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«20Min» ist der neue «Blick»

So geht Boulevard. Tamedia macht’s Ringier vor.

Der «Blick» wurde enteiert und seines Markenkerns beraubt. Leser mit Entzugserscheinungen haben nun einen rettenden Hafen gefunden:

«Töchter bei BDSM-Sessions gefesselt? Jetzt spricht der Stiefvater». So macht man das. Nur noch leicht optimierbar; dass BDSM die Abkürzung für «Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism» ist, dürfte wohl nur Anwendern dieser Praktik bekannt sein. «Perverse Sexspiele» heisst das im gepflegten Boulevard.

Auch der nächste Dreierschlag auf der Homepage ist bester Boulevard:

Geht da noch einer? Klar:

Aber auch ernste Themen kann «20 Minuten»:

Natürlich darf die Abteilung «jöh» und Lebenshilfe nicht fehlen:

Aber auch die Politik und die Wahlen kommen kurz und knackig:

Sex-Ratgeber, da bist du, warst du:

Und noch eine Kategorie, die auch anderen Medien gut anstünde:

Muss man nicht wissen, ist aber gut zu wissen. Es kann dann auch nicht alles gelingen:

Uralt-Sonnenbrillenmodelle, rezykliert und für 200 Franken aufwärts, na ja. Der Dicke mit der merkwürdigen Frisur als Trendsetter? Wunderbar. Nur sollte man dann den Titelbalken nicht über seinen Trend legen, denn das unförmige Jacket und die zerknitterten Hosen sind’s nicht, sondern das hier:

Nach unten schauen, ganz nach unten. Genau, Fischersandalen heisst das, weil da das Wasser rein und auch wieder rauslaufen kann. Was uns der nordkoreanische Diktator damit sagen will, das entzieht sich allerdings der rationalen Analyse, genau wie die meisten seiner Taten.

ZACKBUM ist begeistert. «20 Minuten» illustriert mal wieder ein Grundprinzip des Kapitalismus. Wenn ein Marktteilnehmer ohne Not und aus Dummheit ein Marktsegment aufgibt, nach dem Nachfrage existiert, kommt ein anderer und füllt die entstandene Lücke.

Stellen wir dagegen die Front des Print-«Blick»:

Dafür wollen die tatsächlich 3 Franken. Ablöscher-Headline im abgenudelten «Darum wird ...»-Stil. Schon veraltete Stricker-Headline. Aufreger-Versuch mit dem «Wolfs-Massaker», Dragqueens, die den meisten Lesern dann doch am Allerwertesten vorbeigehen, der deutsche Bundeskanzler mit Augenklappe; ein Foto, das jeder schon überall gesehen hat, ein «Bild des Tages», oder auf Deutsch: ein Füller, wir konnten beim besten Willen nichts anderes zusammenkratzen und auf die Front klatschen.

Und schliesslich das missglückte Logo, das nicht mal durch Gewöhnung besser wird. Kein Knaller mehr, wie es sich für Boulevard gehören würde. Rechts ein unverständlicher Strich, das L als Regenrohr, fort mit allem Kantigen, so soll es angeblich weiblicher werden, was bekanntlich – neben dem grün-woken Intellektuellen, das Stammpublikum des «Blick» ausmacht.

So macht man das richtig:

Ach, und übrigens, das Original, das nur deswegen ungestraft abgekuppelt werden durfte, weil es ja im Hause bleibt, ist wie fast immer viel besser als die Kopie:

Ach, und während «20 Minuten» konsequent gratis ist und bleibt, setzt «Blick» neuerdings auch noch auf eine Bezahlschranke, hinter der Unbezahlbares versteckt wird. Unbezahlbar, weil wertlos.

«20 Minuten» müsste nur noch hier und da etwas nachschärfen und sich vielleicht überlegen, ob es die vornehme Zurückhaltung aufgeben wollte und in den Kampagnen-Journalismus einsteigen. Ja nicht mit Kommentaren und Meinungen, aber mit knackigen Wellen. Zum Beispiel: «Wir fordern gerechte Renten für alle». Aufregerthema, populistische Nummer, das könnte noch weiter Schub geben.

Auf diese naheliegende Idee ist das Blatt der einfachen Worte für einfache Menschen auch nicht gekommen, dafür aber «20 Minuten»:

Und nein, das ist kein «Paid Content»; ZACKBUM ist konsequent werbefrei wie die «Republik», hat aber weder Steuerprobleme noch einen Sex-Skandal am Hals.

 

«Blick» plustert, reloaded

Ladina Heimgartner gewährt ein Interview. Es darf gelacht werden.

