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Schlechter Besserwisser

Christoph Gurk hat Schwein, dass man keine Namensscherze machen sollte.

Er «berichtet für die SZ aus Lateinamerika». Somit auch für das Qualitätsorgan Tagi & Co. Gurk sitzt in Buenos Aires in Argentinien und bestreicht von dort aus ganz Latein- und Zentralamerika plus die Karibik.

Das ist ungefähr so sinnvoll, wie wenn ein Korrespondent für Europa in Oslo sässe und von dort aus ganz Europa von Portugal bis Bulgarien beschriebe, mit Ausflügen in die Türkei oder auf die Azoren. Wäre das so, läge es nicht am Korrespondenten, dass meistens oberflächlicher Unsinn publiziert würde.

Nun äussert sich Gurk fleissig zu Argentinien, wo er sicherlich über gewisse Kenntnisse verfügt. Und über Bolivien, Brasilien, Mexiko, Nicaragua, um nur seine letzten Artikel Revue passieren zu lassen. Neuerdings auch über El Salvador. Dort ist gerade der amtierende Präsident Nayib Bukele erdrutschartig wiedergewählt worden. «Das ist ein Sieg mit der grössten Differenz zwischen dem ersten und dem zweiten Platz in der gesamten Geschichte», triumphierte er in der Wahlnacht. Ob es 70 oder 80 Prozent für ihn sind: offensichtlich geniesst er in der Bevölkerung einen überwältigenden Rückhalt.

Nun hat seine Wiederwahl einen kleinen Schönheitsfehler: laut Verfassung dürfte er kein zweites Mal antreten. Das hat er umgangen, indem er die Verfassung änderte, offiziell mal kurz vom Amt zurücktrat und seine Privatsekretärin zur geschäftsführenden Präsidentin machte. Nur Gurk aus dem fernen Buenos Aires ist nicht begeistert: «Sollte man nun also gratulieren? Eher nein.»

Denn: «Nun, so ist es zu befürchten, ist es (El Salvador, Red.) auf dem Weg in die nächste Diktatur.» Bukele geniesst diese überwältigende Zustimmung, weil er mit drakonischen Massnahmen die Bandenkriminalität eingedämmt hat. Nach über 70’000 Verhaftungen und dem Bau von gigantischen Gefängnissen zur Aufbewahrung ist El Salvador von einem der gefährlichsten zu einem der sichersten Länder Amerikas geworden, nur noch übertroffen von Kanada.

Der heute 43-Jährige hatte 2019 gegen den erbitterten Widerstand aller etablierten Parteien gesiegt. Als Unternehmer setzte er auch unkonventionelle Massnahmen in der Wirtschaft um, so beispielsweise die Anerkennung des Bitcoin als offizielle Währung. Politisch ist er ein Chamäleon, zuerst politisierte er für die linksextreme, ehemalige Guerillaorganisation FMLN, um dann – ähnlich wie Macron in Frankreich – eine eigene Partei namens Nuevas Ideas zu organisieren, mit deren Hilfe er nun regiert. Dabei nutzt er wie keiner vor ihm Social Media, auf Instagram zum Beispiel hat er 6,3 Millionen Follower, bei 6,5 Millionen Einwohnern des kleinen Landes.

El Salvador war viele Jahre – wie Guatemala oder Nicaragua – ein blutiges Schlachtfeld, wo rechtsextreme Todesschwadronen, finanziert von den Grossgrundbesitzern, Jagd auf Oppositionelle machten, wogegen linke Guerillas ankämpften. Schon ab 1932 wurden die indigenen Völker brutal unterdrückt, in der sogenannten Matanza (Schlachterei). Sie wurden gezwungen, Identität und Sprache aufzugeben. Der Bürgerkrieg Anfang 70er Jahre forderte mehr als 75’000 Todesopfer. Besonders abscheulich war das Massaker von El Mozote, begangen von US-trainierten Regierungssoldaten.

