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Wumms: Swissaid

Bundespräsident besucht Kolumbien. Swissaid ist dort. Na und?

Bundespräsident Alain Berset hat Kolumbien einen Staatsbesuch abgestattet. Schliesslich ist die Schweiz indirekt an den Friedensverhandlungen der Narco-Guerillas mit der kolumbianischen Regierung beteiligt. Und eine weitere Terroristen-Gruppe hat gerade in Havanna ein Friedensabkommen unterzeichnet.

Ausserdem interessiert sich der Bundespräsident natürlich für die kolumbianischen Frauen. Nein, Scherz, er hat auch Entwicklungshilfsprojekte besucht und die Bedeutung der Stärkung der Zivilgesellschaft unterstrichen.

Wunderbar, Swissaid ist seit 1974 in Kolumbien und verballert dort pro Jahr 1,355 Millionen Franken, unterstützt von der Bundesbehörde Deza. Also hat Berset doch sicher im 75. Jubiläumsjahr von Swissaid die Gelegenheit genutzt, eines der «sechs laufenden Projekte» dort zu beehren, das würde doch Swissaid sicherlich auch mehr Renommee gegenüber kolumbianischen Behörden geben.

Aber: im Reiseprogramm fand sich kein Hinweis darauf. Eine Nachfrage beim EDA ergab dann: «Der Besuch eines Projekts von Swissaid ist im sehr dichten Programm dieser Reise nach Kolumbien nicht vorgesehen.»

Hoppla. Da solche Reisen immer minutiös vorbereitet werden, lässt das nur einen Schluss zu: das EDA findet die Projekte von Swissaid dermassen uninteressant, dass sich ein Besuch gar nicht lohnt. Das spricht Bände.

Die WoZ spinnt

Das Gefäss «Die Welt spinnt» ist gestrichen. Das erledigt die WoZ selbst.

Eigentlich sollte man die Lektüre einstellen, wenn ein Artikel so beginnt: «Der Mann ist ein intimer Kenner der SVP, einer aus der parteinahen Presse. «Berset ist die grösste Trophäe!», meint er im Lärm des Zürcher Schützenhauses Albisgüetli.»

Eigentlich sollte man die Lektüre einstellen, wenn dieser Satz auftaucht: «Die WOZ sprach mit Dutzenden Beteiligten und Expert:innen aus Politik, Justiz und Medien.» Die aber leider alle anonym bleiben wollten.

Eigentlich sollte man gar nicht mit der Lektüre beginnen, wenn der Artikel so ausgestattet ist:

Treibjagd? Zu Fall bringen? Niederungen der Zürcher SVP? Schön, dass von Anfang an klargestellt wird, dass hier ergebnisoffen recherchiert wurde.

Selbstverständlich wird auch nicht mit maliziösen Unterstellungen in Frageform gearbeitet: «Der Druck auf Marti ist immens. Endet seine Karriere mit einem komplett verpfuschten Verfahren? Und ist das schon ein Motiv für die Weitergabe von Untersuchungsakten

Auch absurde Forderungen wie die, dass ein Journalist seine Quellen offenlegt, haben im Text der WoZ nichts zu suchen: Patrik «Müller (Oberchefredaktor bei CH Media, Red.), der in allen seinen Texten gegen Berset zielt, will nicht offenlegen, ob er weiss, auf welchem Weg die Dokumente zu ihm gekommen sind, wer dahintersteckt und was das Motiv ist.»

Neu ist auch, dass Müller in «all seinen Texten» gegen Berset ziele, aber wenn’s die WoZ sagt, die in all ihren Texten gegen die SVP zielt …

So nebenbei werden auch noch Hiebe gegen unliebsame Konkurrenz ausgeteilt: «Warum führt er (Untersuchungsrichter Marti, Red.) sein Verfahren so treffsicher in Richtung Lauener, Ringier und Corona? Ein Motiv, das sagen verschiedene Auskunftspersonen, könnte darin bestanden haben, dass Marti eine Art Coronaverschwörung witterte. Er habe bei den Verhören auch aus dem Schwurblerportal «Die Ostschweiz» zitiert».

Schwurblerportal? Abgesehen davon, dass ZACKBUM-Redaktor René Zeyer dort schwurbelt: eine so bösartige Unterstellung aus Corona-Zeiten sollte dann vielleicht schon ein wenig belegt sein, oder nicht, Kollegen von der Wäffel-WoZ.

