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Die Bschiss-Blase

Der Tagi in der Tradition der Tulpenzwiebeln.

Die grosse Tulpenmanie platzte Anfang Februar 1637. Das war die Frühform der Spekulationsblase in der Wirtschaft.

In modernen Zeiten gibt es Spekulationsblasen in den Medien. Sie tragen normalerweise Namen wie «Leaks», «Papers» oder «Secrets». Das ist Schönsprech für das Ausschlachten von Hehlerware, gestohlenen Geschäftsunterlagen. Das sind die modernen Tulpenzwiebeln.

Wie beim Klassiker wird hier ein Riesengeschrei veranstaltet, Worte wie Skandal, Verbrechen, Enthüllung, Kriminelle, Diktatoren, Potentaten und natürlich Blutgelder, Räubereien, Steuerhinterziehung herumgeworfen.

Damit wird diese Blase aufgepumpt und aufgepumpt – bis sie meistens mit einem üblen Verwesungsgeruch platzt. Dann gehen alle nach Hause und jammern auch schon mal gerne über einen «Skandal, der keiner wurde». Weil nach der ewigen Wiederholung selbst die dümmsten Tulpenzwiebelkäufer doch mal die Schnauze voll haben.

Also öfter mal was Neues; immer nur Zwiebeln ist auch langweilig. Di neuste Blase heisst «Bschiss». Da wird zurzeit kräftig gepumpt:

Skandal, gefälschte Unterschriften, «die Linken fordern Maßnahmen», was denn sonst. Im Rahmen des modernen «Digital Storytelling» hat der «Tages-Anzeiger» gleich eine ganze Rubrik eingeführt:

Hinter diesen vier Anrisse verbirgt sich noch ein ganzer Eisberg von weiteren Artikeln:

Politiker sind «sehr schockiert», «Das ist ein Fiasko für unsere Demokratie», der eigene Bauchnabel darf nicht fehlen «Unsere Autoren erzählen, wie sie den Unterschriften-Bschiss enthüllten», dazu Interviews, der Chef der Unterschriftensammler «redet», ein «Campaigner» darf seine Konkurrenz schlecht machen, die Bundeskanzlei rechtfertigt sich.

Offenbar gehört es zum modernen digitalen Storytelling, die gleiche Story gleich mehrfach aufblitzen zu lassen:

Eigentlich sind hier fast alle Artikel doppelt gemoppelt, das soll dem Thema wohl mehr Gewicht geben, ärgert aber die Leser des Qualitätsorgans ungemein.

Die Spitze des Eisbergs, also das, was auf der Homepage thront, ist allerdings nicht mehr so ganz taufrisch. Von den vier Werken stammt das älteste vom 2. September, das jüngste vom 7. Dazwischen einer vom 5. und einer vom 6. dieses Monats.

Da ist viel Lärm, ist da auch viel mehr als nichts? Das ist bis heute die ungelöste Frage, die auch 8 Tage nach der grossen «Enthüllung» noch nicht beantwortet ist. Denn wie hiess es so schön im Startartikel: «Laut Insidern stimmt die Schweiz über Vorlagen ab, die unrechtmässig zustande kommen.»

Das ist verdächtig ähnlich wie bei den ganzen «Leaks»-Blasen. Da wurde aus dem Zusammenhang bekannter Name, Holding oder Trust auf einer kleinen Insel, sofort insinuiert, dass es da nicht mit rechten Dingen zugehen könne. Der Vorteil war: meistens waren die Betroffenen weit weg (oder schon gestorben). War’s näher, zum Beispiel im Fall von Gunter Sachs selig, mussten die Enthüller zurückkrebsen, da sie ihren Vermutungs- und Unterstellungsjournalismus natürlich nicht belegen konnten.

Ähnliches Problem bei der «Bschiss»-Blase. Bislang gibt es Behauptungen, ein paar Anzeigen, Staatsanwaltschaften ermitteln – aber, wie in der SoZ aus dem gleichen Hause richtig zu lesen war: «Es liegen keine Beweise vor».

Blöd aber auch. Denn das ist wie eine Nadel in der Blase. Die wird aufgepumpt mit einer Vermischung von ungültigen und gefälschten Unterschriften, plus der angezweifelten Methode des Kaufs von Unterschriften. Einmal umrühren, fertig: ungültige werden mit gefälschten vermischt, Insider behaupten, eine Sammelfirma wird aufs Korn genommen, fertig ist der Skandal. Die Blase.

