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Kunst kommt von Können

Also wird’s etwas schwierig für Tamedia.

Redaktor Christoph Heim dekretiert: «Sammlung Bührle»: Was darf bleiben, was muss weg?» Der Mann hat schon seit der Eröffnung des Neubaus diese Attraktion Zürichs mit Häme und Geschimpfe verfolgt. Duftmarke: «Mit der Sammlung Bührle wird das Museum zum Schaufenster privater Sammler. Das ist ein Rückschritt in feudalistische Zeiten.»

Auch zur Nachfolge an der Spitze der Kunsthausgesellschaft hatte Heim eine klare Meinung: «So geht das nicht.» Jetzt übertrifft er sich aber selbst. Er hat nochmals den Provenienzbericht der Bührle-Stiftung «vom Dezember 2021 auf Hinweise durchsucht, welche Bilder auf der Kippe stehen und – vorbehaltlich genauerer Untersuchungen – wahrscheinlich zurückgegeben werden müssen».

Das tut er im Vorgriff auf die Überprüfung dieser Ergebnisse durch den Historiker Raphael Gross, deren Ergebnisse erst in einem Jahr zu erwarten sind. Zunächst macht sich Heim mal wieder lächerlich. Im Pluralis Majestatis schreibt er: «Wir haben exklusiv» diesen Bericht «durchsucht». Was soll an der Lektüre eines seit Jahren öffentlich einsehbaren Berichts «exklusiv» sein?

Oder würde Heim auch schreiben, wenn er einen Blick auf den SBB-Fahrplan geworfen hat, er habe den «exklusiv durchsucht»? Und vielleicht eine bisher unbekannte Verbindung gefunden? Wir wischen uns mal wieder die Lachtränen ab.

Wer übrigens auch ganz exklusiv diesen Bericht durchsuchen will: bitte sehr.

Das Ergebnis dieser Untersuchung war übrigens – wie ZACKBUM hier exklusiv enthüllt – folgendes:

«Nach Auffassung der Sammlung Emil Bührle können heute von den 203 Werken im Bestand 113 Werke der Kategorie A (lückenlos erforschte, unproblematische Provenienz) zugordnet werden. 90 können der Kategorie B (nicht lückenlos erforschte Provenienz, aber ohne Hinweis auf problematische Zusammenhänge) zugeordnet werden.
Werke der Kategorie C (nicht lückenlos erforschte Provenienz und Hinweis auf möglicherweise problematische Zusammenhänge) sind nach heutigem Kenntnisstand keine im Bestand, Werke der Kategorie D (eindeutig problematisch) gibt es seit 1948 keine mehr in der Sammlung Emil Bührle.»

Der Bericht hält zudem fest:

«Heute kann festgestellt werden, dass die als Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich gezeigte Sammlung Emil Bührle keine Fälle von ungeregelter Raubkunst enthält. Nach derzeitigem Wissen fallen fünf Werke im Bestand unter die Kategorie sogenannter Fluchtkunst, also Werke, die nach 1933 von ihren NS-verfolgten Eigentümern in die Schweiz transferiert und hier dem Kunsthandel übergeben wurden. Die Stiftung hat deren Erwerbsgeschichte detailliert analysiert und kann davon ausgehen, dass diese Werke unter Wahrung der Interessen ihrer früheren Eigentümer über den Schweizer Kunsthandel in den Besitz von Emil Bührle gelangt sind.»

Das lässt nun an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Aber nicht für den Exklusiv-Forscher Heim. Er stapelt nochmals schon längst bekannten und abgetischten Unsinn aufeinander. Nehmen wir dafür sein erstes Beispiel. Gustave Courbet: «Portrait du sculptuteur Louis-Joseph Leboeuf». Heim zeichnete dessen Handänderungen nach und behauptet dann faktenfrei: «Wenn die Ullstein-Erbin aus Not verkauft haben sollte, dann gehört dieses Porträt zu den ersten Bildern, für die von der Bührle-Stiftung aktiv nach Erbberechtigten gesucht werden müsste.»

Im von Heim «exklusiv» durchforschten Bericht heisst es zu diesem Bild, es falle unter die Kategorie «A 5». Das bedeutet: Kategorie A steht für «lückenlos geklärt, unproblematisch», und Kriterium 5 bedeutet, dass das Werkt «als «Fluchtgut» nach der im Belgier-Bericht gegebenen Definition in die Schweiz gebracht und hier nachweislich unter Wahrung der Interessen ihrer Eigentümer verkauft wurde».

Nun kann man natürlich an der jahrelangen und unter Beizug international anerkannter Koryphäen erstellten Provenienz-Forschung der Bührle-Stiftung herummäkeln. Man kann sie als Gefälligkeitsgutachten, als überholt, als neueren Erkenntnissen oder Definitionen nicht mehr entsprechend kritisieren.

Aber auch das nächste von Heim als problematisch aufgeführte Werk, «Le Jardin de Monet à Giverny» wird laut der Bührle-Stiftung unter A 5 eingeordnet.

Völlig abstrus werden die Beispiele, an deren Verkauf der Kunsthändler Walter Feilchenfeldt beteiligt war. Dessen Sohn hat schon mehrfach öffentlich klargestellt, dass sein Vater Bührle ausgesprochen dankbar war, dass er ihn korrekt mit den Käufen von Kunstwerken unterstützte und dass sein Vater bis zu seinem seligen Ende nur in den höchsten und respektvollen Tönen über Bührle sprach, Wie man daraus eine Problematik nachträglich erfinden will, braucht schon eine gewisse Bösartigkeit.

Nachdem Heim diesen kalten Kaffee nochmals aufgewärmt und als exklusive Mischung angepriesen hat, kommt er zu absurden Schlussfolgerungen:

«Es ist also davon auszugehen, dass schon im Jahr 2024, wenn die Resultate der von Raphael Gross geleiteten Provenienzforschung der Bührle-Stiftung vorliegen, einige der hier besprochenen Werke aus der Ausstellung entfernt werden müssen.» Wieso sollte davon auszugehen sein? Weil Heim das behauptet?

Aber er geht noch einen Schritt weiter zur angeblichen Millionenfrage: Schliesslich stellt sich die alles dominierende Frage: Wer bezahlt die Millionenbeträge, wenn die Stiftung Bührle als Eigentümerin nicht einfach Bilder restituiert, sondern im Sinne einer fairen und gerechten Lösung mit den Erben einen Vergleich anstrebt, sodass die Bilder im Museum bleiben können

Wieso sollte die Bührle-Stiftung denn das tun, wenn es reine Spekulation ist, dass der rechtmässige Besitz an diesen Kunstwerken, die bereits unzählige Male auf ihre Provenienz untersucht wurden, angezweifelt werden sollte?

Zu diesem Thema hat sich auch schon die schreibende Schmachtlocke von der «Republik» unsterblich lächerlich gemacht. Daniel Binswanger kroch kritiklos einem Nachfahren eines einstmals wohlhabenden Exilanten in der Schweiz auf den Leim und blamierte sich ungeheuerlich.