Wunderbar sind auch immer geschwurbelte Unterstellungen, die sich auf Hörensagen und angebliche persönliche Verbindungen abstützen: «Offen ist auch, ob Marti Getriebener war oder Geschobener, ob er also für seine Ermittlungen Anstösse von aussen erhalten hat. Schliesslich ist er Teil eines Zürcher SVP-Bekanntenkreises, zu dem Alexia Heine gehört, die Präsidentin der Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft, ebenso wie Nationalrat Alfred Heer, Mitglied der Geschäftsprüfungskommission.»

Es gab vor vielen Jahren vor allem in Italien die Tradition des Politthrillers, der immer so anfing, dass in Neapel einer tot vom Fahrrad fällt, in Mailand ein Untersuchungsrichter knapp einem Attentat entgeht, und in einem Hinterzimmer üble Gestalten ein Komplott ausbrüten.

Offenbar haben die WoZ-Redaktoren zu viel solcher Filme gesehen: Der Generalsekretär des EDA Markus «Seiler stand wiederholt im Verdacht, Urheber der Leaks gegen Berset zu sein. Tatsächlich gibt es zeitliche Parallelen: Wann immer Seiler unter Druck geriet, gab es ein Leak zu Berset. «Die Luft wird dünn für Seiler», hiess es wegen des Crypto-Untersuchungsberichts am 11. November 2020 im «Tages-Anzeiger». Nur zehn Tage später sprachen alle Medien nur noch von der Erpressungsaffäre gegen Berset».

Zufälle aber auch. Wobei, wenn’s nicht Seiler war, könnte es auch so gewesen sein: «Durchaus denkbar, dass ein SVP-Maulwurf sie weitergab.»

Und wenn sich die WoZ schon im Konjunktiv der Verschwörungstheorien verliert, kann sie auch gleich völlig ins Gebüsch fahren: «Falls die Kampagne gegen Berset in den hohen Berner Regierungssphären oder in den Zürcher SVP-Niederungen ihren Ursprung hätte, käme das einem politischen Skandal gleich.»

«Falls hätte, käme gleich», welch ein Geschwurbel.

Am Schluss setzt die WoZ dann noch ein letztes Glanzlicht. Den Autoren ist nämlich doch noch aufgefallen, dass sie eigentlich die Einzigen sind, die solchen Verschwörungstheorien nachhängen. Das könnte nun, um eine Konjunktiv-Vermutung zu äussern, damit zu tun haben, dass man bei abstrusen Konstrukten immer ziemlich alleine auf weiter Flur steht.

Aber das kann natürlich nicht sein, also gibt es laut WoZ einen schlimmen Verdacht, wieso sich nur die aufrechten und furchtlosen Zwei, das Dream-Team Renato Beck und Kaspar Surber, unter Lebensgefahr an eine solche Recherche wagen: «Die Frage, ob es nicht mindestens so zwingend wäre, die jetzige Kampagne gegen Berset politisch zu untersuchen, hat bisher niemand in Bern offen gestellt. Den Grund, den man im Off hört, ist durchaus beunruhigend: Wir wollen nicht selbst plattgewalzt werden.»

Da sind wir aber beunruhigt und platt. Und hoffen, dass den beiden nichts zustösst, bevor ihnen die Tapferkeitsmedaille für angst- schwindel- und realitätsfreien Journalismus verliehen wird.

Doppelwumms: Denis von Burg

Wir ahnten es. Sonntag, Tiefflieger unterwegs.

«Die Empörung über die Corona-Leaks ist heuchlerisch», haut der Chef der Bundeshausredaktion von Tamedia seinen Kollegen vom Tagi eins in die Fresse. Aber natürlich meint von Burg nicht die, sondern vor allem Politiker von der SVP. Wir wollen ihn auf diesem argumentativen Tiefflug nicht begleiten.

Denn es gibt Dialektik und es gibt Dadaismus: «Solche Interna aus dem Bundesrat gehören zum System und tun diesem zuweilen gut.» Immerhin: von Burg bleibt sich treu. Gesetze, das Amtsgeheimnis, Vertraulichkeit, scheiss drauf, meint der Ignorant des Rechtsstaats.