Dass die Bundeskanzlei sagt, dass sie schon lange untersuche und bislang noch keinen Anlass für den Verdacht habe, dass Initiativen unrechtmässig zustande gekommen seien – von solchen blöden Zwischenrufen lassen sich die Recherchiercracks des Tagi doch nicht die Laune verderben. Das sind sie von den Leaks-Blasen her gewohnt, dass gestänkert wird.

Sie sind auch gewohnt, dass dann mal die Luft raus ist aus der Blase. Aber he, solange die Pumpe noch funktioniert …

Anatomie zweier Provokationen

Erregungsbewirtschaftung will gelernt sein. Das merken Ameti und der Tagi.

Zurzeit haben wir zwei Phänomene, die um das Gleiche buhlen: Aufmerksamkeit. Die Mechanismen sind ähnlich, die Wirkung nicht ganz die gewünschte.

Als erstes Beispiel haben wir eine mediengeile Frau, der in letzter Zeit nicht mehr viel gelingt. Der Typus ist weit verbreitet, man erinnert sich an eine ehemalige Politikerin aus dem Kanton Zug, die nach jahrelanger, erbitterter Gegenwehr im dunklen Verliess des Vergessengegangenseins verschwunden ist.

Auch eine ehemalige TV-Börsenkursansagerin kämpft unglücklich darum, doch immer mal wieder in den Schlagzeilen aufzupoppen. Aber den Vogel schiesst zurzeit eine mediale Aufmerksamkeit gewohnte Nicht-mehr-so-Jungpolitikerin ab, die es sich zum Geschäftsprinzip erhoben hat, immer mal wieder einen rauszuhauen, auf die Kacke zu hauen, um dann zu schauen, was passiert und welches Aufmerksamkeitslevel sie damit erreicht.

Aber solche Provokationen wollen gekonnt sein. Es ist eine Gratwanderung. Einerseits muss es ein Aufreger sein, aus der Norm fallen, leicht vermittelbar sein. Echte C-Promis arbeiten da meist mit Storys aus ihrem Privat- oder gar Intimleben. Hund hat Durchfall, Partner ist fremdgegangen, das neuste Facelifting in die Hose, man hat es geschafft, Einlass zu einem In-Place zu finden, ein Kellner ist pampig geworden.

Andererseits darf die Provokation nicht over the top sein, sozusagen ein Ameti. Die erregt zwar auch Aufmerksamkeit, aber es gilt eben längst nicht mehr «any news is good news», spielt alles keine Rolle, solange der Name richtig geschrieben ist.

Bei der jüngsten Provokation handelt es sich um eine durchkalkulierte Angelegenheit. Schwarze Kleidung, Riesenknarre, mittelalterlicher Hintergrund, jemand, der die Dame in Kampfpositur fotografiert. Einen dummen Spruch draufgeklebt, und dann eine Nahaufnahme der durchlöcherten Köpfe von Maria und Jesus, sowie noch ein paar Treffer in einem Vogel, vielleicht in der leisen Hoffnung, auch noch Tierschützer auf die Palme zu bringen.

Wahrscheinlich war von Anfang an einkalkuliert, dass sich die Provokateurin anschliessend dafür entschuldigen würde und um Verzeihung bitten. Allerdings formulierte sie die Entschuldigung dermassen bescheuert, dass spätestens hier die Provokation zum Rohrkrepierer wurde. Aufmerksamkeit erzielt. Aber dermassen negativ konnotiert, dass ihre wenigen verbliebenen politischen Ämter und vielleicht sogar ihre Arbeitsstelle in Gefahr sind.

Sollte sie gefeuert werden, kann sie noch ein letztes Mal versuchen, sich als armes Opfer fremdenfeindlicher, antimuslimischer Sexisten darzubieten. Und dann Abgang ins Vergessenwerden.

Mit anderen journalistischen Mitteln versucht gerade Tamedia, Aufmerksamkeit zu erregen. Dazu will der Qualitätsmedienkonzern eine heilige Kuh der Schweiz schlachten. Die Volksinitiative. Auch das ist ein provokatives Reizthema. Unterschriften gefälscht, nicht bemerkt, vielleicht wurde über Initiativen abgestimmt, die gar nicht genügend gültige Unterschriften hatten. Skandal, «Bschiss», Sauerei.

Hineingerührt werden alle Aufreger, deren man habhaft wird. Politiker entrüsten sich, weil sie wissen, dass nur die zwei, drei stärksten Sprüche in die Medien kommen, Ausgewogenes oder der Hinweis auf die Unschuldsvermutung und das Fehlen jeglicher Beweise fallen aus den Traktanden.

