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Wumms: Reza Rafi

Der Chefredaktor des «SonntagsBlick» lässt ungeahnte Bildung aufblitzen.

Ob ihm da alle seine Leser folgen können? Schon mit dem Titel seines Editorials begibt sich Rafi ins weite Gelände der nicht allen geläufigen Fremdwörter: «Sehnsucht nach der Disruption». Das versucht er immerhin, im Lead einzufangen: «Donald Trump und Elon Musk bewirtschaften geschickt das Bedürfnis nach einer Neuordnung der Gesellschaft.»

Allerdings ist Neuordnung nicht ganz das Gleiche wie Disruption. Aber item. Dann erinnert er sich gleich am Anfang an einen Film von Mel Gibson aus dem Jahr 2006. In «Apocalyptico», der zu Zeiten der Mayas vor 500 Jahren spielt und in der Originalsprache mit Untertiteln gedreht wurde, unglaublich brutale Szenen enthält und damit endet, dass während einer Verfolgungsjagd am Strand die Eingeborenen die ersten spanischen Schiffe am Horizont auftauchen sehen, erblickt Rafi ein Beispiel für Disruption:

«Das Auftauchen der Eroberer kündigt die brutale Umwälzung des herrschenden Gleichgewichts an – und steht sinnbildlich für einen Begriff, der besonders seit der erneuten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten als Modewort um den Globus geht: Disruption.»

Wow, das ist mal eine Flughöhe. Aber Rafi hat noch mehr Bildungsgut in seinem Rucksack: «Woher aber kommt dieser Wunsch nach abruptem Wandel, der in der Begeisterung für Trump mitschwingt? Aus einem Gefühl der Schwäche … derselben Sehnsucht, mit der die geknechtete Seeräuber-Jenny in Bertolt Brechts Dreigroschenoper davon singt, dass demnächst ein «Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen» ihre Unterdrücker vernichten wird.»

Im Gegensatz zur sogenannten «Kulturredaktion» des Tagi schreibt er auch den Namen des Stückeschreibers richtig.

Geknechtet? Nun, es sind die Fantasien einer Dienstmagd, aber nicht ganz daneben von Rafi. So spielt er gross auf, sozusagen mit vollem Orchester und Bezügen quer durch die Kunst-, Kultur- und sonstigen Geschichte. Mayas von Gibson, Dreigroschenoper von Brecht, und dann auch noch Trump und Musk, was für ein Bogen.

Da erwartet man als Schlusspointe nichts weniger als ein Feuerwerk, das Klopfen des Schicksals an die Tür wie bei Beethovens Fünfter. Aber leider, leider, nach dem Höhenflug folgt die unsanfte Landung:

«Möglicherweise gibt es lediglich ein Disruptiönchen – weit weg vom weltgeschichtlichen Einschlag durch die spanischen Konquistadoren.»

«Weltgeschichtlicher Einschlag»? Nur ein «Disruptiönchen»? Da fliegt dann doch der Bildungsrucksack ins Lüftchen. Und wieso erwähnt Rafi nicht, dass Disruption eigentlich die Abspaltung der schottischen Freikirche von der schottischen Kirche im Jahr 1843 bezeichnet? Wenn man schon beim Geistreicheln und Bildungversprühen ist, fehlt doch dieser Hinweis schmerzlich.

Also ist Rafi vielleicht doch kein Bildungsbürger, sondern ein Bildungsbürgerchen.