Schlagwortarchiv für: Anuschka Roshani

Gruppentherapeutin Wanner

Keine zu klein, Beckmesser zu sein.

Von Aline Wanner, um gleich dem Sexismusvorwurf Schub zu geben, sind eigentlich keine beeindruckenden journalistischen Werke bekannt. So als «Redaktionsleiterin». Allerdings gebietet sie dort nur über drei Redakteure, Gruppendynamisches ist nicht bekannt.

Nun mäkelt sie etwas spät, aber immerhin, an der Recherche «Anuschka und Finn» herum: «Fragwürdige neue Details von Schawinski». So ein Titel ist schon mal fragwürdig, wenn er vom Text nicht gestützt wird. Er wird noch fragwürdiger, wenn der Text einer angeblichen «Medienkritik» auf die Kernaussagen und das Kernproblem mit keinem Wort eingeht.

Das besteht nämlich darin, wie Roger Schawinski ausführlich und begründet nachweist und aufzeigt, dass eine frustrierte Redaktorin noch Karriere machen und den Chefsessel des «Magazin» besteigen wollte. Der war aber besetzt, ihre «Initiativbewerbung» um den Posten wurde abgeschmettert. Darauf versuchte sie es erfolgreich mit Mobbing. Ihr Chef wurde entlassen, aber welche Tragödie, statt seine Nachfolgerin zu werden, wurde auch sie gefeuert. Sie hatte zu viele unwahre, falsche oder erfundene Behauptungen über ihn und das Arbeitsklima auf der Redaktion aufgestellt. Nach Ablauf der Kündigungsfrist holte sie zu einem Rache-Artikel in ihrem ehemaligen Organ «Spiegel» aus. Der Rufmord wurde von den übrigen Medien, weil ins «#metoo»-Narrativ passend, begeistert aufgenommen. Canonicas Ruf ist unrettbar ruiniert, er wurde sogar in die Nähe des verurteilten Straftäters Harvey Weinstein gerückt. Prozesse laufen, der «Spiegel» musste bereits diverse Behauptungen von Roshani löschen, das wird aber nichts daran ändern, dass hier ein Mensch fast vernichtet wurde.

Das alles hätte Wanner referieren können. Aber ihr passt halt die ganze Richtung bei Schawinski nicht. Statt also wenigstens die Kernpunkte seiner Recherche wiederzugeben, mäkelt sie an Nebensächlichkeiten rum. Das auch gerne mit reinen Behauptungen: «Es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass auch in Schawinskis detailgetreuer Nacherzählung vieles unklar und unprüfbar bleibt.» Es liegt in der Natur dieses Arguments, dass man vielleicht ein einziges Beispiel anführen müsste.

Restlos argumentationsfrei behauptet Wanner dann: «Schawinski ­breitet berufliche und persönliche Details verschiedener Protagonisten zu Entlassungen, Liebesbeziehungen, ungewollter Kinderlosigkeit und Krankheiten aus. Ob es daran ein öffentliches Interesse gibt, ist mindestens hochgradig frag­würdig.»

Schliesslich wirft sich Wanner zur Hobbybetriebspsychologin auf und behauptet, in der «Magazin»-Redaktion seien «zu viele erwachsene Leute über zu viele Jahre in ungesunden Verhältnissen zueinander» gestanden.

Dann macht sie als Schlusspointe noch eine fiese, halbe Täter-Opfer-Umkehr: «Es ist das traurige Ergebnis einer dys­funktionalen Kultur, für die alle ­Betei­ligten eine gewisse Verantwortung tragen, je weiter oben sie in der Hierarchie sind, desto mehr.»

Auf Deutsch: Canonica als Chef trägt mehr Verantwortung als Roshani dafür, dass sie seine Position erobern und ihn wegmobben wollte. Um nach dem Scheitern mit einem Rache-Artikel einen Rufmord an ihm zu verüben. Wäre Canonica eine Frau und Roshani ein Mann, würde Wanner den gleichen Unsinn verzapfen? Ach, und der Oberverantwortliche für diese «dysfunktionale Kultur» wäre dann wohl Pietro Supino? Das wird ihn sicherlich freuen zu hören.

Diese Kolumne ist auf jeden Fall ein weiterer Beweis dafür, dass dieses Gefäss ersatzlos gestrichen werden sollte …

Springers Meisterstück

Kaufen statt selber machen. Auch so geht’s.

Als der Springer-Verlag im August 2021 eine Milliarde Dollar auf den Tisch legte, um den «Politico»-Verlag zu kaufen, ging eine Raunen durch die Runde.

Das US-Blatt erscheint im Print nur während den Sitzungszeiten des Kongresses als Tageszeitung mit einer bescheidenen Auflage von 40’000 Exemplaren. Gegründet wurde es 2007, eine europäische Ausgabe gibt es seit 2015, natürlich auch auf Englisch.

Sozusagen als Kollateralschaden kostet das den «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt endgültig den Job. Denn als die NYT über die Zustände bei «Bild» berichtete, im Zusammenhang mit diesem Ankauf, wollte sich Springer blitzschnell US-Gebräuchen bei der Verfolgung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz anschliessen.

Aber das nur nebenbei. Wichtig ist, dass sowohl die US-Ausgabe wie auch die europäische im Internet vorführt, wie moderner Politjournalismus heutzutage geht. Aktuell zeigt das gerade die Berichterstattung über die «Pentagon Leaks». Also die Veröffentlichung streng geheimer Dokumente, die belegen sollen, welche militärische Unterstützung die USA der Ukraine gewähren und mit welchen Mitteln sie dort helfen.