Heim schreibt einfach ein weiteres Kapitel im unendlichen Fortsetzungsroman: Bührle, Waffenhändler, Raubkunst, Schweinerei. Diese Mischung ist natürlich auf den ersten Blick verführerisch. Ein Waffenhändler wird mit Geschäften mit Nazi-Deutschland reich und kauft damit verfolgten Juden auf der Flucht für Butterbrote ihre Kunstwerke ab.

Das passt schön ins Bilderbuch der Demagogie. Aber leider, leider: die Realität gibt’s nicht her.

Also erhebt sich doch bei Redaktor Heim die Frage: Darf er bleiben – oder muss er weg?

Bock zum Gärtner

Res Strehle wühlt nochmals in der Vergangenheit von Emil Bührle. Statt in seiner eigenen.

Gibt es noch Neues vom Waffenfabrikanten und Stifter der bedeutendsten Sammlung von Impressionisten ausserhalb Frankreichs? Es scheint, dass gewisse Kreise nicht ruhen wollen, bis dieser Ausstellungsmagnet des Erweiterungsbaus des Kunsthauses Zürich weggeschrieben ist. Da einzelne Kunstwerke bereits ausführlich – wenn auch vergeblich – skandalisiert wurden, der Lebenslauf Bührles zur Genüge dargestellt, seine Waffenlieferungen an Nazi-Deutschland (mit Einverständnis des Bundesrats und von ihm mit Krediten finanziert) genügend niedergemacht wurden, was bleibt?

Dieser Ansatz: «Bührle und seine Lakaien: Wie der Nazi-Profiteur mit dem Kunsthaus die Herzen der Schweizer Elite eroberte».

Auch das ist nicht gerade originell, und Strehle überschüttet und überfordert den Leser in seinem Artikel in «Republik»-Länge (22’791 A) mit einer Flut von Namen, eher zusammenhangslos aneinandergereiht. Das kommt eben davon, wenn ein ehemaliger Tagi-Chefredaktor in die Tasten greift: keiner traut sich, ihn anständig zu redigieren.

Im Wesentlichen will Strehle aufzeigen, wie es Bührle gelungen sei, sich mit Aktivitäten im kulturellen Bereich zu rehabilitieren und die Aufnahme in die besseren Kreise zu bewerkstelligen. Dabei ist ihm keine Häme zu billig: «Im Haus Bührle reichte ein Gärtner, der mit dem Fahrrad angeradelt kam, weil ihm der Patron die Anfahrtskosten der Strassenbahn nicht abgelten wollte.»

Auch wenn Bührle etwas nicht tat, bekommt er dafür von Strehle keine Absolution: «Bührle war klug genug gewesen, nur drei Jahre nach seiner Einbürgerung die «Eingabe der Zweihundert» nicht zu unterzeichnen.»

Besonders ein Dorn im unbestechlichen Auge Strahles sind sozialdemokratische Helfershelfer von Bührle:

«Die SP-Politiker halfen mit, den Waffenindustriellen in Zürich salonfähig zu machen, ähnlich wie ihre späteren Parteigenossen dessen Kunstsammlung allzu unbesehen mit einer eigenen Abteilung im Erweiterungsbau des Kunsthauses adeln würden.

Stadtpräsident Elmar Ledergerber setzt drei Jahrzehnte später die guten Beziehungen seiner Vorgänger zur Bührle-Familie fort und bahnt nach der Jahrtausendwende zusammen mit Walter Kielholz und Kunsthaus-Direktor Christoph Becker die Überführung der Bührle-Sammlung in einen Erweiterungsbau des Kunsthauses an.»

Was stört Strehle genau daran? Ganz zum Schluss lässt er die Katze aus dem Sack: «die zweitwichtigste Sammlung französischer Impressionisten weltweit, aber leider noch nicht unabhängig in ihrer Provenienz erforscht und beschönigend deklariert. Ein Mahnmal der jahrzehntealten Wahlverwandtschaft Emil Georg Bührles mit Zürichs Elite.»

Nichts gegen Vergangenheitsbewältigung und das neuerliche Umwühlen längst vergangener Taten oder Untaten. Nur: gerade Res Strehle wäre gefordert, das endlich einmal in eigener Sache zu tun. In Sachen der eigenen linksradikalen Vergangenheit. Die wurde mehrfach von der «Weltwoche» thematisiert. Aber ausser mit juristischen Massnahmen sah sich Strehle bis heute nicht dazu veranlasst, zu sich selbst Stellung zu nehmen.

Auch seine Haltung in der Vergangenheit war den damaligen Zeiten und Umständen geschuldet, und jeder hat das Recht auf Vergessen und Veränderung. Ausser, er seziert dermassen beckmesserisch die Vergangenheit eines anderen. Zitieren wir einmal anrüchige Aussagen des sich aufs hohe moralische Ross schwingenden Strehle aus anderen Zeiten:

«Im März 1993 etwa verfasste Strehle einen krachenden Nachruf auf die Schweizer Terroristin Barbara Kistler, der selbst der WoZ, die er 1981 mit gegründet hatte, zu weit ging. Die ­Redaktion lehnte die Veröffentlichung ab, auch weil die Einschätzungen offenbar nicht stimmten. Kistler, von Strehle liebevoll «Babs» genannt, hatte sich in der Türkei einer militanten leninistischen Splittergruppe angeschlossen. «Sie ist nicht im Bett gestorben, wie es ihr grösster Horror war», so Strehle, «sondern mit der Waffe in der Hand, wie es ihr Wunsch war.» Mit «der Konsequenz ihres Handelns» habe die Revolutionärin «für viele GenossInnen und FreundInnen einen Massstab gesetzt», schrieb Strehle. Er schloss den pathetischen Aufruf mit dem Guerilla-Gruss: «Barbara presente!» Laut der WOZ-Redaktion hatten zum fraglichen Zeitpunkt allerdings gar keine Kämpfe in dieser Region der Türkei stattgefunden. Doch Strehle liess sich von den Tatsachen nicht beirren: Er warf seinen Kollegen hinterher vor, «jegliche Solidarität» mit der Gewalttäterin vermissen zu lassen.»

Schon zuvor hatte Strehle ein recht lockeres Verhältnis zu Gewalt unter Beweis gestellt, revolutionäre Gewalt, versteht sich: Am 10. Januar 1986 erklärt er den Lesern, warum die portugiesische Terrorgruppe «Volkskräfte des 25. April» (FP-25), die die junge Demokratie – entstanden nach der friedlichen Nelkenrevolution 1974 – abschaffen wollte, mordend und brandschatzend das historisch Notwendige und ­moralisch Richtige tue.