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Was der Tagi im Allgemeinen ist, ist persoenlich.com im Speziellen, im Kommunikationsbereich. Wer eine gewisse Bedeutung hat und ein Interview geben will, in dem er unbelästigt von kritischen Fragen was sagen möchte, ist hier richtig.

Also stellte sich Ladina Heimgartner (die Dame mit der extrabreiten Visitenkarte dank Ämterakkumulation) den Wattebauschfragen von Nick Lüthi (ehemals «Medienwoche», dann kä Luscht).

Immerhin, während es bei Tamedia häufig ärgerlich ist, kommt hier der Humor nicht zu kurz. Allerdings der unfreiwillige. Wieso habe denn der «Blick» so lange gezögert, eine Bezahlschranke einzuführen? «Die Zeit war bis jetzt einfach nicht reif. … Je mehr oben in den Trichter reinkommt, desto grösser ist die Chance, dass unten etwas hängenbleibt.»

Hä? Wodurch ist denn die Zeit reif geworden? Was unterscheidet die reife Zeit von der unreifen? Ist ein Trichter ein Gefäss, bei dem unten etwas hängenbleibt? Wieso kennen wir diese Art von Trichter bislang nicht? Gibt es vielleicht eine Zeichnung davon? So wie vom Yeti?

Wie reifte denn die Entscheidung? Heimgartner habe sich umgeschaut und umgehört: «alle haben uns gesagt: «Macht das, habt keine Angst!» Diesen Ratschlag bekamen wir überall.» Als furchtlose Kämpferin für Resilienz, dabei verantwortlich für den grössten Auflageschwund im Schweizer Medienmarkt, hat Heimgartner dann die Bezahlschranke hochgezogen.

Aber damit ist sie noch nicht am Ende des Lateins, wohl weil sie Romanisch kann. Denn sie fragt sich – wohl im Meyerschen Sinne –, was denn die Aufgaben der Medien seien: «Früher war die Antwort ganz klar: informieren und unterhalten. Heute sollten grosse Medientitel – und der Blick ist nun mal einer der grössten – Begleiter in allen Lebenslagen sein.» Sagen wir mal so: dass der «Blick» immer kleiner wird, ist Heimgartners Verantwortung …

Begleiter, Service, da wagt selbst Lüthi die kritische Frage, ob das Internet nicht jetzt schon von Service-Angeboten und Lebenshilfe überquelle. Erst noch gratis. Nun darf man sich bereits die Lachtränen abwischen: «Bei uns steht ein Qualitätsstempel drauf. Da stehe ich zu 100 Prozent hinter Blick. Wir bieten eine Qualität, die einfach verständlich und sehr nah bei den Menschen ist. Das unterscheidet uns von anderen.»

Aber wieso sollte denn nun ein Abo gekauft werden? «Wer sich kurz informieren will, kann das weiterhin genauso tun wie bisher auf Blick.ch. Wer aber in ein Thema eintauchen möchte, kauft ein Abo.» In ein Thema eintauchen, beim «Blick»? Gröl.

Was für Veränderungen ergeben sich sonst noch aus dem «Blick+»? «Blick bleibt Blick, egal ob ein Artikel kostet oder nicht. Da müssen wir den genau gleichen Qualitätsanspruch haben.» Kicher.

Nun kommt aber der Überhammer, so ganz nebenbei. Sei das ein weiterer Schritt weg vom Boulevard? «Genau, wir nennen es nicht mehr Boulevard. Wir verstehen uns als Newsplattform, die schnell ist und auch komplexe Themen sehr einfach erklären und erläutern kann. Dabei stellen wir immer den Menschen ins Zentrum – das macht uns aus, dafür stehen wir.»

«Blick» ist Boulevard. ZACKBUM will nun Heimgartner nicht erklären müssen, was Boulevard ist. Das verstünde sie sowieso nicht. Aber sagen wir so: Boulevard, das macht den «Blick» resilient.

Dann, clever ist die Dame, kommt noch der finanzielle Abbinder: «Natürlich haben wir einen soliden Businessplan. Aber wenn wir zum Beispiel in drei Jahren nicht den Break-even erreichen, hören wir nicht auf mit Blick+. Es geht ja nicht nur darum, ob es ein Digitalabo gibt oder nicht, sondern um ein ganzes Ökosystem

Aha. Es gibt einen stabilen Businessplan. Wenn der dann aber nicht so stabil wäre, macht’s auch nix. Wobei noch die (ungestellte) Frage wäre, was Heimgartner eigentlich unter «Break-even» versteht. Dass der «Blick» mit Bezahlschranke online nicht weniger Geld macht als ohne? Dass er mehr Geld verdient? Wenn ja, wie? Aber wir wollen doch nicht grübeln.

