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Krieg ist Frieden

Ein Friedenspreisträger lobt den Krieg.

Nora Zukker zitiert bei Tamedia den Träger des eigentlich angesehenen Friedenspreises des deutschen Buchhandels:

«Von der Ukraine lernen heisst furchtlos und tapfer sein, vielleicht auch siegen lernen»

Abgesehen von der mangelhaften Interpunktion: was Karl Schlögel hier von sich gibt, ist nicht nur ein Echo auf längst vergangenen sozialistischen Jubelton («von der Sowjetunion lernen, heisst siegen lernen»).

Es ist eine geradezu orwellhafte Pervertierung eines Friedenspreises. Ein unfassbares, aber reales Beispiel für den Newspeak. Bei ihm ist das Ministry of Peace für Krieg zuständig, das Ministry of Love für Folter und Bestrafung, das Ministry of Truth für Propaganda und Lügen.

Dem lebt bereits Trump mit seiner Plattform Truth Social nach, die vor Lügen nur so strotzt.

In «1984» gelten die Sätze: «Krieg ist Frieden», «Freiheit ist Sklaverei» und «Unwissenheit ist Stärke».

Es ist die Schreckschraube der Literatur, die Schlögel unkritisch zu Wort kommen lässt. Zukker hat die Dankesrede aufgezeichnet:

«Aber wo, wenn nicht hier in der Frankfurter Paulskirche, ist der Ort, über Wege heraus aus dem Krieg zu sprechen und dabei Walter Benjamins Satz ernst zu nehmen: ‹Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg.›»

Wäre Zukker ein wenig gebildeter, wüsste sie: der Satz stammt nicht von Benjamin. Er ist eine Abwandlung aus Brechts «Kriegsfibel»: «Wer vom Krieg nicht reden will, der soll vom Frieden schweigen.» Von Banausen gerne fälschlich und verdreht Benjamin zugeschrieben. Aber literarische Kenntnisse einer Literaturchefin bei Tamedia: wohl ein Widerspruch in sich selbst.

Obwohl es nur eine gekürzte Wiedergabe dieser missratenen Dankesrede ist, hätte Zukker auf diesen gravierenden Fehler Schlögels zumindest in einer Fussnote hinweisen müssen.

Welche friedlichen Worte findet denn der Friedenspreisträger in seiner Rede? «Sie (die Ukrainer, Red.) zeigen uns, dass dem Aggressor entgegenkommen, nur dessen Appetit auf noch mehr steigert, und dass Appeasement nicht zum Frieden führt, sondern den Weg in den Krieg ebnet.»

Appeasment, der seit Hitler stigmatisierte Begriff; die in seiner Verwendung implizierte Aussage, dass man Kriege nicht mit Verhandlungen beendet, sondern mit einem Sieg. Um in der gleichen Begriffsumgebung zu bleiben: mit einem Endsieg.

Die Verwendung dieses kontaminierten Ausdrucks hätte auch eine kritische Anmerkung verdient.

Nach einer solchen blutrünstigen Rede hätte dem Redner eigentlich der Preis sofort wieder aberkannt werden müssen. Wegen offensichtlicher Untauglichkeit und Unwürdigkeit.

Stellen wir uns nur mal spasseshalber vor, Schlögel hätte mit solch bewegenden Worten den Kampf der Palästinensergelobt. Er hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Rede nicht zu Ende halten dürfen.

Aber Kriegsgegurgel, selbst bei der Verleihung eines Friedenspreises, das ist kritiklos möglich, wenn es gegen den Iwan geht.

Orwell hätte seine helle Freude daran.

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Dieser Text wurde nach Intervention der Rechtsabteilung von Tamedia ergänzt. Sie drohte mit einer Klage wegen Persönlichkeitsverletzung.

Wumms: Markus Somm

Damit verabschieden wir uns von der Berichterstattung über den verpeilten Historiker.

Das Blatt, von dem er Chefredaktor ist, lesen im Schnitt 4000 Nasen. Oder haben’s zumindest abonniert. Höchstwahrscheinlich aus Mitleid. ZACKBUM hat mehr Leser …

Aber Markus Somm darf weiterhin in der «SonntagsZeitung» unter Beweis stellen, dass er sich nicht nur bis heute für seine linke Vergangenheit schämt, sondern der Meister der schrägen Geschichtsvergleiche ist.

