Schuss nach hinten
Wir wollten uns an der «Weltwoche» laben. Aber …
Manchmal sagt ein Titelbild mehr als tausend Worte:
Ein auch schon von ZACKBUM verwendetes Symbolbild; da fehlt nur noch die Hand des WeWo-Redaktors, der den Revolver abfeuert. Aber der Reihe nach. Zunächst: Die WeWo behauptet, das sei eine «Illustration von Wieslaw Smetek für die Weltwoche». Vielleicht müsste sie mal ein ernstes Wörtchen in Sachen copy/paste mit ihm reden, denn dieses Symbolbild geistert in x Varianten durchs Internet:
Zuerst, wir sind unparteiisch, streng, aber gerecht, müssen wir Roger Köppel loben. Er schreibt nicht über Religion in seinem Editorial. Sondern über Churchill, die Geschichte und überhaupt. Ach, und als SVP-Nationalrat gegen den FDP-Parteichef Thierry Burkart. Wobei Köppels politisches Amt natürlich überhaupt nichts mit seiner Position als Journalist zu tun hat.
Aber es sei ihm diesmal alles verziehen, denn dieses Bonmot von Henry Kissinger, dem alten Kriegsverbrecher und Friedensnobelpreisträger, kannten wir nicht:
«Um sich einer Sache absolut sicher zu sein, muss man entweder alles darüber wissen oder nichts.»
Wenn sich das die WeWo doch nur auch öfter zu Herzen nähme.
Allerdings hat Köppel ja ein neues Steckenpferd, und das müssen nun seine Untergebenen zu Schanden reiten. Also echot Beat Gygi in der Titelgeschichte brav: «Besonders in der Gasversorgung wird klar, dass die Russland-Sanktionen das Dümmste sind, was Europa machen konnte.» Die steile These: Russland merke gar nicht viel von den Sanktionen, dagegen habe sich «Europa nicht nur eine selbstverschuldete Energiekrise eingebrockt. Man unternimmt nun alles, um bei deren Bewältigung die Marktkräfte auszuschalten …»
Das ist in etwa so blühender Unsinn, wie Putin als den «Missverstandenen» aufs Cover zu heben, als er gerade in die Ukraine einmarschieren lässt, oder der UBS zu ihrer Krisenbewältigung zu gratulieren, als sie gerade wieder angekrochen kam und um Staatshilfe betteln musste. Nun geht’s also um die steile These, dass die Sanktionen dumm seien. Kontraproduktiv. Ein Schuss ins eigene Knie. Falsch, Unsinnig.
Es herrscht (noch) Meinungsfreiheit in der Schweiz, daher sei diese Meinung unbenommen. Nur ist ist fragwürdig, weil zu ihrer Stützung die Auswirkungen in Europa dunkelschwarz, in Russland blendend weiss gemalt werden. Sicherlich hühnert das politische Personal in der EU (und in der Schweiz) aufgeregt gackernd herum. Aber die versammelte Wirtschaftskraft wird diese Krise mehr oder minder problemlos stemmen. Russland hingegen siecht merklich, zunehmend dahin. Denn es ist heutzutage halt so, dass nur ein winziger Chip fehlen muss, und eine Riesenmaschine, ein Kampfflieger, die ganze Aeroflot, Produktionsstrassen und Massenprodukte fallen flach.
Die Zerstörung der Beziehungen zwischen Russland und Europa wird mittelfristig der Atommacht mit angeschlossener Rohstoffproduktion viel mehr schaden als dem energiehungrigen Westen. Russland könne «Lieferbeziehungen in den Osten, etwa nach China aufbauen», fantasiert Gygi. Vielleicht sollte er sich einmal schlau machen, wie lange der Aufbau der dafür nötigen Infrastruktur dauert. Ausserdem: für Russland wäre es viel besser, über Wirtschaftsbeziehungen mit dem liberalen und marktwirtschaftlichen Westen verbandelt zu sein – als in Abhängigkeit vom rabiat-egoistischen chinesischen Regime zu geraten.
Auch der Schlusssatz des Auftragsartikels zeugt nicht gerade von tiefer Durchdringung der Materie; der Staat nehme dem Stromriesen Axpo «mit Milliarden Strompreisrisiken ab». Na und, kann man da nur sagen, das Geld wird wie bei UBS wieder zurückkommen.
Und sonst? Mörgeli wandert in den Fussspuren von ZACKBUM und faltet den Konzernjournalisten Philipp Loser zusammen. Wolfgang Koydl jubiliert, dass die Demonstration in Prag ein «Vorbote für einen heissen Herbst in Europa» sei. Alles so schrecklich erwartbar.
Dann reitet ein weiteres Steckenpferd Köppels durchs Blatt. Niemand sonst will noch etwas vom Münchhausen-Imitator Tom Kummer veröffentlichen – oder lesen. Auch die WeWo beendete schon mal die Zusammenarbeit. Aber Köppel muss eine verborgene Ader als Sozialarbeiter haben. Vielleicht ist er eben doch ein Gutmensch, der versteht und verzeiht, Gefallenen die Hand reicht, seinen Mantel teilt wie weiland St. Martin auf der alten Hunderternote. Auf jeden Fall darf Kummer wieder mal «basierend auf wahren Begebenheiten» irgendwas über irgendwen schreiben. ZACKBUM ist nicht weiter als bis zur Autorenzeile gekommen. Und zweifelt seither, ob es Irène Kälin wirklich gibt. Ob sie sich mit Kummer getroffen hat. Und ob es ihn wirklich gibt. Drei wertvolle WeWo-Seiten verschwendet, wie schade.
Dann ist natürlich die SP und die ehemalige CVP für das «Schlamassel in der Stromversorgung verantwortlich». Schweden wird zum «gefährlichsten Land des Kontinents», wegen «Bandenmorden». Das wird aber diverse südöstliche Staaten Europas ungemein freuen, dass sie angeblich von Schweden überholt wurden.
Dann interviewt Pierre Heumann ausgerechnet John Bolton über das Vermächtnis von Gorbatschow. Bolton ist der Flachdenker, der zuerst allen politischen Schwachsinns Trumps durch alle Böden verteidigte, dann dennoch von ihm gefeuert wurde und auf dem Absatz kehrt machte und seinen ehemaligen Herrn und Meister in allen Tonlagen beschimpfte. Das hat Gorbi nun wirklich nicht verdient.
Überraschend wird Liz Truss zur «richtigen Frau zur richtigen Zeit» ernannt. Bei der Trefferquote der WeWo bei solchen Prognosen dürfte sie eine eher kurze Karriere vor sich haben.
Und schon kann man wieder im Feuilleton durchatmen, um «Leben heute» zu überblättern. Also Hand aufs Herz, im Reich der blinden Kolumnisten der Mainstream-Medien sind die Einäugigen Könige. Aber im Ernst, Huisseling, Reichlin, Burchill, Schnapp als Gourmet-Autotester und schliesslich Häfliger als «wer war wo und wollte warum gesehen werden»-Kolporteur, von David Schärer oder Dania Schiftan (diesmal über Analsex, den angeblich eine Frau will, während es ihn «davor graust»), plus das schon vor 30 Jahren angestaubte «indiskrete Interview»: da entwicklen sich ganze neun Seiten der WeWo doch zu verwehten Wanderdünen, in denen abgehalfterte, leergeschriebene und ausgebrannte Nulpen nicht mal anständig eine Locke auf einer Glatze drehen können.
Auch schade.