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Zusammengeholzt

Arme Autoren der SZ. Tagi-Leser bekommen nur Fragmente.

Michael Neudecker ist der England-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung». Wenn er sich nicht gerade darüber erregt, zur Präsentation des neuen Pirelli-Kalenders eingeladen und bewirtet zu werden, widmet er sich auch der Literatur. Genauer dem Bestsellerautor Robert Harris. Dessen neustes (und nicht unbedingt bestes) Buch «Abgrund» stürmt mal wieder die Bestsellerlisten.

Zudem kommt die Verfilmung seines Werks «Conclave» über die Papstwahl gerade in die Kinos. Genug Anlass für ein «Profil» in der SZ, Titel: «Robert Harris. Autor von «Konklave» mit einem Faible für Randfiguren». Auf rund 4000 A holpert sich Neudecker nicht unbedingt literarische hochstehend und sehr, sehr selektiv durch das voluminöse Werk von Harris. Die Cicero-Trilogie («Imperium, Titan, Dictator»), das Hauptwerk, ist ihm offensichtlich zu schwer. Ausserdem passt es nicht zu seiner dünnen These der Randfiguren. Zu erwähnen wären sicherlich auch «Aurora» über einen fiktiven Sohn Stalins oder «Der zweite Schlaf», eine bedrückende Dystopie.

Aber item, Neudecker gibt alles und versucht das ihm Mögliche, was nun nicht viel, aber immerhin etwas ist. Zu seinem Pech hatte der Tagi gerade auf seiner Seite «Meinungen» mangels Meinungen noch ein Plätzchen frei:

Nun ist es aber im Kopfsalat-Imperium Tamedia so, dass ja über ein Dutzend Blätter bespielt werden müssen, wo jeweils die lokale Rumpfredaktion theoretisch die Möglichkeit hat, eigene Werke einzupflegen. Deshalb hat hier jedes Gefäss im Sinne des Qualitätsmanagements von Simon Bärtschi (wo ist der Schlingel eigentlich abgeblieben; trinkt er mit Kerstin Hasse ein Bierchen nach dem anderen?) seine genau vorgegebene Zeichenzahl.

Und das sind hier halt 2800 und nicht 4000 wie bei der SZ. Da gilt das Qualitätsprinzip: was nicht passt, wird passend gemacht. Also werden mal kurz 30 Prozent des Texts rausgehackt.

Nun ist natürlich jeder Text kürzbar. Allerdings gibt es dabei zwei Probleme. Es muss gekonnt sein, und irgendwann wäre es besser, einen neuen, kürzeren Text zu schreiben, weil sonst alles in den Gelenken knirscht und knackst.

Der Originaltext von Neudecker in der SZ ist auch nicht gerade ein Höhepunkt der Beschreibung von Literatur. Aber wer das Geholper beim Tagi & Co. liest, könnte sich schon fragen, ob Neudecker noch das Perlhuhn mit Rosmarin-Mangold mit sich an der Decke räkelnden leichtbekleideten Damen auf dem Magen lag, als er das schrieb.

Dass Tamedia aus Qualitätsgründen, Pardon, aus Spargründen so vieles von der SZ übernimmt, ist das eine. Ohne Rücksicht darauf, dass sich die deutsche Weltsicht nicht nur in Form eines ß oder mit Wörtern wie «parken» von der schweizerischen unterscheidet.

Das andere ist aber, dass sogar bei diesen Übernahmen Hand angelegt wird, Texte notgeschlachtet, damit sie in die Gefässe des Qualitätsorgans passen. Ohne, dass sich der Autor dagegen wehren könnte. Denn letztlich steht immer noch Neudecker über oder unter dem Text, obwohl er mit diesem Trümmerhaufen eigentlich nicht mehr viel zu tun hat.

Als Gipfel der Frechheit versteckt Tamedia diesen übernommenen, gekürzten und misshandelten Text noch hinter der Bezahlschranke. Die Leserverarschung erreicht ungeahnte Höhepunkte.

 

Ausgeknockt, ausgeloggt

Das haut selbst die Bärtschi-Peinlichkeitsskala durch die Decke.

Wer hat’s erfunden? Ringiers Marc Walder. Ein einziges Login für alle wichtigen Schweizer Medienmarken. Alles mit einem einzigen Eingang, ist doch super. Alles von Ringier, Blick & Co., Tages-Anzeiger, NZZ, CH Media. Der Hammer.

Sicher, einfach, zentral, praktisch, gut.

