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Werbung. Gratis. In der NZZaS

Über Seite 21 müsste stehen: «Branded Content». Ist’s nämlich.

Anwälte, dem Gesetz sei’s geklagt, dürfen keine Werbung für sich machen. Das ist blöd, weil man schliesslich klappern muss, um an neue Mandanten zu kommen. Besonders, wenn bestehende zwar nette Abflüsse aus dem Portemonnaie zu verzeichnen haben, aber nicht unbedingt grosse juristische Triumphzüge miterleben dürfen.

Da kommt es sehr gelegen, wenn unter dem Mogeltitel «Hintergrund Justiz» ein jeder Kritik abholder Schmeichelartikel über «eine der geschicktesten Medienanwältinnen des Landes» erscheint. Unter dem etwas mysteriösen Titel: «Mehr als Recht». Ob damit gemeint ist, dass eine Anwältin ein lukratives Geschäftsmodell entwickelt hat?

Alles, was recht ist: bezahlte Werbung könnte es nicht besser.

Riesenporträt im modischen Oberteil mit hingefönter Wallefrisur. Aber damit bewegen wir uns sicherlich schon an der Grenze zu Sexismus, Reduktion einer Frau auf das Äussere. Also zum Inhalt.

Duftmarken ungehemmter Lobhudelei

Der Artikel selbst versprüht allerdings den schalen Charme eines Duftbäumchens, beziehungsweise geradezu teenagerartige Schwärmerei der Autorin. Eine Geruchsprobe:

«Als Medienrechtsanwältin Rena Zulauf diese Woche in jenem des Kantonsgerichts Zug steht, wirkt es, als hätte jemand auf das Raumspray getippt und einen Duft versprüht, «Frühlingsfrische» könnte er heissen: der entschlossene Schritt, die perfekten Locken, ein Flair von «Boston Legal», der amerikanischen Anwaltsserie.»

Distanzloses verbales Einschnaufen durch Rafaela Roth, Schülerzeitungsniveau in der NZZaS, peinlich. «Boston Legal» war eine 2008 beendete, eher durchgeknallte Anwaltsserie mit dem «Star Treck»-Helden William Shatner in der Hauptrolle, der überzeugt war, vom Rinderwahnsinn infiziert zu sein. Am Schluss der Serie geht die Kanzlei übrigens pleite …

Ähnlich geht’s auch bei Roth weiter: «Beim Besuch in ihrer Kanzlei lässt Rena ­Zulauf erst einmal Licht ins Sitzungszimmer, reisst die Fenster auf, verschiebt Zimmerpflanzen. Sie hat diese seltene Eigenschaft, Räume sehr stark auszufüllen.»

Die Dame muss eine unglaubliche Wirkung versprühen: «Hier kommen Leute hin, die sich medial ungerecht behandelt fühlen, Unternehmer, Journalistinnen, Banker, Verwaltungsrätinnen, Politiker. … Gestandene CEO brechen in Zulaufs Büros in Tränen aus, keine zwei Blöcke vom Medienhaus Ringier entfernt, von jenem der NZZ-Gruppe auch.» Ob das dann geschieht, wenn sie die Honorarrechnung betrachten?

Wir hingegen wischen uns die Lachtränen aus den Augen, sind als Fremdschämer von so viel Lobhudelei gerührt und geschüttelt, wenden uns mal dem Leistungsausweis und öffentlichen Auftritten von Zulauf zu.

Der Leistungsausweis ist weniger raumfüllend …

Zunächst einmal hat sie keine Berührungsängste. Sie ist sich nicht zu schade, an der Seite von Hansi Voigt in Sachen Jolanda Spiess-Hegglin zu kämpfen. Wie schrieb René Hildbrand über einen peinlichen Doppelauftritt der beiden im «Medienclub» des Schweizer Farbfernsehens: «Voigt sass direkt neben Zulauf und nickte deren Aussagen ab, als wäre er der Assistent der Anwältin.»

