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Sparen ohne Kurzschluss

Kommen Zeiten der Kargheit und des Verzichts?

Die Lage ist ernst, aber lustig. Denn bevor die Eidgenossen im Winter zu Eisgenossen werden, belagert man sie mit Energiespar-Vorschlägen. Einer absurder als der andere.

Endlich haben die Medien ein neues Thema gefunden. Sie überbieten sich mit Spartipps. Körperhygiene ist einer der grössten Energiefresser im Haushalt. Da kann gespart werden. Extremsparen heisst: «echli stinke muess es». Unter Handschuhen fallen ungewaschene Hände und dreckige Fingernägel auch nicht auf.

Wer’s etwas zivilisierter mag, kann bei der Ganzkörperhygiene wesentliche Beiträge für den Frieden und gegen Russland leisten. Das Vollbad ist sozusagen eine direkte Unterstützung von Putin. Gestrichen. Besser duschen. Aber natürlich richtig. Also ein klares Bekenntnis gegen Warmduscher. Besser frieren für den Frieden: runter mit der Temperatur. Aber man kann noch mehr gegen den Kreml-Herrscher tun. Den Körper möglichst kalt benetzen. Dann Dusche abschalten. Einseifen, rubbeln. Dusche wieder einschalten, kurz abspülen.

Schon ist die Schweiz ein gutes Stück weniger abhängig von östlichem Gas oder europäischem Strom. Auch unsere Regierung ist inzwischen aufgewacht und überschlägt sich mit Sparvorschlägen. Nach der möglichst kalten Dusche kann man auch beim Zähneputzen unglaublich sparen. Wer nämlich meint, für seine sensiblen Zähne brauche er warmes Wasser, sollte ein kleines Opfer bringen. Denn unsere Regierung weiss: bevor das warme Wasser am Zahn angelangt ist, hat der Kurzputzer bereits gespült. Also unnötig Energie verbraucht.

Auch bei Ferienfotos kann man sparen

Licht löschen, Kaffeemaschine ausschalten, Kochen mit Deckel, es wäre so einfach, würde jeder seinen kleinen Beitrag leisten im grossen Kampf zwischen Gut und Böse. Auch das Internet bietet unzählige Sparmöglichkeiten. Nein, Sie müssen nun nicht hier aufhören zu lesen. Das spart gar nix.

Aber, ernsthaft, laden Sie nicht dermassen viele Ferienfotos ins Netz. Was das für einen Strom braucht; sicher mehr, als ein ganzes, grosses Wasserkraftwerk herstellt. Zudem ergeben sich jede Menge Zusatznutzen. Wer zum Beispiel kalt duscht, verträgt es besser, wenn die Raumtemperatur auf 17 Grad gesenkt wird. Wer sich die Zähne eiskalt putzt, wird schneller auf Karies aufmerksam. Wer erst gar nicht in die Ferien fährt, muss auch keine Bilder ins Netz stellen.

Nun müssen wir leider kaltherzig die ganze Euphorie etwas dämpfen. All das sind nette Symbolgesten. Geben warme Gefühle der internationalen Solidarität. Aber nutzen eigentlich nix.

Denn es gibt zum Beispiel einen Stromfresser, den niemand wirklich auf dem Radarschirm (Pardon, vor Augen) hat. Wir reden hier von gigantischen Beträgen. Es ist ein Stromfresser, der jährlich mehr Energie verschlingt als die ganze Ukraine vor dem Krieg. Rund das Doppelte des Stromverbrauchs der Schweiz. Oder Österreichs. Sie kommen nicht drauf? Machen wir’s noch energetisch etwas spannend.

Was sind die wirklichen Energiefresser?

Der grösste Energieverbraucher der Welt ist inzwischen China. Es sind nur geschätzte Zahlen, aber immerhin von der Cambridge University, also einer durchaus seriösen Quelle. Laut der zischen im Reich der Mitte 6’875 TWh jährlich durch die Leitungen. In den USA sind es 3844. Deutschland verbrizzelt 500 TWh, die Schweiz 59, und die Ukraine 124,5. Knapp vor der Ukraine liegt aber kein Land. Auch nicht der Verbrauch energieintensiver Herstellungsverfahren wie Stahl- oder Aluminiumgewinnung. Immer noch keine Ahnung?

Bevor der Leser unter Hochspannung gerät, lüften wir des Rätsels Lösung: 125,1 TWh verbraucht das Herstellen von Bitcoins. Für Kryptowährungslaien: das ist eine virtuelle Währung, mit der real bezahlt werden kann. Allerdings ist der Herstellungsprozess etwas speziell. Bitcoins werden «geschürft». Nicht in einem Bergwerk, sondern indem Computer komplizierte mathematische Formeln berechnen müssen, was gewaltige Rechenpower voraussetzt, was zu einem gewaltigen Stromverbrauch führt.