Zur Schande des Journalismus wurde von Burg hiermit:

Eine weitere Duftmarke:

«Impfgegner und -trödler verlängern mutwillig oder fahrlässig die Pandemie und gefährden andere. … Mit der Rücksicht auf esoterische oder ideologische Impfverweigerer und rücksichtslose Trödler muss Schluss sein. … Das Tabu Impfzwang, sei er direkt oder auch nur indirekt, muss jetzt fallen

Diese Sprache hat etwas Martialisch-Totalitäres. Hier wird nicht argumentiert, hier wird dekretiert. Abgesehen davon, dass all diese Behauptungen von der angeblichen Gefährlichkeit Ungeimpfter und des Schutzes durch Impfung längst widerlegt sind: hier schrieb ein sich als Antidemokrat, als Verächter des Rechtsstaats outender Amok, der doch tatsächlich einen Bundesrat dazu aufforderte, sich über geltende Gesetze hinwegzusetzen.

Nun könnte man einen solchen hysterischen Anfall noch verzeihen, wenn sich der Autor bei Gelegenheit öffentlich dafür entschuldigt hätte. Tut er aber nicht. Stattdessen wirft er vom hohen Ross der arroganten Rechthaberei weiter mit Werturteilen um sich und bezeichnet es als «Heuchelei», wenn die Instrumentalisierung eines Medienkonzerns durch einen Bundesrat kritisiert wird.

Dass Tamedia ihn weiter schreiben lässt, ist hingegen keine Heuchelei. Es ist schlimmer: eine Dummheit.

 

Blöd, blind, «Blick»

Harte Zeiten für das kastrierte Boulevardmedium.

Es kommt knüppeldick für den «Blick». Zunächst macht sich der CEO und Mitbesitzer des Ringier-Verlags zum Deppen. In einer öffentlichen Veranstaltung verrät Marc Walder «ganz unter uns», dass er seine Redaktionen angewiesen habe, die Regierungen beim Kampf gegen die Pandemie konstruktiv zu unterstützen.

Sargnagel Nummer eins für die behauptete redaktionelle Unabhängigkeit und wichtiger Grund, dass die Subventionsmilliarde für reiche Medienclans an der Urne versenkt wurde.

Damals griff auch noch die Quotenfrau mit extrabreiter Visitenkarte ein. Ladina Heimgartner – wir holen tief Luft – ist Mitglied des Group Executive Board, Head Global Media, Head of Corporate Center und auch noch CEO der Blick-Gruppe. Sie bejubelte schon die «Verweiblichung» des «Blick», den Verzicht auf Blut, Busen und Büsis, auf den Sexratgeber, die Misshandlung des Logos.

Dann griff sie höchstpersönlich noch in die Tasten, als es längst klar war, dass die Steuermilliarde abschiffen würde. Unter völliger Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit machte sie sich mit einem Kommentar lächerlich. Darin behauptete sie doch ohne rot zu werden:

«Journalistinnen und Journalisten sind im Wissen um ihre Verantwortung der Gesellschaft und der Wahrheit verpflichtet. Es geht ihnen darum, Fakten ans Licht zu bringen und einzuordnen, damit sich die Leserinnen, Zuschauer, User ihre eigene Meinung bilden können.»

Das und die Floskel «Resilienz» sind ihre einzig bekannten Beiträge zur Förderung des Journalismus.

Besonders putzig wirkt dieser Kommentar im Nachhinein, weil währenddessen ein reger Austausch zwischen dem Departement Berset und Ringier-CEO Walder stattfand. Der dirigierte aus dem Homeoffice, voll von hysterischer Angst vor dem Virus, die wohlwollende mediale Begleitung und Antizipation der Entscheidungen des Bundesrats.

Im Nachgang zur Enthüllung der «Schweiz am Wochenende» zählte der «Tages-Anzeiger» ganze 180 Mailkontakte zwischen dem Kommunikationschef Bersets und Walder. Der behauptete nassforsch, es habe da höchstens so einen Kontakt pro Woche gegeben. Mehrere pro Tag wäre realitätsnäher.