««Revolutionäre Gewalt», so Strehle, sei « die Antwort auf die Repression des Staates, die den Arbeitern zeigen soll, dass es auch andere Formen des Klassenkampfes gibt». Vor «diesem Hintergrund» seien «die militärischen Aktionen der FP-25 zu verstehen: Erschies­sung von Unternehmern, Grossgrundbesitzern, Aktionen gegen die Nato und Geldbeschaffung». Minutiös vermerkt Terrorversteher Strehle eine Liste der Heldentaten, welche die FP-25 verübt hat: «6. 12. 82: Erschiessung des Unternehmers Monteiro Pereira, 19. 10. 83: Anschlag gegen das Arbeitsministerium, 7. 2. 84: Erbeutung von umgerechnet 2 Mio. Franken in Lissabon, 30. 4. 84: Anschlag auf einen Grossgrundbesitzer, 30. 5. 84: Erschiessung des Unternehmers Canha E Sá», und so fort. Das ist längst nicht alles: In der Manier des pflichtbewussten Buchhalters nennt Strehle ein Dutzend weiterer Terrorakte, darunter ein Angriff auf «BRD-Militärs». 

Strehle stimmt zu: Politische Gewalt ist inte­graler Bestandteil des sozialistischen Projekts. «Die Aktivitäten der FP-25 erfolgen nicht isoliert von anderen Formen des Klassenkampfes. Die FP-25 kämpfen für die Zerstörung des kapitalistischen Staates durch eine sozialistische Revolution, die sich in allen Strukturen der Arbeiter durch den lang andauernden täglichen Kampf entwickelt.»

Nun könnte man meinen, dass das halt längst vergangene linksradikale Haltungen eines im Marsch durch die Institutionen geläutert in der Chefredaktion des «Tages-Anzeigers» Angekommenen seien. Aber die alten Reflexe spielten auch noch viele Jahre danach.

Ein verpeiltes «Zentrum für politische Schönheit» wagte 2015 die launige Schlagzeile «Tötet Roger Köppel! Köppel Roger tötet!», das Strassenmagazin «Surprise» druckte diesen Mordaufruf ab und der Tagi-Mitarbeiter Andreas Tobler zeigte Verständnis für diesen «Theatermord», er könne als eine Reaktion auf Köppels Auftritt in der Talkshow «Menschen bei Maischberger» im deutschen Fernsehen «verstanden werden», wo er sich «in gewohnt pointierter Manier» geäussert habe.

Der «Tages-Anzeiger» verstand sich den höchsten journalistischen Standards verpflichtet, denen auch der Autor Tobler nachzuleben hätte. Res Strehle sah damals auf Anfrage in diesem «nachrichtlich und nicht reisserisch aufgemachten Beitrag» keine «journalistische Fehlleistung». Im Übrigen sei seine persönliche Meinung, dass der Mordaufruf «geschmacklos» sei.

Immerhin hatte sich seine Haltung zu Mord und Gewalt in der politischen Auseinandersetzung verändert. Aber über seine eigene Verwicklung mit der linksradikalen Szene in Zürich sagt Strehle bis heute nichts – oder nur Beschönigendes. Was er im Fall Bührles aufs schärfste kritisieren würde, erlaubt er sich selbst.

So wird der Bock, mit oder ohne Velo, zum Gärtner gemacht, werden zwei Massstäbe angelegt, feiert typisch linke Heuchelei, Doppelmoral Urständ.

 

Dichtung und Wahrheit, Teil 1

Bührle und kein Ende. Eine Suche nach der Wahrheit hinter dem Geschrei.

Wer kann das viele, viele Jahre später noch unterscheiden? «Auch Leben ist eine Kunst», war der Sinnspruch von Max Emden. Das Nachleben der von ihm erworbenen Kunstwerke ist dagegen ein Trauerspiel.

Es begab sich und trug sich zu: Es war einmal ein deutscher Millionär. In seinen besten Zeiten war er der Kaufhauskönig Europas mit über 6000 Angestellten und Geschäften an bester Lage in vielen Grossstädten. Er lebte hoch im Norden und wurde dem Dreck einer Hafenstadt, auch der Engstirnigkeit der Menschen Hamburgs überdrüssig.

Also verkaufte er den Grossteil seiner Beteiligungen, die ihn reich gemacht hatten, und wanderte gegen Süden aus. Er suchte Ruhe und Beschaulichkeit; die fand er im Tessin. Genauer auf zwei Inseln im Lago Maggiore. Die waren idyllisch und einsam genug, also kaufte er sie 1927 für 600’000 Franken, was damals eine hübsche Stange Geld war.

Um die Beschaulichkeit mit Behaglichkeit zu verbinden, liess er auf einer der Inseln eine schöne, klassizistische Villa mit 30 Zimmern errichten. Das war dann genug Platz für seine Familie und seine Kunstsammlung, die er an den zahlreich vorhandenen Wänden aufhängte.

Die Inseln boten auch genug Privatsphäre, dass er dort ein Leben als Aussteiger, Freigeist, Polospieler, Golfer und Liebhaber des Schönen und der Schönen führen konnte. Als Frühhippie, im Geiste des nahegelegenen Monte Verità.

Allerdings berichten viele Zeitzeugen, dass immer eine Aura von Melancholie und zurückhaltender Trauer um ihn war.

Bald kamen die braunen Zeiten in Deutschland

1931 liess er auf einer grossen Auktion aus seiner Sammlung Gemälde deutscher und französischer Meister des 19. Jahrhunderts, Möbel, Teppiche, Bronzen, deutsches Silber, Fayencen versteigern.

Die dunkelbraunen Zeiten, die in Deutschland anbrachen, machten die Inseln zu seinem Hauptwohnsitz; 1934 erwarb er das Bürgerrecht der Gemeinde Ronco. Illustre Gäste beherbergte er in seiner Villa, darunter Aga Khan, den König von Siam oder den berühmten Schriftsteller Erich Maria Remarque.

Als die braune Pest damit begann, seine in deren Einflussbereich verbliebenen Besitztümer zu arisieren oder schlichtweg zu stehlen, setzte er die Verkäufe seiner in die Schweiz verbrachten Kunstwerke fort, um seinen Finanzhaushalt zu stabilisieren. Denn Villa, Bedienstete, Boote, Polo, Frauen, das Leben, das war alles nicht ganz billig.

Zwei dieser damals verkauften Gemälde gelangten in die Sammlung Adolf Hitlers. Da die Bundesrepublik Deutschland die Rechtsnachfolge des Dritten Reichs angetreten hatte und sich ungern von jeglichem Besitz trennte, dauerte es bis 2019, dass die beiden Gemälde an die Nachkommen des Sammlers restituiert wurden.

Die in Deutschland enteigneten Besitztümer sind bis heute ein ungelöster Skandal

Bis heute ist aber die Enteignung seiner Besitztümer in Deutschland und im Einflussbereich der braunen Pest ein Verbrechen, das ungesühnt bleibt. Er war nicht nur der Kaufhauskönig der damaligen Zeit, sondern der bedeutendste Grundbesitzer in Hamburg, höchstwahrscheinlich sogar im ganzen Deutschen Reich.