Die fiel durch genauso bissige wie inhaltsleere Einwürfe auf. Aber es war geschickte Eigen-PR, wann darf schon mal ein Anwalt anstelle seines Mandaten Gratis-Werbung für sich selbst am TV machen. Was Zulauf dabei verwedeln will: im Dienste von JSH hat sie bittere Niederlagen eingefahren. Nachdem der «Blick» wegen Persönlichkeitsverletzung verurteilt wurde, zog sie das Urteil ans Zuger Obergericht weiter.

Statt zu triumphieren, verlor sie auf ganzer Linie. Alle ihre Anträge wurden abgeklatscht. Ringier hingegen scheiterte lediglich mit seinem Versuch, die Persönlichkeitsverletzung wegzukriegen.

Aber frei von juristischen Kenntnissen trällerte ein Jubelchor um den Vorsänger Pascal Hollenstein von CH Media, dass hier ein grandioser Sieg eingefahren worden sei.

Auch im Fall des bigotten CVP-Politikers Christophe Darbellay, der christlich-katholische Werte in der Ehe hochhielt, sich aber einen Seitensprung mit Folgen leistete, sagte sie zu diesem befremdlich-skandalösen Verhalten, es gebe «kein öffentliches Interesse an Moralisierung eines Seitensprungs einer exponierten Person».

Damit zeigte Zulauf bedenkliche Unkenntnis der Grundlagen des Medienrechts, was ihren Fanclub aber nicht weiter stört. Mit dem missbrauchten Begriff des Persönlichkeitsschutzes versucht sie, Heuchelei, selbst an die Öffentlichkeit gebrachtes Fehlverhalten zuzudecken.

Ein Porträt sollte vielleicht Gegenstimmen enthalten

Auch Patrizia Laeri hat sich der Unterstützung von Zulauf versichert. Das brachte ihr bereits zwei Klatschen vor zwei verschiedenen Gerichten ein. Der Versuch, mittels superprovisorischer Verfügung einen Laeri-kritischen Beitrag auf «Inside Paradeplatz» zu löschen, scheiterte zweimal. Indem gleichzeitig ein Bezirks- und ein Handelsgericht angerufen wurde, verdoppelte sich zwar die Honorarnote der Anwältin. Da man aber nicht vor zwei Gerichten das Gleiche einklagen kann, schuf sie hier ohne Not einen Konflikt, weswegen sich das Gericht vorsichtig mal für «nicht offenkundig unzuständig» erklärte.

Nun sollte ein Porträt auf NZZaS-Niveau vielleicht auch Gegenschnitte, kritische Stimmen, Hinweise auf nicht Raumduft versprühende Eigenschaften der Porträtierten enthalten. Einen inzwischen pensionierten Tamedia-Anwalt zu zitieren, der neben leiser Kritik versöhnlich anmerkt, dass man sich – schlägt sich, verträgt sich – «später wieder zum Mittagessen traf» und man durchaus «mit ihr verhandeln» könne, das ist ja keine kritische Stimme, sondern ein winziges Feigenblatt auf einer Lobhudelei.

«Flair von Boston Legal»?

Erwähnungen weniger strahlender Seiten der Anwältin haben in einem Abknutsch-Artikel keinen Platz. Sonst könnte der sich am Schluss nicht in geradezu lyrische Höhen erheben: «Zulauf selber sieht sich als Verteidigerin der Qualitätsmedien. Wie sie sorge sie für Meinungsbildung innerhalb des Rechtsstaats. Nur ist ihre Waffe das Gesetz, der Minimalkonsens über gut und schlecht – immer gewürzt mit der richtigen Geschichte. Das ist das Material, aus dem Rena Zulauf Prozesse macht.»

Das ist das Material, aus dem journalistische Schmiere gemacht ist.

 

Branded Content: angebrannter Quark

Werbung at its worst. Mal’s hübsch an und sag’s auf Englisch.

Es gibt eine banale Frage, bei der jeder Content Creator erblasst, jeder Social Media Manager erzittert. Sie lautet: Welchen Return on Investment gibt es eigentlich pro Franken, der in diesen Unsinn investiert wird?

Social First Mindset, authentisch, interagieren, echt, Haltung, relevant, Social Campaining, die Jungen dort abholen, wo sie sind, multichannel, Story Telling, Echtzeit, viral, off und online, Gold Members, Community Building, Branded Content. Keywords und Buzzwords, you know.

