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Plappern mit Peppel-Schulz

Tamedia-Mitarbeiter, fürchtet euch!

Dass es dem obersten Tx-Boss nur um eines geht, ist bekannt. Pietro «Rendite» Supino ist allerdings nicht sonderlich geschickt darin, mit Medien Geld zu verdienen. Aber als Mitglied des Coninx-Clans ist er unkaputtbar.

Dann hätten wir noch den Tamedia-CEO Jessica Peppel-Schulz. Dass sie sich nach kurzer Karriere in einem Modemedienhaus aus einem längeren Sabbatical aufgerafft hat, um als Quotenfrau bei Tamedia einzusteigen, ist für die Belegschaft keine gute Nachricht.

ZACKBUM hat ihr Wirken, gesteigert noch durch Teamarbeit mit dem Brachial-Kommunikator Simon Bärtschi (Qualitätssteigerung durch Rausschmiss), von Anfang an verfolgt. Sie dachte zunächst einmal ein Jahr lang über eine «neue Digitalstrategie» nach. Als diese präsentiert wurde, blieb dem Publikum die Spucke weg. Peinlich war noch einer der höflicheren Qualifikationen für das, was das Trio infernal Peppel-Schulz, ihr Avatar und Bärtschi (als himself) präsentierten.

Nun ist wieder einige Zeit ins Land gegangen, Tamedia lebt weiter nach dem Prinzip «nach dem Rausschmeissen ist vor dem Rausschmeissen», und persoenlich.com führte eines seiner Watteweich-Interviews mit der Dame.

Da spielt sie Bullshit-Bingo in seiner schlimmsten Form. Es gibt keine Manager-Worthülse, mit der sie nicht um sich wirft.

«Unsere Stärken sind die tiefe Verankerung im Markt … unsere Geschäftsmodelle in der Schweiz erfolgreich weiterentwickeln … die Transformation ist grösser als gedacht … wir müssen digital schnell wachsen, weshalb wir eine neue Strategie entwickelt haben … Die Welt verändert sich rasant. Auch Tamedia muss diese Veränderungen adaptieren … Wir müssen uns auf unser Geschäft konzentrieren … denn wir können nur gemeinsam diese Veränderungen stemmen … leider mussten wir auch viele schmerzhafte Entscheidungen treffen …»

Gut, ZACKBUM hat wieder ein Einsehen mit dem gequälten Leser, der um Gnade winselt. Aber er sollte sich vorstellen, dass die armen Tamedia-Mitarbeiter sich diesen Schrott ständig anhören müssen und dazu ein freundliches Gesicht machen. Das geht vielleicht auf die Leber.

Man fragt sich allerdings, ob Matthias Ackeret hier einen schlecht gelaunten und noch schlechter programmierten Avatar von Peppel-Schulz interviewt hat. Apropos, dass die NZZ diesen Gag in der Luft zerrissen hat, ist bei Peppel-Schulz ganz schlecht angekommen:

«Hier haben einige Wettbewerber eine fortschrittliche Lösung im Sinne der Mitarbeitenden bewusst falsch interpretiert.» Ts, ts, ganz schlimm war aber die alte Tante: «Die Kritik am Avatar war schlichtweg falsch dargestellt. Kritik sollte auch möglich sein, aber eben professionell und richtig recherchiert. Das muss man von der NZZ erwarten können. … Wenn die Konkurrenz eine solche Innovationskultur ohne Not schlechtmacht, schadet das am Ende nur dem Journalismus.»

Nun, noch mehr schadet dem Journalismus und dem Ansehen von Peppel-Schulz, wenn sie holprig formulierte unbelegte Behauptungen in den Raum stellt. Was war denn an der Kritik «falsch dargestellt»? Meint sie vielleicht, die Kritik habe den Einsatz des Avatars falsch dargestellt? Wenn ja, wieso sagt sie das dann nicht? Und wenn sie es so sagen würde, womit belegte sie diese kühne Behauptung?

Diese Avatar-Nummer sorgte innerhalb von Tamedia immerhin für dringend nötige Unterhaltung und Lacher. Aber ihn als «Innovationskultur» hochzuplappern, also wirklich. Lachkultur, das ginge noch.