Dann die Nachzüge. Das Interview, der Kommentar, die Wiederholung, mit der einmal Behauptetes zur Gewissheit verdichtet werden soll. Plus möglichst viele Triggerwörter. Ämter schlafen, Regierung tut nichts, mussten wachgerüttelt werden, Tagi fordert, dringliche Massnahmen, die Demokratie ist in Gefahr, muss geflickt werden. Dass dabei unsauber gearbeitet wird, zum Beispiel ein «Campaigner» über Unterschriftensammler herziehen darf, ohne dass ausgewiesen wird, dass das seine Konkurrenz ist, niveaulos.

Aber auch hier geht langsam die Luft raus. Und lustigerweise die «SonntagsZeitung» aus dem gleichen Haus schlägt einen grossen Sargnagel in diese Provokation zwecks Erregungsbewirtschaftung ein. Indem in einem Interview schlichtweg schon im Titel auf die Achillesferse der ganzen künstlichen Erregung hingewiesen wird:

Fieserweise wird hier die Initiantin der Ernährungsinitiative interviewt, deren Anliegen die woke Tagi-Redaktion durchaus wohlwollend gegenübersteht.

Franziska Herren hat auch die Sammelfirma Incop von Franck Tessemo dafür bezahlt, Unterschriften zu sammeln. Genau die steht im Kreuzfeuer des Tagi. Sie verteidigt die Firma mit guten Argumenten: «Meine Erfahrungen mit Herrn Tessemo waren insgesamt positiv. Aus meiner Sicht ist die Unschuldsvermutung in seinem Fall auf gravierende Weise verletzt worden. Das bedaure ich sehr.»

Und dann lässt sie mit einer schlichten logischen Deduktion die Luft aus dem Provokationsballon, den der Tagi in die Stratosphäre steigen lassen möchte:

«Ungültige Unterschriften dürfen nicht einfach mit gefälschten Unterschriften gleichgesetzt werden. Der von den Medien aufgebrachte Verdacht, dass es unter den beglaubigten Unterschriften Tausende unentdeckter Fälschungen gibt, ist reine Spekulation. Es liegen bisher keine Beweise dafür vor. Fakt ist: Es laufen einige Strafverfahren wegen Unterschriftenfälschungen. Wie viele das sind, ist nicht bekannt.»

Während der Tagi halt- und beleglos ungültige und gefälschte Unterschriften in einen Topf wirft, ist Herren auch hier ganz klar. Bei ihrer letzten Initiative, Trinkwasser, wurden «ungefähr 300» Unterschriften für ungültig erklärt.

Die SoZ hakt nach: «Hätten Sie etwas dagegen, wenn die Bundeskanzlei an Ihrer Initiative ein Exempel statuiert und jede einzelne Unterschrift genau auf Fälschungen prüft?
Ich hätte absolut nichts dagegen. Ich bin ja daran interessiert, dass das System glaubwürdig bleibt und Fehler behoben werden können.»

Sie hat auch eine dezidierte und begründete Meinung, wieso Unterschriften gegen Bezahlung nicht verboten werden sollte:

«Ich bin froh, dass ein Verbot des kommerziellen Sammelns nicht vorgesehen ist. Ich bin überzeugt, dass wir die Herausforderung anders lösen können. Wenn bei einer Bank eine Unterschrift nicht korrekt ist, wird auch nicht gleich die ganze Bank geschlossen. Aus meiner Sicht würde ein Verbot die direkte Demokratie schwächen, die auf dieser Welt einzigartig ist und die ich als sehr wertvoll erachte

Und sie untermauert das nachvollziehbar:

«Der Bauernverband kann innerhalb von drei Monaten 100’000 Unterschriften sammeln, weil er auf eine bestehende Organisation zurückgreifen kann. Für Bürgerinnen und Bürger, die eine Volksinitiative auf die Beine stellen wollen, um Defizite in der Politik zu ändern, aber nicht auf solche Strukturen zurückgreifen können, ist es viel schwieriger. Das Einreichen von Initiativen darf nicht zum Privileg der grossen Parteien und Verbände werden.»

All das geht natürlich den Provokateuren bei Tamedia schwer an einem gewissen Körperteil vorbei. Sie haben aber gute Chancen, dass sie wie bei den immer als Flop endenden Leaks und Papers auch hier einfach etwas verbrannte Erde hinterlassen, möglicherweise eine weitere Firma ruinieren (so wie in der Vergangenheit diejenige eines schweizerisch-angolanischen Geschäftsmannes, gegen den kein einziger Vorwurf vor Gericht standhielt), um sich dann einfach zu trollen und jede Verantwortung abzustreiten.

Damit stärken sie natürlich, wie Ameti, ungemein ihre Reputation und ihr Image als ernstzunehmende öffentliche Stimme.