Ständige Optimierung, call to action, den User ernst nehmen, Shitstorms vermeiden, das Produkt emotional machen, echt, Begleiter, Ratgeber, Nutzwert, Reputationsmanagement, organic traffic, Follower, Likes, Scheinwerfer richtig einstellen, im Driver Seat fahren, auf Augenhöhe bleiben. Reporting, Analytics, Message Ads, personalisierte Werbung.

Eigentlich hätte man sehr oft einen grossen Haufen Geld sparen können, wenn man statt einem jungen, dynamischen und erfolglosen Team von Digital Natives einen Mike Shiva angestellt hätte. Aber der ist leider tot, also geht das auch nicht mehr.

Profitieren von weit verbreiteter Unkenntnis

Profitieren können diese Dummschwätzer von der immer noch weit verbreiteten Unkenntnis, was das Internet kann und was nicht. In den vergangenen dreissig Jahren haben die meisten Schweizer KMU immerhin den Schritt von Ignoranz über Staunen zu einer eigenen Webseite geschafft.

Nicht allzu wenigen wurden dann auch noch die gnadenlosen Vorteile eines Web-Shops vor Augen geführt. 24 Stunden geöffnet, grossartige Kundenführung, mit möglichst wenig Klicks zum Entscheidenden, dem verbindlichen Kauf: tolle Sache. Braucht dann natürlich schon ein CMS, Content Management System, you know, aber ist keine Sache, hübsche Lösungen gibt es schon ab 30’000 Franken. Wobei, also mit ein paar wirklich nötigen Gadgets drauf kostet es dann 50’000. Aber anschliessend kann man nur noch Geld zählen.

Und schon mal an CRM gedacht, so im Rahmen eines Intranets? Muss man haben, heutzutage.

Warum? Muss man heute einfach haben

Dann kam die grosse, weite Welt der Social Media. Facebook, Instagram, Twitter, you know. Schüchterne Fragen, was denn das solle und ob man da wirklich mitspielen müsse, wurden souverän abgebügelt: Muss man heutzutage einfach haben, haben alle, wer nicht mitmacht, verliert. Ist ausserdem so ähnlich wie bei Google; vorne dabeisein ist alles. Geht übrigens auch bei Linkedin und so. Und was, Sie haben noch keine App?

Aber überhaupt, wir erleben ja gerade die Wiederauferstehung des Contents. Inhalt zählt, content is king, you know. Produkte werden über Storys verkauft, inhaltlicher Mehrwert, Emotionen, spannend, nachhaltig, disruptiv, zukunftsfähig. Wer will heute schon noch einfach einen Liter Benzin verkaufen. Ist doch viel besser, eine Story über den Schutz von Amazonas-Indianern zu verbreiten, die extra noch alphabetisiert und geimpft werden, bevor sie der Erdölkonzern von ihrem Land vertreibt, äh, ihnen eine viel bessere Lebensqualität anbietet. Und pro Liter Benzin bekommt jedes Indio-Kind eine Windel gratis.

Ist halt nicht ganz billig

So macht man Brand Building heute, das freut die Klimajugend. Nun ja, in der Tat, diese Kanäle müssen natürlich bespielt werden, also mit Inhalten gefüllt. Dann müssen sie ständig moderiert werden, damit sich da nicht eine Dynamik in die falsche Richtung entwickelt. Dann muss das alles noch koordiniert werden, stimmt schon. Ach, und ein paar testimonials, you know, das ist immer gut. So eine positiv konnotierte Referenzperson, halt so einer wie Roger Federer; gesehen, wie dieser Tennisschuh abgeht wie eine Rakete?

Natürlich, ist nicht ganz billig, dann kann man aber auch ein paar Influencer, you know, stattdessen nehmen. Wenn die dann jeden Morgen mit Eurem Rasierwasser gurgeln, geht der Absatz durch die Decke. Oder habe ich da gerade was durcheinander gebracht?

Ach, da war doch noch eine unbeantwortete Frage, Return on Investment, you know. Was genau bekomme ich für einen Franken, den ich in diese Blackbox stecke? Ist die falsche Frage? Kann man so nicht messen? Muss man heute einfach haben?

Echt jetzt?