Nun ist der Burner aber durchgebrannt. Seit Donnerstag (!) letzter Woche geht nichts mehr. «Aufgrund eines Cyber-Angriffs», räumt OneLog zerknirscht ein. «Die mit dem OneLog-Login verbundenen Services sind ebenfalls nicht verfügbar. Nicht betroffen sind die Titel von NZZ und CH Media, da sie die Login-Lösung von OneLog noch nicht eingeführt haben.»

Offensichtlich sind alle registrierten Daten gelöscht, bzw. nicht mehr vorhanden. Ob die Hacker sie abgesaugt haben oder nicht, weiss man nicht. Man weiss eigentlich sowieso sehr wenig. Angefangen dabei, wie das überhaupt möglich war.

Natürlich ist nichts unknackbar, nicht einmal die NSA. Aber wie es möglich war, ausgerechnet dieses Teil zu killen, das ist schon unglaublich.

Erschwerend kommt noch hinzu: wer war das? Oder vielmehr: wer hat eine Interesse daran, wer hat das bezahlt? Denn ein Angriff vom Sohn des Nachbarn war das sicherlich nicht. Wenn doch, dann wäre es aber ein Riesenskandal. Es sind keine so sensiblen Daten, dass sich ein Erpressungspotenzial ergeben könnte. Und anscheinend wurden auch noch keine entsprechenden Forderungen gestellt.

Selbst wenn der Service irgendwann einmal wieder repariert werden sollte: das Vertrauen ist dahin, eigentlich kann man das Teil einstellen. Oder aber, es muss ziemlich viel Geld in die Hand genommen werden, um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Wie jeder Marketing-Mensch weiss: schwierig, teuer, richtig scheisse.

NZZ und CH Media können sich auf die Schulter klopfen. Noch nicht dabei, nicht betroffen. Das bedeutet, dass hier die Bezahlschranken weiter funktionieren. Um die Leute nicht stinksauer zu machen, sind sie aber bei Ringier und Tamedia weggeräumt worden. Alle können alles lesen – gratis.

Gut, die Verluste bei «Blick+» werden sich in Grenzen halten. Auf jeden Fall ist das unterste Amateurliga.

Denn da sich hier keine Staatsgeheimnisse versteckt hielten, da es eigentlich keinen mächtigen Player gibt, der bereit wäre, für so einen Scherz viel Geld aufzuwerfen, muss es sich eher um einen Amateurangriff gehandelt haben. Und wer weiss, vielleicht fand zuvor ein Erpressungsversuch statt. So nach der Devise: drückt Bitcoin ab, oder wir killen euer Teil.

Möglicherweise war die Antwort darauf dann, dass der Erpresser sich seine Drohung rollen und hinten rein stecken soll. Was er nicht tat.

Aber eigentlich ist es von A bis Z symbolisch für den Zustand der Medienhäuser. Da wird eine Idee ausgebrütet und umfangreich beworben. Dann werden Kunden draufgelockt. Mit den üblichen Versicherungen von super, sicher, stabil.

Dann schaffen es Hacker – ohne Riesenaufwand, steht zu vermuten –, das Teil zu knacken, einzudringen und mal kurz alle Daten zu löschen (oder abzuräumen). Dann dauert es Tage (und ein Ende ist noch nicht absehbar), und das Teil ist immer noch nicht wieder in Funktion.

Eigentlich kann man es auch wegschmeissen, nach dieser Peinlichkeit. Denn das ist nicht weit davon entfernt, dass eine Bank ihren Kunden sagen müsste: sorry, das Geld ist noch da, aber alle Eure Zugangsdaten sind weg. Wir arbeiten zwar dran, bitten aber dennoch um ein paar Tage Geduld.

Die Bank könnte wahrscheinlich die Bücher deponieren. Bei OneLog wird aber das passieren, was immer passiert in den Medien: allerhöchstens ein Sündenbock wird in die Wüste gejagt. Dass es hier offensichtlich an Leitung und Controlling fehlte, dass irgend etwas von vornherein schräg und schief war, das hätte eigentlich die oberste Nase zu verantworten. Aber die ist unkaputtbar.

Dabei sollten Pietro Supino und Marc Walder gemeinsam einen langen Trip auf der Coninx-Yacht unternehmen. In die Südsee. Rückkehr unbekannt. Dann hätte der Schweizer Journalismus vielleicht noch eine Überlebenschance.

Alles neu oder alles Pfusch?

Statt viele Worte über ein leicht verändertes Logo zu verschwenden: wie wäre es mit Inhalt?

«Blick» hat sich mal wieder ein Redesign gegönnt. Grosse Worte, kleiner Effekt. Dabei wäre es doch viel sinnvoller, inhaltlich mehr Gas zu geben. Denn die Verpackung ist das eine, Mindere. Der Inhalt ist das andere, Grössere.