Sowohl Kommunikationschef wie Bundesrat verweigerten die Antwort auf die Frage, ob in diesen Kontakten auch vertrauliche Informationen weitergeleitet wurden. «Inside Paradeplatz» hingegen wirft die Frage auf, ob die Vorabinformation, dass der Bundesrat wohl den Ankauf von Impfstoffen im Wert von 100 Millionen Franken beschliessen werde («klotzen, nicht kleckern») nicht börsenrelevant sei. Heikle Zusatzfrage.

Nun hat sich Bundesrat Berset auf das Allerheilmittel für alle Politikerbobos entschieden. Er habe von nix nix gewusst und im Übrigen sage er nix, er wolle sich ja nicht strafbar machen.

Seither ist die «Blick»-Gruppe ziemlich in der Bredouille. Die wenigen verbliebenen seriösen Journalisten fragen sich ernsthaft, ob man sie und ihre Arbeit überhaupt noch ernst nehmen kann. Zumal die betroffenen Organe seit Platzen des Skandals am Samstag über dieses und jenes berichtet haben. So vermeldeten sie den Rücktritt der deutschen Verteidigungsministerin oder dass Lehrer Angst vor Schülern haben.

Auch dass Salar Bahrampoori seine Hochzeitspläne verrate, ist eine Schlagzeile wert. Aber der «Blick»-Skandal? Informationspflicht an den Leser, Aufklärung, Rechtfertigung, Selbstkritik? Ach was, stattdessen zunächst Schweigen im Walde.

Denn zuerst musste natürlich die Führungscrew entscheiden, ob und wie man reagiert. Zunächst alle Optionen durchspielen, exklusive Rücktritt Walder. Und nach scharfem Nachdenken kam dann das Dreamteam Heimgartner und Dorer zur schlechtmöglichsten Lösung.

Wobei zu vermuten ist, dass Oberchefredaktor Christian Dorer gute Laune und Schwiegermuttertraum-Ausstrahlung weitgehend verlor, weil er diesen Schwachsinn mitunterzeichnen musste.

Denn in einem internen Mail am Montagmorgen, das natürlich sofort durchgestochen wurde, behaupten die beiden: «Blick wird unterstellt, dass wir zwei exklusive Beiträge durch die Kommunikation zwischen dem EDI und unserem CEO, Marc Walder, publizieren konnten. Dies ist falsch

Recherchen hätten ergeben, dass der Primeur über die Impf-Beschaffung aus Quellen der Politikchefin Sermîn Faki stamme. Eine weitere Vorabmeldung hätten der stellvertretende Politikchef und ein Bundeshausredaktor «recherchiert». In beide Beiträge sei CEO Marc Walder in keiner Weise involviert, zitiert «persönlich.com» aus der Mail.

Dann kommt’s nochmal knüppeldick: «Diese Klarstellung ist uns wichtig. Die Blick-Gruppe arbeitet unabhängig. Dass der CEO eines Medienunternehmens Kontakte zu Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung und Kultur pflegt, ist ein üblicher Vorgang. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere Berichterstattung, wie auch der § 8 ‹Blick arbeitet unabhängig› im Redaktions-Manifest regelt.»

Wir wischen uns die Lachtränen aus den Augen und hören auf, prustend auf dem Boden zu liegen und um Gnade zu winseln.

Sagen wir mal so: Faki ist nun ziemlich unkündbar, ebenso die beiden anderen erwähnten Journalisten. Es wäre natürlich denkbar, dass die Vorabinformation über den geplanten Kauf von Impfmitteln in Multimillionenhöhe in Bern auf dem Silbertablett herumgebogen wurde, alle anderen Medien dankend ablehnten und nur Saki zuschlug. Es ist auch denkbar, dass Michael Ringier gelegentlich in die Türe seines Aston Martin tritt. Es ist denkbar, dass Walder diese Exklusiv-Information hatte, sie aber im Tresor für süsse Geheimnisse versenkte – so wie er den regen Mailverkehr mit Bersets Departement und die engen Kontakte mit dem Bundesrat nur aus rein persönlichen Motiven aufrecht erhielt. So von Glatzkopf zu Glatzkopf.

Dass sich aber erwachsene «Blick»-Journalisten  – von den übrigen Medien ganz zu schweigen – einen solchen Hafechäs anhören müssen, ohne das Gesicht zu verziehen (denn in gespannter Lage ist klar: wer mopst, fliegt), das ist schon ein starkes Stück.

