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Schawinskis Wohlfühl-TV

Talking Heads allerorten, aber niemand hat etwas zu sagen. Niemand?

Dieser Kommentar braucht in den heutigen Zeiten gleich am Anfang eine Packungsbeilage. Ich bin mit Roger Schawinski bekannt und sass auch schon vor seinem Mikrophon. Ich bin mit Roger Köppel bekannt und habe auch schon in der «Weltwoche» publiziert.

Da ich aber beides tue (und wohl auch weiter tun werde), obwohl oder vielleicht weil ich beide auch schon kräftig kritisiert habe (was diese beiden Primadonnen sogar vertragen), sollte man hier nicht auf Motivsuche gehen, wenn nun ein Lob erschallt: Roger gegen Roger, nach siebenjähriger Pause nun wieder vor laufender Kamera: man ist an den Filmtitel erinnert «As Good as It Gets».

Hier sitzen zwei Überzeugungstäter einander gegenüber. Was zunächst auffällt: seit sie ihre verbale Kriegsführung vor sieben Jahren mit einem «Kladderadatsch» beendeten, sind beide deutlich reifer geworden. Von Altersmilde kann man nicht sprechen, aber hätte man vor Jahren einen Roger Köppel sagen hören, nachdem der mal wieder mit einer Blutgrätsche Schawinski unterbricht, sich dann aber zurücknimmt: «Entschuldigung, mach weiter»?

Zunächst ist es eines von vielen Armutszeugnissen von SRF und dem Fallbeil vom Leutschenbach, dass sie die einzig vergnüglich-konfliktlive Talkshow des Schweizer Farbfernsehens kübelte. Da es aber Schawinski genauso wenig lassen kann wie Köppel, ist er nun bei Blue Entertainment wieder aufgetaucht. Zum Beginn der zweiten Staffel seiner Talkshow wollte er es mal wieder krachen lassen – das Stichwort für Köppel.

Aber, Wunder über Wunder, es wurde im besten Sinne eine Talkshow. Die man unbedingt nachsehen sollte, wenn man sie live verpasst hat. Warum? Zunächst einmal, weil es eine Show ist. Denn wenn sich zwei Talking Heads gegenübersitzen, wieso sollte man sich das als passiver Zuschauer antun, wenn man nicht dabei unterhalten wird?

Womit wird man unterhalten? Mit den Funken, die entstehen, wenn zwei begabte Rhetoriker aufeinandertreffen. Die gibt es allerdings auch in vielen deutschen Talkshows (in den kläglichen Überresten in der Schweiz eher weniger). Aber hier wollen sich zwei nicht nur verbal prügeln, sondern auch Treffer landen und Wesenszüge, Denkmuster, Verhaltensweisen, natürlich auch Fehleinschätzungen, Irrtümer des jeweils anderen herausarbeiten. Wunderbar, dass beide wissen, dass man die Glacéhandschuhe ausziehen kann, weil der andere auch nett austeilt und kein Glaskinn hat.

Schawinski ist dabei der Talkmaster, und das nützt er vor allem am Anfang leicht brutal aus. Nachdem Köppel seine Einleitungsfrage «wer bist du?» mit einem allgemeinen Aufruf zu Frieden in von einem Atomkrieg bedrohten Zeiten ausweichend beantwortete, hakt er unbarmherzig nach. Der grösste Schock in der Jugend? Der Tod der Mutter, repliziert Köppel. Der Selbstmord, zudem auf brutale Art, dringt Schawinski weiter in seinen Gast. Damit verrät er kein Geheimnis, lässt Köppel dann nach diesem Wirkungstreffer im Privaten damit in Ruhe.

Dann folgt ein fast immer vergnüglicher Schlagabtausch. Deine Zuhörer sind rechtsextrem – man sollte eine Sendung nach dem Inhalt, nicht nach möglichen Zuhörern beurteilen. – Du hast den verurteilten Betrüger Steve Bannon eingeladen – war der Berater des Präsidenten und die Veranstaltung hatte grosse Nachfrage. Du lädst mich doch auch in deine Sendung ein. Treffer für Köppel.

Dann nagelt ihn aber Schawinski mit Köppels Hang, aus Prinzip die andere Sicht vertreten zu wollen, führt ihm einige nicht mehr zu verteidigende Zitate aus der Vergangenheit über Putin vor, behaftet ihn auf seiner Aussage, dass man Putin nicht als Kriegsverbrecher bezeichnen könne, weil der (noch) nicht als solcher verurteilt worden sei. So gesehen sei dann Hitler auch keiner, schlussfolgert Schawinski messerscharf. Damit hätte er Köppel blutend in den Seilen hängen lassen können, aber auch Schawinski muss halt zu viel Gas geben und tritt noch mit der Bemerkung nach, dass Köppel mit seiner Manie, immer die andere Seite zu beschreiben, dann wohl auch für Hitler geschrieben hätte.

Das macht es dann Köppel leicht, sich aus dieser Ecke wieder freizuboxen. Das letzte Mal trennten die beiden sich im Totalkrach vor dem Mikrophon. Um das zu vermeiden, hatte sich Schawinski einen besonderen Schlussgag ausgedacht; die Frage, ob Köppel denn nicht wie von Parteiurgestein Toni Brunner vorgeschlagen, Bundesrat werden wolle oder solle. Da Brunner auch Schawinski als valablen Kandidaten genannt hatte, endet damit die Sendung in kritisch-versöhnlichem Gelächter.

Vielleicht war der Erkenntnisgewinn nicht überwältigend. Aber was zählt, ist die Tatsache, dass man auf höherem verbalem und intellektuellem Niveau unterhalten wurde. Hier wurde nicht mit Holzhämmern, Morgensternen und Zweihändern gefuchtelt. Sondern zwei nicht mehr ganz junge und ins Zeitalter der leichten Altersmilde eingetretene Löwen zeigten sich die Zähne, holten auch mal zum Prankenhieb aus, wurden auch mal nicht gespielt sauer, verzichteten aber weitgehend auf Tritte in die Eier und zeigten vor allem etwas, was auch weitgehend verloren gegangen ist: Ich bin ganz anderer Meinung als du und finde deine nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Aber ich respektiere dich.

Wunderbar.