Wo allerdings Form und Inhalt unangenehm zusammenfinden, ist bei der unseligen Idee des waagerechten Sliders. Also durch Scrollen nach rechts kommen noch mehr Storys zum Vorschein. Selbst auf dem grossen Bildschirm eines Desktops sieht das bescheuert aus:

Im Mäusekino eines Smartphones, neben dem Tablet die häufigste Quelle, sieht’s noch schlimmer aus.

Das nächste Thema ist die Gewichtung. Sicherlich ist der Versuch von Stefan Raab, sich wieder ins Scheinwerferlicht zurückzuboxen, eine Meldung wert. Aber gleich vier, davon eine aus alter Gewohnheit doppelt?

So interessant, dass man es immer wieder lesen darf?

Dann ist der Ratgeber, der Lebenshelfer sicherlich eine wichtige Rubrik im Boulevard, auch wenn der «Blick» gar kein Boulevard mehr sein darf. Aber so?

Am Zapfen? Scherz beiseite, der Leser mag es immer sehr, wenn er für richtig dumm und unfähig gehalten wird. Das Gefühl wird nur übertroffen, wenn banale Ratgeber hinter der Bezahlschranke verborgen sind:

Echt gemein ist es, den nächsten Ratgeber ebenfalls nur dem Publikum angedeihen zu lassen, das hinter die Bezahlschranke sieht:

Was wohl nicht dazugehört: sich aufregen, wenn man ungefragt geduzt wird.

Trotz mehrfachem Durchscrollen ist es ZACKBUM allerdings nicht gelungen, eine einzige originelle, flott geschriebene, interessante Story zu finden. Stattdessen Flachheiten wie «Jetzt redet der Flusskreuzfahrt-Chef». Oder, immerhin unter «Das Beste von Blick+»: «Sogar Bill Gates mag die kuscheligen Tüechli aus Glarus.» Allerdings versteckt sich das bei «Blick+» hinter der Bezahlschranke, diese Top-Story.

Nun stammt sie allerdings nicht von der Top-Redaktion des «Blick», sondern aus der «Schweizer Illustrierte». Es ist nur rezykliert. Daher können Sparsame den Artikel auch gratis lesen. So erfährt man auch, was «Blick+» dem Leser vorenthält, wer denn die drei prominenten Tüechli-Träger auf dem Foto sind.

Das ist nun wirklich eine neue Dimension der Qualität. Ein Artikel wird aus einem anderen Organ des Ringier-Konzerns übernommen. Wo er gratis von jedem angeschaut werden kann. Beim «Blick» wird er dann hinter die Bezahlschranke verfrachtet und frech als «Das Beste von Blick+» angepriesen. Dabei ist dann allerdings unterwegs so eine Kleinigkeit wie eine Bildlegende verloren gegangen.

Ein neuer Höhepunkt in der Leserverarsche.

Aber dafür ist das Logo nun aus seiner Box befreit worden. Jedenfalls online:

Im Gegensatz zum Print:

Einmal Rot auf Weiss, einmal Weiss auf Rot. Das schärft den Wiedererkennungswert ungemein. Allerdings kennt ZACKBUM kein anderes Logo eines Massenprodukts, das in zwei verschiedenen Varianten daherkommt.

Aber dummen Verlagsmanagern schwatzen redegewandte Werbefuzzis jeden Schrott auf. Das gelang ja auch schon dem «Star-Werber», der nicht daran gehindert wurde, ein Regenrohr ins «Blick»-Logo zu pflanzen. Aber immerhin, das ist schon wieder weg.

Ohne «Blick» wären wir verloren

Seien wir ehrlich: die Schweiz überlebt nur dank diesen Ratschlägen.

Seine grosse Stärke ist bekanntlich seine Servicequalität. Sind seine Ratgeber. Die verlocken Dutzende, wenn nicht Hunderte, ein «Blick+»-Abo zu lösen. Denn diese wertvollen, geradezu überlebenswichtigen Tipps sind nur dort erhältlich.

Und was täten wir im Leben ohne diesen Ratschlag:

Konserven seien fast unkaputtbar, weiss der «Blick+». «In zwei Fällen rät der Experte aber dringend vom Kauf von Konservendosen ab», warnt das Überlebensorgan. In welchen zwei Fällen? Tja, das und vieles mehr verrät nur «Blick+»:

Nun ist das Schnupperabo als Verzweiflungstat gratis, also wagt es ZACKBUM (auch in Sorge um die Gesundheit seiner Leser), diese zwei Fälle darzulegen: «Ist die Dose bereits im Regal im Supermarkt sichtlich gebläht und der Deckel nach aussen gewölbt, kann es sein, dass sich darin hochgiftige Substanzen gebildet haben.»