Dann wird Lüthi, immerhin, doch noch etwas fies und fragt, wie das «werteorientierte» Unternehmen Ringier, dass einen verdienten Chefredaktor schon deswegen in den Zwangsurlaub schickt, weil der angeblich «eine gewisse Mitarbeitergruppe bevorzugt behandelt haben» soll, mit Werten wie Gleichstellung oder LGBTQ beispielsweise in Serbien umgehe.

Da braucht Heimgartner zwei Anläufe: «Ringier ist auch sehr unternehmerisch getrieben und die Managements in den verschiedenen Ländern sind weitgehend autonom.» Das reicht dann wohl nicht, muss sie sich gesagt haben: «Ringier Serbien steht hinter unseren Werten, etwa in Sachen LGBTQ oder sie positionieren sich klar im Russland-Ukraine-Kontext, mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.» Hier braucht der Leser ein neues Taschentuch, aber ein grosses, für die Lachtränen. Und der schlecht vorbereitete Lüthi haut ihr hier keine Schlagzeilen von Blic-Serbien um die Ohren.

Aber immerhin hakt er nach, wie das denn konkret bei Blic in Serbien aussehe. Heimgartner rudert resilient vor sich hin; das Blatt bilde eine «breite Perspektive an Ansichten ab. Darunter auch Positionen, über die wir hier in der Schweiz vielleicht die Nase rümpfen würden oder die wir aus unserer Sicht sogar verurteilen, etwa beim Umgang mit Kosovo

Man könne halt nicht alles durch die Schweizer Brille betrachten, meint Heimgartner staatsfraulich. Hier wird’s nun echt peinlich, wie schlecht ausgerüstet Lüthi ins Interview ging.

Dass CEO Marc Walder im letzten Moment als «Key Note» Speaker bei der Verleihung des Zürcher Journalistenpreises kniff, um vom serbischen Präsidenten Vucic eine Ehrenmedaille umgehängt zu kriegen? Dass der Blic ungehemmt Regierungspropaganda betreibt, Titel produziert wie «Russland wärmt sich in der Ukraine gerade auf», einen Artikel über den gestählten Kämpfer Putin mit dessen Zitat über die G7-Führer überschreibt «Wenn sie sich ausziehen würden, wäre das ein ekelhafter Anblick»?

Gut, kann man vielleicht nicht durch die Brille des Schweizer «Blick» betrachten, der seinerseits Selenskyj zum Kriegshelden hochhudelt.

Den grössten Elefanten lässt Lüthi allerdings unkommentiert im Raum stehen. Wie verhält es sich mit den Inseraten hinter der Bezahlschranke? Wieso schafft es Ringier nicht, wenigstens hier nur selbst abzukassieren? Was unternimmt man gegen Google-Ads? Da verstummt Lüthi.

Dass eine deutlich überforderte Steffi Buchli den Tennis-Star anlässlich der Wirren um dessen Einreise nach Australien als «Und täglich grüsst der Drama-King» beschimpfte, während der Blic Serbien schäumt, Djokovic  aus dem Land zu schmeissen sei «einer der grössten Sportskandale des 21 Jahrhunderts», wäre das nicht auch eine Frage wert gewesen?

Aber vielleicht ist das ja gelebte Meinungsvielfalt. Was aber Heimgartner betrifft: keine Meinung haben und sie nicht ausdrücken können, das erlaubt ihr auch nur persoenlich.com.

 

«Blick» plustert

Nun will auch Ringier im Internet abkassieren.

«Zugang zu Blick+ gibt es bereits für 9.90 CHF/Monat. In Kombination mit dem Blick-E-Paper kostet der Zugang 19.90 CHF/Monat und mit dem gedruckten SonntagsBlick 24.90 CHF monatlich.»

Als das letzte grosse Medium macht «Blick» das, was die anderen schon längst vollzogen haben. Er bietet weiterhin einen Teil seines Angebots gratis im Internet an, andere Teile verschwinden hinter einer Bezahlschranke.

Dafür verspricht er «200 exklusive Artikel pro Monat, umfassende Ratgeber- und Service-Artikel», dazu noch «exklusive Rabatte, Events und Führungen durch den Blick-Newsroom».

Das sieht dann so aus:

Natürlich macht «Blick» nicht den Fehler des «Nebelspalter» und legt die Schwelle niedrig:

Nur: wird’s auch funktionieren? Die Geschichte, wie Medien im Internet Geld verdienen können, ist lang und tragisch. Denn sobald eine Bezahlschranke hochgezogen wird, bricht der Traffic zusammen. Der wiederum ist entscheidend für die Werbeeinnahmen im Internet.