 

Aktivismus statt Journalismus Teil 2

«Rundschau»-Beitrag über Schaffhauser Prügelattacke: ein demagogisches Meisterwerk. Die minutiöse Aufarbeitung.

Von Thomas Baumann

Hier geht es zu Teil 1.
Eine Vergewaltigung zur Einschüchterung — in der Wohnung eines Anwalts? Starker Tobak!
Selektive «Filmrisse»
All diese geschickten rhetorischen Verknüpfungen verdecken einige Widersprüche:
Fabienne W. soll möglicherweise zweimal innerhalb von etwas mehr als einer Woche vergewaltigt worden sein. An beide Vergewaltigungen kann sie sich nicht mehr explizit erinnern, in beiden Fällen wird ein Filmriss geltend gemacht.
In beiden Fällen erfolgt weiter der Hinweis auf die Aufnahme von Speisen oder Getränken. Im ersten Fall behauptet der Sohn, jemand habe der Mutter etwas ins Getränk gemischt — die Begründung dafür steht allerdings argumentativ auf ziemlich schwachen Füssen.
Im zweiten Fall ging es Fabienne W. nach dem «Dessert» nicht mehr gut. Das Dessert ist an sich völlig unerheblich — entsprechend wird nicht einmal gesagt, was es zum Dessert gab. Trotzdem wird es erwähnt.
Auch das ist kein Zufall. Das meiste Unwohlsein nach dem Genuss einer Nachspeise wird durch verdorbene Lebensmittel hervorgerufen. Wäre tatsächlich ein solches Unwohlsein vermutet worden, wäre nach der Art des Desserts gefragt worden. Doch natürlich ist nicht eine solche Form von Unwohlsein gemeint: Das Dessert ist in der Schilderung ein rein ‹neutrales› Medium, in das man gegebenenfalls KO-Tropfen geben könnte.
Im Widerspruch zu diesem Filmriss-Narrativ steht allerdings, dass an dem Abend, an dem Fabienne W. gemäss ihrem Sohn «etwas ins Getränk gemischt» wurde, diese einen sexuellen Kontakt ausgerechnet mit der Begründung «Weil ich davon nichts weiss» in Abrede stellt. Auch SRF scheint dieser Widerspruch nicht aufgefallen sein: Ist es doch gerade die Eigenschaft von KO-Tropfen, dass sich das Opfer an nichts mehr erinnern kann.
Geschickte Verknüpfungen und strategische Auslassungen
Schaut man sich die Sendung wiederholt an, fallen einem immer neue geschickte rhetorische Verknüpfungen und Auslassungen auf:
Obwohl es um eine «Einladung zum Abendessen» ging, wird mit keinem Wort erwähnt, welche Speisen dort verzehrt wurden. Ein richtiges Festessen würde natürlich dem Narrativ widersprechen, dass es sich bei der Einladung bloss um einen geschickt kalkulierten Hinterhalt handelte. Eine wohlkalkulierte Auslassung.
Dennoch wird erwähnt, dass es Dessert gab. Weil sich damit ein neuer Verdacht bedienen lässt.
Auch die Auswahl aus dem Videomaterial ist selektiv. So meint SRF zu einer Sequenz: «Die Aufnahmen zeigen auch, wie der Anwalt den Kampfsportler auffordert, auf W. loszugehen.» Ganz offensichtlich hat SRF aus dem gesamten Videomaterial bloss die Szenen ausgesucht, welche ihr Narrativ unterstützen.
Widersprüche — und eine versteckte Agenda?
Während rund der Hälfte des Beitrags lässt sich SRF darüber aus, dass die Behörden die Beweismittel offenbar unsachgemäss sicherstellten. Währenddessen werden den Zuschauern die Aufnahmen der Überwachungskameras in allen Details serviert.
Auch diesen Widerspruch vermag SRF nicht aufzulösen: Entweder sind auch die Strafverfolgungsbehörden im Besitz dieser Aufnahmen — und damit ist mehr als genug Beweismaterial für eine Verurteilung der Täter vorhanden. Die ganzen Vorwürfe an die Strafverfolgungsbehörden lösen sich in nichts auf.
Oder aber SRF verfügt tatsächlich exklusiv über diese Aufnahmen — und die Strafverfolgungsbehörden nicht. Dann fragt sich aber, wie SRF in deren Besitz gelangt ist. Der Anwalt dürfte sie ja kaum an SRF durchgestochen haben.
Einen Hinweis, worum es SRF in seiner Berichterstattung wirklich gehen könnte, zeigt eine Sequenz ganz am Schluss des «Rundschau»-Berichts vom 22. Mai: «Das Verfahren wegen Vergewaltigung beziehungsweise Schändung [in der Nacht vom 16. Dezember 2021] wurde inzwischen eingestellt. Fabienne W. hat dagegen Beschwerde eingelegt.»
