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Die feste Burg bröckelt

Der VSM verliert Mitglieder – und wohl auch die Abstimmung.

Der Verlegerverband Schweizer Medien (VSM) sollte die Interessen der Medienhäuser vertreten. Ihm gehören rund 100 Medienunternehmen an – von insgesamt rund 1430 Medienhäusern mit 28’645 Mitarbeitern. Laut Selbstauskunft.

Es gab immer mal wieder Knatsch zwischen den Big Boys, so zog sich Ringier mal beleidigt zurück, kam aber wieder. Der VSM hat das strukturelle Problem, dass er die Interessen der Big Boys wie auch von kleinen Verlagen vertreten sollte. Online-only-Unternehmen, Print, TV, Radio, lokal, national.

Das ist eigentlich eine Mission impossible, selbst in friedlichen Zeiten. Nun ist der VSM einer der grossen Motoren auf Verlagsebene, der die Annahme des Medienpakets am 13. Februar befürwortet.

Dafür hat er einen bunten Strauss von Komitees ins Leben gerufen oder unterstützt und fährt eine Werbekampagne für die zusätzliche Steuermilliarde. Aber obwohl unermüdlich wiederholt wird, dass die schwergewichtig den kleineren Playern zugute käme, sprechen alle seriösen Analysen dagegen.

Wer grosse Taschen hat, kriegt mehr ab als die kleinen. Ist ja auch sonst im Leben so. Also fühlen sich die Kleinen nicht mehr richtig vertreten und haben eigene Interessensvertretungen gründet.

Bröckel.

Ein Grosser hat dem Verband den Rücken gekehrt

Nun wurde so nebenbei bekannt, dass auch ein ziemlich Grosser dem VSM den Rücken gekehrt hat. Nämlich der Verlag Konsumenteninfo. Der gibt nicht nur den K-Tipp, sondern auch Saldo, Gesundheitstipp, K-Geld, Kulturtipp, K-Tipp Wohnen und Plädoyer heraus. Die Juristenzeitschrift ist eine Referenz an den Gründer und Besitzer René Schuhmacher.

Dessen Meinungsmacht ist nicht zu unterschätzen. 2009 ergriff Schuhmacher das Referendum gegen eine Verschlechterung der Bedingungen der Pensionskassen – und gewann. Auch 100’000 Unterschriften für die Initiative «Pro Service Public» brachte er problemlos zusammen, unterlag dann aber an der Urne.

Alleine sein K-Tipp hat weit über 200’000 Abonnenten und geniesst hohes Ansehen. Schuhmacher kritisierte von Anfang an die Gratisgeld-Verteilung an Medienhäuser. In seinen Zeitschriften listete er minutiös auf, wie welche Verlage von der zusätzlichen Steuermilliarde profitieren würden.

Insgesamt erreicht Schuhmacher über eine Million Leser. Da er sämtliche Gewinne immer in den Verlag reinvestierte, steht er heute schuldenfrei da – und völlig unabhängig. So konnte er – alleine auf weiter Flur – die Verbandelung der Mitglieder der Task Force to the Bundesrat mit der Pharmaindustrie thematisieren.

Obwohl ihm dadurch 4,2 Millionen Subventionsfranken entgingen, ist er klar gegen das Medienpaket. Warum?

«Man beisst nicht in die Hand, die einen füttert»,

zitiert ihn die SoZ in einem Porträt.

Konsequent hat er schon letzten Sommer die Kündigung beim VSM eingereicht und sie – im Gegensatz zu Ringier – auch per Ende Jahr vollzogen. Der Verband vertrete die Interessen von Zeitschriften und Non-Profit-Verlagen nicht angemessen.

Dreifache Ohrfeige für die anderen Verlage

Das ist gleich eine dreifache Ohrfeige für die Big Player im VSM. Schuhmacher hat im Gegensatz zu ihnen seine Gewinne weder in eine Kunstsammlung, noch in Villen, Yachten und Wagenparks investiert. Sondern zeigt, wie stabil ein Verlag dasteht, wenn die erwirtschafteten Profite reinvestiert werden.

Er zeigt zudem, wie man Medien- und Meinungsmacht einsetzen kann, wenn man dabei auf sein Publikum hört und grossen Nutzwert bietet.

Schliesslich bewahrt sich Schuhmacher kritische Distanz zu Staat und Regierung – nimmt dafür auch hin, dass ihm Subventionsmillionen entgehen.

Nebenher zeigt er, im Gegensatz zu Pietro Supino oder Marc Walder, was gekonnte Verlagspolitik, klare Kante und seit 30 Jahren eine journalistisch blütenweisse Weste wert sind.

Er muss Begriffe wie Bedeutung als Vierte Gewalt, Kontrollinstanz, Glaubwürdigkeit und Vertrauen nicht vorbeten. Weil er sie lebt.

Was dem VSM und seinen Shareholdern wohl nicht ganz klar ist: auf die Verliererstrasse bei der Abstimmung einbiegen, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Angebot bis zum Skelett abmagern, Einheitssauce in Kopfblätter giessen, das Lokale vernachlässigen und das Niveau ständig tieferlegen: dafür happige Abonnentsgebühren fordern, das kann nicht gutgehen.

Weniger Angebot für gleichviel oder sogar mehr Geld: absurd. Das Jahresabo online des K-Tipp kostet übrigens Fr. 43.50.

 

Bröckel, bröckel, bröckel.