Auch wenn «Politico» natürlich nicht die Quelle ist (lustigerweise kamen die Papers über eine Gaming-Plattform in Umlauf), zitieren die meisten deutschsprachigen Medien wie der «Spiegel» das US-Polit-Magazin – oder schreiben ihm einfach ohne Quellenangabe ab.

Besonders bunt treibt’s hier mal wieder Tamedia. Obwohl der Konzern eine Klage gegen den «Spiegel» wegen des Rufmord-Artikels von Anuschka Roshani erwägt, schreibt er einfach dem deutschen Nachrichtenmagazin ab. Das seinerseits bei «Politico» abschreibt.

Auszug aus dem «Spiegel»-Abschreibtext:

«Das Material soll unter anderem Informationen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und Angaben zum Munitionsverbrauch beinhalten. Es gibt auch Landkarten, auf denen der Frontverlauf eingezeichnet ist, und Standorte russischer und ukrainischer Truppenverbände und deren Mannschaftsstärken. Einige der als »geheim« gekennzeichneten Schriftstücke stammten vom Februar und März, wie das Nachrichtenportal »Politico« berichtete.»

Auszug aus dem Tamedia-Abschreibabschreibtext:

«Die veröffentlichten geheimen Dokumente beinhalten US-Medienberichten zufolge unter anderem Informationen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und Angaben zum Munitionsverbrauch. Es gibt auch Landkarten, auf denen der Frontverlauf eingezeichnet ist, und Standorte russischer und ukrainischer Truppenverbände und deren Mannschaftsstärken. Einige der als «geheim» gekennzeichneten Schriftstücke stammen vom Februar und März, wie das Nachrichtenportal «Politico» berichtete.»

Während aber die deutschsprachigen Medien mit diesem Wiederkäuen beschäftigt sind, dreht «Politico» die Story natürlich weiter und berichtet aus dem Innern des US-Verteidigungsministeriums. Dort sei man «sick to the stomach» über diese Veröffentlichungen, was man mit «ist mir übel» dezent übersetzen könnte.

Ein weiterer Artikel befasst sich damit, wie US-Abgesandte ihre verbündeten Spionagepartner besänftigen wollen, obwohl:

«One said that members of the Five Eyes — the intelligence consortium of the United States, Canada, United Kingdom, Australia and New Zealand — have asked for briefings from Washington but have yet to receive a substantive response.»

Was übrigens in angelsächsischen Medien verwendete anonyme Quellen von europäischen unterscheidet: sie existieren …

Wer selbst austesten will, welche Distanz in der Dichte und Kompetenz des Dargebotenen zu deutschsprachigen Medien existiert, soll doch einfach – etwas Englischkenntnisse vorausgesetzt, ansonsten gibt es zufriedenstellende Simultanübersetzungs-Apps – zu jedem beliebigen Zeitpunkt einen Blick auf die Homepage werfen.

Sonst noch Fragen? Ach ja, das Angebot ist gratis, die US-Ausgabe hat 700 Mitarbeiter, davon mehr als die Hälfte festangestellte Redakteure. Politico Europa hat 200 Angestellte …

Wer einmal lügt …

Weitere Faktenchecks zu Roshanis Behauptungen im «Spiegel».

«Das Mobbing mir gegenüber aber ging weiter: Ohne Anlass nutzte Canonica auch den neuen Redaktionsalltag für meine Diskreditierung; machte gern schlüpfrige Bemerkungen, wie beim Weihnachtsessen 2019, als er, zu einem journalistischen Selbstversuch von mir, grinsend bemerkte, dass LSD sicher geil mache. Einem Reporter sagte er – ich war in Hörweite –, dieser dürfe mir nichts glauben, ich würde generell ‚Bullshit‘ von mir geben.»

Das ist eine Textstelle aus dem vierseitigen Pamphlet, das Anuschka Roshani Anfang Februar im «Spiegel» veröffentlichte. Darin beklagte sie sich über Mobbing, Entwürdigung, sexuelle Anspielungen und überhaupt ein unerträgliches Verhalten des ehemaligen «Magazin»-Chefredaktors Finn Canonica. Der habe sie sowohl unter vier Augen wir auch coram publico auf das Übelste verbal angegangen.

Dem «Spiegel» gab es dabei nicht zu denken, dass es sich hier um die Rache einer Entlassenen handeln könnte, die vorher vergeblich versucht hatte, den Stuhl ihres damals amtierenden Chefredaktors zu besteigen und ihn intern nach Strich und Faden gemobbt hatte.

ZACKBUM hat bereits die im Artikel aufgestellten Behauptungen einem Faktencheck unterzogen, soweit das aufgrund vorliegender Dokumente wie dem Untersuchungsbericht von Tamedia oder Aussagen anderer Beteiligter möglich war.

Dabei verwendete ZACKBUM fünf einfache Kriterien zur Bewertung der Tatsachenbehauptungen von Roshani:

  1. Was ist reine Rhetorik und Demagogie?
  2. Welche Anschuldigung stimmt?
  3. Welche stimmt nicht?
  4. Welche beruht auf Hörensagen?
  5. Welche kann nicht beurteilt werden?

Das Ergebnis ist ernüchternd: von 33 überprüften Behauptungen fallen 8 unter Rhetorik und Demagogie, 9 sind Hörensagen, 3 können nicht beurteilt werden, 24 halten einer Überprüfung nicht stand, und nur 2 treffen zu.