Warum wird das erwähnt? In erster Linie hat diese Angelegenheit mit der Prügelattacke vom 28. Dezember 2021, welche im Zentrum der Berichterstattung steht, erst einmal nichts zu tun. Auch SRF dürfte zudem klar sein, dass es aufgrund der erdrückenden Beweislage in der Prügel-Affäre mit grösster Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung der Täter kommen wird.
Die Frage stellt sich: Warum rennt SRF mit der Berichterstattung über die Ereignisse in der Anwaltswohnung quasi offene Türen ein? Geht es letztlich gar nicht um diese Angelegenheit, sondern etwas anderes, eine Angelegenheit, wo SRF keine offenen Türen einrennen würde und wo die Beweislage viel dünner ist — nämlich die Ereignisse vom 16. Dezember 2021?
Dem Anwalt geht es an den Kragen
Auch in den Anwalt scheint sich SRF recht eigentlich verbissen zu haben: «Der Anwalt praktiziert weiter. Obwohl ihm das Anwaltspatent entzogen werden könnte, wenn die Aufsichtsbehörde zum Schluss kommen würde, dass er nicht mehr handlungsfähig oder vertrauenswürdig ist.»
SRF bedient sich hier derselben Methoden wie die Antifa: Man begnügt sich nicht mehr mit Kritik, sondern versucht, den Gegner auch in seiner beruflichen Existenz zu zerstören. Der Hinweis auf einen möglichen Entzug des Anwaltspatents ist nur zu durchsichtig: Es ist geradezu ein Wink mit dem Zaunpfahl an die zuständigen Behörden.
Dabei geht es hier nicht etwa um einen Anwalt, der seine Klienten schlecht beraten hätte und vor dem deshalb das Publikum geschützt werden müsste. Nein, hier soll ein Anwalt dafür bestraft werden, dass er sich mit den falschen Leuten abgibt.
Macht dieses Beispiel Schule, sind wir auch in der Schweiz bald bei chinesischen Verhältnissen: Dort werden nach den Angeklagten jeweils auch gleich noch deren Anwälte verurteilt und ins Gefängnis gesteckt.
Feministische Kreise dürften sich die Hände reiben: Haben wegen Vergewaltigung Angeklagte keinen oder nur noch eingeschränkten Zugang zu Anwälten, weil das Berufsrisiko für diese zu gross wird, dürfte die Zahl der Verurteilungen zunehmen.
Funiciello verirrt sich nach Schaffhausen
Eine klassisch unehrliche Masche ist auch das Lead zum verschriftlichten Bericht: «Der Polizei wird kriminalistisch unhaltbares Vorgehen und Unprofessionalität vorgeworfen», so SRF. Ja, von wem stammt denn dieser Vorwurf? Doch bloss von SRF selber.
Erst wirft SRF der Polizei Unprofessionalität vor und schreibt dann, der Polizei werde Unprofessionalität «vorgeworfen». Der Trick ist nur zu durchsichtig. Dass SRF zu diesem Zweck einen Experten herbeizieht, ändert nichts an der Masche.
Voreingenommene journalistische Arbeit hin oder her: Der Schaden ist angerichtet und die übrigen Verdächtigen springen auf den anfahrenden Zug auf, sofern sie nicht gleich von SRF selber eingeladen werden, wie die «Expertin für geschlechterspezifische Gewalt» Agota Lavoyer.
So krakeelte SP-Nationalrätin Tamara Funiciello an einer Demonstration in Schaffhausen: «Soll ich dort beginnen, wo einmal mehr eine Frau von einer Gruppe Männer zusammengeschlagen, gedemütigt, vergewaltigt wurde
Aus sechseinhalb Minuten in einem Schlafzimmer ohne Überwachungskamera und einer unbelegten Insinuation, dass dort eine Vergewaltigung passiert sein könnte, wird so eine scheinbare ‹Gewissheit›: Es gab dort eine Gruppenvergewaltigung — ausgeführt von einer Horde Männer innerhalb von sechseinhalb Minuten, inklusive dem Opfer die Kleidung wieder vollständig anzuziehen.
Was eine Berner Nationalrätin überhaupt im Kanton Schaffhausen verloren hat und ob es wirklich ihre Aufgabe ist, die Arbeit der Ermittlungsbehörden in einem anderen Kanton zu kritisieren — danach fragt schon gar niemand mehr.
Fortsetzung folgt.