El Salvador ist also ein typisches, lateinamerikanisches Land, ein ehemaliges Schlachtfeld, erst seit wenigen Jahrzehnten unterwegs als wackelige Demokratie, wo sich die rechtsradikale ARENA und die ehemalige Guerilla FMLN an der Regierung abwechselten, beide hochkorrupt.

Alle Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit sollten durch eine Amnestie straffrei gestellt werden, was allerdings der Oberste Gerichtshof 2016 für verfassungswidrig erklärte. Unabhängig davon wurde El Salvador zunehmend Schauplatz von Bandenkriminalität (Mara Salvatrucha, M-18), Tausende von Gangstern beherrschten ganze Stadtteile oder Bezirke.

Bukele räumte mit starker Hand auf, verhängte den Ausnahmezustand, setzte das Militär zur Bekämpfung der Banden ein, baute ein Riesengefängnis für mehr als 42’000 Insassen und liess Zehntausende verhaften. Darunter sicher auch den einen oder anderen Unschuldigen. Aber: das brach den Banden das Genick, seither sind alle Kriminalitätsindizes dramatisch gesunken.

Kein Wunder, dass die Salvadorianer ihren Präsidenten lieben und wiederwählen. Dafür sollte man ihnen und ihm gratulieren. Aber als typisch deutscher Besserwisser und Mäkler und Motzer sieht das Gurk anders. Und Tamedia lässt diese Ferndiagnose von einem, der offensichtlich El Salvador nur oberflächlich kennt,  ungefiltert auf seine Leser los.

Mach aus der Qualitätskontrolle Gurkensalat, ist da offenbar die neue Devise von Überbleibseln der Jugendbewegung, die damals forderte: macht aus dem Staat Gurkensalat.

Punkt. Ausrufezeichen.

Wie man eine «Arena» kaputtredet.

Das Schweizer Farbfernsehen kann einiges nicht. Besonders auffällig ist die Unfähigkeit, Talksendungen zu machen. Dass das mit Niveau geht, zeigen ARD und ZDF jeden Abend. Dass es geht, zeigen «Talk täglich» und «SonnTalk» auch in der Schweiz.

Dann gibt es noch den Altmeister aller Klassen, der weiterhin den «Doppelpunkt» kann, neu wieder den TV-Talk, dazu als einziger die Tradition des Talk Radio weiterführt. Sozusagen die One-Man-Talkshow Roger Schawinski.

Den hat SRF weggespart. Braucht’s nicht, kann doch jeder. Dass es nicht jeder kann, beweist Urs Gredig einmal wöchentlich. Da sitzen zwei im Glaskasten und werfen nicht mit Steinen, sondern haben sich lieb.

Das ist ein doppelter Verstoss gegen die Grundregel einer solchen Veranstaltung. Denn das ist keine kulturell hochstehende Erziehungsanstalt, sondern eine Show. Ein verbales Kräftemessen zwecks Bespassung und Unterhaltung der Zuschauer. Kommt dabei auch noch Erkenntnis zustande, ist das ein netter Zusatznutzen.

Früher war natürlich alles besser

Die «Arena» war ursprünglich als echte Krawallshow geplant und durchgeführt. Dazu brauchte es nur drei Elemente. Typen wie Christoph Blocher oder Peter Bodenmann, Heckenschützen aus der zweiten Reihe und einen Dompteur, der gelegentlich mit der Peitsche knallte, aber ansonsten die Diskutanten galoppieren liess.

Es gab immer mal wieder rote Köpfe, beleidigte Leberwürste und Vorwürfe der Parteilichkeit. Hatte sich der Vertreter einer Partei um Kopf und Kragen geredet, wurde anschliessend Filippo Leutenegger vorgeworfen, er sei zu links, zu rechts, zu liberal, zu herrisch, er hätte eingreifen sollen, es laufen lassen sollen, sofort reingrätschen, nicht immer unterbrechen.