Die oben zitierte Behauptung von Roshani wurde bereits zurückgewiesen, da sich das Geschilderte nicht im Redaktionsalltag abspielte und wohl kaum als Beispiel für Mobbing herhalten könnte.

Laut Roshani hätten diese Aussagen, dass LSD sicher geil mache und die Bemerkung gegenüber einem Reporter, Roshani erzähle «generell «Bullshit»», am Weihnachtsessen 2019 stattgefunden.

Das kann nun schlichtweg nicht sein. Nicht deswegen, weil Canonica diese beiden Aussagen bestreitet. Nicht deswegen, weil es für beide keine Zeugen gibt (der Name des «Reporters» wird nicht genannt, beim LSD-Spruch steht Aussage gegen Aussage, wobei Canonica nicht beweisen müsste, was er laut ihm NICHT gesagt hat).

Das kann er aber beweisen. Denn es gab 2019 gar kein Weihnachtsessen. Weder vor noch nach Weihnachten. Das muss Roshani entfallen sein. Aber ohne Weihnachtsessen auch keine Bemerkungen von Canonica. Also ist diese Darstellung frei erfunden.

Es gibt eine ganze Reihe weiterer Behauptungen von Roshani, die über die schon widerlegten hinaus beweisbar falsch sind. Einfache Aussagen wie «Ich war die Einzige, die übrig war aus dem alten Team …»; das ist leicht mit der Realität zu widerlegen; es ist unverständlich, wieso Roshani diese Falschbehauptung aufstellt.

Schwerwiegender ist diese Unwahrheit: «Eine Kollegin entließ er ohne Vorwarnung.» Auch das ist nachweislich falsch, wenn man den Namen der Kollegin kennt und auch weiss, wie sich diese Entlassung in Wirklichkeit abgespielt hat.

Dann gibt es noch einen besonders widerwärtigen Vorwurf, weil der sich nicht auf Roshani selbst bezieht: «Nicht mal Canonicas Affäre mit einer Untergebenen und den damit verbundenen Machtmissbrauch fand das Unternehmen als Vorwurf erheblich genug: Erst bevorzugte Canonica seine Geliebte, ohne daraus einen Hehl zu machen, ging mit ihr auf Dienstreisen, dann, nach dem Ende des Verhältnisses, verbot er uns, mit ihr zu kommunizieren.»

Es kann als erstellt betrachtet werden, dass es eine solche Affäre nie gab, Canonica daher auch seine angebliche Untergebene und Geliebte nicht bevorzugt behandelt oder auf Dienstreisen mitgenommen haben kann, geschweige denn der Redaktion nach Beendigung des Verhältnisses die Kommunikation mit der Nicht-Genannten verboten habe.

Wer solche zutiefst verstörenden und ehrverletzenden Behauptungen aufstellt, die einer Überprüfung allesamt nicht standhalten, hat nicht nur straf- und zivilrechtliche Konsequenzen zu gegenwärtigen.

Was hier – unter Mithilfe des «Spiegel» – passiert ist, ist schlichtweg Rufmord. Dass die anderen Medien, angefangen von CH Media über Ringier und sogar NZZ und «Die Zeit», mit angeblichen anonymen Zeugenaussagen weiterhetzten, ist schlichtweg widerwärtig. Dass kein einziges Medium – ausser ZACKBUM – sich die Mühe machte, die Behauptungen von Roshani einer Überprüfung zu unterziehen, ist beelendend. Dass keiner der zahlreichen angeblichen Zeugen bislang den Mut hatte, nicht nur anonym im «Schweizer Journalist», sondern auch mit Namen zur Aussage zu stehen, dass die Behauptungen von Roshani, soweit sie von anderen Redaktionsmitgliedern überprüfbar sind, allesamt falsch seien, ist ein Ausdruck von unglaublicher Feigheit.

Wer bei der Preisverleihung für den «Journalist des Jahres» miterleben musste, wie der Preisträger Christof Gertsch als Mitarbeiter des «Magazins» sich wand und herumdruckste, als er gefragt wurde, was er denn zum Skandal ums «Magazin» zu sagen habe, der wusste wieder einmal, was fremdschämen bedeutet. Nach einem peinlich langen Schweigen quetschte Gertsch heraus, dass er dazu «aus tausenderlei Gründen» nichts sagen wolle. Dabei gibt es nur einen Grund: mangelnde Zivilcourage.

Während aber ein Vorwurf nach dem anderen von Roshani in sich zusammenfällt, schweigen nun die Medien, die zuvor Canonica hemmungslos verurteilten. Die NZZ drosch noch auf die liebe Konkurrenz und auf Roger Schawinski ein, der als Einziger Recherchierarbeit geleistet hatte und Canonica Gelegenheit zur Stellungnahme gab. Das eigene Fehlverhalten würdigte die NZZ aber keines Wortes.

Nun ist tiefes Schweigen ausgebrochen, ausser der kurzen Meldung, dass Canonica rechtliche Schritte eingeleitet habe. Aber selbst wenn er damit vor Gericht triumphiert: sein Name bleibt beschmutzt, er ist als Journalist tot, er ist toxisch und wird grosse Schwierigkeiten haben, jemals wieder eine adäquate Anstellung zu finden. Gibt es wenigstens Sanktionen gegen Redakteure wie Salome Müller, die in der «Zeit» Behauptungen von Roshani im Indikativ als feststehende Tatsachen schilderte? Nein. Die «Zeit» antwortet nicht einmal mehr auf wiederholte Anfragen.