Tamedia im Sturzflug

Noch ein Interview mit Agota Lavoyer. Auch das noch.

Die selbsternannte «Expertin für sexualisierte Gewalt» hat ein Buch geschrieben. Der Inhalt (und das Thema) geht ungefähr 80 Prozent aller Tagi-Lesern schwer an einem hinteren Körperteil vorbei. Aber natürlich nicht dem Woke-Kuchen, der gnadenlose Jagd auf die verbliebenen Abonnenten macht.

Immer, wenn es einen «Catcalling-Selbstversuch» gibt, der eigentlich nur ergibt, dass selbst an der Zürcher Langstrasse Sitte und Anstand herrschen, ist Lavoyer mit Pauschalverurteilungen zur Stelle. Nachdem schon die WoZ die Autorin sagen liess, was sie schon immer unwidersprochen sagen wollte, interviewt nun auch Tamedia die weibliche Ausgabe eines Marko Kovic.

Dass Jessica King zuvor bei «Alliance F» gearbeitet hat, ist bestimmt Garant für kritisches Hinterfragen. Oder auch nicht, denn schon das Titelzitat ist eine Frechheit:

Eine reine Unterstellung, bar jeder Empirie oder Vernunft. Aber Lavoyer kann noch mehr, einleitend wird sie gefragt: «Sie schreiben in Ihrem neuen Buch: Die Frage ist nicht, ob eine Frau je sexuell belästigt wird, sondern bloss wann. Ist das eine Zuspitzung, oder meinen Sie das genau so?» Und Lavoyer antwortet tatsächlich, sie sei überzeugt,

«dass es keine Frau – beziehungsweise keine weiblich sozialisierte Person – auf der Welt gibt, deren sexuelle Integrität in ihrem Leben nicht in irgendeiner Form verletzt worden ist».

Man nehme einen Schaumgummibegriff wie «sexuelle Integrität», ohne den auch nur umrissartig zu definieren, und stülpe dann eine völlig unbelegte Behauptung drüber. Das soll jemand ernst nehmen?

Eigentlich müsste man nach so einem Unsinn das Interview (oder seine Lektüre) abbrechen. Aber ZACKBUM geht für seine Leser durchs Fegefeuer von Wahnwelten. Denn alles, schlichtweg alles ist sexuelle Gewalt, sexuelle Gewalt ist überall um uns, noch schlimmer: «Solange frauenfeindliche Botschaften an die nächste Generation weitergegeben werden, wird es in der Schweiz auch sexualisierte Gewalt geben

Allerdings macht es einem Lavoyer mit jedem Nonsens, den sie auf den anderen stapelt und sich dabei sogar noch steigern kann, immer schwerer, durch diesen Sumpf von unbelegten Vorurteilen zu waten:

«Es kann ja nicht sein, dass schon so viele Frauen in der Schweiz vergewaltigt worden sind, dass jede Frau schon sexuell belästigt wurde, aber keine Männer Täter sein sollen.»

So viele Frauen? Jede ist eine zu viel, aber laut Polizeistatistik wurden 2023 in der Schweiz 1371 Frauen vergewaltigt. Es leben rund 4,5 Millionen Frauen in der Eidgenossenschaft. Das sind also 0,03 Prozent. Nehmen wir noch eine gewaltige Dunkelziffer dazu, kämen wir auf vielleicht 0,1 Prozent. Also eine Unsinns-Behauptung, nur noch getoppt vom Zusatz, dass schon wirklich jede Frau sexuell belästigt worden sei.

Das ist genauso wie die Mär von «Dick Pics», die angeblich schon jede zweite Frau unverlangt zugeschickt bekommen habe. Obwohl natürlich völlig unrepräsentative Umfragen im weiteren weiblichen Bekanntenkreis immer ergeben: null Betroffene.

Man muss sich mal vorzustellen versuchen, dass ein wahnhaft Religiöser, ein Apokalyptiker, der das Ende der Welt vorhersagt, ein rassistischer Spinner, der von der Verunreinigung der weissen Rasse faselt, solchen Bruch ungebremst und ohne in die Schranken gewiesen zu werden, vor Millionen von Lesern ausbreiten dürfte.

Es gäbe – zu recht – einen Aufschrei und einen Shitstorm in Orkanstärke. Aber wenn eine völlig jedes Mass verloren habende Promotorin ihres Buchs (das übrigens in scharfer Konkurrenz zu ähnlichen Machwerken steht) buchstäblich reinen Stuss erzählt und behauptet, dann wird sie höchstens pseudokritisch («Sie nennen dieses System im Buch «Rape Culture». Worauf basiert diese?») abgefragt.

