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Kriegstrommeln

Kann man einen Krieg herbeischreiben? Der Versuch findet statt.

Die kläffende Meute ist auf der Jagd. Im Medienarchiv SMD findet man in der vergangenen Woche 360 Treffer, wenn man nach den Begriffen Putin und Angriff sucht.

Dabei wäre doch Trump, Vance, Grönland und Angriff ein viel ernsteres Szenario.

So vermeldet das ansonsten friedliche Liechtensteiner «Vaterland»: «Geheimdienste: Putin rüstet sich für Krieg gegen Nato». Auf «Inside Paradeplatz» raunt Militär-Altstratege Albert Stahel: Würde sich wegen Grönland die NATO auflösen, «könnte Waldimir Waldimirowitsch Putin, ohne eine Vergeltung der USA zu befürchten, in einer ersten Etappe den Suwalki-Korridor, der die russische Enklave Kaliningrad von Belarus trennt, erobern

Auch die «Sonntagszeitung» warnt vor dem russischen Bär: «Russland bereitet sich auf einen grossen Krieg vor». Die deutsche «Welt am Sonntag» ist ebenfalls im Sandkasten unterwegs: «Ein möglicher Krieg mit Russland könnte an der Nato-Ostflanke seinen Anfang nehmen». Das ist eine besonders überraschende Analyse, da ja der militärische Laie annimmt, dass Russland via Spanien oder Italien angreifen würde.

In der ehemals pazifistischen «Republik», die der Forderung im SP-Parteiprogramm, die Armee abzuschaffen, durchaus sympathisierend gegenüberstand, raunzt Wendehals Yves Wegelin: «Angesichts der Bedrohung durch Putin muss sich Europa verteidigen können.»

Wenn man so die Kriegstrommel schlägt, dann muss ja wohl eine belastbare Basis für diese Befürchtung vorhanden sein. Eine Quelle beispielsweise innerhalb des Kreml, die kriegerische Vorbereitungshandlungen ausplaudert. Oder ein angesehener Think Tank, der seine Reputation nicht mit waghalsigen Spekulationen aufs Spiel setzen will und ernsthaften Anlass zu solchen Befürchtungen hat.

Denn die Vorbereitungen auf einen solchen Angriff auf die NATO müssten ja sichtbare Spuren hinterlassen.

Und schliesslich sollten doch seriöse Mainstreammedien verantwortlich mit solchen Behauptungen umgehen und sie zuvor auf Plausibilität geprüft haben.

In einer Traumwelt, in der der heutige Elendsjournalismus nicht existieren würde. In unserer Welt sieht es allerdings ganz anders aus.

Das angebliche Qualitätsorgan «SonntagsZeitung» übernimmt mal wieder die teutonische Sichtweise von gleich drei Autoren der «Süddeutschen Zeitung». Es handelt sich um die Militär- und Kriegsspezialisten Jörg Schmitt, eigentlich zuhause in Korruption und Wirtschaftskriminalität. Um Florian Flade, der sonst über Terrorismus, Extremismus oder Spionage rapportiert. Und um Manuel Bewarder, Reporter in Sachen «Politik, Sicherheit und Migration». Diese drei Koryphäen bauen nun mit allen Mitteln der Demagogie ein Angriffsszenario auf.

Einstieg mit dem Generalinspekteur der deutschen Bundeswehr, dem es in einer Talkshow gar nicht wohl gewesen sei und der dort behauptete, dass das Ende des Ukrainekriegs nicht dazu führe, dass «wir Frieden auf dem europäischen Kontinent haben». Das ist natürlich noch etwas vage, also darf ein Professor der Bundeswehr-Universität in aller wissenschaftlicher Neutralität sagen: «Russland bereitet sich auf einen grossen Krieg vor.»

Und worauf stützen sich all diese Kriegskrakeeler? Auf eine «neue Lagebewertung des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der Bundeswehr».

Die Lachnummer BND und die Lachnummer Bundeswehr haben sich also wie Dick und Doof zusammengetan und eine «Lagebewertung» vorgenommen. Allerdings hat man dort doch aus den vielen Flops der Vergangenheit gelernt und eiert eigentlich in einem Einerseits-Andererseits herum.

Einerseits gebe es keine Hinweise auf eine«unmittelbar bevorstehende russische Konfrontation mit der Nato». Aber bevor man aufatmen kann; andererseits: schaffe Russland bis Ende der Dekade wohl alle Voraussetzungen, um einen «grossmassstäblichen konventionellen Krieg» führen zu können.

Oha. Womit wird diese Behauptung gestützt? «Die Prognose für die kommenden Jahre decken sich in grossen Teilen mit Einschätzungen des litauischen Geheimdienstes VSD». Also der eine Geheimdienst unkt und beruft sich dabei auf die Unkenrufe eines anderen.

