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Es darf gelacht werden

Oder auch nicht. Was die Medien aus der Böögg-Nichtverbrennung machen.

Sozusagen ausser Konkurrenz läuft diese Anzeige der ZKB. Dass die tolle Agentur nicht damit rechnete, dass der Böögg überhaupt nicht brennt, okay. Aber ihr gutbezahlten und euch so toll vorkommenden Werber: das ist eine Online-Ad. Die man blitzartig austauschen, ändern, einen neuen Knaller draus machen kann. Aber natürlich nicht, wenn man ab 18 Uhr schon beim ersten, zweiten oder dritten Cüpli angelangt ist.

Da hat man mal ein Ereignis, das in seiner Bedeutungslosigkeit nicht zu überschätzen ist. Aber gleichzeitig unbedingt Anlass für Spass und Tollerei in den Medien bieten müsste.

Denn immerhin ist es das erste Mal in der Geschichte dieses Volksfests, dass die Hauptattraktion den Platz intakt verlässt. Der Böögg brannte weder, noch explodierte er. Sondern wurde unversehrt von einem Kran vom Holzstapel gehoben und versorgt. Das hätte sich so manche Hexe im Mittelalter auch gewünscht.

Das Feuerchen wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt. Funkenflug, Massenpanik, durchdrehende Rösser, herunterpurzelnde Zünfter, Chaos, weinende Kinder, verzweifelte Eltern, entrüstete Honoratioren, Wahnsinn.

Dass die NZZ dem gewohnt staatstragend begegnet, wohlan:

Immerhin, statt völliger Sprachlosigkeit hat sie sich noch zu bunten Bildern aufgerafft:

Zudem ist sich die alte Tante ihres Rufs bewusst und stellt noch schnell eine «Datenanalyse» dazu. «Der Wind am Sechseläuten war extrem – ein Vergleich mit den letzten dreissig Jahren». Wobei man schon sagen muss: wieso nur 30 Jahre? Und wieso nicht auch Temperaturen, Anzahl Regentropfen, Bierverbrauch, Koksmessung im Abwasser, Anzahl Scheidungen, Seitensprünge und durch besoffenen Übermut zerbrochene Männerfreundschaften?

Aber im Vergleich zu der NZZ wirkt der Tagi wie üblich eher schlapp:

Man merkt halt, dass das A-Team am Anlass war und wichtige Menschen hofierte. In der Meinung: kann ja wohl nicht so schwierig sein, Verbrennung und exakte Zeitmessung ins Blatt zu kriegen. Aber wenn das eben nicht passiert, dann bricht unter den Kindersoldaten im Newsroom leichte Panik und schweres Schweisseln aus.

Neutral allumfassend erledigt «20 Minuten» das Problem des unbeschädigten Bööggs:

Wollen wir unsere ganze Hoffnung auf den «Blick» setzen? Genau, lieber nicht:

Ein träfer Spruch, ein Scherz, ein boulevardesker Schwenker, irgend etwas, was dem Leser ein Schmunzeln entlockt? I wo.

Sehr souverän erledigt die «Aargauer Zeitung» aus dem Wanner-Imperium das Thema.

War da was in Zürich? Kümmert uns Träger weisser Socken und Lederkrawatten das? Eben.

Es ist ein Akt der Verzweiflung, aber ZACKBUM schaut noch bei «watson» rein:

Himmels willen, nicht einmal ein Listical? Keine superlustigen «Fails»? Keine Tipps, was du neben oder runter dem Böögg keinesfalls tun solltest? Stattdessen gähnende Leere. «watson» halt. Wenn wir schon von Leere sprechen:

Beim Böögg ist der Kopf noch drauf; bei Philipp Löpfe kann man nicht so sicher sein. Ob die USA noch eine Supermacht seien? Die immer noch grösste Wirtschaftsmacht der Welt? Ein Land, das so viel für sein Militär ausgibt wie die nächsten zehn Staaten zusammen? Eine Supermacht, die rund 1000 Militärstützpunkte ausserhalb der USA unterhält?

Ach, wir lassen es beim Böögg bewenden, sonst platzt noch dem Leser der Kopf.

 

Wo bleibt die Bööggin?

Keine dummen Scherze mehr in geschlossenen Veranstaltungen.

Wer meint, er könne im engeren Freundeskreis angeheitert oder nüchtern sexistische, rassistische, exkludierende, postkolonialistische Vorurteile transportierende Scherze machen: aufgepasst. Trägt das jemand dem Qualitätskonzern Tamedia zu, dann steht nicht nur der Böögg im Feuer, sondern auch der Scherzkeks.

Es gehört zum Brauchtum, dass vor der Verbrennung des Winters die Zünfter sich in geschlossenen Veranstaltungen bespassen. Wenn man entre nous ist und der Alkohol nicht rationiert wird, kommt es zu gewissen Enthemmungen. Das ist völlig normal und erlaubt. Weder bei solchen Gelegenheiten noch im eigenen Schlafzimmer muss man damit rechnen, dass Geschehnisse an die Öffentlichkeit gezerrt werden.

Ausser, man engagiert den falschen Kameramann. Dann passiert Folgendes: «Der Vorfall wurde von dieser Redaktion publik gemacht.» Das liegt immerhin im Streubereich der Wahrheit; «diese Redaktion» veröffentlichte Material, das nicht für die Veröffentlichung bestimmt war und ihr zugespielt wurde. Und regte sich fürchterlich über den Inhalt auf:

«In der zweiten Hälfte des dreiviertelstündigen Showblocks betritt ein Mann die Bühne, dessen Gesicht schwarz angemalt ist. Er trägt eine schwarze Kraushaarperücke, einen Bastrock und hält einen grossen Knochen in den Händen.»