Also, liebe Leute, hört endlich auf, aufgeblähte Dosen zu kaufen! Und denkt dran: habt Ihr das schon getan, und zu Hause ist sie dann beim Öffnen explodiert, dann war es keine gute Idee, das Zeugs von der Decke zu kratzen und dennoch zu essen. Merkt Euch das.

Der Experte kennt noch ein weiteres, heimtückisches Problem: «Während intakte Dosen hohe Temperaturen problemlos über Monate oder Jahre aushalten, ist das bei beschädigten Dosen nicht der Fall.» Also kontrolliert gefälligst die Dosen «gut auf allfällige – selbst kleine – Lecks». Am besten mit der Lupe, und unbedingt die Etikette abreissen, denn gerade darunter können sich solche Beschädigungen verbergen. Ignoriert bitte die Reklamation des Verkaufspersonals, Gesundheit geht vor.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht, eigentlich zwei: ««Hat die Dose aber keine Lecks und ist nur leicht eingedellt, kann sie in aller Regel bedenkenlos gekauft werden», sagt der Experte.» Also, gebläht ja nicht, auch nicht mit Lecks, aber gebeult geht.

Dann sei der Inhalt «sehr lange haltbar – meist weit über das gesetzlich vorgegebene Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus». Aha, was da wohl «weit» bedeutet? Wenn das Ablaufdatum 2014 war, ist die Büchse, sofern sie nicht ausgebeult ist oder leckt, 2024 immer noch lecker? Da hilft nur der Selbsttest; bitte Notfallnummern bereithalten.

Das ist Überlebenshilfe für zu Hause. Aber der Mensch arbeitet ja auch, und dort will er sich ebenfalls ernähren. Dabei stellen aber Konservendosen nicht das entscheidende Problem dar:

Nicht gewusst? Doch, es gibt so viele Fettnäpfchen, in die man gerade in der Personalabfütterungsanstalt treten kann. Allerdings bei Tamedia nur, wenn man zum Fussvolk gehört. Die Chefetage tafelt wie es sich gehört mit Bedienung auf einer Empore, wo das Servierte den neidischen Blicken des Plebs entzogen ist.

Immerhin setzt «Blick+» voraus, dass seine Leser mit Messer, Gabel und sogar Löffel umzugehen wissen, auch Rülps- oder Furzgeräusche unterdrücken und sich nicht wie Loriot eine Spaghetti an die Nase kleben. Aber es bleiben noch viele Fragen:

Ja, das möchten die ZACKBUM-Leser dringlich wissen. Das machen wir aber nur ZACKBUM+-Abonnenten zugänglich, denn es wäre ja eine Schande, solch wertvolle Kenntnisse einfach gratis wegzuschmeissen. Allerdings kostet der ZACKBUM+-Testmonat 280 Franken. Das sei so viel wie ein «Republik»-Jahresabo, meckert da einer? Na und, auf ZACKBUM wird jeden Monat mehr Gehalt serviert als bei den Demokratierettern in einem Jahr. Und viel weniger gewinselt und um Geld gebettelt. Und Neid auf erfolgreichere Kollegen ist uns auch fremd.

ZACKBUM will aber aus dem öffentlich zugänglichen Ratgeber «Mit Small Talk gross auftrumpfen» ein paar Perlen regnen lassen. «Politik, Religion, Finanzen, Beziehungen», das seien No-Go für Small Talk, auch in der Kantine. Auch hier gibt eine Expertin wertvolle Ratschläge, die nicht nur das Überleben garantieren, sondern auch das Leben besser machen.

Denn, Ihr Dummerchen, Ihr wusstet sicher nicht, dass es wichtig ist, auf «nonverbale Signale des Gegenüber zu achten». Doch, das ist ganz wichtig: «Schaut der Gesprächspartner auf die Uhr, verschränkt die Arme oder wird unruhiger und blickt vermehrt um sich, kann das ein Signal sein, dass er das Gespräch beenden will.» Wenn immer möglich, sollte man das respektieren.»

Also, dann nicht einfach vom letzten Ausflug mit dem Kegelclub ins Puff nach Konstanz weiterschwärmen, gell? Allerdings nur, «wenn immer möglich», also wenn Ihr schon in Fahrt seid, dann könnt Ihr diese Signale auch ignorieren.

Aber gut, «wie du mit Kaffee-Knausern umgehst», das erfahren Sie nur auf «Blick+». Kurz nachdem man Ihnen erklärt hat, was das eigentlich ist.

ZACKBUM ist für einmal des Lobes voll: hier wird die Welt immer wieder ein kleines Stück besser gemacht. Keine Vergiftung- oder Explosionsgefahr bei Konservenbüchsen mehr, endlich angstfrei in der Kantine das organisierte Erbrechen geniessen. Alles dank plussen mit «Blick+».