Gibt es daneben eigentlich irgendwelche Fakten, Belege, beispielsweise wenigstens ein russisches Sandkastenspiel, das solche Kriegslüsternheit des Iwans belegen könnte?

Nein.

Also ist das unverantwortliche Kriegstrommelei, um Aufmerksamkeit zu erzielen, ohne Rücksicht auf mögliche Folgen. Wieder einmal wurde die Meinung besiegt, dass der Elendsjournalismus nicht tiefer sinken könne. Er kann.

Wer war’s?

Nicht nur in einem Krimi eine gute Frage.

Die TV-Serie Columbo war grossartig. Nicht nur wegen des Hauptdarstellers, sondern auch, weil sie das klassische Krimimuster auf den Kopf stellte. Denn am Anfang konnte man dem Mörder beim Mord zuschauen. um dann gebannt zu verfolgen, wie es dem Kommissar («ich hätte da noch eine Frage») gelang, ihm auf die Schliche zu kommen.

Beim barbarischen Terrorakt von Moskau (ja, das ist eine Formulierung von Putin, ertappt) reklamiert eine Abspaltung des Islamischen Staats die Urheberschaft für sich. Offensichtlich kann sie das mit einigen Videos untermauern,

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ihr das alle abnehmen. Präsident Putin hat den Islamischen Staat Provinz Khorasan (IS-K) bislang mit keinem einzigen Wort erwähnt. Dafür macht er die Ukraine verantwortlich, zumindest als Helfershelfer. Sie habe den Attentätern, die laut russischen Aussagen in einer Grenzprovinz zur Ukraine festgenommen wurden, ein Fluchtfenster geöffnet.

Ganz anders sieht das der Militärexperte Albert Stahel. Der poltert auf «Inside Paradeplatz»: «Aufgrund ihrer Wirkungslosigkeit in Afghanistan ist es kaum vorstellbar, dass diese Splittergruppe von ihrer afghanischen Machtbasis aus, fähig gewesen wäre den Anschlag in Moskau zu planen, geschweige denn auszuführen.» Stattdessen sieht Stahel den russischen Geheimdienst FSB als möglichen Urheber, währenddessen SRF eine «Märchenstunde» abhalte, angefüttert von den Geheimdiensten BND und CIA.

Dieser Position kann man eine gewisse Originalität nicht absprechen. Der Terroranschlag auf einen Zug in Spanien, Bataclan in Paris, Nizza, Berliner Weihnachtsmarkt und nicht zuletzt 9/11: immer wieder zeigt es sich, dass westliche Gesellschaften nicht gegen brutale Terrorattacken gefeit sind. Ebenso wenig die autoritär kontrollierte russische.

Selbst in der überkontrollierten chinesischen Gesellschaft gab es Terroranschläge. Früher waren es häufig Links- oder Rechtsterroristen, wenn man beispielsweise an Italien denkt. Auch die spielen noch eine gewisse Rolle, vielleicht sollte man bei all diesen Anschlägen die Autobombe nicht vergessen, die der Rechtsextremist Timothy McVeigh 1995 in Oklahoma City zündete und die 168 Menschenleben forderte.

Die Liste ist leider endlos, auch wenn islamische Fanatiker in den letzten Jahren eindeutig die Haupttäter sind. Von ähnlichen Anschlägen in dieser Dimension durch christliche oder jüdische oder anderen Religionen angehörenden Fanatikern ist jedenfalls nichts bekannt.

Allerdings gibt es auch eine fatale Reaktion auf solche barbarischen Attentate. Die USA behaupteten nach 9/11 fälschlich, der Irak sei neben Afghanistan daran beteiligt. Resultat: völliges Desaster. Frankreich schlug in Mali zu, völliges Desaster. Israel wütet im Gazastreifen, Desaster.

Wer war’s nun in Moskau? Es sieht ganz danach aus, dass der Anschlag von Mitgliedern des IS-K durchgeführt wurde. Taten sie das ungeholfen – oder wurden sie unterstützt? Wenn ja, von wem? Dem russischen, ukrainischen, einem westlichen Geheimdienst? Die Lage ist unübersichtlich. Alleine Arthur Rutishauser versucht, eine kleine Kerze zu entzünden:

«Der einzige Hoffnungsschimmer, den es in dieser düsteren Lage gibt, ist, dass es doch ausgerechnet die Amerikaner waren, die Moskau vor Terroranschlägen warnten. Und dies, obwohl die Beziehungen zwischen Russland und den USA, zwischen Putin und Joe Biden, so schlecht sind wie kaum je zuvor.»

Zumindest wäre es interessant zu wissen, wie konkret diese Warnungen waren, ob sie Putin zu recht als «Provokationen» abtat – oder ob sich der autokratische Lenker im Kreml einmal mehr vertat.

Wer’s war, das ist hier wie in einem Columbo-Krimi von Anfang an klar. Motiv, Hintergründe, Helfershelfer? das würde nicht mal der geniale Detektiv herausfinden.