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Skandal am Lilienberg

Der Stifter Walter Reist rotiert im Grab.

Sein Begegnungszentrum Lilienberg schmeisst im letzten Moment den «Kontrafunk» raus. Der gefährde Ruf und Sicherheit.

Christoph Vollenweider spart nicht mit salbungsvollen Worten. Der «Leiter Programm und Publikationen» des Lilienberg beklagte unlängst:

«Die Cancel Kultur diffamiert Menschen, die eine «falsche» Meinung vertreten und gefährdet damit das freie Denken und somit eine Grundlage unserer Demokratie.»

Das brachte ihn zum unheilschwangeren Urteil: «Die Toleranz ist gefährdet und bedroht.» Hätte Vollenweiler etwas Ehre im Leib, müsste er per sofort und unter Protest zurücktreten.

Denn das neugegründete Internetradio «Kontrafunk» wollte in diesem Begegnungsort und Seminarhotel seine erste Versammlung abhalten. Zunächst liess sich alles wunderbar an. Man verdankte die Anfrage, sagte gerne zu, bestätigte die Reservation, erkundigte sich, ob es noch besondere Wünsche gäbe. Was halt ein Seminarhotel so macht, wenn es durch den Besuch einer grösseren Gruppe einen mindestens fünfstelligen Betrag einzunehmen gedenkt.

«Kontrafunk», der sich «Die Stimme der Vernunft» nennt, ist ein völlig unbescholtenes Unternehmen, das sich in seinem kurzen Leben nicht das geringste zuschulden kommen liess. Auch alle Teilnehmer haben bislang keinen Anlass zu Bedenken geboten, dass sie sich ungebührlich in einem Hotel aufführen würden.

Auch der Autor hätte zur Gästeschar gehört, die hier Vorträgen lauschen wollte, gemeinsam die Welt rund und wieder eckig diskutieren und dazu sicherlich auch das kulinarische Angebot des Hotels gewürdigt hätte. Vielleicht sogar auch das umfangreiche Wellness-Programm, um nicht nur den Geist, sondern auch den Körper zu pflegen.

Angereist wäre man aus nah und fern, aus dem gesamten Einzugsgebiet des Radios in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Geplant wäre ebenfalls ein vergnüglicher Ausflug auf den Bodensee gewesen.

Konjunktiv. Denn rund zwei Wochen vor dem geselligen Ereignis kam die kalte Dusche. Es bestehe «die begründete Annahme das (sic!) die Veranstaltung den reibungslosen Geschäftsbetrieb, die Sicherheit und den Ruf des Lilienberg» gefährde.

Die Direktion brachte noch ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass man «Verständnis für diese Entscheidung» habe. Das ist dann allerdings schon der zweite Irrtum. Der erste besteht darin, dass nicht etwa «Kontrafunk», sondern die Präsidentin des Stiftungsrats Lilienberg Denise Rau den reibungslosen Geschäftsbetrieb und den Ruf des Lilienberg beschädigt.

Kaum ist der Gründer und Stifter verstorben, wird sein Anliegen gekübelt, hier einen Ort der Begegnung und des Austauschs zu schaffen. Stiftungsräte sind schon wegen kleineren Widerhandlungen gegen die Absichten eines grosszügigen Stifters von ihrer Funktion entbunden worden.

Abgesehen davon, dass eine so kurzfristige Absage trotz fester Vereinbarungen unanständig, unverständlich und mit Haftungsfolgen versehen ist: dem Lilienberg entgeht ein hübscher Batzen Geld. Dem Veranstalter «Kontrafunk» entstehen ärgerliche Kosten, denn viele der geplanten Veranstaltungen können so kurzfristig nicht ohne Schadenersatz abgesagt werden.

Natürlich bleibt die Frage, was die Stiftungspräsidentin plötzlich auf die Idee brachte, dass eine längst geplante und verabredete Veranstaltung plötzlich den Geschäftsbetrieb, den Ruf und gar die Sicherheit des Lilienberg gefährden könnte.

Stellte es sich heraus, dass unter den geladenen Gästen gesuchte Terroristen waren? Üble Systemfeinde, hetzende Rechtspopulisten, Rassisten, Sexisten? Einfach Schweinebacken, in deren Nähe sich kein anständiger Mensch und auch kein anständiges Tagungshotel blicken lassen möchte? Wäre der Lilienberg gar ein neuer Zimmerberg, Pardon, ein neues Zimmerwald geworden?

Hier muss eindeutig Gefahr im Verzug sein, müssen plötzlich schreckliche Geheimnisse von «Kontrafunk» oder einzelner Teilnehmer der Stiftungspräsidentin zur Kenntnis gebracht worden sein.

Als ebenfalls ausgeladener Gast interessierte es mich natürlich, darüber informiert zu werden, an welcher sicherheitsgefährdenden und rufschädigenden Versammlung ich beinahe teilgenommen hätte. Mich interessierte ebenfalls, welche Informationen Denise Rau denn dazu bewogen hatten, den Ruf des Lilienberg zu ramponieren und ihrem eigenen Leiter Programm ein hübsches Beispiel dafür zu liefern, wie die Cancel Culture Menschen und Meinungen diffamiert, das freie Denken gefährdet, «eine Grundlage unserer Demokratie».