Gibt es Entschuldigungen oder wenigstens Richtigstellungen in all den Medien, die mitgehechelt und mitgehetzt haben, das Narrativ von Roshani im #metoo-Wahn ungeprüft übernahmen? Nein.

Ist das alles verzeihlich? Nein.

Die «Magazin»-Memmen

Hat man so viel kollektive Feigheit schon jemals gesehen?

Bruno Ziauddin ist als Stellvertreter von Finn Canonica auf dessen Stuhl gerutscht. Bei der Gelegenheit verabschiedete er seinen Chef mit einer Eloge und vergass zu erwähnen, dass der gefeuert worden war. Als seine Mitarbeiterin Anuschka Roshani gefeuert wurde, blieb er stumm. Wenn man ihn heute fragt, was denn da abging, verweist er schmallippig auf die Medienstelle von Tamedia.

Im aktuellen Editorial sabbert er über Eltern mit Kindern und solche ohne. Und über einen Zahn Lumumbas, ein Thema, das ihn «aufgewühlt und ja: wütend gemacht» habe. Das Thema, ob sein ehemaliger Chef weggemobbt wurde oder jahrelang seine Mitarbeiterin quälte, das lässt Ziauddin aber öffentlich völlig kalt.

Dann haben wir den Kampffeministen und Fan inkludierender und nicht diskriminierender Sprache Philipp Loser. Schnell zur Hand, wenn es aus Gutmenschenperspektive etwas zu verbellen gilt, wenn es einen Konzernjournalisten braucht, der einen unliebsamen Konkurrenten so niederschreibt, dass der Artikel gelöscht werden muss und er selbst zu Kreuze kriechen. Bleibt stumm. Katja Früh: kein Wort. Kaltërina Latifi? Schreibt übers Duzen. Christian Seiler? Über «Sushi oder das Rätsel der Aale». Anita Blumer, «Autorin und Regisseurin»: über Kinder. Simona Pfister? Über Simone de Beauvoir. Eva Hirschi? Über «ein Tag im Leben». Max Küng? Hat sich verirrt.

Im Impressum sind neben Bruno Ziauddin und seiner stellvertretenden Quotenfrau Barbara Achermann drei  Redakteure aufgeführt, darunter Mikael Krogerus, der Partner der «feministischen Aktivistin» Franziska Schutzbach. Dazu sieben «redaktionelle Mitarbeiter». Diverse von ihnen sind Autoren im Verlag «Kein & Aber» des Gatten von Roshani, wie zum Beispiel Nina Kunz.

Es gibt kaum ein Unrecht auf der Welt, dass das «Magazin» noch nicht angeprangert hat. Sexuelle Übergriffe, Ausnützung von Machtpositionen, Diskriminierung, Anzüglichkeiten, #metoo, Frauen als Opfer von Machomännern: aber hallo, wo sich ein Thema an den Haaren herbeiziehen liess, da war das «Magazin». Und gab es keine Haare, drehte es Locken auf der Glatze.

Nun wogt seit über einem Monat eine Debatte, ob die Behauptungen von Roshani zutreffen, ihr ehemaliger Chef habe sie jahrelang gemobbt, diskriminiert und gedemütigt. Auch coram publico, also vor Zeugen, vor anderen Redaktionsmitgliedern.

Aber hat es ein einziges bislang geschafft, mit Namen hinzustehen und Zeugnis abzulegen? Nein. Es gibt nur anonyme Heckenschützen, die alles als «noch viel schlimmer» beschreiben. Wenn sie nicht von den jeweiligen Autoren der Konkurrenz erfunden wurden. Es gibt eine Recherche vom «Schweizer Journalist», der acht Mitarbeiter zitiert, die übereinstimmend sagen, dass sie solche Verhaltensweisen von Canonica nicht erlebt hätten, es kein Mobbung gegeben habe und das Klima auf der Redaktion gut gewesen sei. Aber auch sie machen das anonym.

Man habe sich nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen können, ist das sackschwache Pseudoargument aus der Dunkelheit des Schweigens. Herrscht da Schiss vor arbeitsrechtlichen Folgen? Nun, gratis aus der Anonymität wäffeln, das ist billig. Hinstehen und Konsequenzen gegenwärtigen, das bräuchte einen Funken Zivilcourage.

Nicht mal den bräuchten die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger und der in anderen Zusammenhängen tief gründelnde Reporter Daniel Ryser. Aber auch sie haben ein Schweigegelübde abgelegt, ignorieren wie alle anderen Anfragen, als wären sie bereits im Kloster.

An alle diese Maulhelden und Memmen öffentlich die einfache Frage: Glaubt Ihr wirklich, angesichts dieses Verhaltens glaubt Euch noch irgend jemand Eure Ansichten über irgend etwas? Und Zusatzfrage: Schämt Ihr Euch denn gar nicht, wenn Ihr morgens in den Spiegel schaut?

 

Ein Stück Schmiere

Fehlende Fehlerkultur bei «Die Zeit».

«Eine Redakteurin des Schweizer «Tages-Anzeiger»-Magazins wird jahrelang vom Chef gemobbt, am Ende wird ihr gekündigt. Der Fall zeigt die Machokultur in der Medienbranche.» So leitet Salome Müller am 4. Februar 2023 ihren Bericht in der «Zeit» über die vierseitige Anklageschrift von Anuschka Roshani im «Spiegel» ein.