Also war’s durchaus eine runde Sache. Natürlich schaffte es in den letzten zehn Jahren keine einzige «Arena»-Sendung in die Top-100 bei den Einschaltquoten. Dort tummeln sich fast ausschliesslich Fussball- und Sportsendungen, gelegentlich mal eine Tagesschau. Aber die «Arena» hatte anfänglich noch 22 Prozent Zuschaueranteil. Das brach dann auf 19 Prozent ein, in den letzten Jahren.

Natürlich ist eine Sendung, die real live aufgezeichnet und erst ab 22.20 Uhr am Freitagabend ausgestrahlt wird, kein Publikumsrenner. Aber das Format war bewährt und erprobt. Vorne am Kreis manchmal zu viele Diskutanten, aber das führte dann zu unterhaltsamen Ellenbögeleien und verbalen Blutgrätschen von erfahrenen Teilnehmern. In der zweiten Reihe Sekundanten, die Kurzauftritte hatten und manchmal geschickt einen der im inneren Kreis Stehenden aus dem Konzept bringen konnten.

Hintendran das Publikum, das durchaus gelegentlich Sympathie- oder Antipathiepunkte vergab. Das alles wurde Stück für Stück demontiert, reglementiert, zu Tode organisiert.

Den Todesstoss versetzt aber der aktuelle Moderator der «Arena». Denn Sandro Brotz ist alles andere als ein Ausgleicher, und ein mit natürlicher Autorität ausgestatteter Dompteur ist er auch nicht.

Sondern ein selbstverliebter Rechthaber, der vor Haltung beinahe platzt und auf den sozialen Plattformen ungefragt Noten verteilt. Zweifler an der offiziellen Corona-Politik sind für ihn «Flacherdler». Als sich daraufhin ein Shitstorm über ihn ergoss, zog er sich beleidigt und kurzzeitig zurück.

Der aktuelle Moderator ist im falschen Film

Er hat ein eklatant falsches Rollenverständnis, deshalb ist er in der «Arena» im falschen Film. Der Moderator hat die Fragen, die Gäste versuchen Antworten. Der Moderator leitet, die Gäste gehen aufeinander los. Der Moderator greift nur ein, wenn etwas aus dem Ruder läuft. So machen das routiniert in Deutschland eine ganze Riege von erfahrenen Diskussionsleitern.

Dass Brotz auf Twitter nachquengelt, dass man für eine Kritik seines Verhaltens nicht mit ihm geredet habe, obwohl er einräumen muss, dass er auf eine entsprechende Anfrage 24 Stunden lang nicht reagierte, ist bereits so lächerlich, dass es ihn desavouiert.

Dass er es sich herausnimmt, einen Diskussionsteilnehmer wegen einer Aussage als Rassisten abzuqualifizieren und dafür als hohes Gericht die Präsidentin der Antirassismus-Kommission zitiert, sollte ausreichend sein, um ihn zu ersetzen.

Natürlich muss SRF das eigene und das Gesicht des Moderators wahren, daher wird das nicht sofort erfolgen. Aber es ist unausweichlich. Nein, auch für diesen Kommentar wurde Brotz nicht um eine Stellungnahme angefragt. Wozu auch, seine Taten sprechen für sich. Punkt, Ausrufezeichen.

Die Brotz-Bronca

Spanisch für Krakeel, Gefuchtel und Geschrei.

Endlich mal eine Ablenkung vom Überthema. SVP-Nationalrat Thomas Aeschi sagt etwas Blödes. Aus einer mutmasslichen Vergewaltigung durch zwei afrikanische Flüchtlinge mit ukrainischem Pass, begangen an einer ukrainischen Flüchtigen, macht er einen Indikativ Plural. Und damit wird’s zum rassistischen Schwachsinn.

Das wiederum bringt die Grünen in die Gänge. Ihre NR-Präsidentin hat’s verschnarcht, Aeschi zu rügen, dafür boykottiert die Fraktionschefin die «Arena», weil dort auch Aeschi auftreten durfte. Politischer Schwachsinn.

Sandro Brotz, notorischer SVP-Basher, nimmt sich dann Aeschi zur Brust:

«Was Sie gesagt haben, ist rassistisch. Punkt. Ausrufezeichen.»

