere Schweizer Neutralität gestellt.»

Also wenn in diesem Trümmerhaufen einer unergiebigen Konferenz, an der nicht einmal beide Konfliktparteien teilnehmen, weil sich die Schweiz von der Ukraine diktieren liess, dass Russland gefälligst wegzubleiben habe, eine zeitgemässe Schweizer Neutralität entstehen soll, dann aber gute Nacht, liebe Eidgenossen; hört doch einfach auf, Euch als neutral zu bezeichnen.

Das wäre mal eine originelle Weichenstellung.

 

 

Die Liste der Birkenstocks

Es ist eine wahrhaft illustre Gesellschaft von Möchtegerns, die ab heute wichtig tut. Oben im Bild: Palau.

Wir greifen zunächst einige Highlights aus der veröffentlichten Liste der Teilnehmer an der «schön, haben wir drüber geredet und sind einer Meinung»-Veranstaltung auf dem Bürgenstock heraus.

Folgende bedeutende Staaten in alphabetischer Reihenfolge beehren sich: Benin in Form des Ministers Olushegung Ajadi Bakari (nein, den Namen muss man sich nicht merken, der Präsident hat übrigens Wichtigeres zu tun). Cabo Verde schickt immerhin den Präsidenten, die Union der Komoren (Quizfrage: wo ist das?) auch nur einen Minister.

Die Elfenbeinküste, die sicherlich eine wichtige Rolle bei den Friedensverhandlungen spielen wird, ist mit ihrem Präsidenten vertreten, für den man hoffen darf, dass er während der Konferenz nicht weggeputscht wird. Diese Gefahr besteht bei den Fiji-Inseln eher weniger. Bei Libyen, auch ein bedeutender Player auf der Weltbühne, besteht die Gefahr schon eher; zudem ist die Frage, wovon Mohamed Menfí genau der Präsident ist, also von welchem Teil dieses failed State.

Auf ein ganz anderes Level hebt hingegen Daniel Risch, der Regierungschef von Liechtenstein, diese Begegnung. Etwas strapaziös auf der Weltkarte wird dann die Suche nach Palau, wo Ruanda liegt, ist zumindest nach dem Massaker dort noch einigen geläufig. Viele wissen hingegen nicht, dass San Marino auch ein unabhängiger Staat ist und sogar in Europa liegt. Andorra ist übrigens mit dem Präsidenten, Monaco hingegen nur mit einem Minister vertreten, wobei diese drei Staaten locker die Schirmherrschaft über einen Waffenstillstand übernehmen könnten.

Während wieder viele daran scheitern, spontan anzugeben, wo denn Ost-Timor genau im Wasser liegt. Und schliesslich ist eine solche Konferenz ohne Uruguay undenkbar, auch wenn das Land bloss einen Minister schickt.

Schliesslich drängen sich natürlich noch Ursula von der Leyen auf und der Präsident des Europäischen Rats Charles Michel auf, denn wo der eine ist, muss eifersüchtig der andere auch sein.

Das wären also Auszüge aus den 92 Staaten und 8 Organisationen. Man rechnet damit, dass alle mit einem Tross von ca. 10 Wasserträgern anreisen werden, wodurch es auf dem Bürgenstock etwas eng werden könnte.

Und Schwergewichte? Wenn wir die europäischen Selbstdarsteller weglassen, wer kommt da? China kommt nicht. Russland wurde erst gar nicht eingeladen. Brasilien schickt einen Gesandten. Indien einen Minister. Indonesien ebenfalls einen Gesandten. Südkorea verzichtet ganz. Südafrika – Gesandter. Mexiko: Minister. Ach, und die USA die Wie-heisst-sie-doch-gleich-Vizepräsidentin. Aber dafür sind die Philippinen vertreten, allerdings auch nur mit einem Gesandten.

Das bedeutet also: ein Desaster. Von den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien China, Südafrika) ist lediglich eine zweite und dritte Garnitur aus Indien und Brasilien anwesend. Dafür ein Gerümpelturnier von völlig unwichtigen, unbedeutenden, vernachlässigbaren Staaten, deren Anwesenheit nicht bereichernd, sondern peinlich ist.