Wohlgemerkt im Indikativ, obwohl diese Behauptung lediglich von der gefeuerten Journalistin erhoben wurde. Müller ist einschlägig vorbelastet, sie gehörte zu den Rädelsführern eines Protestbriefs, in dem 78 erregte Tamedia-Mitarbeiterinnen eine unerträgliche Arbeitsatmosphäre beklagten. Sexismus, Diskriminierung, Unterdrückung, Machokultur. Diese happigen Anschuldigungen unterfütterten sie mit über 60 Beispielen. Nur: alle waren anonymisiert; bis heute konnte kein einziger Fall verifiziert werden. Müller verliess später den «Tages-Anzeiger» und ist inzwischen Redaktorin des Schweiz-Split der Wochenzeitschrift «Die Zeit».

Verblüffend ist, wie Müller am 4. Februar so ausführlich und mit Hintergründen über einen Artikel berichten kann, der am 3. Februar im «Spiegel» erschien – ohne seinen Inhalt vorher gekannt zu haben. Oder – Autorin und Roshani arbeiteten beide bei Tamedia, Roshani hatte den Protestbrief mitunterzeichnet – hier wurde ein Päcklein geschnürt. Denn die «Zeit» behauptet, Müller habe monatelang an diesem Artikel recherchiert. Der dann zufällig einen Tag nach Roshanis Breitseite im «Spiegel» erscheint, auf diese Ansammlung von Behauptungen Bezug nimmt.

Zunächst referiert Müller ausführlich die Vorwürfe Roshanis und gibt auch die Stellungnahmen von Tamedia und des Anwalts von Finn Canonica wieder. Von beiden Seiten werden die Vorwürfe bestritten, Tamedia sagt zudem, dass eine externe Untersuchung die überwiegende Mehrheit der Vorwürfe nicht bestätigt habe.

Dann nimmt Müller Bezug auf den von ihr mitinitiierten Protestbrief von 2021, um die Affäre Roshani in ihr Framing einzubinden. Schliesslich referiert sie, dass man Roshani im Januar 2022 darüber informiert habe, dass eine externe Anwaltskanzlei mit einer vertieften Untersuchung von ihren Vorwürfen beauftragt worden sei.

Was Müller verschweigt: diese neuerliche Untersuchung fand statt, weil Roshanis Mann, der Verleger Peter Haag, seine Beziehungen hatte spielen lassen und die Beschwerden seiner Frau, die in einer ersten Untersuchung nicht erhärtet worden waren, via einen Verwaltungsrat dort zum Thema machte. Was Müller auch verschweigt: Roshani hatte sich 2020 beim VR um die Stelle von Canonica beworben. Mit der Behauptung, sie sei viel besser als er dazu geeignet, das «Magazin» zu führen. Was Müller darüber hinaus verschweigt: laut diesem Untersuchungsbericht behauptete Roshani zunächst, sie habe sich bereits seit 2007 beschwert. Das korrigierte sie dann zu 2012. Als HR von Tamedia einwandte, dass es keinerlei Unterlagen darüber gebe, behauptete Roshani, die Beschwerden seien nur mündlich erfolgt. Als man sie neuerlich zu diesen und anderen Widersprüchen befragen wollte, verweigerte sie die weitere Zusammenarbeit und meldete sich krank – ohne Arztzeugnis.

Diese neuerliche Untersuchung ist also nicht eine Verzögerungstaktik von Tamedia, wie Müller das hinstellt. Sondern eine Reaktion auf den neuerlichen Versuch Roshanis, ihren Chef anzuschwärzen, weil sie gerne seine Position gehabt hätte.

Wer hier beim Mobbing Opfer ist, wer Täter, das ist zumindest sehr unklar. Als Canonica 2007 Chefredaktor des «Magazin» wurde, habe er nach eigenen Aussagen Roshani die Stelle seiner Stellvertreterin angeboten – sie lehnte ab. Als es 2014 unter höchstem Spardruck zu einer Umstrukturierung des «Magazin» kam, behielt Canonica Roshani als einzige der bisherigen Redaktoren an seiner Seite. Als besonderen Gunstbeweis ermöglichte er Roshani zudem ein halbjähriges Sabbatical. Bezahlt, was sonst nie gewährt wurde.

Der Untersuchungsbericht kommt zum Schluss, dass eine weitere Zusammenarbeit zwischen Canonica und Roshani nach ihren gesammelten Vorwürfen nicht mehr denkbar sei. Darin liegt offenbar der Grund für ihre Entlassung. Sie hatte versucht, ihren Chef wegzumobben und stellte sich, als das gescheitert war, selbst als Mobbingopfer da.

Das alles ist Müller entgangen, weil sie voreingenommen lediglich ihr seit dem Protestschreiben verfolgtes Narrativ der angeblichen «Machokultur in der Medienbranche» bedienen wollte.

Besonders stossend ist ihre Behauptung, «Roshani legte ein siebenseitiges Dossier vor, in das Die Zeit Einsicht hatte». Das kann nur bedeuten, dass Müller diese Vorwurfsammlung vorab von Roshani zugesteckt bekam. Zudem zitiert Müller aus «Notizen, die sich Roshani während des Onlinegsprächs (mit dem damaligen Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, Red.) gemacht» habe.