Neuster Streich: «Wer sich aber gleicht, ist Kissinger & Co. und Neville Chamberlain, der glücklose britische Premierminister, der in den 1930-Jahren die Politik des Appeasements erfand.» Da sei dem Brachialvergewaltiger historischer Fakten doch einfach die Lektüre von «München» empfohlen. Das sehr genaue Werk von Robert Harris wurde auch verfilmt, da versteht man dann die Zusammenhänge noch besser.

Womit hat sich denn der uralte Henry Kissinger diesen Vergleich eingehandelt? Er empfahl am WEF, realpolitisch zu werden und die Annektion der Krim sowie des Donbass plus die Neutralität der Ukraine zu akzeptieren.

Oder in der Version von Somm: «Kurz, Herr Selenski, geben Sie endlich auf», sei der Ratschlag dieser Appeaser. Wahrscheinlich mag Somm den grossen deutschen Stückeschreiber Bertolt Brecht auch nicht besonders. Aber ein Zitat zum Thema des grossen Dialektikers könnte er sich hinter die Ohren schreiben:

«Das grosse Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.»

König Pyrrhos I soll 279 v.u.Z. nach einer Schlacht gesagt haben: «Noch so einen Sieg über die Römer, dann sind wir vollständig verloren.» Vielleicht hätte hier ein guter Rastschlag auch Schlimmeres verhindern können.

Aber der Vorteil eines Historikers ist ein doppelter. Er kann beliebig mit den historischen Fakten spielen. Und er ist in keiner Form für seine Ratschläge verantwortlich zu machen. Allerdings: Irgendwann wird’s dann einfach zu blöd.

Angsthase Scholz?

Der deutsche Bundeskanzler wird, wie der Schweizer Aussenminister, als schlapp kritisiert.

Bundeskanzler Scholz, der Zögerer und Zauderer. Bundesrat Cassis, der nicht mal russische Kriegsverbrechen anprangern will. Dabei sollte man doch endlich schwere Waffen, alles Gerät in die Ukraine liefern, das das Land braucht, um sich gegen die Invasion Russlands zu wehren. Und überhaupt, die Sanktionen, da sollte die Schweiz völlig auf ihre Neutralität pfeifen und noch viel mehr und schärfere anwenden.

Wieso findet immer noch russischer Rohstoffhandel in der Schweiz statt? Gibt es noch einen Oligarchen, der es sich in seiner Villa in Gstaad oder Lausanne oder Genf gutgehen lässt? Gibt es noch russische Künstler, die kein Auftrittsverbot haben? Wann hört man endlich auf, Tschaikowski zu spielen oder Tolstoi zu lesen?

Selbst die sonst so friedlichen und sanften Grünen hören auf, Bäume zu umarmen, und fordern lautstark, dass sich die Schweiz endlich der NATO anschliessen sollte. Selbst CH Media Clanchef Peter Wanner ist auf dem Kriegspfad und fordert in allen seinen Blättern eine «klare Kante» gegen Putin; keine Weichheiten mehr, sich ja nicht erpressen lassen.

Russland ist die grösste Atommacht der Welt? Na und, man weiss doch, wohin Appeasement führt, halbgebildete Historiker sagen nur «München 1938». Da habe man schon einmal Diktatoren nachgegeben, in der Hoffnung damit den Frieden für diese Zeit zu retten. Und ein Jahr später brach Hitler den Zweiten Weltkrieg vom Zaun.

Also doch lieber klare Kante, und wieso zögert Scholz und eiert so rum? Eigentlich ist die Antwort ganz einfach, wenn man etwas darüber nachdenkt, mit einem nicht verklebten Hirn. Selbst die «Weltwoche» findet inzwischen, Putin sei nicht ein «Unverstandener», sondern geht der Frage nach, welche Ähnlichkeiten er mit Hitler habe. Sozusagen eine Art Abbitte, dass sich Roger Köppel mal wieder in seinem ewigen Bemühen, gegen den Mainstream zu schwimmen, unter die Wasseroberfläche gedrückt hatte. Es ist halt nie eine gute Idee, einfach zu sagen: Wenn es die anderen so sehen, sehe ich das Gegenteil. Aus Prinzip. Worum geht’s eigentlich? Keine Ahnung, aber viel Meinung.