Es ist wie bei den Genderwahnsinnigen und den faschistoiden Sprachreinigern, die alle «bösen» Wörter wie Mohr eliminieren wollen, weil es dann eine bessere Welt gäbe. Langsam aber sicher verlieren sie an Terrain, und auch die rachsüchtige oder öffentlichkeitsgeile Denunziation eines Jahre zurückliegenden angeblichen verbalen sexuellen Übergriffs verliert an Strahlkraft und Wirkung. Oder erinnert sich noch jemand an den neusten Angeschuldigten? Tipp: es ist ein Zauberer.

Aber je mehr sie sich ins Abseits gedrängt fühlen, wo sie auch hingehören, desto rabiater und radikaler werden sie mit ihren unverschämten Behauptungen.

Den Tagi lesen und analysieren müssen, das wird immer mehr zum Martyrium. Dafür noch Geld verlangen statt Schmerzensgeld zahlen, das ist eine Frechheit.

 

Die 3 Todesfallen im seriösen Journalismus

Todesfalle Nr. 1: Fake News.

Nr. 2: die Quelle.

Nr. 3: die haltlose Behauptung.

Journalismus ist in erster Linie Vertrauenssache. Und Vertrauen bekommt man nicht einfach mit der Bezahlung des Kaufpreises eines Medienprodukts frei Haus mitgeliefert.

Vertrauen muss man sich erarbeiten. Wieder und wieder. Immer. Denn nur der Leser oder Konsument, der seiner Nachrichtenquelle vertraut, sieht ihre Bezahlung als sinnvolle Ausgabe an. Selbst wenn er nur mit seiner Attention und ein paar Daten bezahlt.

Denn der stillschweigende Kontrakt zwischen Konsument und Produzent ist: Der Produzent liefert nach bestem Wissen und Gewissen und unter Beachtung journalistischer Grundregeln erstellte Artikel ab. Dabei bemüht er sich so weit wie möglich, den Bericht vom Kommentar, von der Einfärbung durch Meinung, zu trennen. Denn der Journalist hat gegenüber dem Konsumenten einen unschlagbaren Vorteil: Er war am Ort eines Geschehens. Er hat mit Menschen gesprochen, er durchdringt Zusammenhänge.

Er liefert auch die Zusammenfassung, die Verdichtung eines umfangreichen Vorgangs. Exemplarisch bei Gerichtsverfahren. Die dauern oft lange, spielen sich nach dem Laien nur teilweise verständlichen Regeln ab.

Vertrauen auf korrekte Wiedergabe

Besonders hier muss der Rezipient auf die Fähigkeit des Journalisten vertrauen, eine korrekte Zusammenfassung des Ausgangs eines Verfahrens zu liefern. Wenn also Journalist X schreibt, dass die Partei Y auch in einem Berufungsverfahren gesiegt, Recht bekommen habe, dann muss das so sein. Wozu sollte der Konsument – dafür bezahlt er ja – selber das Gerichtsurteil nachlesen oder nach der Pressemitteilung des Gerichts suchen.

Gift für dieses Vertrauensverhältnis ist aber, wenn sogar ein publizistischer Leiter vom siegreichen Ausgang eines Prozesses für die Partei Y schreibt, während in der Pressemitteilung schwarz auf weiss steht: Im Urteil weist das Gericht die Berufung der Partei Y vollumfänglich ab.

Gelogen wie gedruckt

Das sind dann sogenannte Fake News, alternative Wahrheiten, oder auf gut Deutsch: da wird gelogen wie gedruckt. Schlimmer noch: Der Konsument eines Medienorgans ist im Allgemeinen ein treuer Mensch. Er hat seine lieben Gewohnheiten, und die lässt er sich auch durch höhere Preise für magereres Angebot nicht so schnell vermiesen. Stellt er aber fest, dass er da und dort brandschwarz beschummelt wurde, dann verliert er recht schnell das Vertrauen – und ist dann mal weg.

Zweite Todesfalle: die Quellen

Die zweite Todesfalle sind die Quellen. Normalerweise gilt auch in der Berichterstattung, dass der Urheber einer Aussage mit seinem Namen dazu steht. Nun gibt es natürlich Fälle, in denen das aus den verschiedensten Gründen nicht möglich ist. Dem Urheber könnten berufliche, persönliche, gesellschaftliche Nachteile drohen. Er könnte sogar an Leib und Leben bedroht werden. In solchen Fällen operiert der Journalismus mit der «Quelle». Genauer: mit der «mit der Sache befassten», mit der «vertrauenswürdigen» Quelle.