Dann kommt dicke Post: «Fünf ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Tai-Magi bestätigen der Zeit, was Roshani in ihrem Dossier beschrieben hat. … Eine der Personen sagte: «Es war Psychoterror».» ZACKBUM wagt die These: diese fünf Mitarbeiter existieren nicht, sind eine Erfindung von Müller, die sich von Roshani und einer einzigen weiteren Quelle, einem rachsüchtigen Ex-Mitarbeiter, instrumentalisieren liess.

Schliesslich behauptet Müller: «Die Versuche von Anuschka Roshani, mit Tamedia eine gütliche Einigung zu erzielen, scheitern.» Welche Bemühungen? Roshani hatte sich um die Stelle ihres Vorgesetzten beworben, das ist nicht sehr gütlich. Sie hatte sich über ihn beschwert, dann hatte sie dafür gesorgt, dass diese Beschwerden dem Verwaltungsrat zu Ohren kamen, der nochmals eine genaue Untersuchung veranlasste. Nicht sehr gütlich. Als diese Untersuchung diversen Widersprüche in den Aussagen von Roshani auf den Grund gehen wollte, verweigerte sie die Zusammenarbeit und meldete sich krank. Nicht sehr gütlich.

Schliesslich kam der Untersuchungsbericht zum Ergebnis, dass fast alle der Vorwürfe Roshanis nicht erhärtet werden konnten, es auch keine Zeugen dafür gab. Zudem hielt er fest, dass angesichts dieser Umstände eine weitere Zusammenarbeit von Canonica und Roshani wohl nicht denkbar sei. Also entschied Tamedia, zuerst den Chefredaktor und dann auch Roshani zu entlassen. Was man in ihrem Fall durchaus verstehen kann.

Es bleibt unverständlich, wie die renommierte «Zeit» eine solche Schmiere veröffentlichen konnte. Es ist unverständlich, dass die «Zeit» nicht bereit ist, eine längst überfällige Korrektur zu publizieren. Es ist unverständlich, wieso die «Zeit» gegenüber der Autorin keine arbeitsrechtlichen Massnahmen ergreift. Es ist unverständlich, dass die «Zeit» nicht mal geruht, auf entsprechende Fragen zu antworten.

Faktencheck Roshani

ZACKBUM tut das, was andere schon längst hätten tun müssen.

Anonyme Quellen erfinden oder abmelken, das ist einfach. Einfach widerlich. Zielführend ist hingegen, im Licht der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse die Anklageschrift von Anuschka Roshani einem objektiven Faktencheck zu unterziehen.

Nach fünf einfachen Kriterien:

  1. Was ist reine Rhetorik und Demagogie?
  2. Welche Anschuldigung stimmt?
  3. Welche stimmt nicht?
  4. Welche beruht auf Hörensagen?
  5. Welche kann nicht beurteilt werden?

Als Arbeitsinstrumente liegen die Recherchen des «Schweizer Journalist» vor und der Inhalt des ausführlichen Untersuchungsberichts, der von Roger Schawinski veröffentlicht wurde. Plus die Aussagen, die Finn Canonica in seinem bislang ersten öffentlichen Auftritt in Schawinskis «Doppelpunkt» machte. Plus zwei Methoden, die im modernen Elendsjournalismus kaum mehr einer beherrscht: die Anwendung von gesundem Menschenverstand und Logik. Das wird nun etwas länglich, aber das ist der Genauigkeit geschuldet.

Untersucht wird die Darstellung von Anuschka Roshani, die am 3. 2. 2023 im «Spiegel» unter dem Titel erschien: «Er zeichnete mir Hakenkreuze an den Rand meiner Manuskripte».

1. Einleitend beschreibt Roshani, wie sie einen Hollywood-Spielfilm über zwei Reporterinnen gesehen habe, deren Recherchen zu Harvey Weinstein die Bewegung #metoo ausgelöst hätten. Dann schreibt R.: «Ich sah mir «She said» an, nachdem ich selbst Opfer eines Machtmissbrauchs geworden war.» Diese Einleitung erfüllt einwandfrei Kriterium 1, reine Rhetorik oder Demagogie. Sie vergleicht ihre Erlebnisse mit Vorwürfen, die gegen den verurteilten Straftäter Harvey Weinstein erhoben wurden.

2. «Als Finn Canonica 2007 «Magazin»-Chefredakteur wurde, begann er ein Regime des Mobbings. Ich war nicht die Einzige.» Laut Canonica bot er R. in diesem Jahr die Stelle als seine Stellvertreterin an, die R. ablehnte, weil sie damals schwanger war, während er ihr angeboten habe, dass sie die Stelle nach ihrem Schwangerschaftsurlaub antreten könne. Es ist nicht erfindlich, wieso er sie stattdessen gemobbt haben sollte. Eindeutig Fall 3: stimmt nicht.

3. «Eine Kollegin entliess er ohne Vorwarnung.» Fall 5, kann nicht beurteilt werden. Als ihr der «Tages-Anzeiger» eine Reporterstelle anbot, «soll Canonica gesagt haben», das untergrabe seine Autorität, die Betroffene bekam die Stelle nicht. Fall 4: Hörensagen.

4. «Canonicas erklärtes Führungsprinzip: Er teilte die Redaktion in einen «inner circle» und einen «outer circle».» Der innere Zirkel habe Privilegien genossen, «musste aber auch, egal ob er oder sie es wollte, Details aus Canonicas Sexleben erfahren.» Fall 4, Hörensagen.