Glücklicherweise hatte er seine Kaufhäuser, darunter das KaDeWe in Berlin oder Oberpollinger in München, noch rechtzeitig verkauft. Er blieb aber im Besitz der Grundstücke, bis ihm die abgepresst oder schlichtweg gestohlen wurden.

Als der Lebemann 1940 plötzlich starb, wurde sein einziger Sohn Alleinerbe. Der war nicht mit ins Schweizer Bürgerrecht aufgenommen worden und wurde daher staatenlos, als ihm der deutsche Schurkenstaat seine Staatsbürgerschaft entzog.

Aber der Sohn besorgte sich einen haitianischen Pass und beschloss, nach Chile auszuwandern; von dort stammte seine Mutter. Dabei liess er die beiden Inseln und einige Kunstwerke in der Schweiz zurück, die verkauft werden sollten.

Der Sohn und Erbe war finanziell gut gepolstert

Dringlichen Finanzbedarf schien er nicht zu haben, denn er verfügte insgesamt über ein Vermögen von rund 1,8 Millionen Franken. In Dollar umgerechnet wurden seine Kunstwerke auf 75’000 $ geschätzt, hinzu kam auf diversen New Yorker Bankkonten ein Guthaben von über 130’000 Dollar, jederzeit liquide.

In Chile gründete der Sohn mit diesem Vermögen eine eigene Firma. Da ihm als möglicherweise «feindlichem Ausländer» zweimal Visa-Anträge in die USA verweigert wurden, überwachten die US-Behörden seinen Geldverkehr genau. Da entsprechende Archive vorhanden sind, lässt sich belegen, dass er seine in Chile gegründete Firma Pre-Unic mit einer Kapitalbasis von 133’000 US-Dollar ausstattete und daraufhin weitere 135’000 Dollar für Investitionen und seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen in den USA und anderswo bezog.

Das war rund eine Million CHF zum damaligen Umrechnungskurs. Zudem geht aus einem Schriftwechsel mit seiner damaligen Verwalterin in der Schweiz hervor, dass Olga Ammann eine Offerte der SBG (heutige UBS) für den Ankauf von drei Kunstwerken zurückwies; der Preis erschien ihr zu niedrig, und es herrschte offenbar Einverständnis zwischen ihr und Emden, dass diese Verkäufe langsam und bedächtig abzuwickeln seien, keine Eile oder Not bestünde.

Fortsetzung folgt: Der Enkel will Genugtuung

 

Neuer Bärfuss des Grauens

Man kann dem SoBli (fast) alles verzeihen. Mit einer Ausnahme.

Wir tun mal so, als hätten wir noch nie etwas vom Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss gelesen. Und wollen uns nur an der Sprachbeherrschung einer Literaturgrösse laben. Denn Literatur hat sicherlich auch auf dem Boulevard nichts mit Littering zu tun.

Wir werden gleich mit dem ersten Satz auf Moll eingestimmt: «Auch in diesem Jahr erwartet uns eine schwierige und traurige Weihnachtszeit.» Das erinnert zwar an den Beginn eines Schulaufsatzes, aber das steigert sich sicherlich noch.

Neue Position, gleicher Blick. (Bildzitat Screenshot SoBli).

Wir hoffen nicht umsonst, schnell wird das Dichterwort dunkel: «Wenn das Virus im Körper eskaliert, versagen oft die besten Methoden der Wissenschaft.»

Aber gut, auch Jean Paul war verdammt schwer zu verstehen. Nun legt Bärfuss eine Fährte aus, sozusagen ein Ariadnefaden, die ihn zum eigentlichen Thema führen soll. Man spricht da unter Literaturwissenschaftlern von einem Leitmotiv. Hier ist es das Erbgut. Das besimme auch, wie schwer die Corona-Erkrankung sei, weiss der Litterat. Um zu verallgemeinern: «Früher stehen alle vor der Frage, die das Erbe stellt.» Könnte da ein «oder später» fehlen? Aber vielleicht verstehen wir zu wenig von literarischer Verkürzung. Oder handelt es sich gar um eine Apokope? Also im weiteren Sinne, wohlgemerkt.

Wenn das Erbe an der Türe klingelt, oder so

Nun, welche frühe Frage stellt uns das Erbe? Das beantwortet der Dichter aus eigenem Erleben, denn auch sein Vater starb (nein, nicht an Corona, steht zu vermuten). Und hinterliess ein schweres Erbe, das leicht ausgeschlagen werden konnte.

Unser Beileid, aber wie geht’s mit dem Leidmotiv weiter? «Gebäude, die mit Asbest isoliert wurden, sind wertvoll und gleichzeitig tödlich giftig.» Ach was, wieso sollen sie denn wertvoll sein? Aber gut, nur nicht grübeln, riet schon Gotthelf, das wollen wir beherzigen. Denn jetzt kommt’s:

«Genau gleich wie gewisse Kunstsammlungen. In Zürich vergiftet eine einschlägige Erbschaft die Stadt, verseucht Institutionen und Beziehungen. Schöne, kostbare Gemälde machen die schlimmsten Verbrechen lebendig, Vertreibung, Raub und Genozid. Emil Bührle, ein Krimineller, raffte sein Vermögen aus Leid und Tod zusammen. Ein Schatz, der sich aus dem Verbrechen nährt, eine teuflische Mischung: Wer damit in Berührung kommt, ist auf immer krank und vergiftet.»

Hilfe, wir gestehen: Wir sind damit in Berührung gekommen. Wir waren schon im Kunsthaus, das hoffentlich nicht auch noch mit Asbest verseucht ist. Das ist nun ein Paukenschlag, ein Zornesblitz, darüber sollten wir Zürcher nun aber mal richtig nachdenken.

Falls wir dabei auf Abwege geraten, Bärfuss führt uns an die Wurzel des Grauens:

«Aber das geht nur, wenn wir gleichzeitig über das Allerheiligste nachdenken. Oh Privateigentum! Oh Sacerdotium der bürgerlichen Welt! Dir gehört unsere Verehrung und unser Vertrauen! Unangetastet stehst du in den Stürmen der Gegenwart!»

Aber leider – horribile dictu – Fremdwörter sind Glücksache. Sacerdotium, ist uns das peinlich, einen preisgekrönten Dichter zurecht weisen zu müssen, bedeutet Priestertum oder das Reich der geistlichen, kirchlichen Gewalt. Wahrscheinlich meinte Bärfuss Sanctuarium. Aber wer sind denn wir, beckmessern zu wollen. Nur, nicht nur Jean Paul beherrschte Latein

Aber zurück zum Text.Wir Kurzdenker dachten immer, dass es selbst in der Schweiz viele Möglichkeiten gibt, das Privateigentum anzutasten, bis hin zur Enteignung. Schön, dass wir von diesem Irrtum befreit werden.

Wem gehören die Wolken? Die Antwort kennt nur der Wind

Aber ein tief Blickender, selbst wenn das im SoBli geschieht, ist damit noch nicht auf dem Grund der Fragen angelangt: «Das Privateigentum ist heilig, also unerklärlich und unerklärbar. Was kann ein Mensch sein Eigen nennen?»

