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Wo liegt denn Taiwan?

Nur mühsam reissen sich die Mainstream-Medien vom Ukrainekrieg los.

Auch das noch. Sommerloch, saure Gurken, in der Ukraine ist nicht wirklich was los, wer im Schweizer Journalismus was zu sagen hat, ist in den Ferien.

Ausgerechnet nach dem verlängerten Wochenende mit 1. August kommt nun ein neues Thema auf den Radarschirm. Eigentlich ein uraltes Thema. Denn seit 1949 existieren zwei chinesische Republiken. Die grosse bekannte auf dem Festland, und die kleine, nicht so bekannte auf einer Insel, die früher Formosa hiess.

Entstanden ist diese Verdoppelung dadurch, dass der damals regierende Diktator Tschiang Kay Check von der erfolgreichen Volksrevolution von Mao Tse Tung hinweggefegt wurde – und sich mit grösseren Teilen der Luftwaffe und Marine nach Formosa flüchtete. Im kalten Krieg war Taiwan ein wichtiger Stützpunkt im subversiven Kampf gegen Rotchina.

Aber die Zeiten ändern sich. Taiwan mauserte sich schnell zu einer erfolgreichen Wirtschaftsnation, dank der verheerenden Wirtschaftspolitik von Mao war Rotchina lange Jahrzehnte ein wirtschaftlicher Zwerg. Das änderte sich unter seinen Nachfolgern, und heutzutage ist China fast auf Augenhöhe mit den USA. Wirtschaftlich, militärisch klafft noch ein kleiner Abgrund zwischen den beiden Ländern.

Aber Taiwan hat seine Bedeutung als westlicher Showcase gegen kommunistische Elendswirtschaft längst verloren. China hat die Insel längst aus (fast) allen internationalen Organisationen gedrängt, nur noch eine Handvoll Staaten unterhalten diplomatische Beziehungen mit der Insel. Darunter so Schwergewichte wie Haiti, die Marshall-Inseln, Nauru oder der Vatikan.

Kein europäisches Land, auch nicht die Schweiz, anerkennen Taiwan länger als zumindest selbständigen Staat. Auch die USA nicht, die aber einerseits Festlandchina als einzig legitimen Vertreter anerkennen, andererseits aber Taiwan militärische Unterstützung zusagen, sollte die Insel von China angegriffen werden.

Umso stärker China wird, desto massiver macht es seinen Anspruch auch auf Taiwan geltend. Jede Unterstützung des Inselstaats wird als Einmischung in innere Angelegenheiten scharf verurteilt. Wer sich zu offiziellen Kontakten mit Taiwan hinreissen lässt, wird diplomatisch, politisch und wirtschaftlich abgestraft.

So eierten die letzten US-Präsidenten um dieses Problem herum, unabhängig davon, ob es Republikaner oder Demokraten waren. Nun hat sich die Nummer drei in der US-Regierungshierarchie zu Besuch nach Taiwan gegeben. Was genau die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi dort will, ist gar nicht so einfach zu erklären.

Überraschungsfrei reagiert China äusserst gereizt auf diesen Besuch. Es werden fürchterliche Konsequenzen angedroht, mit den Säbeln gerasselt und gleich zwei Flugzeugträger als Machtdemonstration Richtung Taiwan losgeschickt.

Das ist die ziemlich komplizierte Ausgangslage, die nun von den B-Teams den Lesern erklärt werden sollte. Tamedia macht es sich wie meist einfach: es berichten Lea Sahay und Christian Zaschke von der «Süddeutschen Zeitung». Vielleicht könnte die Schweizer Sicht sich von der deutschen etwas unterscheiden? Vielleicht, aber es ist heiss, Ferienzeit und überhaupt. Aus eigenen Kräften reicht es zu einem «News Ticker», wie diese Sparmassnahme, das Übernehmen beliebiger Agenturmeldungen, seit Längerem heisst. Vielleicht arbeitet der Auslandchef Christof Münger an einem Kommentar, vielleicht ist er auch selbst im Ausland in den Ferien. Bedeutendes zu sagen hätte er sowieso nicht.

Bei CH Media spannt der ausgewiesene China-Kenner Pascal Ritter seine Muskeln an. Offenbar ist die zweiköpfige Ausland-Redaktion des Wanner-Konzerns gerade in den Ferien oder unpässlich. Also muss ein Reporter ran, dem auf die Schnelle nichts besseres einfällt, als das kindische Frage-und-Antwort-Spiel: «Was Sie jetzt über den Konflikt wissen müssen». Zu den entscheidenden Fragen gehört: «Worum geht der Streit überhaupt?» Grossartig ist die Antwort auf die Frage: «Welche Auswirkungen hätte ein militärischer Konflikt

«Experten gehen davon aus, dass ein Krieg um Taiwan massive und grössere Auswirkungen hätte als der Angriff Russlands auf die Ukraine – auch auf Deutschland.» Kommt halt davon, wenn man in der Eile deutsche Experten abschreibt und vergisst, dass das hiesige Publikum vielleicht ein Mü mehr daran interessiert wäre, was für Auswirkungen das auf die Schweiz hätte.

Was macht denn Blöd-«Blick»? Da sagt ein Bild mehr als zehn Worte:

Und was macht der einsame Leuchtturm des publizistischen Schaffens in der Schweiz? «Ein Zwischenstopp mit Folgen», formuliert die NZZ zurückhaltend, begleitet von einem ersten, vorsichtigen Kommentar: «Pelosis Reise ins Ungewisse: Amerika riskiert eine unnötige Krise mit China».

Für diesen Erkenntnisstand muss man nun noch nicht unbedingt Leser der NZZ sein. Aber vielleicht legt die alte Tante mit der ihr eigenen Gemächlichkeit noch etwas nach …