5. «Er mutmaßte über die sexuelle Orientierung oder Neigung von Mitarbeitern. Äusserte sich verächtlich über jeden, der nicht im Raum war. Bezeichnete unliebsame Themen als «schwul». Benutzte in Sitzungen fast touretteartig das Wort «ficken».» Die ersten beiden Behauptungen beruhen auf Hörensagen. Die Behauptung, Canonica habe ständig das Wort «ficken» benutzt, ist durch den Untersuchungsbericht widerlegt worden. Also Fall 3, stimmt nicht.

6. «Erzählte Intimitäten, etwa, dass zwei Redakteure ihre Kinder nur durch künstliche Befruchtung bekommen hätten.» Fall 4, Hörensagen.

7. «Wer wie ich in den äusseren Kreis aussortiert war, wurde von ihm wochenlang übergangen.» Es ist kaum glaubhaft, dass Canonica R. als einzige Redakteurin der Mannschaft vor den Sparmassnahmen behalten hätte, um sie dann zu übergehen. Da zudem ihr Arbeitsausstoss sehr überschaubar war, ist es nicht glaubhaft, dass sie «nicht mal eine Information erhalten» habe, «wenn ich sie dringend brauchte.» Es wäre ein Leichtes gewesen, das mit einem konkreten Beispiel zu untermauern. Fall 3, stimmt nicht.

8. «Im Wesentlichen entwürdigte er mich mittels verbaler Herabsetzungen. So unterstellte er mir an einer Konferenz, ich hätte mir journalistische Leistungen mit Sex erschlichen: Ich sei mit dem Pfarrer der Zürcher Fraumünster-Kirche im Bett gewesen … In einer SMS sprach mich Canonica als «Pfarrermätresse» an.» Richtig ist, dass diese SMS existiert, Fall 2, stimmt. Canonica erklärt diesen Ausdruck als Frotzelei, da der Pfarrer R. gelegentlich zu einem Kaffee eingeladen habe. Es ist nicht glaubhaft, dass er ihr ernsthaft eine sexuelle Beziehung zu einem Pfarrer unterstellt haben sollte oder zudem insinuiert, dass sie sich so journalistische Leistungen erschlichen habe. Fall 3, stimmt nicht.

9. «Hinter meinem Rücken nannte er mich vor einer Kollegin «die Ungefickte».» Wie aus dem Untersuchungsbericht hervorgeht, will Michele Roten als Einzige gehört haben, dass Canonica R. die «Untervögelte» nannte. Nach einem Kontakt mit R., die in der Untersuchung von «Ungefickte» gesprochen hatte, änderte Roten ihre Version darauf. Daher eindeutig Fall 3, stimmt nicht.

10. «Sagte coram publico zu mir, mein Mann habe «einen kleinen Schwanz».» Bei den Befragungen durch die untersuchende Anwaltskanzlei wurde niemand gefunden, der diese Behauptung bestätigt. Fall 3, stimmt nicht.

11. «In den jährlichen Mitarbeitergesprächen bat ich Canonica wiederholt, sachlich mit mir umzugehen. Das änderte nichts; immer wieder drohte er mir mit Kündigung.» Dafür gibt es keinerlei Unterlagen oder Belege; weder Canonica noch andere können diese Behauptung bestätigen. Im Zweifelsfall 5, kann nicht beurteilt werden.

12. «Einmal schrieb er mir nach der Veröffentlichung eines von mir verantworteten Sonderhefts: «Obwohl du eine Frau bist, hast du brilliert.» Laut Canonica war das eine Frotzelei, wie sie zwischen den beiden nach jahrelanger Zusammenarbeit üblich war. Es erscheint kaum glaubhaft, dass er sie damit herabwürdigen oder beleidigen wollte. Fall 3, stimmt nicht.

13. Sei ein deutsches Wort in ihren Texten aufgetaucht, «zeichnete er mir Hakenkreuze an den Rand meiner ManuskripteFall 2, das stimmt. Allerdings: Canonica bezeichnet das heute als Joke gemeinte Dummheit, die er bereue. Die einleitende Kritik «Doch er verhöhnte mich nicht nur als Frau, sondern auch meine Herkunft», ist in diesem Zusammenhang überzogen, Fall 3, stimmt nicht.

14. «Vielleicht wollte er sich aufwerten, indem er mich abwertete. ich kann mir sein Vergnügen nicht erklären, muss und will es nichtFall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

15. «Rund 14 Jahre lang versuchte ich Canonica, der heute 57 ist, zu entkommen.» Sowohl Canonica wie R. waren 2001 als Redakteure zum «Magazin» gekommen, 2007 wurde er zum Chefredaktor ernannt und bot ihr die Stelle als seine Stellvertreterin an. Wieso sie dann 14 Jahre lang Fluchtgedanken hatte (und die nie in die Tat umsetzte), ist nicht schlüssig. Fall 3, stimmt nicht.

16. «Geriet ich an meine Grenzen, nahm ich ein Sabbatical.» Was R. nicht sagt: sie bekam als einzige «Magazin»-Redakteurin von Canonica ein bezahltes, halbjähriges Sabbatical, was eine massive Bevorzugung gegenüber ihren Kollegen bedeutete. Fall 3, stimmt nicht.

17. «Irgendwann sagte mir ein Kollege, Canonica mobbe mich seit JahrenFall 4, behauptetes Hörensagen. Weder dieser Kollege noch seine Aussage erscheinen im detaillierten Untersuchungsbericht.