Denken wir kurz selber nach. Vernunft? Intelligenz? Logik? Sprachbeherrschung? Stringenz? Respekt? Anstand? Das kann hier alles nicht gemeint sein, will uns deuchen. Denn der Schriftsteller fängt ganz woanders an: «Unterschiedliche Güter weisen unterschiedliche Eigenschaften auf. Ein Grundstück ist nicht dasselbe wie ein Regenschirm oder eine Aktie.»

Wohl wahr, sagen wir da, ganz geplättet von so viel Weisheit, die kostenlos auf uns regnet. Apropos regnen, nun wird’s wieder dunkel wie bei Hölderlin im Turm: «Wem sollten die Wolken, der Regen und der Wind gehören? Das Wetter mag unterschiedlich sein, aber für uns alle gibt es nur ein Klima.»

Es bleibt ein Wechselbad der Gefühle, darf man einem Literaten vorwerfen, dass er etwas sprunghaft ist? «Wie man mit den Risiken der Vererbung umgeht, macht uns die Evolution vor, nämlich mit Sex.»

Muss man erst mal drauf kommen …

Hoppla, plötzlich nimmt uns der Dichter im Triebwagen der Evolution mit. Nicht ohne uns weiterer Erkenntnisse teilhaftig werden zu lassen: «Lebewesen können sich vegetativ, parthenogenetisch vermehren. Erdbeeren, Blattläuse und Bambushaie halten es so

Gut, dass wir das wissen. Aber, dadurch unterscheidet sich der wahre Literat vom Möchtegern, wir kehren zum Leitmotiv zurück, also zur Bührle Sammlung. Denn Sex teile das Erbgut durch zwei, weiss der Hobbygenetiker, dadurch werde das Risiko halbiert. Öhm, also bei nicht rezessiven Genen, die beide Elternteile aufweisen, nicht wirklich. Aber wir wollten doch nicht grübeln.

Die Lösung für die Bührle Sammlung? Teilen

Was, oh Dichter, was hat das nun mit der Ausstellung im Kunsthaus zu tun?

«Wenn es um Erbprobleme geht, lautet die Lösung also teilen. Heute wird das Vermögen aus der Erbschaft privatisiert, die Schulden und der Müll aber werden sozialisiert, und die Sammlung Bührle folgt genau diesem Muster. Die Öffentlichkeit übernimmt die Passiven, die Aktiven bleiben bei der Familie. Es ist im Interesse aller Beteiligter, dieses wertvolle und kontaminierte Erbe gemeinsam zu tragen.»

Das ist eine wunderbare Schlussfolgerung, eine eines Büchner würdige Übertragung von genetischen Erbvorgängen ins reale Kunstleben. War Büchner nicht angehender Arzt? Das ist doch sicherlich eine raffiniert versteckte Anspielung darauf.

Das muss es auch sein, denn – wir bitten um Nachsicht wegen unseres Unvermögens – bei der Bührle Kunstsammlung kann das ja nicht ganz stimmen. Ausser, die 203 Bilder im Kunsthaus Zürich wären Müll. Und welche Aktiven sollen denn bei der Familie bleiben? Weiss Bärfuss überhaupt, was der Unterschied zwischen Aktiven und Passiven ist? Eher nicht, will uns deuchen, aber wer sind wir denn.

Passiver Müll oder toxisches Erbe?

Wie soll denn nun, so zwischen Aktiven und Passiven, das wertvolle und kontaminierte Erbe gemeinsam getragen werden? «Es gibt Lösungen», weiss der Dichter. Nur verrät er die nicht. Wir hätten da in aller Bescheidenheit eine zu bieten: regelmässige Lesungen aus seinen Werken in der Ausstellung. Das vertreibt garantiert das Publikum, womit die Bilder nicht länger kontaminieren können.

«Dichte an Schwachsinn»

Diesem Kommentar zu David Kleins neustem Schmierenstück auf «Inside Paradeplatz» ist zuzustimmen.

Leider lehnte es Lukas Hässig ab, folgende dringend nötige Replik auf seinem Finanzblog zu veröffentlichen.

Die Nazizeit. Flüchtende Juden müssen sich von ihren Besitztümern trennen, meistens leicht transportable Gemälde. Profiteure nützen diese Notlage skrupellos aus. Übler geht’s nicht. Doch. Wenn diese verworfenen Subjekte für billiges Geld diese Kunstwerke erwerben, das sie mit Waffenverkäufen gemacht haben. Unter anderem mit Lieferungen an die Faschisten in Europa.

Also ist der «Kriegsgewinnler und Nazi-Kollaborateur Emil C. Bührle» sowohl moralisch wie menschlich gesehen das Allerletzte. Schande seines Angedenkens, hoffentlich haben seine Nachkommen den Nachnamen gewechselt.

Aber es ist schlimmer: Die Debatte um die Ausstellung seiner Gemälde im Neubau des Kunsthauses Zürich sei «eine moralische Bankrotterklärung», schäumt David Klein. Er hat’s keine Nummer kleiner, und in seinem ewigen Furor vergreift er sich ständig im Ton – und an den Fakten.

Mit dem Furor eines Grossinquisitors

Das fängt bei Banalem an, der Mann hiess Emil G. (wie Georg) Bührle (inzwischen auf meinen Hinweis hin korrigiert), hört aber bei Grösserem nicht auf. Wie jeder Fanatiker verfolgt Klein mit grossem Zorn alle, die nicht haargenau seine Auffassungen teilen. Denn seine sind unbezweifelbar richtig, daher moralisch überlegen, daher berechtigen sie ihn, allen unanständig in die Eier zu treten, die sie nicht teilen.

Da wäre Peter Rothenbühler, der die Ausstellung als Kunstgenuss begrüsst; der diene sich dem Direktor der Bührle-Stiftung an und bemühe «als leuchtendes Beispiel der Moral» den «berüchtigten Kunst-Baron und Wahlschweizer Thyssen-Bornemiza». Kleiner Schönheitsfehler: Rothenbühler tut weder das eine, noch das andere. Könnte man nachlesen, wenn man wollte.

Blut an der roten Weste des Knaben von Cézanne?

Dann vergleicht Klein in seiner Raserei die Untaten der Familien Thyssen und Krupp im Deutschland der Nazizeit mit denen Bührles in der Schweiz. Die Relativierung von Untaten ist immer ein schwieriges Geschäft, aber die Waffenschmieden in Deutschland und die Hitler-Unterstützer Thyssen und Krupp mit Bührle zu vergleichen, das ist kein starkes Stück mehr, das ist zutiefst unanständig, demagogisch, unverhältnismässig.

Aber all diese schrägen Ausflüge in die Geschichte, wie Klein sie sieht, dienen nur dazu, Rothenbühler kräftig eine reinzuwürgen: «„Stopp“ rufen sollte man eher bei Rothenbühlers unqalifizierter, empathieloser und unmoralischer Täter-Opfer-Umkehr-Analyse der Causa Bührle.»