«20Min» ist der neue «Blick»

So geht Boulevard. Tamedia macht’s Ringier vor.

Der «Blick» wurde enteiert und seines Markenkerns beraubt. Leser mit Entzugserscheinungen haben nun einen rettenden Hafen gefunden:

«Töchter bei BDSM-Sessions gefesselt? Jetzt spricht der Stiefvater». So macht man das. Nur noch leicht optimierbar; dass BDSM die Abkürzung für «Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism» ist, dürfte wohl nur Anwendern dieser Praktik bekannt sein. «Perverse Sexspiele» heisst das im gepflegten Boulevard.

Auch der nächste Dreierschlag auf der Homepage ist bester Boulevard:

Geht da noch einer? Klar:

Aber auch ernste Themen kann «20 Minuten»:

Natürlich darf die Abteilung «jöh» und Lebenshilfe nicht fehlen:

Aber auch die Politik und die Wahlen kommen kurz und knackig:

Sex-Ratgeber, da bist du, warst du:

Und noch eine Kategorie, die auch anderen Medien gut anstünde:

Muss man nicht wissen, ist aber gut zu wissen. Es kann dann auch nicht alles gelingen:

Uralt-Sonnenbrillenmodelle, rezykliert und für 200 Franken aufwärts, na ja. Der Dicke mit der merkwürdigen Frisur als Trendsetter? Wunderbar. Nur sollte man dann den Titelbalken nicht über seinen Trend legen, denn das unförmige Jacket und die zerknitterten Hosen sind’s nicht, sondern das hier:

Nach unten schauen, ganz nach unten. Genau, Fischersandalen heisst das, weil da das Wasser rein und auch wieder rauslaufen kann. Was uns der nordkoreanische Diktator damit sagen will, das entzieht sich allerdings der rationalen Analyse, genau wie die meisten seiner Taten.

ZACKBUM ist begeistert. «20 Minuten» illustriert mal wieder ein Grundprinzip des Kapitalismus. Wenn ein Marktteilnehmer ohne Not und aus Dummheit ein Marktsegment aufgibt, nach dem Nachfrage existiert, kommt ein anderer und füllt die entstandene Lücke.

Stellen wir dagegen die Front des Print-«Blick»:

Dafür wollen die tatsächlich 3 Franken. Ablöscher-Headline im abgenudelten «Darum wird ...»-Stil. Schon veraltete Stricker-Headline. Aufreger-Versuch mit dem «Wolfs-Massaker», Dragqueens, die den meisten Lesern dann doch am Allerwertesten vorbeigehen, der deutsche Bundeskanzler mit Augenklappe; ein Foto, das jeder schon überall gesehen hat, ein «Bild des Tages», oder auf Deutsch: ein Füller, wir konnten beim besten Willen nichts anderes zusammenkratzen und auf die Front klatschen.

Und schliesslich das missglückte Logo, das nicht mal durch Gewöhnung besser wird. Kein Knaller mehr, wie es sich für Boulevard gehören würde. Rechts ein unverständlicher Strich, das L als Regenrohr, fort mit allem Kantigen, so soll es angeblich weiblicher werden, was bekanntlich – neben dem grün-woken Intellektuellen, das Stammpublikum des «Blick» ausmacht.

So macht man das richtig:

Ach, und übrigens, das Original, das nur deswegen ungestraft abgekuppelt werden durfte, weil es ja im Hause bleibt, ist wie fast immer viel besser als die Kopie:

Ach, und während «20 Minuten» konsequent gratis ist und bleibt, setzt «Blick» neuerdings auch noch auf eine Bezahlschranke, hinter der Unbezahlbares versteckt wird. Unbezahlbar, weil wertlos.

«20 Minuten» müsste nur noch hier und da etwas nachschärfen und sich vielleicht überlegen, ob es die vornehme Zurückhaltung aufgeben wollte und in den Kampagnen-Journalismus einsteigen. Ja nicht mit Kommentaren und Meinungen, aber mit knackigen Wellen. Zum Beispiel: «Wir fordern gerechte Renten für alle». Aufregerthema, populistische Nummer, das könnte noch weiter Schub geben.

Auf diese naheliegende Idee ist das Blatt der einfachen Worte für einfache Menschen auch nicht gekommen, dafür aber «20 Minuten»:

Und nein, das ist kein «Paid Content»; ZACKBUM ist konsequent werbefrei wie die «Republik», hat aber weder Steuerprobleme noch einen Sex-Skandal am Hals.

 

«Blick» plustert, reloaded

Ladina Heimgartner gewährt ein Interview. Es darf gelacht werden.