Nun erklärt sich Kanzler Scholz in einem Interview in aller Klarheit: «Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt.» Hoppla, könnte es den geben, und wenn ja, wäre das kein Videospiel? Echt jetzt? Mit echten Toten überall, mit radioaktiver Strahlung und einer Welt, die bestensfalls wie in den «Mad Max»-Dystopien aussähe?

Es gibt nunmal einen Unterschied zwischen Hitler und Putin: der deutsche Massenmörder hatte keine Atombomben. Das macht Putin nicht sympathischer, aber gefährlicher.

Alle, die bereits «Putin-Versteher» denken, dürfen hier gerne mit der Lektüre aufhören.

Denn die nächsten Fragen drängen sich auf: Ist es die Ukraine wert, einen atomaren Schlagabtausch, einen finalen dritten Weltkrieg zu riskieren? Ist es eine gute Idee, für die Ukraine eine militärische Lösung anzustreben? Will man wieder in die Logik der Stellvertreterkriege zurückfallen? Als die USA in Vietnam einfielen, unterstützte das damals noch existierende kommunistische Lager natürlich die Gegner der USA. Als die Sowjetunion sich in Afghanistan engagierte, rüsteten die USA fundamentalistische Wahnsinnige mit Stinger-Raketen aus.

Nun ist Russland in der Ukraine eingefallen und hat sich, wie die USA in Vietnam, wie die UdSSR in Afghanistan, schwer verschätzt, was die Widerstandskraft der Einheimischen betrifft. Die werden nun zunehmend mit westlichen Waffen ausgerüstet, beim schweren Gerät wie Panzer greift man noch auf Bestände der Ex-UdSSR zurück, die in ehemaligen Ostblockstaaten lagern.

Die Ukraine hat einen Eilantrag zur Aufnahme in die EU gestellt. Der Beitritt zur NATO hat sogar Verfassungsrang. Mischt sich der Westen nun immer massiver in die militärischen Auseinandersetzungen ein, kann das in der absurden Kriegslogik bedeuten, dass Putin das ab einem gewissen Punkt mit einem direkten Eingreifen der NATO gleichsetzt. Um das Bild zu vervollständigen, muss man nur noch erwähnen, dass Russland dem Westen bei konventionellen Waffen unterlegen ist.

Wer jeden Versuch einer Verhandlungslösung unter Berücksichtigung der russischen Interessen als unverständliches Appeasement gegenüber einem skrupellosen Diktator denunziert, zeigt damit eine gewisse Realitätsferne. Im Gegensatz zum weltberühmten Linguisten und politischen Aktivisten Noam Chomsky. Mit unglaublicher Luzidität gibt der der «Weltwoche» ein Interview und sagt fundamental richtige Dinge:

«Es gibt nur zwei Möglichkeiten, einen Krieg zu beenden. Entweder mit einer Verhandlungslösung. Oder mit der Vernichtung der einen oder der anderen Seite.»

Was Chomsky auch in aller nüchternen Klarheit konstatiert: «Die USA sind ein Schurkenstaat, der mit grossem Abstand der führende Schurkenstaat dieser Welt ist – niemand kommt auch nur annähernd an uns heran. Und doch fordern wir Kriegsverbrecherprozesse gegen andere, ohne mit der Wimper zu zucken.»

Man sieht, wenn man sehen will: Das mediale Gebelfer und die Forderungen nach mehr Sanktionen, mehr Boykotten, mehr Waffenlieferungen, mehr Flüchtlingen, mehr Kriegsverbrecherprozessen haben nur ein Gutes: solche medialen Forderungen von Leitartiklern abwärts haben null Wirkung. Wer nimmt denn diese Kommentatoren noch ernst. Aber die Berichterstattung lullt natürlich Volkes Stimme ein, setzt eine gewisse Grundströmung in der Bevölkerung.

Und führt beispielsweise, laut Chomsky, dazu, dass über ein Drittel der US-Bevölkerung für einen Krieg bereit sind, selbst wenn das ein Atomkrieg wäre.

Seit es Atomwaffen gibt und seit sie einige Staaten besitzen, sind alle alten Regeln der militärischen Auseinandersetzung ausser Kraft gesetzt. Vor einem atomaren Vernichtungssturm schützte uns bislang nur die banale Erkenntnis: wer hier als Erster schiesst, stirbt als Zweiter.

Ob diese Erkenntnis aber, bei all den Kriegsgurgeln, Sandkastengenerälen, Sandkastenstrategen, in der breiten Bevölkerung die Oberhand behält?