Das wiederum löst eine neuerliche Debatte aus. Über Brotz mangelhafte Kenntnisse der Interpunktion? Nein, ob er so oberlehrerhaft einen Politiker zusammenfalten darf oder nicht.

«Ein reines Schmierentheater», so teilt der Politchef von Tamedia in alle Richtungen aus. Denis von Burg watscht gerecht alle ab. Aeschi: «unappetitliches Süppchen» gekocht. «Arena»-Boykott von Aline Trede: «undemokratisch und auch nicht klug.» Schliesslich: «Brotz hat auf billige Weise Quoten gebolzt.»

Michèle Binswanger wäscht dann Brotz nochmal die Kappe: «Der Moderator auf Abwegen» bestätige «jedes Anti-SRG-Klischee». Nicht nur in der Sendung, auch auf Twitter betrachte Brotz gerne seinen eigenen Bauchnabel: «Eitelkeit ist zwar ein in Journalistenkreisen weitverbreitetes Laster. Aber diesmal ist Brotz zu weit gegangen.»

Brotz tritt den Beweis für alle Vorwürfe an

Als wolle er ihren Vorwurf beweisen, haute Brotz auf diesen kritischen Artikel von Tamedia gleich eine Salve von Tweets raus. Als beleidigte Leberwurst. Er räumte zwar ein, dass ihm Binswanger Gelegenheit zur Stellungnahme gab, auf die er aber 24 Stunden lang nicht zu reagieren geruhte. Aber: «Dann hast du deinen Text rausgehauen. Ohne mit mir zu reden. Ich kann damit umgehen. Bin mir deine „Recherche“ im Weltwoche-Stil gewohnt. Du magst finden: Brotz teilt aus, dann muss er auch einstecken. Fair enough. Nur hat das nichts mehr mit Journalismus zu tun.»

Tschakata. Also der Herr Journalist mag nicht antworten, aber dann beschwert er sich darüber, dass man nicht mit ihm habe reden wollen und will seinerseits Binswanger damit beleidigen, dass sie im «Weltwoche-Stil» recherchiere, was immer das sein mag. Also wer nicht geduldig wartet, bis Brotz dann doch ein Momentchen in seinem übervollen Terminkalender findet, betreibe keinen Journalismus mehr. Was für ein Haudrauf, der Moderator.

Apropos, keiner geht auf den «Weltwoche»-Kommentar des ausgewiesenen Recherchierjournalisten Alex Baur ein, der konstatiert: «Doch bei diesem Exzess geht es um mehr als Parteilichkeit: Sandro Brotz stellt sein Ego über seinen Auftrag

Weitere Journalisten beteiligen sich an der Schlacht

Auch die NZZ mischt sich ein und kritisert kühl einen «politisch aufgebauschten Rassismus-Streit». Katharina Fontana stösst den NZZ-typischen ordnungspolitischen Zwischenruf aus: «Die Rassismusdiskussion, die seit ein paar Tagen läuft, trägt so hysterische wie heuchlerische Züge.» Aeschi ist daneben, die Reaktion der Grünen ebenfalls, und Brotz, nun, «das öffentlichrechtliche Fernsehen scheint neuerdings auch ein Tribunal zu sein».

Haben wir uns dann alle wieder beruhigt? Keinesfalls, es fehlt noch Sandro Benini aus dem Hause Tamedia. Er nimmt sich Kollegin Binswanger zur Brust und stellt schon im Titel klar:

Denn: «Hinter der Kritik an Brotz steckt die Vorstellung, ein Moderator müsse ausserhalb der Sendung funktionieren wie ein Kaffeeautomat: möglichst geräuschlos in einer Ecke stehen und nur etwas absondern, wenn man ihn drückt – aber dann immer genau die gleiche Menge in identischer Qualität und immer mit der gleichen Temperatur.»