«Stopp» ruft schon keiner mehr bei Klein, weil man weiss, dass niemand diesen Amok bei seinen Brandrodungen aufhalten kann. Mit denen er seinem eigentlichen Anliegen, historische Gerechtigkeit durch die Suche nach Wahrhaftigkeit herzustellen, einen Bärendienst erweist.

Einer nach dem anderen wird abgewatscht

Klein nimmt sich nun der Reihe nach jeden Publizisten vor, der es wagt, die Bührle-Sammlung im Kunsthaus anders als ein Schandmal zu Unrecht erworbener Raubkunst zu sehen. Dazu gehört auch Gottlieb F. Höpli, der es «noch derber im Nebelspalter» treibe. Das erweckt bei Klein «Erinnerungen». Woran? «An Rainer Werner Fassbinders Theaterstück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ und dessen antisemitisch konnotierte Hauptfigur, ein skrupelloser jüdischer Immobilienspekulant (wie wenn es keine nichtjüdischen geben würde).»

Was hat dieses Werk des deutschen Regiegenies mit Höpli zu tun? Das habe damals einen Skandal ausgelöst, während heute «Höplis Geraune nicht einmal ein Schulterzucken» zeitige. Ausser bei Klein, natürlich. Der behauptet kühn, dass ein Stück über einen jüdischen Spekulanten impliziere, dass es keine nichtjüdischen gebe. «Dichte an Schwachsinn», knapper kann man das nicht sagen.

Geht’s noch tiefer hinunter? Allerdings:

«Im tiefsten Morast der Immoralität fischt Rico Bandle beim Tages-Anzeiger, indem er mit dem „legendären Kunsthändler“ Walter Feilchenfeldt einen jüdischen Kronzeugen gegen die Historiker in Position bringt.»

Das entfacht Weissglut bei Klein, denn Bandle hat den Sohn des Kunsthändlers ausfindig gemacht, der damals den jüdischen Kaufmann Emden beim Verkauf seines Bildes an Bührle beriet. Eine der angeblich bis heute umstrittenen Notverkäufe unter Ausnützung der lebensbedrohlichen Situation von Juden. Nur widerspricht dem Feilchenfeldt Junior entschieden; sein Vater sei mit Emden auch nach 1945 in Kontakt geblieben und habe von dem nie etwas anderes als Dankbarkeit gegenüber Bührle vernommen.

Weiss, wovon er spricht: Kunsthändler Feilchenfeldt.

So geht es natürlich nicht; besonders perfid von Bandle, hier einen «jüdischen Kronzeugen in Position» zu bringen: «Dass Feilchenfeldt jüdischer Abstammung ist, macht ihn in seinem Urteil zur Raubkunst jedoch ebensowenig zur unfehlbaren Instanz, wie den AfD-Politiker Björn Höcke in seinem Urteil zu Deutschland, nur weil er Deutscher ist.» Welch geschmackvoller Vergleich.

Die Balken im eigenen Auge sieht Klein nicht

Dass das dann auch für Klein selbst gilt, auf diese naheliegende Idee kommt er in seinem Feldzug nicht. Er steigert sich aber noch, wie meist, zum abschliessenden Crescendo, masslos, sinnlos, den Leser fassungslos zurücklassend:

«„Es kommt auf die Qualität der Sammlung an, nicht auf die Person des Sammlers“, doziert Feilchenfeldt. Nun, was wäre, wenn der rechtsextreme Massenmörder Anders Breivik ein begeisterter und begnadeter Kunstsammler gewesen wäre?

Oder Josef Fritzl, der seine Tochter 24 Jahre im Keller gefangen hielt, sie unzählige Male vergewaltigte und mit ihr in Inzucht sechs Kinder zeugte, von denen eines starb, dessen Leiche er im Zentralheizungsofen verbrannte?

Würde man deren Sammlungen auch bedenkenlos ausstellen? Und warum nennt man diese Raubkunst-Sammlungen von „Qualität“ nicht einfach Göring- oder Hitler-Sammlung, wenn die „Person des Sammlers“ doch überhaupt keine Rolle spielt?»

Das wollen wir unkommentiert lassen. Denn wir führen zwar einen Doktortitel, aber nicht als Arzt.

Wir stellen nur eine – unabhängig von der Religionszugehörigkeit des Autors – bislang unbestrittene und somit richtige Feststellung dagegen:

«Von den 203 Werken der Bührle-Sammlung haben 37 im weitesten Sinne einen Zusammenhang mit NS-Verfolgung, hatten also deutsch-jüdische Vorbesitzer. 26 davon erwarb Bührle erst nach Kriegsende. Laut aktuellem Forschungsstand stammen alle Bilder aus unproblematischer Herkunft, oder man hat sich längst mit den früheren Eigentümern verständigt. Bisher konnte niemand etwas anderes nachweisen.»

Der Verkäufer dieses Monet war Bührle dankbar.

Wenn der Kunsthändler Feilchenfeldt, ebenfalls unabhängig von seiner Religionszugehörigkeit, aufgrund seiner Generationen umfassenden Erfahrung mit Kunsthandel etwas sagt, sollte sich das der Nachgeborene Klein hinter die Ohren schreiben:

«Ich fände es völlig unmoralisch, das Bild zurückzufordern.» Was ein Nachkomme von Emden tut. Und:

«Die meisten dieser Historiker und Journalisten haben leider keine Ahnung, wie der Kunstmarkt zu jener Zeit funktionierte.»

Übrigens hängt auch ein Toulouse-Lautrec in der Sammlung im Kunsthaus, den sein Vater damals an Bührle verkaufte: ««Das erhaltene Geld war für meine Eltern von existenzieller Bedeutung.» Sie seien Bührle dankbar gewesen.» Wagt Feilchenfeldt zu sagen.

Über solche Verirrungen, Fehlmeinungen kann Klein nur verzweifelt den Kopf schütteln. Aber keiner kann ihm helfen.

Wie tief kann die «Republik» noch sinken?

Waffenhändler. Juden. Raubkunst. Emotionen pur, Einordnung null.

Hier ein Schweizer Waffenfabrikant, der sich im Zweiten Weltkrieg ein Vermögen verdiente. Indem er seine Produkte an die Alliierten und an Nazi-Deutschland verkaufte.

Emil Georg Bührle vor seinen Produkten.

Dort eine Kunstsammlung erlesener und erstklassiger Werke, die sich zum Teil vorher im Besitz von Juden befanden. Klare Schlussfolgerung: widerlicher geht’s kaum. Waffenfabrikanten sind sowieso der Abschaum der Menschheit. Machten sie auch noch Geschäfte mit den Faschisten …

Kauften sie mit diesem Geld flüchtenden Juden für ein Butterbrot deren Kunstwerke ab, nutzten also eiskalt deren Notlage aus, wird’s schwierig, ein moralisch verachtenswerteres Subjekt zu finden.

Claude Monet: Mohnblumenfeld, Sammlung Bührle.