Was soll Benin, Cabo Verde, die Elfenbeinküste oder Palau zu einem Friedensprozess beitragen? Den Einsatz von Friedenstruppen anbieten? Damit drohen, dass die Winzstaaten ernsthaft böse werden, wenn nicht endlich Frieden herrscht? Bei einigen der teilnehmenden Staaten ist es durchaus fraglich, ob der anreisende Regierungsvertreter dieses Amt bei der Abreise noch hat.

Weil alle Grossen ausserhalb Europas fehlen (ausser vielleicht Japan), wurden die Lücken mit vielen Kleinen notdürftig gestopft. Aber mal im Ernst, was passiert eigentlich, wenn Surangel Samuel Whipps Jr., der Präsident der Republik Palau (17’600 Einwohner, verteilt auf 356 Inselchen), das Wort ergreift? Sagt man ihm dann, dass er als jemand, dessen pazifische Inselgruppe unter Verwaltung der USA steht, sowieso keine eigene Meinung haben kann? Oder lacht man ihn schlichtweg aus? Oder kriegt er gar kein Mikrophon?

Man stelle sich doch mal lebhaft so Begegnungen in der grossen Lobby des Hotels vor. Zwei Wichtigkeiten beäugen sich und fragen sich: muss ich den kennen oder der mich? Dann schütteln sie sich doch die Hände, der eine sagt: gestatten, ich bin der Präsident der Union der Komoren. Der andere erwidert: und ich von Cabo Verde. Dann gehen beide ihres Wegs und denken: where the fuck is this shithole?

Das ist nun wirklich ein Glanzlicht Schweizer Diplomatie. Die Wellen des Gelächters werden locker bis zu den 1’128 Metern des Bürgenstocks hinaufbranden. Es fehlte nur noch, dass sich ein Witzbold einen dicken Mercedes mit livriertem Chauffeur mietet, einen Wimpel mit einer Fantasielandesflagge dranpappt, damit vorfährt und sich bitterlich beschwert, wieso die Präsidentensuite für ihn nicht bereitstehe. Schliesslich sei er der Khan in Chief von Balotschistan, einem Staat oberhalb von Kasachstan, und Bundesrat Cassis habe ihn persönlich eingeladen.

 

Zwischen Genie und Wahnsinn

Wir legen mal wieder eine Ausgabe der «Weltwoche» unters Messer.

Zunächst muss ZACKBUM zwei Dinge vorausschicken. René Zeyer schreibt gelegentlich für das Blatt. Und im Gegensatz zu Tamedia darf man hier sogar den Chefredaktor in seinem eigenen Blatt kritisieren. Der steckt das weg, im Gegensatz zu den Mädels im Leitungsgremium von Tamedia.

Aber zur Sache.

Roger Köppel erreicht in seinem «Editorial» schnell Betriebstemperatur, auch wenn er eigentlich Wohlbekanntes nachklappert. Die Ukraine durfte bestimmen, wer auf den Birkenstock kommen darf und wer nicht. Gähn.

Dann kommt die Abteilung «hau den Cassis»: «Der Aussenminister ist seinem Amt augenscheinlich nicht gewachsen … dass diese Konferenz der Einseitigkeit eine unglückselige Übung zu werden droht, eine Art Marignano der schweizerischen Aussenpolitik … der taumelnde Irrlauf des Tessiners … Cassis’ Marignano heisst Bürgenstock

Aber wenn schon, kriegen gleich alle ihr Fett ab: «Schlafwandler, Verblendete des Kriegs: Alle relevanten Parteien des Landes wirken wie Gefangene der westlichen Propaganda.» Tja, seit Köppel nicht mehr im Nationalrat nach dem Rechten schauen kann (die Male, wo er anwesend war) …

Auf der anderen Seite muss man mal wieder sagen, dass der Mann ameisenfleissig ist. Der haut alleine in einer Woche mehr raus als ein «Republik»-Redaktor in Monaten (oder in einem halben Jahr, wenn man den völlig verstummten Constantin Seibt nimmt). Ein Interview mit dem Opfer der Messer-Attacke von Mannheim. Das Editorial. Ein Kommentar zu den Europawahlen. Und noch ein Interview mit dem serbischen Präsidenten Aleksander Vucic.

