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Tamedia: Probebohrung

Werden wir ganz objektiv. Auf dem Newsnet sind am 30. 9. haargenau 62 Artikel erschienen. Wertschöpfung?

Neben der Selbstbefriedigung des Autors, dem Verbreiten der richtigen Meinung oder dem Verteilen von guten Ratschlägen, an denen die Welt genesen soll, ist die Hauptaufgabe einer Newsplattform, Mehrwert zu schaffen.

In der neuen Rubrik Probebohrung untersuchen wir den Output eines Tages. Da wir leider keinerlei Hilfswillige, Kindersoldaten oder Sozialhilfemepfänger beschäftigen, wählen wir aus diesen Stücken per Zufallsprinzip 10 aus. Wobei wir uns bemühen, Ausland, Politik, Wirtschaft, Sport und Feuilletonistisches zu berücksichtigen.

Jedes Werk kann maximal drei Punkte erzielen. Für Authentizität (das konnte man sonst nirgends lesen), für Erkenntnisgewinn (das wusste man vorher so nicht) und schliesslich für die informative Bedeutung (die Mitteilung ist es wert, publiziert und gelesen zu werden).

Daraus ergibt sich ein maximaler Punktestand von 30. Ein Ergebnis von bis zu 15 Punkten bedeutet: durchgefallen. 15 bis 25: durchaus mit Gewinn zu lesen. Über 25: fucking world class, wie Chris von Rohr sagen würde.

Frisch ans erste Werk

  1. Gewalt gegen Ausländerinnen: «Es wäre besser gewesen, wenn er mich richtig verprügelt hätte». Das könnte interessant sein; zwei Fallbeispiele von Gewalt in der Ehe mit Ausländerinnen oder unter Ausländern in der Schweiz. Und die Probleme, die durch die an die Ehe gekoppelte Aufenthaltsberechtigung entstehen. Aber zäh ziehen sich «Republik»-verdächtige 26’000 A dahin, dennoch bleiben die Beispiele unvollständig und blass. Ein Punkt für Authentizität, einen halben für Erkenntnisgewinn. Score: 1,5.
  2. Streit bei den US-Demokraten: Sie hält Bidens Schicksal in den Händen. Eine Schmonzette vom SZ-Korrespondenten Hubert Wetzel über eine dissidente demokratische Senatorin. Leider null Punkte. Score: 1,5
  3. Lieferengpässe in Vietnam: On-Aktien stehen unter Druck. Der Artikel stammt aus der F&W, also kommt er auch nur auf null Punkte. Score: 1,5
  4. Rücktrittsgerüchte um Bundesrat: Die Nachfolger von Ueli Maurer stehen schon bereit – es sind fast alles Männer. Zwei Autoren rühren in der Gerüchteküche und präsentieren angebliche Nachfolgekandidaten. Halber Authentizitätspunkt, ein Erkenntnisgewinn, halbe Bedeutung, weil spekulativ. Score: 3,5
  5. Zürcher Kampf gegen Ölheizungen: «Das Energiegesetz führt zu keiner einzigen Leerkündigung». Sagt der grüne Baudirektor, dem der Autor nicht widersprechen will. Aber immerhin einiges an Informationen zusammengetragen. Daher 1 plus 1 plus 1. Score: 6,5
  6. Erklärungen vom Tornadoexperten: Wie es zum Tornado in Kiel kam. Das es sich hier um eine Zangengeburt handelt, merkt man schon dem holprigen Titel des Fremdbeitrags an. Also 0 Authentizität, ein halber für Gewinn und 0 für publikationswürdig, weil dieses Problem in Kiel durchaus interessiert, in Zürich weniger. Score: 7
  7. Aufschwung mit Tücken: Hat Sportklettern ein Sexismus-Problem? Wir kommen zur Sportberichterstattung. Exotische Sportart; eine deutsche SZ-Journalistin berichtet über einen Knatsch in Österreich. Das gibt leider null Punkte. Score: 7
  8. Britneys Vater als Vormund abgesetzt: Endlich frei. Ein Beitrag zum People-Journalismus des SZ-Mitarbeiters Jürgen Schmieder über den erfolgreichen Befreiungskampf von Britney Spears. Leider nix Authentisches, halber Erkenntnisgewinn und sagen wir grosszügig, dass das Thema interessiert, auch noch ein Punkt. Score: 8,5
  9. Kolumne Katja Früh: «Fuck, du bist alt geworden». Die virulente Kolumnitis muss auch berücksichtigt werden. Leider trifft es hier Katja Früh. Es geht irgendwie um Alltag, irgendwo um Langeweile, dann ein Tochter-Mutter-Ding, und schliesslich sehr viel Katja Früh betrachtet ihren Bauchnabel. Aber immerhin authentisch, daher insgesamt ein Punkt. Score: 9,5
  10. Tipps für die Wohnungssuche: So finden Sie selbst in Zürich eine neue Bleibe. Ausserhalb von Zürich kein weltbewegendes Thema, hier aber schon. Also authentisch, dank Tipps bereichernd, und publikationswürdig auf jeden Fall. Score: 12,5.

Leider ergibt diese völlig subjektive Auswahl mit immerhin nachvollziehbaren Kriterien einen Gesamtpunktestand, der nur das Verdikt zulässt: durchgefallen. Lag’s an der Auswahl? An der Subjektivität der Beurteilung? An den verwendeten Kriterien? Kann man alles anführen, wenn man sich das Ergebnis schönreden will.

Aber ZACKBUM bleibt dabei: Wenn das eine einigermassen repräsentative Auswahl des Online-Schaffens vom 30. September war, dann bekommt der Konsument nichts Adäquates dafür geboten, dass er seine Zeit – und Geld bei all den Artikeln hinter der Bezahlschranke – investiert.

Das würde sich mit einer zusätzlichen Subventionsmilliarde auch nicht ändern, im Fall.