Doch, es gibt allenfalls noch eine Steigerung. Wenn ein Erbe eines so Geprellten Gerechtigkeit und Wiedergutmachung verlangt, ihm «ins Gesicht lachen». Genau das sei Juan Carlos Emden passiert. Sein Grossvater hatte einen der grössten Warenhäuserkonzerne Europas aufgebaut. Der von den Nazis enteignet wurde. Der Grossvater hatte sich schon früh in der Schweiz eingebürgert und besass die beiden Brissago-Inseln im Lago Maggiore, wo auch der Vater von Juan Carlos aufwuchs.

 

Heute ein beliebtes Ausflugsziel: Die Brissago Inseln.

Den vertrieb es dann bis nach Chile, wo Juan Carlos heute lebt. Die «Republik» gab ihm Gelegenheit, sich über die angeblich ungerechte Behandlung durch die Bührle Stiftung und Schweizer Behörden, inklusive die Zürcher Stadtpräsidenten Corine Mauch, zu beschweren.

Einseitig, einäugig, unprofessionell. «Republik» halt.

Der Fall Emden und Monet

Wieder ein ellenlanger Text, 17’335 Anschläge, das wären zwei Zeitungsseiten Umfang. Nach einer länglichen Einleitung geht es um ein Werk der Bührle Sammlung, das heute im Kunsthaus Zürich ausgestellt ist. Das Bild Claude Monets sei «1941 unter umstrittenen Umständen in die Bührle-Sammlung gelangt». Behauptet die «Republik». Erbe Emden darf unwidersprochen hinzufügen: Beim Treffen 2012 in Zürich sei Folgendes passiert:

«Sie haben uns ins Gesicht gelacht. Sie haben gesagt: Was wollen Sie, Herr Emden, Ihr Vater war ein schwer­vermögender Mann, weshalb soll er unter Zwang verkauft haben?»

Er darf unwidersprochen hinzufügen: «Die Bührle-Stiftung scheint sich auf den Standpunkt zu stellen: Es ist völlig in Ordnung, einem reichen Juden seine Vermögens­werte abzupressen, solange ihm noch etwas bleibt zum Überleben. Es ist mir schleierhaft, woher die Nachlass­vertreter des Waffen­fabrikanten sich dazu das moralische Recht nehmen.»

Der Leser bekommt den klaren Eindruck: Bührle selbst war ein moralisch zutiefst verworfener Mensch, die Betreuer seiner Stiftung eifern ihm darin nach. Das ist ein Eindruck, der demagogisch, inkompetent und mehr als einseitig hergestellt wird. Entweder aus Unfähigkeit – oder aus Absicht. Beide Varianten sind gleich schlimm.

Wer die Notlage flüchtender Juden damals ausgenützt hat, ist ein zutiefst unanständiger Mensch. Davon gab es genügend. Hunderttausende, Millionen von Deutschen (und weitere Staatsbürger in Ländern, wo Juden verfolgt wurden) stahlen im Kleinen oder im Grossen jüdischen Besitz. Manches wurde nach 1945 wieder zurückgegeben, vieles nicht.

Viele wohlhabende Juden hatten Kunstwerke in ihrem Besitz. Vor allem Gemälde waren relativ leicht transportierbar und auch auf der Flucht zu verstecken. Daher entwickelte sich ein widerwärtiger Handel, in dem häufig damalige Marktpreise keine Rolle, die Not der Besitzer eine entscheidende spielte.

Auch Bührle machte damals mit

Auch im Fall Bührle gab es Kunstwerke, die er nach 1945 den Besitzern zurückgeben musste – und sie nochmals zu fairen Preisen zurückkaufte. Dieser Monet gehört nicht dazu. Eine unverdächtige Quelle ist der jüdische Kunsthändler Walter Feilchenfeldt. Denn sein Vater, ebenfalls Kunsthändler, beriet damals Emden Senior beim Verkauf: «Mein Vater hatte auch nach dem Krieg ein sehr gutes Verhältnis zu Hans Erich Emden», erinnert sich Feilchenfeldt in der SoZ,

«kein einziges Mal ist ein schlechtes Wort gefallen, zum Beispiel, dass man den Verkauf bereue oder dass er sich über den Tisch gezogen gefühlt habe.»

Auch konnte nachgewiesen werden, dass Emden zum Zeitpunkt des Verkaufs über ein beträchtliches Vermögen verfügte, er das Bild also nicht aus einer Notlage heraus abtreten musste.»

Zu dem Versuch des Erben, 2012 nochmals Geld zu fordern, hat Feilchenfeldt eine klare Meinung: «ein falsches Spiel, «dominiert von den Anwälten»».

Nun kann man natürlich bezweifeln, dass Feilchenfeldt die damaligen Ereignisse richtig darstelle.

Bezweifeln kann man alles, aber …

Zumindest bislang, trotz allem Geschrei, ist folgende Aussage unbestritten:

«Von den 203 Werken der Bührle-Sammlung haben 37 im weitesten Sinne einen Zusammenhang mit NS-Verfolgung, hatten also deutsch-jüdische Vorbesitzer. 26 davon erwarb Bührle erst nach Kriegsende. Laut aktuellem Forschungsstand stammen alle Bilder aus unproblematischer Herkunft, oder man hat sich längst mit den früheren Eigentümern verständigt. Bisher konnte niemand etwas anderes nachweisen.»

Die Familiengeschichte von Juan Carlos Emden verbietet jegliche leichtfertige Kritik an seinen Aussagen. Aber: es wäre die Aufgabe eines anständigen Journalismus gewesen, sie mit widersprechenden Aussagen zu konfrontieren. Es wäre anständiger Journalismus gewesen, Emden Junior vor sich selbst zu schützen. Es wäre anständiger Journalismus gewesen, dem Leser der «Republik» das komplette Bild in all seiner Widersprüchlichkeit zu präsentieren.

Platz genug hätte es dafür gegeben, die gesamte Berichterstattung der schreibenden Schmachtlocke könnte ein Buch füllen. Allerdings hat es darin dermassen viele Leerstellen, viele Unsauberkeiten, so viel Weggelassenes, weil es nicht in die Kampfthese passt, dass diese Bührle-Polemik als Prachtexemplar und abschreckendes Beispiel in jeder Journalistenschule verwendet werden könnte

Ach so, viel zu viel Buchstaben, und was wird denn noch Journalisten heutzutage beigebracht? Einen Ratschlag kann man ihnen allerdings in aller Kürze auf den Weg geben: werdet ja nicht so wie Andreas Tobler oder Daniel Binswanger. Dann könnt ihr euch am Morgen auch noch im Spiegel anschauen.

136’053 Einschläge gegen Bührle

Das Zürcher Kunsthaus hat die beste Impressionisten-Sammlung der Welt. Noch.

Es gibt wohl kaum eine Gemäldesammlung auf der Welt, die dermassen gründlich, mehrfach, umfangreich durchleuchtet worden ist wie diejenige der Familie Bührle.

Es sind keinerlei Fragen offen, keine Rückforderung im Raum, keine Zweifel an der Rechtmässigkeit des Erwerbs möglich.