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Was der Tagi im Allgemeinen ist, ist persoenlich.com im Speziellen, im Kommunikationsbereich. Wer eine gewisse Bedeutung hat und ein Interview geben will, in dem er unbelästigt von kritischen Fragen was sagen möchte, ist hier richtig.

Also stellte sich Ladina Heimgartner (die Dame mit der extrabreiten Visitenkarte dank Ämterakkumulation) den Wattebauschfragen von Nick Lüthi (ehemals «Medienwoche», dann kä Luscht).

Immerhin, während es bei Tamedia häufig ärgerlich ist, kommt hier der Humor nicht zu kurz. Allerdings der unfreiwillige. Wieso habe denn der «Blick» so lange gezögert, eine Bezahlschranke einzuführen? «Die Zeit war bis jetzt einfach nicht reif. … Je mehr oben in den Trichter reinkommt, desto grösser ist die Chance, dass unten etwas hängenbleibt.»

Hä? Wodurch ist denn die Zeit reif geworden? Was unterscheidet die reife Zeit von der unreifen? Ist ein Trichter ein Gefäss, bei dem unten etwas hängenbleibt? Wieso kennen wir diese Art von Trichter bislang nicht? Gibt es vielleicht eine Zeichnung davon? So wie vom Yeti?

Wie reifte denn die Entscheidung? Heimgartner habe sich umgeschaut und umgehört: «alle haben uns gesagt: «Macht das, habt keine Angst!» Diesen Ratschlag bekamen wir überall.» Als furchtlose Kämpferin für Resilienz, dabei verantwortlich für den grössten Auflageschwund im Schweizer Medienmarkt, hat Heimgartner dann die Bezahlschranke hochgezogen.

Aber damit ist sie noch nicht am Ende des Lateins, wohl weil sie Romanisch kann. Denn sie fragt sich – wohl im Meyerschen Sinne –, was denn die Aufgaben der Medien seien: «Früher war die Antwort ganz klar: informieren und unterhalten. Heute sollten grosse Medientitel – und der Blick ist nun mal einer der grössten – Begleiter in allen Lebenslagen sein.» Sagen wir mal so: dass der «Blick» immer kleiner wird, ist Heimgartners Verantwortung …

Begleiter, Service, da wagt selbst Lüthi die kritische Frage, ob das Internet nicht jetzt schon von Service-Angeboten und Lebenshilfe überquelle. Erst noch gratis. Nun darf man sich bereits die Lachtränen abwischen: «Bei uns steht ein Qualitätsstempel drauf. Da stehe ich zu 100 Prozent hinter Blick. Wir bieten eine Qualität, die einfach verständlich und sehr nah bei den Menschen ist. Das unterscheidet uns von anderen.»

Aber wieso sollte denn nun ein Abo gekauft werden? «Wer sich kurz informieren will, kann das weiterhin genauso tun wie bisher auf Blick.ch. Wer aber in ein Thema eintauchen möchte, kauft ein Abo.» In ein Thema eintauchen, beim «Blick»? Gröl.

Was für Veränderungen ergeben sich sonst noch aus dem «Blick+»? «Blick bleibt Blick, egal ob ein Artikel kostet oder nicht. Da müssen wir den genau gleichen Qualitätsanspruch haben.» Kicher.

Nun kommt aber der Überhammer, so ganz nebenbei. Sei das ein weiterer Schritt weg vom Boulevard? «Genau, wir nennen es nicht mehr Boulevard. Wir verstehen uns als Newsplattform, die schnell ist und auch komplexe Themen sehr einfach erklären und erläutern kann. Dabei stellen wir immer den Menschen ins Zentrum – das macht uns aus, dafür stehen wir.»

«Blick» ist Boulevard. ZACKBUM will nun Heimgartner nicht erklären müssen, was Boulevard ist. Das verstünde sie sowieso nicht. Aber sagen wir so: Boulevard, das macht den «Blick» resilient.

Dann, clever ist die Dame, kommt noch der finanzielle Abbinder: «Natürlich haben wir einen soliden Businessplan. Aber wenn wir zum Beispiel in drei Jahren nicht den Break-even erreichen, hören wir nicht auf mit Blick+. Es geht ja nicht nur darum, ob es ein Digitalabo gibt oder nicht, sondern um ein ganzes Ökosystem

Aha. Es gibt einen stabilen Businessplan. Wenn der dann aber nicht so stabil wäre, macht’s auch nix. Wobei noch die (ungestellte) Frage wäre, was Heimgartner eigentlich unter «Break-even» versteht. Dass der «Blick» mit Bezahlschranke online nicht weniger Geld macht als ohne? Dass er mehr Geld verdient? Wenn ja, wie? Aber wir wollen doch nicht grübeln.