Much ado about nothing, hätte Shakespeare gesagt, wäre ihm dieses Gezänke überhaupt eine Bemerkung wert gewesen. Medienschaffende äussern sich zu Medienschaffenden, die sich wiederum zu Medienschaffenden äussern, was dann von anderen Medienschaffenden bewertet wird.

Am Schluss ist dann auch die SVP sauer und will bis auf Weiteres nicht mehr in der «Arena» auftreten.

Ach so, eigentlich ging es um den Krieg in der Ukraine. Aber der ist doch lange nicht so wichtig wie die Betrachtung des eigenen und fremder Bauchnäbel.

 

 

 

 

Das Tier im Menschen

Es gibt einen Bodensatz von hemmungslosen Halsern, Berserkern und Verzweifelten. Na und?

Das Blatt für empfindsamen Umgang mit Mensch und Welt berichtet Schreckliches: Der «Arena»-Moderator Sandro Brotz «wurde bedroht». Fassungslos konstatiert «Blick»:

«Die Fronten in der Corona-Diskussion verhärten sich immer weiter.»

Schlimm. Es soll ja Schmierfinken geben, die den Massnahmen-Skeptilern unterstellen, sie stünden in der Tradition von Adolf Hitler oder Stalin. Selbst Bundesräte sollen angeblich «gleich noch den Unsinn» verbreiten, «die Covid-Impfung mache Frauen unfruchtbar.

Mit derlei Darbietungen bestätigt dieser Meister der Doppelzüngigkeit die radikalen Impfgegner in ihrer Haltung und er befeuert sie in ihrem Tun.»

Da müsse die «Gesamtregierung Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land», donnert der «Tages-Anzeiger» gegen solche Brandstifter.

Wer ist Schmierfink, wer Brandstifter, wer Hetzer?

Ähm, da ist jetzt was durcheinandergeraten. Der Schmierfink ist der SoBli-Chefredaktor Gieri Cavelty, und der brandstriftende Tagi teilt nicht gegen ihn, sondern gegen diesen Bundesrat aus.

Gieri Cavelty mitsamt Filterbrille.

Aber zurück zum bedrohten TV-Schaffenden. Brotz ist selbst kein Kind von Traurigkeit und keilt bei fast jeder Gelegenheit gegen «Corona-Leugner». So beschimpfte er Manifestanten in Liestal schon mal als «Flacherdler». Als er sich damit überrschungsfrei einen Shitstorm einhandelte, zog er sich beleidigt aus den asozialen Medien zurück und heulte sich in der TV-Sendung «Journalisten therapieren Journalisten» aus.

Auch die 100 Seiten starken «publizistischen Leitlinien», wo es heisst, «wir stehen für die Werte und die Haltung von SRF» auch «in unseren privaten Posts auf Social Media ein»,  hielten ihn nicht davon ab. Scheiss drauf, sagt Brotz zu diesem Wertediktat. Als Brotz es einmal wagte, in einem «Club» auch «Corona-Kritiker» zu Wort kommen zu lassen, stiess ihn Tamedia gleich zurecht:

«Club wird zum Gugus-Spreader Event».

Glücklicherweise verstand kaum einer diesen Gugus-Titel eines Gaga-Kommentars, aber im Text wurde dann ohne Maske geholzt: «Brotz und Lüthi liessen Nonsense unwidersprochen passieren.»

Nach diesem Ausrutscher wieder auf Linie eingespurt

Seither ist Brotz wieder auf Linie, also beschimpft er die Demonstraten von Bern, insbesondere die «Freiheitstrychler», als «undemokratisch», «unwürdig», gar «unschweizerisch». In einer Live-Schalte in der «Arena» entblödete sich Brotz sogar nicht, einen Vertreter der Treichler zu fragen, ob der denn «ein Patriot» sei.

Unschweizerisch, unpatriotisch, das schallte früher Gesinnungsgenossen von Brotz entgegen, inklusive «Moskau einfach». So ändern sich die Zeiten und die Verwendung von Worten.