Vergeblich bis verzweifelt weist die Stiftung Bührle darauf hin, dass die Ergebnisse der umfassenden Provinienzforschung auf ihrer Webseite publiziert sind und «laufend aktualisiert werden».

Zudem:

«Heute kann festgehalten werden, dass sich im Bestand der Sammlung keine ungeregelten Raubkunstfälle finden. Die Behauptung im «Schwarzbuch Bührle» von 2015, wonach bei mindestens 20 Werken weiterhin ein Verdacht auf ungeregelte Raubkunst besteht, war falsch und wurde umfassend widerlegt.»

Aber die Melange Waffenfabrikant, Geschäfte mit allen, auch den Nazis, Raubkunst, Blutbilder, die flüchtenden Besitzern für ein Butterbrot abgeluchst wurden, diese trübe Suppe ist zu verführerisch, als dass man sie nicht nochmal umrühren möchte.

Wenn ein eitler Schreiber über sich selbst bebt.

Den Vogel schiesst hier – Überraschung – die «Republik» ab. Die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger fängt noch relativ harmlos an. 17’335 Anschläge verwendet er auf sein erstes Stück der «Bührle Connection». Dann gerät alles ausser Kontrolle, mit weiteren Folgen und wirren Anklagen steigert er sich auf sagenhafte 136’053 Buchstaben zum Thema.

Also rund das Hundertfache dieses Textes hier. Unterschied: Binswanger hat eine gewaltige Zeitvernichtungsmaschine gebaut. Für die Wenigen, die das lesen wollen.

 

 

Zu früh für Papiermangel

Glanz und Elend nah beieinander: Kevin Brühlmann sucht und leidet.

Wir haben ihn gelobt. Sein Recherche-Stück über den Kommunisten-Jäger Ernst Cincera war erstklassig. Das hätte Brühlmann doch einfach so stehenlassen können.

Aber nein, noch vor dem Papiermangel gab ihm Tamedia Platz für eine «persönliche Betrachtung». So kommt auf einer Zeitungsseite ziemlich viel Elend zusammen, bis hinunter zum Elendsinserat einer Organisation, die offensichtlich zu viel Geld zum Verbraten hat.

Oben grau, unten grässlich: da hofft man auf Papiermangel.

Wenn diese Nicht-Werbung den Text darüber bezahlt, kann man wirklich von einer schlimmstmöglichen Wendung im dürrenmattschen Sinne sprechen.

Denn die «Betrachtung», die besser in «mein liebes Tagebuch» versenkt worden wäre, behandelt den Besuch Brühlmanns des neueröffneten Erweiterungsbaus des Kunsthauses Zürich. Darüber haben nun schon so ziemlich alle geschrieben, nur eben Brühlmann noch nicht.

Mit den Versatzstücken eines Pseudo-Artikels

Szenischer Einstieg, muss man machen, das weiss er, also erfindet er eine «Frau in den Fünfzigern», die im Garten hinter dem Kunsthaus sitze und «einen gespritzten Weissen» trinke. Tat zwar niemand, aber macht ja nix, Kunst ist frei.

Die Besucher weniger, denn vom «Flachdach herunter filmen Kameras die Bürgerinnen, die dieses Gebäude grösstenteils finanziert haben», beobachtet Brühlmann mit Adlerauge. Was ihn noch mehr erschüttern dürfte: auch diese Kameras wurden von den Bürgerinnen (allerdings auch von den Bürgern) bezahlt, zudem sind sie Bestandteil einer nicht unnötigen Überwachung des öffentlichen Raumes und des Inhalts des Kunsthauses im Speziellen.

Natürlich sagt ein Mann in der Bührle-Sammlung:

«Da steht ja gar nichts über seine Waffengeschäfte mit den Nazis.»

Den ganzen Saal, der das thematisiert, haben sowohl der Betrachter wie der Mann, den er erfunden hat, wohl übersehen.

Dann will Brühlmann, und da kommt Kunst halt leider von können, salopp-ironisch werden; nachdem er Angelesenes zu Bührle nachgereicht hat, schliesst er

«und ja, ein bisschen Raubkunst verfolgter jüdischer Kunsthändler war dabei, aber nichts Störendes».

Keine Ahnung, aber viel Meinung haben, eine unerquickliche Mischung.

Geht’s noch schlimmer? Immer. Denn Brühlmann erwartet von sich selbst nun noch künstlerisch Wertvolles. Also macht er sich über «Earth Beat» her, genauer über ein Kunstwerk von Joseph Beuys, «sozialkritischer Aktionskünstler und Feind des Kapitals». Was man mit Googeln so alles herausfindet.

Auf jeden Fall hängt dessen Werk «an einer grauen Wand, wie alles an uferlosen grauen Wänden hängt. Und das uferlose Grau neutralisiert. Macht aus den Kunstwerken blosse Bilder ohne Geschichte. Darum ist Beuys hier tot. Und Bührle zum Leben erweckt.» Hä? Also wenn man Bührles Sammlung ohne Geschichte betrachtet, dann wäre die doch auch tot. Oder nicht? Oder wohl?

Betrachtungen eines unverstandenen Unverständigen

Ach, lassen wir das, sagt sich Brühlmann, es fehlt doch noch etwas. Genau, nach der Kapitalismus-Kritik die Rassismus-Kritik. Wie bestellt sagt da eine weitere Kunstfigur, «ich finde auch schlecht, dass man nicht mehr Negerli sagen darf. Zehn kleine … ja, was soll man jetzt sagen?» Da denkt es in Brühlmann, und das kann er dem Leser nicht vorenthalten: «Gedanke: Einfach die rassistische Scheisse lassen. Antwort: «Schwarze.» «Das haben sie doch auch nicht gern.»»

Damit ist der Rassismus-Kritiker aber schachmatt gesetzt, noch die Sammlung Merzbacher geguckt, im Internet darüber schlau gemacht: «stammt aus jüdischer Familie in Deutschland, Flucht 1939 in die Schweiz (Eltern im KZ ermordet), verweigerte Einbürgerung, dann Pelzhandel-Millionär und Kunstsammler. Blick nach oben, zur Bührle-Sammlung. Uff. Wo ist der Ausgang?»

Pennälerscherze nannte man solche pubertären Anwandlungen früher.

Man merkt, nicht der Neigung, sondern der Pflicht gehorchend muss Brühlmann nun zum Ende kommen, maximale Anzahl Buchstaben verbraucht. Aber verflixt, Schlusspointe, das muss genauso sein wie der szenische Einstieg. Alle finden den gut beschilderten Ausgang problemlos, nur Brühlmann nicht:

«Eine Sicherheitsfrau zeigt auf ein grün-weisses Schild. Notausgang.»

Den hätte der Autor allerdings schon ganz am Anfang nehmen sollen. Dann wäre seine Reputation als cleverer Rechercheur intakt geblieben. Oder wie heisst es so schön: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Denn Kunst ist nicht für jedermann.