Noch besser natürlich: mit «zwei voneinander unabhängigen Quellen», die übereinstimmend A gesagt haben. Das Gleiche gilt auch für Dokumente. Die Geschäftsgrundlage bei all den sogenannten Leaks, also dem Diebstahl von Geschäftsunterlagen, ist immer, dass die Quelle anonym bleibt. Verständlich, sie hat ja einen Gesetzesverstoss begangen. Problematisch, denn weder der Leser noch der Ausschlachter solcher Leaks weiss, aus welchen Motiven diese Unterlagen den Medien zugespielt wurden. Und ob sie vorher frisiert wurden.

Auch bei den anonymen Quellen von Aussagen muss der Konsument dem News-Produzenten vertrauen, dass es diese Quellen tatsächlich gibt, ihre Angaben so weit wie möglich überprüft wurden, und dass «wie wir aus einer gut unterrichteten Quelle erfahren» nicht einfach der Euphemismus ist für: Es wird ein Gerücht herumgeboten, das gerade gut in den Kram des Newsproduzenten passt.

«Quellen» verringern das Vertrauen

Denn er kann sich dabei auf seinen rechtlich garantierten Quellenschutz berufen; sich also weigern, die Identität seiner Quelle zu enthüllen. Das entbindet ihn aber nicht davon, den Wahrheitsbeweis für Behauptungen antreten zu müssen. Meine Quelle M hat mir plausibel versichert, dass K ein Betrüger und Krimineller ist, genügt natürlich nicht.

So nötig Quellenschutz auch sein mag, angesichts des zunehmenden Misstrauens gegenüber dem Realitätsgehalt von Berichten lässt die Verwendung von «Quellen» das Vertrauen in den Wahrheitsgehalt eines Artikels abschmelzen.

Dritte Todesfalle: nicht überprüfte Aussagen

Todesfalle 3 ist die Behauptung. X hat das gemacht, Y hat das gesagt, Z hat dieses entschieden. Das einfach mal so rauszuhauen, stellt eine ewige Versuchung im Journalismus dar. Ein Ressortleiter hat ein Buch in Auftrag gegeben, der Chefredaktor und der Verleger distanzieren sich davon.

Das ist eine Traum-News, wenn man die exklusiv hat. Die hat man allerdings nur deswegen exklusiv, weil man es einfach behauptet. Denn das grosse Hindernis, manchmal sogar unüberwindbar, ist die sogenannte Möglichkeit zur Stellungnahme. Die Konfrontation des oder der Betroffenen mit solchen Behauptungen.

Das kann Ärger und Ungemach geben. Ärger, wenn der Konfrontierte einfach bestreitet, so etwas getan oder gesagt zu haben. Ungemach, wenn der Konfrontierte noch zusätzlich mit dem Kadi winkt, sollte die Behauptung dennoch aufgestellt werden. All das kann man natürlich vermeiden, indem man auf diesen lästigen Umweg verzichtet und die News mal raushaut.

Etwas hängen bleibt immer

So wie beim modernen, einfallslosen Eishockey: Den Puck einfach ins gegnerische Drittel dreschen, und dann weiterschauen. Sollte die Behauptung tatsächlich nicht stimmen, dann kann man ja immer noch in Verhandlungen eintreten, den Beitrag elektronisch löschen, eine Gegendarstellung einrücken oder im schlimmsten Fall sich sogar dafür entschuldigen.

Das ist besonders widerlich, wenn es nach der Devise geschieht: Lass die Kacke mal fliegen, etwas hängen bleibt immer. Jeder, der schon einmal von solch üblem Journalismus selber betroffen war, weiss: Es ist einfach unappetitlich. Wehrt man sich, hält man das Thema am Köcheln. Wehrt man sich nicht, bleibt irgendein Unfug so stehen und wird irgendwann mal gegen einen verwendet.

Aber auch hier gilt: Bemerkt das der Konsument, bemerkt er zudem, dass es sich nicht um einen einmaligen Ausrutscher handelt, dann verliert er auch hier das Vertrauen in das Medium.

Drei Schläge daneben – und weg ist der Konsument

In den USA gibt es die schöne Regel: three strikes – and you’re out. Vom Baseball auf Straftaten übertragen: Beim dritten Verbrechen wirst du lebenslänglich aus dem Verkehr gezogen. Das gilt auch für die Medien. Wer Schlag für Schlag das Vertrauen seiner zahlenden Kundschaft verspielt, der ist dann mal draussen. Erledigt. Eingegangen. Worum es dann auch nicht schade ist.