Wenn man sich schon mehr als 48 Stunden Zeit nimmt, um scharf nachzudenken, dann müsste doch etwas Belastbareres herauskommen. Es wäre Zeit, sich mal wieder an die alte Journalistenregeln zu erinnern. Streite niemals etwas ab, was dann doch ans Licht kommt. Lieber hinstehen, einstecken, Entschuldigung sagen, Reue mimen, Zerknirschung heucheln – und abwarten. Denn es geht vorbei. Immer.

Aber wer noch so Öl ins Feuer giesst, ist selber schuld, wenn die Hütte dann lichterloh brennt.Auf jeden Fall ist Walder mit dieser Redaktionsmail der Gefahr eines erzwungenen Rücktritts nicht entronnen. Sondern wenn schon nährgekommen.

Walder? War da was mit Walder? Aber nein …

Ob wohl alle Autoren dieser Zeilen anlässlich der letzten Walder-Panne vor einem Jahr so abgehärtet sind, dass nicht eine leise Röte ihr Gesicht beim Lesen überzieht?

«Journalismus, wie Blick ihn macht, ist unabhängig von Einmischungen, von Regierungen, von Direktiven und selbst vom CEO. Nur von einem nicht: von gesellschaftlicher Verantwortung.Die Chefredaktion der Blick-Gruppe Christian Dorer, Steffi Buchli, Gieri Cavelty, Andreas Dietrich, Sandro Inguscio, Michel Jeanneret, Roman Sigrist»

Es wäre zum Herausprusten, wenn es nicht so peinlich und bedenklich wäre.

Die schreckliche Vorhersehbarkeit

Ein Magazin sollte ein bunter Strauss sein. Aber nicht getrocknet.

Die «Weltwoche» ist häufig einer der ganz wenigen Lichtblicke in der düsteren Schweizer Medienlandschaft. Wo in geholpertem Deutsch Gesinnungsjournalismus und Haltungsgewäffel geboten wird. Niemals darf der pädagogisch erhobene Zeigefinger fehlen, wird gefordert, kritisiert, gemahnt.

Nun hat aber auch die «Weltwoche» gelegentlich einen Schwächeanfall, und der zeigt sich aktuell ganz deutlich auf dem Cover:

Thilo Sarrazin, der grosse Soziologe und Erforscher der Wokeness, äussert sich zu Rastas und Ähnlichem. Wie dichtete schon Schiller im Wallenstein: «Spät kommt ihr, doch Ihr kommt.» Ein Thema noch später als Frank A. Meyer aufgreifen, das ist schon eine Leistung. Als nette Werbung ein Kapitel aus dem neusten Buch von Sarrazin abzudrucken und zur Titelstory zu machen, das ist nun eher peinlich. Vor allem, weil Sarrazin nur längst Bekanntes zur Debatte rezykliert.

Aber es wird schon ganz am Anfang ganz schlimm. Denn der wiedergeborene Christ Roger Köppel (nur echt mit Heiligenschein) raunt über den «Glauben, die Urkraft des Lebens».  Als wäre er ein kleiner Heidegger, fabuliert er vom «Weltgeheimnis», vom «Wunder der Existenz» und vom «Rätsel des Lebens». Er öffne sich dem «dankbaren Staunen», «Gemüt, Herz», schwurbel, schwurbel. «Das Christentum lehrt», und schliesslich die typisch köppelsche Apotheose: «Ohne Glaube keine Schweiz.» Das hat immerhin etwas Originelles, ist aber einfach eine Abwandlung der guten, alten «Willensnation».

Aber Himmels willen, als habe es Kant, «Die Kriminalgeschichte des Christentums», die unzähligen Abrechnungen mit dieser ältesten Verbrecherorganisation der Welt nicht gegeben, schwärmt Köppel mit zunehmendem Alter von theologischen Fragestellungen. Denen er sich mit dem kleinen Besteck eines Staunenden, aber nicht Wissenden nähert. Auch hier hätte die Existenz eines Herausgebers oder eines Verlegers gutgetan, der gesagt hätte: langweile damit Freunde und Familie, aber bitte nicht den Leser. Dem bliebe dann Gott sei Dank solche Frömmlerei erspart. Denn mit Glauben verhält es sich wie mit Rassismus. Er existiert, ist aber falsch.