Schon immer gab es aber einen Bodensatz in der Gesellschaft, der hässig herumkrakeelt. Stammtischkapitäne, die mit zunehmenden Alkoholkonsum immer lautstärker die Welt neu regeln und ordnen, überzeugt von ihrer eigenen Mission.

«Da sollte man mal, da müsste man, die da oben haben doch keine Ahnung, endlich Saustall ausmisten, Gelump muss weg, verdammte Ausländer, Andersdenkende, Abweichler. Alle unpatriotisch, unschweizerisch.»

So etwa lärmte es früher durch dichter werdendne Stumpenrauch, nach solchen Ausbrüchen kam ein beruhigendes «Vreni, noch ein Halbeli für alle», und man wankte befriedigt heim: mal wieder allen alles gezeigt. Nur blöd, dass keiner auf einen hört.

Es gibt dann Zeitgenossen, die das Tier im Menschen so angefüttert haben, dass sie sich hinhocken müssen und schriftlich üble Drohungen ausstossen. Meistens im Wir-Format, «wir wissen, wo du lebst», «wir werden dir» dies und das antun.

Jeder, der sich in der Öffentlichkeit exponiert, bekommt ab und an Drohungen. Übler und übelster Art. In unserer Sammlung sind ebenfalls Drohbriefe, Mails, als hübsches Exponat eine Pistolenkugel, vor Jahren wurde einmal in unserem Wohnquartier ein Plakat an viele Hauswände gekleistert, das mit Foto vor diesem üblen «Nachbarn» warnte.

Kläffer und Androher von Mord und Totschlag sind Maulhelden

Hunde, die belfern, beissen nicht. Normalerweise; der Amokläufer von Zug ist das traurige Schweizer Beispiel des Gegenteils. Man kann das einfach ignorieren (wie wir das tun), oder man kann versuchen, den Absender zu eruieren und gegen ihn vorzugehen. Wie das viele tun. Denn die meisten dieser Deppen, wenn sie es vermeintlich anonym per Mail tun, sind zu blöd um zu wissen, dass es Methoden gibt, ihre Identität zu enthüllen.

Nun will der «Blick» keine Gelegenheit auslassen, über die zunehmende Hetze, die Verhärtung, die Gewaltbereitschaft in der Schweiz zu lamentieren. Die natürlich ausschliesslich von Massnahmen-Skeptikern, Impf-Gegnern, Corona-Leugnern ausgeht.

Maulheld. Anonym oder Redaktor?

Nun hat sich Brotz auf Instagram für die Reaktionen zu seiner letzten Sendung bedankt und erwähnt: «abgesehen von den Drohungen (die übrigens von mir konsequent zur Anzeige gebracht werden).»

Story mit Hilfe der Luftpumpe

Das stellt das Analyseorgan «Blick» in einen grösseren Zusammenhang: «Es ist nicht das erste Mal, dass sich Brotz im Laufe seiner SRF-Karriere mit dieser Thematik konfrontiert sieht. Bereits 2016, als er noch durch die «Rundschau» führte, sprach er davon, Drohungen gegen «Leib und Leben» zu erhalten.»

Furchtbar, nun versuchte «Blick», vom bedrohten TV-Mann eine Stellungnahme zu erhalten. Um was für eine Drohung handelt es sich denn genau, braucht er Polizeischutz, geht es auch gegen seine Familie? Wie konkret ist die Drohung, ist schon bekannt, ob sie von einem «Freiheitstrychler» oder gar aus dem Umfeld der SVP stammt? Vielleicht aus dem Vorzimmer eines Bundesrats?

Blöd aber auch:

«Auf Nachfrage von Blick wollte sich Brotz nicht weiter dazu äussern. Darauf angesprochen, wie das SRF als Arbeitgeber mit der Thematik umgehe, heisst es, dass man intern aufgrund des mittlerweile raueren Umgangston, Unterstützungsangebote wie Kurse und Coachings anbieten.»

Als Journalismus noch etwas mit Anstand und Augenmass zu tun hatte, hätte spätestens hier ein Qualitätskontrollstelle gesagt: schade, das war dann der Todesstoss für die Story. Nullnummer, heisse Luft, kein Platz dafür im Blatt. Aber das war gestern. Heute wird nicht nur heisse Luft publiziert; auch Fürze verpesten die Medien.