Allerdings: das Teil ist sechs Seiten lang und hätte wie immer bei Köppel auf die Hälfte oder ein Drittel eingedampft werden müssen. Damit wäre es nicht schlechter, sondern besser geworden. Denn über 34’000 A, das haben normalerweise nur Texte der «Republik» und die liest doch auch keiner wirklich.

Und der Inhalt? Das Titelzitat sagt ja schon alles, in der vollständigen Version: «In einem kurzen Zeitraum, ja, da bin ich mir ziemlich sicher, werden wir eine echte Katastrophe erleben.» Das ist eine interessante Prognose, leicht hysterisch, aber interessant. Dass Köppel aber so Sachen stehenlässt wie «Ich danke Ihnen für diese Frage … Es ist leicht, lieber Freund, dies zu sehen.» Lieber Freund? So viel zur Distanz zwischen Journalist und Interviewtem. Und Köppel bemüht sich nach Kräften, ein «lieber Freund» zu sein:

«An Ihrem Land wird oft herumkritisiert. Sagen Sie uns: Was sind die grössten Qualitäten Serbiens? Worauf sind Sie stolz?» Noch besser: «Was ist das Wichtigste im Leben eines Mannes

Dann darf Vucic seine Doomsday-Fantasien ausleben: «Ich kann nicht von einem dritten Weltkrieg sprechen, aber von einer grossen Konfrontation. Wie weit wir sind? Ich glaube, dass wir davon nicht mehr weit entfernt sind. Nicht länger als drei oder vier Monate. Und es besteht die Gefahr, dass dies schon vorher geschieht.»

Wir halten fest: Anfang November kracht’s. Und wenn nicht? Macht nix.

Und neben den Köppel-Festspielen, was bietet die WeWo noch? Nun, Christoph Mörgeli ist immer für eine saftige Hau-drauf-Geschichte gut. Denn er hat ein elefantöses Gedächtnis. Und so erinnert er anlässlich des golden Fallschirms in der Höhe von exorbitanten 340’000 Franken für die zurückgetretene Chefin des Bundesamts für Polizei an ihre tatsächlich klägliche Rolle, die sie 2007 bei der Affäre um den Privatbankier Oskar Hollenweger im Jahre 2007 spielte. Das ist aber nur ein dunkler Fleck in der Karriere von Nicoletta della Valle, neben vielen anderen.

Der zweite Besitzer eines Zweihänders nimmt sich Daniel Jositsch vor: «Mit markigen Worten will der SP-Ständerat den fremden Richtern «Grenzen setzen». Bis gestern sagte der Rechtsgelehrte noch, ebenso markig, das Gegenteil.»

Dafür haut Philipp Gut ihm Zitate aus dem Abstimmungskampf um die SVP-Selbstbestimmungsinitiative um die Ohren. Dort habe Jositsch noch getönt: ««Wenn die Staaten nicht in ein vertragliches Korsett eingebunden sind, gewinnt das Recht des Stärkeren.» Die Profiteure des Völkerrechts seien Kleinstaaten wie die Schweiz.»

Man ist schon fast daran gewöhnt (und hofft, dass auch dieser Spleen des Chefs mal sein Ende findet), wer könnte wohl der Mitautor eines siebenseitigen Streifens sein? Richtig, natürlich Daniel Ryser. Diesmal berichtet er über Cass Pennant. Cass who? Na, einer der «Gründerväter des Hooliganismus». Also eine weitere Fortsetzung der Ryserschen Freakshow.

Und sonst? Sonst ach ja. Es kann ja nicht jede Nummer ein Kracher sein. Aber ein paar Knaller hat’s schon drin, während bei den Mainstreammedien die Knallfrösche meistens eine nasse Zündschnur haben.