Dann wird Lüthi, immerhin, doch noch etwas fies und fragt, wie das «werteorientierte» Unternehmen Ringier, dass einen verdienten Chefredaktor schon deswegen in den Zwangsurlaub schickt, weil der angeblich «eine gewisse Mitarbeitergruppe bevorzugt behandelt haben» soll, mit Werten wie Gleichstellung oder LGBTQ beispielsweise in Serbien umgehe.

Da braucht Heimgartner zwei Anläufe: «Ringier ist auch sehr unternehmerisch getrieben und die Managements in den verschiedenen Ländern sind weitgehend autonom.» Das reicht dann wohl nicht, muss sie sich gesagt haben: «Ringier Serbien steht hinter unseren Werten, etwa in Sachen LGBTQ oder sie positionieren sich klar im Russland-Ukraine-Kontext, mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.» Hier braucht der Leser ein neues Taschentuch, aber ein grosses, für die Lachtränen. Und der schlecht vorbereitete Lüthi haut ihr hier keine Schlagzeilen von Blic-Serbien um die Ohren.

Aber immerhin hakt er nach, wie das denn konkret bei Blic in Serbien aussehe. Heimgartner rudert resilient vor sich hin; das Blatt bilde eine «breite Perspektive an Ansichten ab. Darunter auch Positionen, über die wir hier in der Schweiz vielleicht die Nase rümpfen würden oder die wir aus unserer Sicht sogar verurteilen, etwa beim Umgang mit Kosovo

Man könne halt nicht alles durch die Schweizer Brille betrachten, meint Heimgartner staatsfraulich. Hier wird’s nun echt peinlich, wie schlecht ausgerüstet Lüthi ins Interview ging.

Dass CEO Marc Walder im letzten Moment als «Key Note» Speaker bei der Verleihung des Zürcher Journalistenpreises kniff, um vom serbischen Präsidenten Vucic eine Ehrenmedaille umgehängt zu kriegen? Dass der Blic ungehemmt Regierungspropaganda betreibt, Titel produziert wie «Russland wärmt sich in der Ukraine gerade auf», einen Artikel über den gestählten Kämpfer Putin mit dessen Zitat über die G7-Führer überschreibt «Wenn sie sich ausziehen würden, wäre das ein ekelhafter Anblick»?

Gut, kann man vielleicht nicht durch die Brille des Schweizer «Blick» betrachten, der seinerseits Selenskyj zum Kriegshelden hochhudelt.

Den grössten Elefanten lässt Lüthi allerdings unkommentiert im Raum stehen. Wie verhält es sich mit den Inseraten hinter der Bezahlschranke? Wieso schafft es Ringier nicht, wenigstens hier nur selbst abzukassieren? Was unternimmt man gegen Google-Ads? Da verstummt Lüthi.

Dass eine deutlich überforderte Steffi Buchli den Tennis-Star anlässlich der Wirren um dessen Einreise nach Australien als «Und täglich grüsst der Drama-King» beschimpfte, während der Blic Serbien schäumt, Djokovic  aus dem Land zu schmeissen sei «einer der grössten Sportskandale des 21 Jahrhunderts», wäre das nicht auch eine Frage wert gewesen?

Aber vielleicht ist das ja gelebte Meinungsvielfalt. Was aber Heimgartner betrifft: keine Meinung haben und sie nicht ausdrücken können, das erlaubt ihr auch nur persoenlich.com.

 

«Blick» plustert

Nun will auch Ringier im Internet abkassieren.

«Zugang zu Blick+ gibt es bereits für 9.90 CHF/Monat. In Kombination mit dem Blick-E-Paper kostet der Zugang 19.90 CHF/Monat und mit dem gedruckten SonntagsBlick 24.90 CHF monatlich.»

Als das letzte grosse Medium macht «Blick» das, was die anderen schon längst vollzogen haben. Er bietet weiterhin einen Teil seines Angebots gratis im Internet an, andere Teile verschwinden hinter einer Bezahlschranke.

Dafür verspricht er «200 exklusive Artikel pro Monat, umfassende Ratgeber- und Service-Artikel», dazu noch «exklusive Rabatte, Events und Führungen durch den Blick-Newsroom».

Das sieht dann so aus:

Natürlich macht «Blick» nicht den Fehler des «Nebelspalter» und legt die Schwelle niedrig:

Nur: wird’s auch funktionieren? Die Geschichte, wie Medien im Internet Geld verdienen können, ist lang und tragisch. Denn sobald eine Bezahlschranke hochgezogen wird, bricht der Traffic zusammen. Der wiederum ist entscheidend für die Werbeeinnahmen im Internet.