Hat Peppel-Schulz der Welt und dem Leser noch etwas mitzugeben? Eher nicht: «Wir müssen gemeinsam mit den Institutionen Wege finden, um junge Menschen auch künftig zu erreichen

Gibt es wenigstens eine gute Nachricht in diesem Interview für die noch nicht rausgeschmissenen Tamedia-Mitarbeiter? Eher nicht: «Ich habe nicht vor, zu gehen, denn jetzt beginnt erst der spannende Teil: unser Wachstum. Dafür bin ich gekommen, und ich schaue nur nach vorne.»

Ob sie dafür wohl den Rückspiegel benützt?

 

Die Avatarin

Jessica Peppel-Schulz fällt durch eine spezielle Kommunikation auf.

Ihr Leistungsausweis im Journalismus ist überschaubar. Sie war mal kurz CEO bei Condé Nast Deutschland, der Massenzeitschriften wie «Vogue» oder «GQ» herausgibt. Und einen Umsatz von stolzen 50 Millionen im Jahr macht. Dort sparte sie ein wenig ein, bis sie selbst nach 28 Monaten eingespart wurde.

Fast ebenso lang war sie dann in einem Sabbatical, nämlich für 22 Monate. Bis Pietro Supino wieder sein sicheres Händchen für Personalentscheidungen auf höchster Ebene bewies – und sie als neuen CEO von Tamedia berief. Man kann also sagen, dass sie rudimentäre Medienkenntnisse in Deutschland und keine in der Schweiz hat.

Dafür hat sie viel Ahnung von Manager-Bullshit-Talk. «Empowerment», «Customer Journey», «Digital Transformation». Das sind Worthülsen, die schlichtweg überhaupt nichts sagen. So wie «Resilienz» oder «Purpose», wovon ihre Kolleginnen Ladina Heimgartner von Ringer und Isabelle Welton (NZZ-VR-Präsidentin) schwabbeln.

Obwohl Peppel-Schulz vor über einem Jahr ihren neuen Job sehr ausgeruht antrat, hörte man eigentlich nix weiter von ihr. Auch mit ihren Untergebenen pflegt sie eine spezielle Form der Kommunikation. Dafür verwendet sie nämlich einen Avatar, der dann flüssig Deutsch und auch Französisch parliert. Der wurde mit KI geschaffen; was er absondert, wirkt allerdings nicht wirklich intelligent.

Und so richtig fassbar wird sie damit im Hause auch nicht. Allerdings werkelte sie vielleicht in dieser ganzen Zeit an einem neuen Masterplan. Denn wenn im Hause TX (oder «Tages-Anzeiger», man weiss vor lauter Namensänderungen nicht mehr ein und aus) etwas sicher ist, dann das: nach der Sparrunde ist vor der Sparrunde. Und da ist die Verkündung der Halbjahreszahlen am Dienstag immer eine gute Gelegenheit, mal wieder eine neue Strategie vorzustellen.

Bei der man allerdings, bedauerlich auch, nicht alle Mitarbeiter mitnehmen kann. Auch nicht die Druckereien, so sad. Denn was Ringier kann, kann doch Tamedia auch. Es ist zu vermuten, dass an der für heute Abend angesagten Mitarbeiterinformation nicht der Avatar, sondern Peppel-Schulz leibhaftig auftreten wird. Also virtuell, per Videoschalte natürlich.

Wie wichtig ihr das Digitale ist, sieht man an der zunehmenden Verluderung des Online-Auftritts von Tagi & Co. «Online first», das Schlagwort ist schon so abgenutzt, dass es wohl nicht einmal von Peppel-Schulz mehr verwendet wird.

Kann man ihr aber wirklich zutrauen, dass sie eine zündende Idee hat, wie Tamedia künftig verhindern kann, dass Google, Facebook und Co. rund 80 Prozent des Online-Werbemarkts absahnen, während für die grossartigen medialen Contentprovider nur Peanuts bleiben, wie das ein Manager formulieren würde?

Nun, Wunder gibt es immer wieder. Darauf müssen die rund 1800 Tamedia-Mitarbeiter ganz fest hoffen. Während sie sich gegenseitig anschauen und denken: hoffentlich trifft es dich, und nicht mich.

Welcome to Metaverse

Nein, nicht in Zuckerbergs virtueller Welt. In der virtuellen Medienwelt.

Zumindest Jüngere oder Gamer kennen natürlich das Metaversum. Stichwort «Second Life» als eine der früheren und erfolgreichsten Manifestationen.