Kindisch-arrogante Dialogverweigerung

Reden wir mal drüber? Nicht mit der Klimajugend.

Es war schon immer das Privileg von Autokraten und Diktatoren, von vermeintlich unangreifbaren Autoritäten, die Debatte zu verweigern.

Das chinesische Regime will keinen Dialog mit Dissidenten. Der weissrussische Autokrat Lukaschenko will keinen Dialog mit den Demonstranten gegen seine manipulierte Wiederwahl.

Damit soll die andere Seite nicht aufgewertet, nicht anerkannt, ihr Legitimität abgesprochen werden. Denn Regimes und Autokraten haben Angst vor dem freien Wort, vor der Debatte.

Alle Heilslehren, Religionen, hermetisch geschlossene Ideologien haben Angst vor der Debatte. Im Islam ist das bis heute unmöglich; die christliche Kirche musste dazu gezwungen werden, auf Zweifel und Gegenargumente nicht mit der Inquisition zu reagieren.

Nur im offenen Widerstreit der Argumente ist Erkenntnisgewinn möglich

Natürlich ist die Freiheit der Debatte nicht grenzenlos; sie braucht Regeln, die Teilnehmer müssen geschützt sein. Aber es gehört zu den fundamentalen Vorteilen unserer zivilisierten Gesellschaftsform, auf dieser kleinen Insel des offenen Streitens, dass Konsens herrscht: nur im Widerstreit der Meinungen ist Erkenntnisgewinn möglich.

In hermetisch geschlossenen Systemen, in Autokratien, in absolutistischen Regimes wird dekretiert, worüber debattiert werden darf – und worüber nicht. In fundamentalistischen Glaubensgebäuden gilt Zweifel als blasphemisch, der sogar mit dem Tod bestraft werden muss.

Offenes Streiten über alles ist nur in einigen Staaten Europas, in den USA, in wenigen Staaten Asiens, nirgendwo in Afrika oder Lateinamerika möglich. In zu vielen Ländern der Erde riskiert der Vertreter einer unliebsamen Meinung, dass er zensiert, boykottiert, bedrängt wird. Schlimmer noch, dass er bedroht wird, Nachteile in Kauf nehmen muss. Vielleicht sogar sein Leben verliert.

Kleine Inseln der Glückseligen im Meer der Intoleranz

Wir leben hier in der Schweiz auf einer der wenigen Inseln der Glückseligen, wo im Rahmen des Anstands und der Gesetze ein offener Meinungsstreit nicht nur möglich ist, sondern auch eine lange Tradition hat. In jeder Form.

Eine dieser Formen ist das Streitgespräch in der Öffentlichkeit. Auf Podien, in Sälen oder vor Mikrophonen und Kameras. Die einzige Sendung des Schweizer Fernsehens, die eine solche Streitkultur pflegen will, ist die «Arena».

Man kann, was dort stattfindet, als Schaukampf kritisieren, bemängeln, dass es nur rhetorische Spiegelfechterei sei, dass man sich nicht zuhöre, sondern jeder Teilnehmer nur möglichst viel Redezeit für sich erobern will. Auch diese Meinungen kann man frei äussern.

Wir sprechen gerne mit allen, nur mit dem nicht

Nun überrascht das «Kommunikationsteam des #RiseUpForChange» damit, dass es «sehr gerne auch mit Menschen spricht, welche unterschiedliche Ansichten haben». Allerdings bestimmt es selbstherrlich, mit wem es nicht spricht. Denn die Redaktion der «Arena» bestehe doch tatsächlich «auf der Einladung Roger Köppels».

Eine Unverschämtheit für das «Kommunikationsteam», denn «Roger Köppel und seine Zeitung hetzen seit Beginn der Klimastreiks massivst gegen Klimastreikende». Daher habe man «einstimmig beschlossen, die Einladung zur SRF Arena nicht anzunehmen».

