Blütenlese «Blick»
Geht Boulevard ohne Blut, Busen, aber nur mit Büsis?
Die Gefühle des Stammtischs wiedergeben? Verboten. Mit oder ohne Vorwand leichtbekleidete bis nackte Frauen zeigen? Verboten. Blutrünstig über Bluttaten berichten? Verboten. Büsis zeigen: erlaubt.
Boulevard sollte mit knackigen Schlagzeilen arbeiten, auch komplexe Zusammenhänge auf zwei, drei Worte schrumpfen. Sternstunden des Boulevards waren Titelbrüller wie «Jetzt ist der Mond ein Ami» (Mondlandung der USA) oder «Wir sind Papst» (Wahl des deutschen Kardinals Ratzinger).
«Bild» versucht immer wieder, dieser Tradition nachzueifern, nicht ganz erfolglos. «Blick» versucht, sich von dieser Tradition zu lösen. Erfolgreich erfolglos, auf Kosten von Einfluss und Lesern. Um den Unterschied auch hier auf den Punkt zu bringen: Als der «Blick»-Chefredaktor standesgemäss Porsche fuhr, verkaufte das Blatt über 380’000 Exemplare und titelte «Lachhaft, Blödsinn, Bürokraten-Unsinn – so reagieren Schweizer auf Tempo 120».
Seit der «Blick»-Oberchefredaktor Bus fährt, beträgt die Auflage noch etwas über 100’000 Exemplare, ein aktueller Titel lautet «Hüppi verhindert Eskalation!»
Unter Leitung der nicht fassbaren CEO Ladina Heimgartner soll der «Blick» weiblicher, runder und vor allem «resilient» werden. Sichtbar davon ist ein Regenrohr im «Blick»-Logo, der Verzicht auf nackte Frauen, und was resilient eigentlich genau heissen soll (ausser Widerstandsfähigkeit gegen jedwelchen Erfolg), weiss niemand.
Weiblich gerundetes Regenrohr.
Bei all diesen Einschränkungen ist es verdammt schwer, in den Verrichtungsboxen im Newsroom genügend Storys aus dem Computer zu schütteln. Da hilft eigentlich nur, die Grenze zwischen selbstgebasteltem und bezahltem Inhalt immer mehr einzuebnen. Eine willkürliche, aber durchaus repräsentative Blütenlese, wie sich der «Blick» online am Montagvormittag präsentierte:
Super Reportage. Als bezahltes Inserat.
Ratgeber. Wer links tut, kann sich rechts leisten.
Wie wird man mit einem «bearenstarken Auftritt» Vorletzter?
Die heutige Jugend ist auch nicht mehr das, was Kurt Felix einmal war.
Weiter oben Verkauf zum Bestpreis … Aber Wasser wird teuer, für die CS ist guter Rat teuer,
und Swisscom-Schäppi hat billige Ausreden.
Was Schweizer Forscher so alles wollen, exklusiv im «DurchBlick».
Und wozu brauchte es schon wieder eine Steuermilliarde Hilfsgelder für Medien?
Es bleibt aber tatsächlich eine Frage. Welcher Medienmanager kann ernsthaft annehmen, dass die Leser so resilient sind und für die gedruckte Ausgabe all dieses Nonsens auch noch etwas bezahlen?