Falls jemandem die Widerwärtigkeit dieses Auftritts nicht klar sein sollte: «Das wird in der Fachsprache Blackfacing genannt. Die Kritik daran: Privilegierte Personen machen sich über eine Gruppe lustig, die in der Gesellschaft Diskriminierung erfahren hat.»

Gnadenlos fährt der Tagi in seiner Rekonstruktion fort: «Neben dem Geschminkten stehen ein als Frau verkleideter Mann mit blonder Perücke sowie eine Frau ganz in Schwarz und mit Federschmuck. Während des Gesprächs steckt sich der schwarz angemalte Mann den Knochen zwischen die Beine. Lacher im Publikum.»

ZACKBUM resümierte damals: Merke: wer Blackfacing macht, ist nicht wirklich lustig. Wer sich darüber erregt, ist wirklich lächerlich.

Die Tagi-Redaktoren David Sarasin, Jan Bolliger und Corsin Zander waren damals ausser sich und hofften auf einen Riesenskandal: «Das ist mehr als bloss ein misslungener Scherz. Damit schaden sie Zürich – das Sechseläuten hat noch immer eine Ausstrahlung weit über die Stadtgrenzen hinaus.» Aber ein paar Monate später mussten sie frustriert vermelden: «Skandal-Auftritt am Zunft-Ball: Blackfacing am Sechseläuten hat keine juristischen Konsequenzen».

Damit versanken die Herren erschöpft in tiefer Weinerlichkeit und Betroffenheit. Deshalb übernimmt nun Sascha Britsko: «Zürcher Zünfte wollen nicht mehr diskriminieren», titelt sie. Womit sie unterstellt: Früher wollten die das? Sonst schreibt sie Meldungen zusammen oder verbreitet harte Kritik an allen Diversanten, die doch der Ukraine tatsächlich Verhandlungen empfehlen, Titel «Sind Sie noch ganz bei Trost

Nun aber kehrt sie ins Lokale zurück. «Die Zünfte haben neu einen Leitfaden gegen Diskriminierung». Auch das hat sie nicht selbst rausgekriegt, sondern sie zitiert in guter Sitte und Tradition das «Regionaljournal» von SRF. Gut so: «Damit wolle man gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Sexismus vorgehen, sagt das ZZZ dem «Regionaljournal»», echot Britsko.

Damit folgen die Zürcher Zünfter den Basler Fasnächtlern, welch seltene Kollaboration. «So steht im Leitfaden beispielsweise, dass diskriminierendes Verhalten wie Beschimpfungen nicht zum Geist des Sechseläutens passe». Damit ist ZACKBUM vollumfänglich einverstanden. Beschimpfungen müssen nicht sein.

Allerdings will das Zentralkomitee der Zürcher Zünfte (ZZZ) seinen «Leitfaden» nur als Empfehlungen verstehen: «Wir können und wollen nicht befehlen, sondern einzig empfehlen, damit das Sechseläuten weiterhin ein fröhliches und von kommerziellen und politischen Einflüssen unabhängiges Fest bleibt», lässt sich der Mediensprecher des ZZZ zitieren.

Apropos Diskriminierungen. Dass lauter Männer auf Pferden, die nicht um ihr Einverständnis gefragt werden, um einen brennenden Holzstoss herumreiten, wobei auch mal einer auf den Latz fällt, dabei komische Fantasieuniformen tragen und furchtbar wichtig tun: ist das vielleicht nicht diskriminierend? Und wenn zuvor jemand so geschmacklos ist, sich ein Baströckchen anzuziehen und das Gesicht schwarz anzumalen, ist das wirklich diskriminierend?

Nehmen wir mal an, ein Tagi-Redaktor findet es lustig, seine Angetraute nach vielen Ehejahren damit zu überraschen, dass er im Schlafzimmer den wilden Schwarzen gibt, ist das diskriminierend? Das ist vor allem etwas, was die Öffentlichkeit schlichtweg einen feuchten Dreck angeht.

Denn peinlich in diesem ganzen Umzug ist ausschliesslich der Tagi, der diesem Pipifax eine ganze Reihe von Artikeln widmet – und sich nicht bewusst wird, wie er sich Mal um Mal damit lächerlich macht.

Dabei ist die wahre Diskriminierung gar nicht adressiert, wie man heutzutage so schön sagt. Da sollten sich alle Beteiligten spontan unwohl fühlen und in sich gehen, dass ihnen das nicht aufgefallen ist.

Wie heisst die Figur schon wieder, die Jahr für Jahr verbrannt wird? He? Böögg. Genau. Und welches eindeutig zugewiesene Geschlecht hat diese Figur? Genau, DER Böögg. Dass das auf Alemanisch auch noch Popel bedeutet, macht es auch nicht besser, denn es ist DER Popel.

Der wie männlich. Wie exkludierend. Mehr als die Hälfte der Menschheit fühlt sich hier nicht vertreten. Zudem trägt der Böögg noch eine Pfeife im Gesicht. Raucher. Und das wird Kindern gezeigt. Wer behandelt deren Schäden? Und wieso gibt es nicht ein Jahr einen Böögg, das nächste Jahr eine Bööggin? Oder überhaupt mal 100 Jahre nur Böögginnen, um all das Unrecht wiedergutzumachen?

Dann kommt aber ein Hypersensibler und sagt: ich fühle mich sehr unwohl. Die Bööggin erinnere ihn unselig an die Hexenverbrennungen des Mittelalters.

Und dann? Nun, lieber Zünfter, liebe Freunde des Sechseläutens: dann ist fertig mit diesem diskriminierenden, rassistischen, ungesunden Brauch. Das wäre wenigstens mal eine konsequente Forderung. Aber eben, auch beim Tagi arbeiten zu viele Weicheier.