Nun machen wir kurz Spar-Kassensturz. Wenn das Schürfen von Bitcoin doppelt so viel Strom verbraucht wie die ganze Schweiz in einem Jahr, ist dann wirklich Lichterlöschen, Deckel auf dem Topf und kälter duschen sowie wohnen wirklich der Sparknaller?

Oder schlichtweg ein Verbot von Bitcoin, bzw. der Herstellung von neuen würde weltweit einen Stromfresser wegputzen, ohne dass damit etwas Wesentliches in Wirtschaft oder Gesellschaft wegbräche. Wäre es also nicht sinnvoller, statt viel Energie auf die Propagierung von Pipifax-Sparmassnahmen zu verschwenden, sich ernsthaft Gedanken um wirksame Sparmassnahmen zu machen? Nur so eine Frage …

Chatbot gegen Chatbot, Part I

Bitcoin, Bots, Chatbots, Künstliche Intelligenz, lernende Algorithmen und Programme. Deep Fakes. Schlimme Aussichten?

Es ist offenkundig: gewisse kommunikative Tätigkeiten könnte auch ein Schimpanse übernehmen, wenn er des Sprechens und Schreibens mächtig wäre. Das nützt schon seit vielen Jahren der etwas eigene Chef der Kleidermarke Trigema aus:

Vorne der sprechende Affe, im Insert in der Mitte der Besitzer …

Gut, das ist ein Fake, aber das sind viele Kommunikationserzeugnisse auch. Dabei ist im Internet eine neue Welt entstanden, mit der umzugehen nicht nur dem Normalbürger schwer fällt.

Hätte man vor 20 Jahren behauptet, dass es unter den wertvollsten Firmen der Welt Apple gäbe, dazu der Betreiber einer Suchmaschine und der Erfinder einer sozialen Plattform, man wäre vorsichtig weggeführt worden.

Hätte man vor zehn Jahren behauptet, dass es eine auf Blockchain-Technologie aufgebaute, virale Währung gebe, fälschungssicher und ohne staatliche Strukturen, man wäre vorsichtig …

Hätte man vor fünf Jahren behauptet, es werde mächtige, selbstlernende Programme geben, virtuelle Gesprächs- und Sexpartner, eine für jeden zugängliche Technologie, mit der man jedem Prominenten jede beliebige Aussage so in den Mund legen kann, dass es nur mit äusserst aufwendiger Technologie möglich ist, das als Fake zu entlarven, wäre man …

Vielseitige Bots als kleine Helfer

Vielleicht haben schon einige das Wort Bot mal gehört. So werden kleine, selbständige Programme genannt, die einfach zu programmieren und für beliebige Zwecke eingesetzt werden können. Das benutzt zum Beispiel Google, um unablässig die Weiten des Web zu durchforschen, um seine Trefferliste aktuell und immer präziser zu halten.

Bots können aber auch dafür eingesetzt werden, beispielsweise das Online-Inserat des Konkurrenten zu Tode zu klicken. Solche Werbung bezahlt man normalerweise mit einem fixen Budget und der Angabe, wie viel einem ein Klick darauf wert ist. Umso grösser das Budget und der Clickwert, desto prominenter und häufiger wird das Inserat aufgespielt.

Wenn aber ein solches Programm in unregelmässigen Abständen draufklickt, ist Budget und Geld weg, aber keiner hat’s gesehen. Im Darknet für ganz wenig Geld mit Gebrauchsanweisung erhältlich. Aber nix für Anfänger, die sich dann durch ihre IP-Adresse verraten. Nein, das ist nicht legal.

Der Chatbot als ein Bot der nächsten Generation

Die nächste Stufe ist der Chatbot. Wie jeder weiss, versuchen grosse Internet-Dienstleister oder Händler von Amazon abwärts, sich Direktkontakte mit Sonderwünschen von Kunden möglichst zu ersparen. Das versuchen sie mit FAQ, Suchmasken, durch die sich der Kunde wühlen kann, in der Hoffnung, einen Erklärtext für sein Anliegen zu finden.

Call-Center sind meistens berüchtigt dafür, dass sie unerträgliche Wartezeiten haben, einen dann durch einen Dschungel von Untermenüs mit Auswahlmöglichkeiten führen, worauf man dann häufig bei einem Call-Center-Agent landet, der gerne bekannt gibt, dass er nur begrenzt die Sprache des Anrufers spricht und inhaltlich auch nicht weiterhelfen kann.

Diese Service-Unarten machen den Kunden eher ranzig, was auch nicht im Interesse des Anbieters ist. Auftritt Chatbot. Das ist in seiner modernsten Form ein sprechendes, selbstlernendes Programm. Während früher solche Sprechstimmen nicht interaktiv waren, also höchstens anbieten konnten: Wählen Sie aus folgenden Möglichkeiten, hört sich das heute schon ganz anders an.