Genauer gesagt: Die Teilnahme zurückzuziehen, nachdem man offensichtlich mit dem Erpressungsversuch scheiterte, nur aufzutreten, wenn Köppel nicht dabei ist. Das ist so unverfroren und unerhört, dass man es kurz abschmecken muss.

Wenn die Massstäbe völlig verrutschen

Die gleichen Vertreter einer Bewegung, die die Toleranz der Gesellschaft aufs «massivste» strapazierten, indem sie ein Lager auf dem Bundesplatz vor dem Schweizer Parlament aufschlugen, das trotz klarem Gesetzesverstoss von der Berner Regierung toleriert wurde, wollen die Teilnahme eines missliebigen Kontrahenten in einer Debatte nicht tolerieren.

Dabei haben sie sich offensichtlich verschätzt und überhoben, indem sie meinten, mit ihrer Drohung, der Debatte fernzubleiben, könnten sie Köppel ausladen, obwohl ihnen weder seine Einladung noch seine Ausladung zusteht.

Die Begründung fürs Schmollen ist aberwitzig: Köppel leugne oder relativiere die Existenz des menschengemachten Klimawandels. «Dieser ist wissenschaftlicher Konsens und kann nicht zur Debatte stehen.»

Die Klimajugend will bestimmen, was debattiert werden darf

Das erinnert an die absolute Arroganz der Kirche, die Galileo Galilei mit dem Zeigen der Folterinstrumente klar machte, dass die Erde eine Scheibe sei und unverrückbar im Zentrum des Universums stünde. Das sei wissenschaftlicher Konsens und könne natürlich nicht zur Debatte stehen.

Nun hat Köppel vielleicht nicht das Format eines Galileis. Aber ein paar erregte Jugendliche haben noch viel weniger das Format oder die Autorität, darüber zu entscheiden, was zur Debatte stehen darf und was nicht.

Man könnte nun Milde walten lassen und verständnisvoll darüber hinwegsehen, dass ein paar Idioten in jugendlichem Ungestüm noch keine Ahnung haben, was Meinungsfreiheit und Toleranz bedeuten. Unheimlich wird es aber, wenn ein Krisenkommunikationsberater wie Mark Balsiger Wind in eigener Sache macht, indem er per unverlangter Ferndiagnose schon vor der Debatte weiss, dass Köppels «Teilnahme in der Sendung nichts» bringe.

Ein Krisenkommunikator als Krise in eigener Sache

Wer solchen Unsinn verzapft, ist selber die Krise, die er kommunikativ zu bewältigen verspricht. Es mag durchaus zweifelhaft, gar falsch sein, unsinnig, unwissenschaftlich, hanebüchen, was Roger Köppel oder andere Autoren der «Weltwoche» über Klimaveränderung sagen.

Aber selbst wenn das so ist: Das ist ein laues Lüftchen im Vergleich zu dieser arroganten Borniertheit, in einer Debatte bestimmen zu wollen, wer mit welchen Meinungen daran teilnehmen darf – und wer nicht.

Selbstverständlich findet die «Arena» unter Teilnahme von Roger Köppel statt, und das ist gut so. Die Klimajugend hat sich hingegen als ein dummer Haufen von trotzenden Rotznasen entlarvt. Erstaunlich höchstens, dass diese «Kollektiv» auch für Greenpeace spricht. Dieser Organisation konnte man bislang eine gewisse Vernunft nicht absprechen.

Aber hier ballt sich eine üble Mischung aus geschichtsvergessener Dummheit, Borniertheit und Rechthaberei zusammen. Von Menschen, die vergessen haben – oder nie wussten –, wie kostbar das Gut der freien Debatte ist, und mit wie vielen Opfern es erkämpft werden musste.

Deshalb dürfen nur weit gefasste Gesetze, so wie in der Schweiz, die freie Meinungsäusserung beschneiden. Niemals selbsternannte «Kommunikationsteams» von Kommunikationsverweigerern.