Auch anschliessend erfüllt jeder Mitarbeiter sein Soll. Christoph Mörgeli hackt auf Bundesrat Berset herum. Die Post-Faschistin Giorgia Meloni wird als «Primadonna der Vernunft» hochgejubelt. Solche Vorschusslorbeeren sind erfahrungsgemäss bei der WeWo immer schnell verwelkt. «Neonazis in der ukrainischen Armee», «Einbruch der Geburtenzahlen», möglicherweise wegen der Corona-Impfung, «jetzt ist der Moment, um ein Auto mit voluminösem Verbrennermotor zu kaufen», eine «Würdigung» von Alexander Dugin durch den völlig unabhängigen Thomas Fasbender, der schon das Pech hatte, Putin als den «Missverstandenen» zu porträtieren, als der am Erscheinungstag der WeWo in die Ukraine einfiel.

Fehlt dem Leser noch etwas, um ermattet und gähnend abzuwinken? Klar doch: Angeblich «basierend auf wahren Gegebenheiten» fantasiert Tom Kummer über Nicolas Cage: «Vielleicht ist er der beste Schauspieler der Welt.» Vielleicht auch nicht, aber wer interessiert sich schon für ein Urteil des unter dem Münchhausen-Syndrom leidenden Kummer?

«Literatur und Kunst», endlich der rettende Lichtblick, aber geht auch vorbei. Aber dann kommt «Leben heute», Leute glotzen als wär’s die «Bunte», und schliesslich noch ein «indiskretes Interview» mit Lisa Eckhart, deren Kraft zur Provokation auch nicht unbegrenzt ist. Dass Nietzsche in allem Recht habe, ihre politische Einstellung «k. und k.» sei, «kaiserlich und kommunistisch», und dann noch der Brüller auf die Frage, wieso sie noch nicht Veganerin sei: «Ich würde sofort auf Fleisch verzichten, wenn Gemüse Schmerz empfände», das alles kitzelt den Gähnreflex unstatthaft.

So sieht das Ende der Provokations-Fahnenstange aus.

 

 

 

Hitzegewitter

Wie das Klima, so die Medien.

Sommerloch oder Sommerhitze? Oder beides? ZACKBUM ist sich nicht sicher, wenn wir solche Nachrichten im «Blick» sehen:

Und das, nachdem der Bundesrat schon fröhlich gebechert hatte. Müssen wir hier mit dem Schlimmsten rechnen? Wird Bersets Sprecher seinen Posten behalten? Wir halten den Atem an und nehmen selber einen tiefen Schluck.

Dann haben wir den hier:

Da sitzt ein älterer Herr mit einem deutlich prononcierten, nun ja, Embonpoint bequem in seinem Lehnsessel vor sorgfältig hindrapierter Bibliothek, und fordert kriegslüstern «Waffen, Waffen, Waffen». Das brauche die Ukraine offenbar zuvorderst und in erster Linie. Ob der wohlbeleibte Herr Publizist wohl selbst Hand anlegen wird? Oder lässt Frank A. Meyer es bei Befehlen aus dem Sessel zu Berlin bewenden?

Auch Tamedia hat Unerhörtes zu vermelden:

Wollen wir uns das bildlich vorstellen? Oder lieber nicht.

Selbst die NZZ scheint etwas unter der Sommerhitze, dem Starkregen oder sogar Hagel zu leiden:

An diesem Titel stimmt nun genau – nichts. Es ist kein Urteil, spektakulär schon gar nicht, es waren keine sensationslüsterne, sondern höchstens persönlichkeitsverletzende Artikel. Gewinn herausgeben muss «Blick» ebenfalls nicht. Denn das Gericht hat lediglich entschieden, dass Ringier Zahlen zu liefern habe, mit denen sich dann allenfalls ein möglicher Gewinn berechnen liesse. Wobei die Auffassungen der Streitparteien naturgemäss sehr weit auseinanderliegen. Das Lager JSH geht von Hunderttausenden an Gewinn aus, Ringier rechnet eine knapp fünfstellige Zahl aus. Genaueres wird man in ein paar Jahren wissen. Aber eine saubere Leistung der NZZ.