Der geniale Turing-Test gilt bis heute als Benchmark

Nämlich nach Konversation. Mit einem Menschen. Dafür gibt es schon lange den sogenannten Turing-Test. Der geniale englische Mathematiker entwickelte zu Zeiten, als Rechenmaschinen noch riesige Ungetüme waren, eine Testanordnung. Ein Mensch kommuniziert über ein Terminal mit zwei Gesprächspartnern. Einer davon ist auch ein Mensch, der andere ein Computer. Der Mensch soll nun durch entsprechende Fragen oder andere Mittel herausfinden, welcher seiner Kommunikationspartner Mensch, welcher Computer ist.

Gelingt ihm das nicht, hat der Computer den Test bestanden. Da macht die Wissenschaft in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte. Denn Sprache als Kommunikationsmittel ist eine ziemlich komplizierte Sache. Metaphorische Wortbedeutungen, Ironie, Lüge, Redensarten, Dialekte, da braucht es gewaltige Rechenpower und selbstlernende in Untersysteme aufgeteilte Programme, damit der Chatbot schnell und auf seinen menschlichen Gesprächspartner eingehend, antworten kann.

Geht immer besser. Während solche Bots noch vor ein paar Jahren zum Verlesen des Wetterberichts in der Lage waren und nur sehr begrenzt auf Fragen zum Wetter reagieren konnten, sind heute ganze Dialoge möglich. Über Philosophie, den Sinn des Lebens oder die ewige Frage, wie man am besten eine Frau anspricht.

Was passiert, wenn Computer Selbstbewusstsein erlangen?

Wer sich an den Computer Hal erinnert, aus Stanley Kubricks Science-Fiction-Meisterwerk, weiss heute, dass das damals pure Fantasie war, dass ein Computer Selbstbewusstsein erlangt, nicht nur reagieren, sondern auch aktiv Dialoge führen kann – und wie ein Mensch einen Fehler nicht zugeben möchte, womit er sich in eine tödliche Gefahr für die Mannschaft verwandelt.

I’m sorry Dave, I can’t do that. Sanfte Stimme, tödliche Message: Computer Hal.

Dieses Selbstbewusstsein, also das Wissen um sich selbst, das Wissen um Handlungsalternativen, das Wissen um lernende Reaktionen auf gleiche Situationen, das ist weiterhin der Heilige Gral der Computerforschung. Aber wenn Sie das nächste Mal einen sachlichen Sportbericht lesen, mit einem sympathischen Helfer am Telefon sprechen, dann sollten sie keine Wette abschliessen, ob ein menschliches Wesen mit Ihnen kommuniziert.

Part II folgt morgen.

«Zeit» über Bitcoin: «Tage sind gezählt»

Redaktor jubelt «Hurra» bei Börsentaucher.

Der Kurs von Bitcoin ist in den letzten fünf Jahren um über 8000 Prozent gestiegen. Auch das Corona-Jahr überstand die Kryptowährung unbeschadet: ein Plus von knapp 300 Prozent. Der Verfasser dieses Artikels hat nie in Bitcoin investiert, er ist dafür zu dämlich.

Mark Schieritz ist wirtschaftspolitischer Korrespondent der «Zeit». In der aktuellen Ausgabe (3/21) schreibt er über Bitcoin. Man darf davon ausgehen, dass Schieritz sein Altersguthaben wohl nicht in Bitcoin gewechselt hat. Denn er schreibt: «Ihre Tage sind gezählt.» Warum das so ist, wird in seinem Artikel nicht ganz klar. Er hält die digitale Währung insgesamt für eine «gewaltige weltweite Umweltschweinerei». Grund ist die energieintensive Schürfung.

Schieritz erwähnt eine Studie in einer «Nature»-Ausgabe von 2018. Schätzungen zufolge werden für die Gewinnung knapp 70 Megatonnen CO2 freigesetzt. «Das entspricht in etwa der Menge, die ganz Norwegen in einem Jahr in die Atmosphäre abgibt.» Das stimmt nicht einmal in etwa. Norwegen setzt 52,4 Megatonnen CO2 ab, Tendenz sinkend.

Schieritz und die «Zeit» halten ihre Leser auch sonst für ziemlich dumm. Der Autor wendet sich direkt an die Leserschaft, die in Bitcoin investiert hat. Die könnten auf seine laue Bitcoin-Schimpfe entgegenhalten, dass die Energiekosten für den Betrieb von Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden ja auch ungefähr 70 Megatonnen CO2 betragen. Das stimmt nur dann, wenn man die Energie für die Föhnfrisur von EZB-Chefin Christine Lagarde einberechnet.

Schieritz:«Am Ende ist die Kryptowährung vor allem das: ein Spielzeug für Digi-Nerds und Finanzapokalyptiker.» Und am anderen Ende ist die «Zeit» vor allem ein Wochenmagazin, das den grössten Finanzskandalen der letzten Jahren nur schnappatmig nachrannte: Wirecard, oder Diesel-Skandal – die Primeurs lieferten der «Spiegel» und die «Süddeutsche». Die «Zeit» war zuständig für die Nachlese.

Immerhin, Schieritz hatte dieser Tage viel zu lachen: «Anfang dieser Woche ging es mit dem Kurs deutlich nach unten. Hurra!»