Allerdings ist es in der Schweiz so, dass Google, Facebook & Co. sowieso den grössten Teil des Online-Werbekuches verfrühstücken. Gleichzeitig wird der Anteil Online-Werbung am gesamten Werbeumsatz immer bedeutender. Er nähert sich 50 Prozent, während Print und elektronische Medien deutlich abgeben.

Nun ist es aber bei einer Paywall entscheidend, ob dahinter nur Werbung erscheint, deren Erlös an den Veranstalter der Webseite geht. So wie’s aussieht, begleiten aber weiterhin Google-Ads die «Blick»-Artikel.

Der Anmeldeprozess ist relativ schmerzlos, wobei es irritiert, dass man ein Abo abschliessen und ein Zahlungsmittel angeben muss, obwohl der erste Monat gratis sei.

Und welche Wunderwelt an Artikeln kann man entdecken, wenn man «geplusst» hat, wie der «Blick» das nennt?

Wahnsinn. Noch mehr Knaller?

Scheint ein Minderheitenprogramm zu sein, da die Mehrheit der «Blick»-Leser wohl eher nicht Hausbesitzer ist. Dann hätten wir noch diesen da:

Apropos jodeln, da gibt’s noch einen Nachschlag:

Schade auch, aber das hier ist natürlich der Brüller, für den man gerne zahlt:

Hier wird’s dann richtig ernst:

Plus noch eine Sport-Story wären das also zurzeit zehn Artikel, die der kein Abo besitzende Konsument nicht vollständig lesen kann. 33 Rappen soll das täglich wert sein, jährlich schlüge so ein Abo in der billigsten Version mit 118.80 zu Buche.

Da «Blick» bei der Bezahlschranke das Wichtigste vergessen hat – dahinter nur Inserate zuzulassen, bei denen der Veranstalter der Plattform alleine kassiert –, dürfte das Experiment finanziell nicht einschenken. Da auch der «Blick» keine absolute Bezahlschranke hochzieht, dafür aber sicherlich von jetzt an sukzessive immer mehr Artikel dahinter platzieren wird, ist die Prognose nicht schwierig: funktioniert finanziell nicht. Lässt mittelfristig den Traffic einbrechen, während die Zahl der Abonnenten in einem überschaubaren Rahmen bleiben wird.

Wir beten daher die Erklärungen jetzt schon runter.

  1. Es ist noch zu früh, um erste Zahlen zu nennen. Aber der Erfolg liegt im Rahmen der Erwartungen.

  2. Die Zahlen sind durchaus erfolgversprechend, aber zurzeit werden sie nicht kommuniziert.

  3. Es dauert länger, die Marktpenetration erfolgreich durchzuführen.

  4. Wir arbeiten daran, das Angebot noch besser und noch attraktiver zu gestalten.

  5. Wir nehmen die Leserreaktionen sehr ernst. Sie sind überwiegend positiv, auch wenn es einzelne kritische Stimmen gibt.

  6. Wir haben beschlossen, das Bezahlmodell nochmals zu überarbeiten.

  7. Wort-, klang- und spurlos verschwindet es. Die wenigen Abonnenten bekommen einen Gutschein.

CH Media neu mit Bezahlschranke

Vorbei mit gratis. Ausser für Watson.

Seit gestern sind alle Newsportale von Basel und vom Mittelland bezahlpflichtig. CH Media ist damit später als die Konkurrenz auf den Zug aufgesprungen. Ihr reines Digital-Abo kostet bei der «Aargauer Zeitung» pro Monat 14.50 Franken und ist günstiger als die Konkurrenz.  Beim Tages-Anzeiger kostet die gleiche Dienstleistung 19 Franken pro Monat. Die NZZ (30 Franken) ist natürlich immer noch am teuersten.

Wie ein Mediensprecher von CH Media gegenüber Zackbum ausführte, wird mit einem «gewissen» Traffic-Verlust gerechnet, «auch wenn beim Freemium-Modell nur ausgewählte und klar gekennzeichnete Artikel kostenpflichtig sind, die restlichen Inhalte des Zeitungsportales aber frei zugänglich bleiben.»

CH Media will mit dem Schritt «hochwertigen Journalismus» nicht mehr gratis anbieten. Dazu zählen: längere Interviews, Hintergrundberichte, aussergewöhnliche Reportagen und  Datengeschichten.

Dem Vernehmen nach sollen sich auch Abonnenten darüber beschwert haben, dass sie blechen müssen, während andere gratis herumsurfen dürfen. Zu letzteren gehört auch das Katzennews-Portal Watson. CH Media: «An der Newsbelieferung betreffend Watson ändert sich nichts.»