Etwas dunkel bleibt der Sinn dieser Meldung aus dem St. Galler «Tagblatt»:

Wieso könnte das ein Scherz sein? Wieso ist es kein Scherz? Aber natürlich ist ein «falscher» Fussgängerstreifen illegal. Insbesondere, wenn er von Unbekannten angebracht wird.

Zum Schluss noch eine gute Nachricht und Entwarnung in Sachen Zappel-Leu:

CH Media konnte keinerlei Gezappel bei ihr feststellen. Allerdings traut man ihr dort einen Durchbruch zu. Muss aber vermelden, dass sie keinen erzielen konnte. Was mal wieder bedeutet, dass die EU die Koahäsionsmilliarde gerne kassiert, aber nicht mal Kleingeld herausgibt.

Wer verwendet als Erster das K-Wort?

Geschnatter aus dem Bundesrat.

Es sind bedrückende Fotos, Videos und Augenzeugenberichte, die uns aus der Ukraine erreichen. Die Indizien verdichten sich, dass die russischen Besatzungstruppen in den von ihnen beherrschten Gebieten ein Terroregime gegen die Bevölkerung errichtet haben.

Das tritt offen zu Tage, wenn sie sich zurückziehen müssen. Es verdichten sich ebenfalls die Hinweise, dass Butscha kein Einzelfall ist. Wenn Verbrechen normale Dimensionen sprengen, sind zwei Wörter schnell zur Hand: Kriegsverbrechen und Völkermord.

Der Schweizer Bundespräsident und Aussenminister Cassis spricht von «krassen Verletzungen» des Völkerrechts und von «mutmasslichen Kriegsverbrechen». Damit hat er völlig recht und bewegt sich auch innerhalb dessen, was von der Schweizer Neutralität übriggeblieben ist. Durch die Übernahme der EU-Sanktionen hat sich die Schweiz bereits für Russland als neutraler Vermittler, der wie üblich seine guten Dienste anbietet, disqualifiziert.

So fanden die ersten bilateralen Kontakte zwischen Russland und der Ukraine nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, in Genf, sondern in der Türkei statt. Nun kann man argumentieren, dass es der Schweiz egal sein könnte, wie sie vom Totalversager Putin qualifiziert wird.

Es wäre allerdings doch wünschenswert, wenn der Bundesrat mit einer Zunge spräche. Die im besten Fall dem dafür zuständigen Aussenminister gehören sollte. Nun ist allerdings ein Jekami ausgebrochen.

Bundesrätin Keller-Sutter, eigentlich für die Justiz innerhalb der Schweiz zuständig, spricht bereits von «klaren Hinweisen auf Kriegsverbrechen». Bundesrätin Sommaruga, eigentlich für inländischen Verkehr zuständig, wollte den Bundesrat zu einer Zustimmung bewegen, die Kanada erlaubt hätte, Kriegsmaterial über den Luftraum der Schweiz zu transportieren.

Und schliesslich meldet sich nun auch noch Gesundheitsminister Berset zu Wort. Er leidet offensichtlich unter einem Aufmerksamkeitsdefizit, seitdem Corona nicht mehr die Schlagzeilen beherrscht. Also gewährt er Christian Dorer, dem Oberchefredaktor der «Blick»-Gruppe, ein Interview. Und dort erklärt er nassforsch, dass es sich selbstverständlich um Kriegsverbrechen handle, was sich in der Ukraine abspiele.

Das sind keine Wortspielereien und auch kein Tanz um Nebensächlichkeiten. Auf der obersten Ebene der Politik, vor allem, wenn es ums Ausland geht, ist eine klare Sprache unabdingbar. Es kann eigentlich nicht sein, dass verschiedene Mitglieder der Landesregierung verschiedene Formulierungen verwenden.

Medien, Journalisten, ZACKBUM können von Kriegsverbrechen schreiben, wenn ihnen danach ist. Auf politischer Ebene ist die einzig korrekte Formulierung «mutmassliche Kriegsverbrechen». Aber das Wort Unschuldsvermutung ist dermassen ausser Mode gekommen, dass man in weiten Kreisen kaltlächelnd darauf verzichtet.

Schliesslich geht es um die markige Verurteilung des Kremlherrschers. Der autokratisch in einem Unrechtsstaat herrscht. Dem Rechtsstaatlichkeit abgeht, wo die Justiz parteiisch ist und die Unschuldsvermutung mit Füssen getreten wird. Ups.