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Endlich! «Blick» lebt

Ob Plisch und Plum nochmal so beknackt zusammensitzen werden?

CS-Manager mit Verdauungsproblemen? Gottstein und Horta-Osório im «Blick»-Interview.

Enteiert, ohne Busen, Blut und fast ohne Büsis: man musste sich ernsthaft Sorgen um den «Blick» machen. Denn der sollte Boulevard mit grossen Buchstaben ohne Boulevard und mit kleinen Aufregern machen.

Ähnlichkeiten sind rein zufällig und von Wilhelm Busch keinesfalls beabsichtigt.

Das geht natürlich nicht, auch wenn da noch so viel von Resilienz geschwurbelt wird. Und gesalbte Worte gesäuselt werden, dass man Frauen nicht mehr als Sexobjekt behandeln wolle, überhaupt das Thema Sex für Ratgeber auch Tabu sei.

Geradezu subversiv wurden dann doch Storys über Trash-Shows ins Blatt geschmuggelt, wo ein Prekariatsmitglied mit einem ohne Glied zugange ist, und das wiederum zu in diesen Kreisen üblichen Verkrampfungen und Geschimpfe führt.

So blubberte der «Blick» vor sich hin; das Regenrohr im Logo wurde mehr und mehr zum Symbol des Niedergangs. Alles «down the drain», wie man auf Englisch so schön sagt, alles im Abfluss.

Aus dem Koma plötzlich aufgewacht

Aber, Zeichen und Wunder in vorweihnachtlicher Zeit, mit einer Schlagzeile ist das Blatt wieder da:

Wunderbare Story, in der alles drin ist, was auf dem Boulevard Spass macht. Die da oben mit ihren Privilegien (Privatjet!), meinen, über dem Gesetz zu stehen, pfeifen auf Quarantäne-Regeln, fühlen sich zu wichtig dafür.

Frontseite, ausführlicher Erklärtext auf Seite 2 (7300 A, episch für «Blick»-Verhältnisse). Dann natürlich noch nachtreten, die «Corporate Governance»-Expertin Monika Roth waltet ihres Amtes und sagt das, was der «Blick» gerne hören möchte:

«Die Tage von António Horta-Osório an der Spitze der CS sind gezählt, Horta-Osório muss zurücktreten.»

Wahrscheinlich hätte der Noch-«Blick»-Wirtschaftschef Guido Schlätti den Skandal gerne als Einstandsgeschenk für seine neue Position als NZZaS-Wirtschaftschef mitgebracht. Aber man muss Geschenke auspacken, wenn man sie kriegt.

Vom Einzel- zum Dauerfeuer: so macht man das.

Denn ein Geschenk ist die Story natürlich. Offenbar hat der braungebrannte Sunnyboy Horta-Osório einige Feinde in der Credit Suisse. Denn alle saftigen Details wurden dem «Blick» zugehalten.

Abflug am 28. November mit dem Privatjet von London nach Zürich. Sein Pech: einen Tag vor Abflug setzt die Schweiz Grossbritannien auf die Liste von Hochrisikoländern. Das bedeutet: zehn Tage Quarantäne nach Einreise.

«Foda-se tudo»

Im Prinzip ja, denkt Horta-Osório, und begibt sich in seine Wohnung im steuergünstigen Wollerau. Aber bereits am 1. Dezember besteigt er den nächsten Privatjet. Westwärts, dann weiter nach New York, wie’s sich für einen furchtbar wichtigen Bankenlenker gehört, ohne den sich die Welt nicht weiterdrehen würde.

Das wäre schon genug für eine richtig saftige Story. Aber «Blick» kann noch eins drauflegen. Während er in Wollerau an den Fingernägeln knabberte, liess der VR-Präsident der zweitgrössten Bank der Schweiz offenbar abklären, ob es für ihn keine Ausnahmebewilligung geben könne. Felix Gutzwiller, der früher bekannte Gesundheitspolitiker und vernetzte ehemalige FDP-Nationalrat, ist laut «Blick» gerne zu Diensten und fühlt vor.

Aber zum grossen Frust des portugiesischen Granden geht so etwas in der republikanischen Schweiz nicht. Ausnahme? Für einen wichtigen Wichtigtuer? Nein, sagt der Kanton Zürich, nein sagt der Bund. So sorry, sagt wohl Gutzwiller, wird aber für seine Umtriebe sicherlich dennoch entlöhnt.

Scheiss drauf, sagt Horta-Osório, oder wohl «foda-se tudo», was wir lieber nicht übersetzen wollen. Und schon hat er ein Scheissproblem an der Backe. Denn, weiterer Glücksfall für den «Blick», nun tut die Corporate Communication der Bank das, was sie am besten kann. Wenn sie nicht «kein Kommentar» sagen darf, setzt sie die Sache noch mehr in den Sand.

Der mit einem Beraterheer bis zur Hilfe bei der Auswahl der richtigen Krawatte umgebene VRP habe nicht gewusst, dass Quarantäne auch den Verzicht auf Auslandreisen beinhalte. Damit sorgt ein Sprecher der Bank für den nächsten Brüller.

Asche aufs Haupt, Schläge aufs eigene Haupt 

Horta-Osório selbst versucht es mit der alten Nummer, mit gesenktem Haupt zu Kreuze zu kriechen und sich wortreich zu entschuldigen. «Wichtig, Vorschriften einhalten, sorgfältig getan, unbeabsichtigt, bedauere aufrichtig, entschuldige mich, nicht wieder vorkommt», Blabla.

Geht da noch einer? Aber bei der CS immer:

«Herr Antonio Horta-Osório hat Selbstanzeige wegen möglicher Übertretung gemäss Epidemiegesetz Art. 83 eingereicht»,

schleimen seine Anwälte beim «Blick». Der VRP streut also nicht nur Asche auf sein Haupt, er haut auch drauf.

Alles andere ist ein Selbstläufer. Kann so einer Vorbild sein, gerade in dieser kritischen Lage der CS, «Hoffnungsträger», «Führen durch Vorbild», die Unternehmensspitze müsse «Werte wie Integrität vorleben, sagte er kürzlich in einem Interview mit dem «SonntagsBlick»».

Natürlich ist man in der CS «entsetzt», kratzt sich am Kopf, will vielleicht seinen auf dem Silbertablett serviert bekommen.

Kannst mir doch nicht erzählen, denkt sich Horta-Osório (links).

Der fliegende Banker versucht zurzeit sicher herauszufinden: wer war das? Als ob das noch etwas nützen würde. Bislang ein sauberer Blattschuss vom Boulevard, grosses Kino, alte Schule. Man könnte höchstens einwenden: schon ziemlich viel am Anfang verballert; für eine Kampagne muss man nachlegen können.

Die klassischen Nachzüge.

Bis am Wochenende wird sich entscheiden, ob Horta-Osório die Affäre überlebt, sie also aussitzt – oder nicht.

Den Leser am Portemonnaie packen …

ZACKBUM begrüsst den «Blick» wieder auf dem Spielfeld ernsthafter Boulevard.