Wumms: Elmar Thevessen
Beim Namen Trump drehen die meisten Journis durch.
6,3 Milliarden Euro kassiert in Deutschland die ARD; damit ist sie der grösste nicht-kommerzielle Programmanbieter weltweit. Das ZDF nimmt immerhin noch 2,5 Milliarden Euro ein. Eine Etage tiefer, aber nicht viel, fliegt die SRG mit 1,54 Milliarden Franken. Für um den Faktor zehn weniger Zuschauer und Zuhörer, notabene.
Eine ganze Stange Geld; da muss die Oma eine Weile für stricken, wie man im Norden sagt. Aber auch diese wohldotierten Anstalten verfallen in Schnappatmung, wenn ein Name im Raum steht. Der gehört zu einer Figur, die sicherlich einige sehr unsympathische Eigenschaften hat. Aber offensichtlich genug Anziehungskraft, damit diesmal sogar eine Mehrheit aller US-Stimmbürger ihn gewählt hat.
Da es sich nicht schickt, diese Amerikaner direkt zu beschimpfen – denn das wäre ja undemokratisch – wird halt der Mann beschimpft, den sie gewählt haben. Einen notorischen Lügner, einen Geschäftsmann mit mehreren Pleiten hinter sich, einen verurteilten Kriminellen – und jemanden, der verklausuliert zum Sturm auf das Capitol aufrief und bis heute behauptet, dass ihm der Wahlsieg 2020 gestohlen worden sei.
Aber Schwamm drüber, nun hat er ja gewonnen.
Allerdings, das vertragen nicht alle US-Kenner und Koryphäen. Die deutsche «Bild» hat sich mal den Leiter des ZDF-Studios in Washington vorgeknöpft. Das bestreicht übrigens nicht nur die USA, sondern auch «u.a. El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Jamaika, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Panama».
Vielleicht liegt es daran, dass der Leiter Elmar Thevessen nicht ganz sattelfest ist. Obwohl er Mitglied der Atlantik-Brücke ist, aber das wäre ein anderes Thema. Gewohnt direkt prügelt «Bild» auf ihn ein:
In den sozialen Medien regnet es Spott und Häme: «Man darf Hafermilch nicht Milch nennen, aber Elmar Thevessen darf man US-Experte nennen.»
Eingehandelt hat der sich das durch tatsächlich krachende Fehleinschätzungen. So sagte er im ZDF, dass Joe Biden «ein Stückchen fester im Sattel sitzt». Drei Tage vor dessen Rücktritt als Präsidentschaftskandidat.
Noch Anfang Jahr hatte der Experte verkündet: «Joe Biden ist zwar gebrechlich, aber geistig topfit und hält die Fäden seiner Partei in der Hand.» Ist ja schon erstaunlich, wie schnell so ein Zerfall gehen kann. From hero to zero, wie der Ami sagt.
Ob das auch sein Problem ist? Noch in der Wahlnacht, als selbst die «New York Times» die Wahlchancen von Trump bei «über 90 Prozent» sah und Fox-News ihn bereits als nächsten Präsidenten verkündete, sagte Thevessen stoisch im ZDF: «Wir sehen zwar ein paar Warnzeichen», so führte er aus, aber «es kann immer noch gut sein, dass sie (Harris, Anm. d. Red.) gewinnt.»
Auch am Mittwoch wird das satirisch kommentiert in den Sozialen Medien: «Elmar Theveßen rechnet wahrscheinlich immer noch nach, ob Kamala nicht doch noch eine Chance hat.»
Würde man sich die Mühe machen, fände man ähnliche oder deckungsgleiche Fehleinschätzungen in den meisten Schweizer Massenmedien, inklusive SRG.
Es kann nun viele Gründe geben, aus denen man Trump für einen unerträglichen Kotzbrocken hält, der weder einmal und schon gar nicht zweimal US-Präsident werden sollte. Diese persönliche Meinung sollten aber Newsredaktoren, vor allem, wenn sie von Gebührengeldern von allen bezahlt werden, für sich behalten. Oder höchstens einmal in Form eines persönlichen Kommentars Dampf ablassen.
Aber ansonsten wäre es ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dem Gebührenzahler, dem Abonnenten die Fakten darzubieten, Erklärungen zu liefern, Analysen und Einordnungen. Denn dafür werden sie bezahlt.
Wer aber – wie zuvorderst der Amok-Auslandchef von Tamedia – den nächsten Präsidenten der USA stattdessen wüst und hemmungslos beschimpft und damit die Mehrheit der US-Wähler zu Volltrotteln erklärt, ist seiner Aufgabe nicht gewachsen. Er versagt dabei, zu erklären statt zu meinen.
Es interessiert die Mehrheit der Tamedia-Leser so wenig wie die Mehrheit der ZDF-Gucker, in welchem Gemütszustand sich die wohlbezahlten sogenannten Experten befinden. Es interessiert auch nicht, dass sie sich in Wunschgebiete flüchten, statt die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Zuerst Biden, dann Harris als die grosse Chance heraufjubeln, diesen Gottseibeiuns noch zu stoppen. Und als das nicht gelingt, den Mann hemmungs- und masslos niederzumachen.
Ihm wieder und wieder sein Strafregister vorzuhalten. Als ob das auch nur im Ansatz erklären könnte, wieso er einen dramatischen Sieg eingefahren hat. Er hat seine Konkurrentin deklassiert, das war kein Kopf-an-Kopf-Rennen, sondern ein Kantersieg.
Und da wird behauptet, nur übelwollende Rechtspopulisten möchten die Medien zurechtstutzen, weil sie deren aufklärerische Macht fürchten. Auch da muss man Englisch sprechen: what a bullshit.