Man kann so mit Avataren in virtuelle Welten eintauchen, in denen vieles so wie in der realen Welt ist, anderes nicht. Es können Fantasiewelten sein mit Fabeltieren, fremden Planeten, Science Fiction. Man kann dort Machtfantasien ausleben, unvorstellbar mächtig, attraktiv, böse, schnell, potent oder was auch immer sein.

Letztlich ist es aber immer das Gleiche: es ist Realitätsflucht. Geradezu symbolisch muss man sich vor dem Betreten immer noch eine ziemlich klobige Brille aufsetzen, die allen Umstehenden klarmacht, dass sich hier jemand von der wahren Realität verabschiedet hat.

Wobei «wahre Realität» natürlich auch ein grosses Wort ist. Nicht umsonst beschäftigt sich die Erkenntnistheorie schon ein paar tausend Jährchen mit dem scheinbar banalen Problem, wie man das denn allgemeingültig definiert. Nein, was uns unsere Sinne zeigen, plus ein paar Hirnzellen, das stellt nicht die einzig wahre Realität da. Wir arbeiten viel mehr mit Übereinkünften, einfach aus dem Grund, weil wir ja über eine Realität kommunizieren müssen.

Wenn ich einen Tisch konsequent Kloschüssel nenne, lebe ich nicht in einer anderen Realität, habe aber ein Kommunikationsproblem. Wenn ich vermitteln will, WIE ich den Tisch sehe, da wird’s schon schwieriger.

Interessantes, weites Feld. Zurück zur banalen Realität von heute. Schon bei politischen Debatten über Themen innerhalb der Schweiz hat man häufig den Eindruck, dass diverse Teilnehmer nicht in der gleichen Schweiz leben, sondern jeweils in ihrer virtuellen Vorstellungswelt «Schweiz». Ist sie weiterhin ein Hort und Zufluchtsort für Blutgelder aus aller Welt, leben wir auf Kosten anderer Welten, haben wir unsere Geschichte von Sklaverei und Ausbeutung nicht aufgearbeitet, unterdrücken wir Frauen, sind wir fremdenfeindlich, ist Bauernsame, Alphornblasen und Bergsteigen billige Foklore, hassen sich die vier Sprachregionen von Herzen?

Auf all diese Fragen (und viele mehr) kann man völlig konträre Antworten bekommen. Von Bewohnern der Schweiz, die aber offenbar nicht in der gleichen Schweiz leben. Auch ohne virtuelle Brille vor den Augen.

Berichterstattung mit Virtual Reality 

Ähnlich, eigentlich noch verschärft verhält es sich mit Kriegsberichterstattung. Da setzen sich viele Journalisten in ihrer Verrichtungsbox im Newsroom eine unsichtbare virtuelle Brille auf. Sie erlaubt ihnen, alles schwarzweiss schraffiert zu sehen. Sie vermindert Komplexitäten und Widersprüchliches auf Banales und Eindeutiges.

Fast alle dieser Brillen geben die gleiche virtuelle Welt wieder. Daher gleichen sich auch die Schlagzeilen.

«Putin muss – und wird scheitern, Russenpanzer rollen durch Kiew, Kundgebung in Zürich, ist Kiew gefallen?, warum die USA nicht eingreifen, China spricht sich gegen Sanktionen aus, Die Schweiz schwankt zwischen Fassungslosigkeit und Sorge».

Das sind Titel aus Tamedia, CH Media, «Blick» und NZZ. Welcher von wo? Spielt doch keine Rolle.

Diese News sind wie Muzak. Fahrstuhlmusik, zur akustischen Untermalung, ein Hintergrundrauschen, das die Laune steigern soll, Liftnutzer mit Platzangst beruhigen, Kaufhausgänger zu Kaufräuschen animieren.

Niemand wirft dieser Muzak vor, dass sie keine Message habe, auf banalen Tonfolgen aufbaue, nichts Überraschendes, Kantiges, Herausragendes enthalte. Genau das ist die Definition ihrer Existenzberichtigung.

Leider trifft das auch auf immer grössere Gebiete des Journalismus zu. Als möchte man Mark Zuckerberg imitieren und aus einem journalistischen Metaverse berichten. Schliesslich gibt es eine wichtige Gemeinsamkeit: Sowohl Zuckerberg wie die Journalisten wollen damit Geld verdienen.

Es gibt allerdings auch einen wichtigen Unterschied: Zuckerberg macht kein Geheimnis daraus, dass er eine fiktive, virtuelle Welt schaffen will