Allerdings ist es in der Schweiz so, dass Google, Facebook & Co. sowieso den grössten Teil des Online-Werbekuches verfrühstücken. Gleichzeitig wird der Anteil Online-Werbung am gesamten Werbeumsatz immer bedeutender. Er nähert sich 50 Prozent, während Print und elektronische Medien deutlich abgeben.

Nun ist es aber bei einer Paywall entscheidend, ob dahinter nur Werbung erscheint, deren Erlös an den Veranstalter der Webseite geht. So wie’s aussieht, begleiten aber weiterhin Google-Ads die «Blick»-Artikel.

Der Anmeldeprozess ist relativ schmerzlos, wobei es irritiert, dass man ein Abo abschliessen und ein Zahlungsmittel angeben muss, obwohl der erste Monat gratis sei.

Und welche Wunderwelt an Artikeln kann man entdecken, wenn man «geplusst» hat, wie der «Blick» das nennt?

Wahnsinn. Noch mehr Knaller?

Scheint ein Minderheitenprogramm zu sein, da die Mehrheit der «Blick»-Leser wohl eher nicht Hausbesitzer ist. Dann hätten wir noch diesen da:

Apropos jodeln, da gibt’s noch einen Nachschlag:

Schade auch, aber das hier ist natürlich der Brüller, für den man gerne zahlt:

Hier wird’s dann richtig ernst:

Plus noch eine Sport-Story wären das also zurzeit zehn Artikel, die der kein Abo besitzende Konsument nicht vollständig lesen kann. 33 Rappen soll das täglich wert sein, jährlich schlüge so ein Abo in der billigsten Version mit 118.80 zu Buche.

Da «Blick» bei der Bezahlschranke das Wichtigste vergessen hat – dahinter nur Inserate zuzulassen, bei denen der Veranstalter der Plattform alleine kassiert –, dürfte das Experiment finanziell nicht einschenken. Da auch der «Blick» keine absolute Bezahlschranke hochzieht, dafür aber sicherlich von jetzt an sukzessive immer mehr Artikel dahinter platzieren wird, ist die Prognose nicht schwierig: funktioniert finanziell nicht. Lässt mittelfristig den Traffic einbrechen, während die Zahl der Abonnenten in einem überschaubaren Rahmen bleiben wird.

Wir beten daher die Erklärungen jetzt schon runter.

  1. Es ist noch zu früh, um erste Zahlen zu nennen. Aber der Erfolg liegt im Rahmen der Erwartungen.

  2. Die Zahlen sind durchaus erfolgversprechend, aber zurzeit werden sie nicht kommuniziert.

  3. Es dauert länger, die Marktpenetration erfolgreich durchzuführen.

  4. Wir arbeiten daran, das Angebot noch besser und noch attraktiver zu gestalten.

  5. Wir nehmen die Leserreaktionen sehr ernst. Sie sind überwiegend positiv, auch wenn es einzelne kritische Stimmen gibt.

  6. Wir haben beschlossen, das Bezahlmodell nochmals zu überarbeiten.

  7. Wort-, klang- und spurlos verschwindet es. Die wenigen Abonnenten bekommen einen Gutschein.

CH Media neu mit Bezahlschranke

Vorbei mit gratis. Ausser für Watson.

Seit gestern sind alle Newsportale von Basel und vom Mittelland bezahlpflichtig. CH Media ist damit später als die Konkurrenz auf den Zug aufgesprungen. Ihr reines Digital-Abo kostet bei der «Aargauer Zeitung» pro Monat 14.50 Franken und ist günstiger als die Konkurrenz.  Beim Tages-Anzeiger kostet die gleiche Dienstleistung 19 Franken pro Monat. Die NZZ (30 Franken) ist natürlich immer noch am teuersten.

Wie ein Mediensprecher von CH Media gegenüber Zackbum ausführte, wird mit einem «gewissen» Traffic-Verlust gerechnet, «auch wenn beim Freemium-Modell nur ausgewählte und klar gekennzeichnete Artikel kostenpflichtig sind, die restlichen Inhalte des Zeitungsportales aber frei zugänglich bleiben.»

CH Media will mit dem Schritt «hochwertigen Journalismus» nicht mehr gratis anbieten. Dazu zählen: längere Interviews, Hintergrundberichte, aussergewöhnliche Reportagen und  Datengeschichten.

Dem Vernehmen nach sollen sich auch Abonnenten darüber beschwert haben, dass sie blechen müssen, während andere gratis herumsurfen dürfen. Zu letzteren gehört auch das Katzennews-Portal Watson. CH Media: «An der Newsbelieferung betreffend Watson ändert sich nichts.»