Denn Meinungsfreiheit und freier Austausch von Meinungen sind doch wohl fundamental. Also hätte mich die Meinung von Rau brennend interessiert. Allerdings bekam meine höfliche Anfrage im Rahmen der Recherchen für diesen Artikel die mailwendende Antwort: «Ich darf Ihnen mitteilen, dass von unserer Seite her kein Interesse an einer Stellungnahme zu Ihrem Artikel besteht.»

Zur ruppigen Absage kommt nun noch eine Dialogverweigerung. Was wohl Walter Reist dazu gesagt hätte? Ob das Vollenweider, sollte er doch nicht kündigen, zum Anlass neuer Gedanken zu Toleranz und der Diffamierung von Menschen und Meinungen nimmt?

Auf jeden Fall sollte sich jeder Besucher des Lilienberg bewusst sein, dass sich hinter dem schönen Schein, der auf Hochglanz polierten Fassade und vielen hochgestochenen Worten die Geisteshaltung einer mittelalterlichen Inquisition verbirgt. Was für eine Schande, was für ein Elend, was für eine Heuchelei.

Entgleist

Ein neues Opfer des Faschismus.

Auf ihrer Webseite kommt die «Kulturbar Gleis» locker flockig daher: «Unser Verein bemüht sich, ein möglichst vielfältiges und zugängliches Kulturangebot auf die Beine zu stellen. Mit deinem Beitrag ermöglichst du nicht nur Kunst und Kultur im GLEIS – ein Raum für alle – sondern unterstützt du auch Künstler*innen und Kulturschaffende.»

Das ist löblich, kein Wunder, wird die Bar vielfältig unterstützt:

Unter anderen vom Kanton Zürich, der Stadt Zürich, dem Migros-Kulturprozent. Hier sind lauter engagierte, lustige, aufgestellte Mitarbeiter am Werk, in diesem Raum «für alle». Hier herrscht noch wahre Gastfreundschaft: «Im GLEIS wird die Gastronomie nicht neu erfunden, sondern es wird auf eine übersichtliche Karte mit fairen Preisen gesetzt.»

Auf der Webseite des österreichischen Guitarreros Mario Parizek sind seine nächsten Tourdaten aufgeführt:

War sicher ein wunderbares Zusammentreffen am 16. August. Der Strassenmusiker und die Kulturbar, muss ein beschwingter Abend gewesen sein. War’s nicht. Denn vielleicht hat «Gleis» tatsächlich faire Preise, aber Fairness ist sonst nicht so das Ding der aufgestellt-sauglattem Betreiber. Denn in einem Kurzvideo, aufgenommen notabene im «Gleis», teilt der etwas entgleiste Künstler mit, dass er kurz vor seinem Auftritt darüber informiert wurde, dass er abzischen soll. Warum?

Ganz einfach; er ist weiss und trägt Dreadlocks. Wir ahnen es: kulturelle Aneignung. Es hätte Konzertbesucher geben können, denen es spontan unwohl würde. Die hätten dann vielleicht auf den Teppich gekotzt, denn ein freiwilliges Verlassen eines Unwohlsein auslösenden Anlasses, das geht natürlich nicht.

Der Künstler vermeldet, dass er schon vor Wochen für dieses Konzert eingeladen wurde und auch pünktlich nach Zürich angereist ist. Aber kurz vor dem Auftritt habe man ihm mitgeteilt: kein Auftritt.

«Weil ich weiss bin und Dreadlocks habe. Gratulation für diese mehr oder weniger faschistische Einstellung.»

Nun hatte Parizek allerdings auch schon vor Wochen Dreadlocks, laut eigenen Angaben trägt er sie, seit er 13 Jahre alt war. Um in dem rechten Kaff, in dem er aufwuchs, zu zeigen, dass es auch noch anderes auf der Welt gibt. «Ich hab› keine Worte dafür», sagt der fassungslose Musiker.

Da geht es dem «Gleis» ähnlich. Der «Tages-Anzeiger» berichtet, dass die Bar laut «Züri Today» auf eine Stellungnahme verzichtet habe. Man werde einen anderen Weg finden, um einen Kommentar abzugeben.

Aber nein, da ist jeder Kommentar überflüssig. In manchen US-Kneipen hängt noch heute ein Schild, das sagt: «No shirt, no shoes, no service». Andere Bars haben das abgewandelt: «No shirt, no shoes, no problem

Es ist der Bar in Ausübung ihres Hausrechts unbenommen, Menschen wegen Äusserlichkeiten zu diskriminieren. Es ist Kulturinstitutionen unbenommen, das auch noch mit Steuerfranken zu unterstützen. «Gleis» kann Rasta-Men, Glatzenträger, falsche Blondinen, Grauhaarige oder Perückenträgern den Ein- oder Auftritt verbieten.

Aber einen Musiker anreisen zu lassen, über dessen Haartracht ein kurzer Blick auf seine Webseite erschöpfend informiert, um ihm dann vor Ort und kurz vor dem Auftritt mitzuteilen, dass er seine Gitarre wieder einpacken und abzischen darf, das ist nun wirklich der Gipfel der Geschmacklosigkeit.

Einer der vielen Orte in Zürich, die man meiden sollte. Unsere schlechtesten Wünsche begleiten «Gleis» in den hoffentlich baldigen Abgang.