18. «Wann immer ich mich zur Wehr setzte, gab er mir zu verstehen, dass ich niemanden im Verlag fände, der mir Gehör schenken würde. Er sitze bombenfest im Sattel und genieße sogar das große Wohlwollen des Verlegers Pietro Supino.» Als CH Media diese Behauptung als Aussage einer «anonymen Quelle» wiederholte, zwang Supino den Konkurrenzverlag, diese Behauptung zurückzunehmen und sich dafür zu entschuldigen. Fall 3, stimmt nicht.

19. «Ich formulierte meine Situation seit 2010 mehrfach gegenüber verschiedenen Stellen im Haus.» Laut Untersuchungsbericht habe R. zunächst schriftlich behauptet, sie habe sich ab 2007 bei HR gemeldet. Mündlich korrigierte sie das dann auf 2012. Als HR keinerlei Belege für diese Meldungen fand, sagte R., dass sie sich nur mündlich beschwert habe. Als man sie mit diesen Widersprüchen konfrontieren wollte, verweigerte sie jegliche weitere Zusammenarbeit mit den Untersuchenden. Fall 3, stimmt nicht.

20. «Mindestens eine Kollegin und ein Kollege erklärten der Personalabteilung damals (2014, Red.), dass sie wegen Canonica kündigten.» Fall 4, Hörensagen mit anonymen Quellen.

21. «2014 berichtete ein Branchenblatt über das «unerträgliche Klima der Angst» unter Canonica.» Das beruhte auf anonymen Quellen; der damalige Kolumnist Daniel Binswanger oder auch Daniel Ryser widersprachen dem ausdrücklich und Ryser bezeichnete es noch zwei Jahre später als Ausdruck von Neid. Fall 3 und 4, stimmt nicht, beruht auf Hörensagen.

22. Obwohl sich – wiederum laut einem «Branchenmagazin» – 2017 die Stimmung gebessert habe, «ging das Mobbing mir gegenüber weiter: ohne Anlass nutzte Canonica auch den neuen Redaktionsalltag für meine Diskreditierung.» Fall 1, reine Rhetorik oder Demagogie.

23. Er habe «gerne schlüpfrige Bemerkungen gemacht, wie beim Weihnachtsessen 2019» (also nicht im Redaktionsalltag), als er zu ihrem LSD-Selbstversuch «grinsend» bemerkt haben soll, «dass LSD sicher geil mache». Einem Reporter sagte er – ich war in Hörweite –, dieser dürfe mir nichts glauben, ich würde generell «Bullshit» von mir geben.» Wenn das die Beispiele für Mobbing und Diskreditierung sein sollen: Fall 3, stimmt nicht.

24. «Das neue Redaktionsteam tat, als wäre nichts.» Das wäre ein Fall 4, reines Hörensagen. Wenn es nicht die Aussagen von acht vom «Schweizer Journalist» befragten «Magazin»-Mitarbeitern gäbe, die unisono all diese Behauptungen dementieren. Es habe keine sexualisierte Sprache gegeben, kein Mobbing, keine Übergriffigkeiten, das Redaktionsklima sei sehr gut gewesen, es sei sogar nie ganz klar gewesen, ob Canonica der Chef sei oder R. Die beiden hätten zudem einen speziellen Umgangston gehabt, den man sich aus der langjährigen Zusammenarbeit erkläre. Also Fall 3, stimmt nicht.

25. «Zum Internationalen Frauentag im März 2021 beklagten 78 Mitarbeiterinnen … ein männerdominiertes frauendiskriminierendes Betriebsklima.» Diese Schreiben existiert, was R. nicht erwähnt: kein einziger der darin erhobenen anonymisierten Vorwürfe wurde bis heute verifiziert, was wie bei ihren Behauptungen auch kaum möglich ist, weil alles ohne Zeitangabe erfolgt. Was sie auch nicht erwähnt: wieso hat sie damals nicht die Gelegenheit ergriffen, auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen? Was sie nicht erwähnt: stammte ein einziges der in diesem Schreiben angeführten Beispiele von ihr? Fall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

26. «Nicht mal Canonicas Affäre mit einer Untergebenen und den damit verbundenen Machtmissbrauch fand das Unternehmen als Vorwurf erheblich genug: erst bevorzugte Canonica seine Geliebte, ohne daraus ein Hehl zu machen, ging mit ihr auf Dienstreisen, dann, nach dem Ende des Verhältnisses, verbot er uns, mit ihr zu kommunizieren.» Der Untersuchungsbericht hat zweifelsfrei nachgewiesen, dass es sich hier um eine aus der Luft gegriffene Behauptung eines rachsüchtigen ehemaligen Mitarbeiters handelte, deren Wahrheitsgehalt schon bei oberflächlicher Untersuchung sich als nicht belastbar erwies. Fall 3 und 4; stimmt nicht und Hörensagen.

27. Eine Zuständige aus der Personalabteilung habe R. gebeten «Belege für Canonicas Fehlverhalten rauszusuchen; außerdem bat sie mich, Kollegen, auch ehemalige, dazu zu bewegen, ebenfalls Meldung über die Hotline zu machen. Abends sammelte ich Beweismaterial, ohne je zu erfahren, was damit geschah.» Laut Untersuchungsbericht verfügt HR über keinerlei Belege, dass R. solche Beweise gesucht und eingereicht habe. Der ehemalige Oberchefredaktor Arthur Rutishauser als direkter Vorgesetzter von Canonica sagt, dass ihm seit dem Beginn seiner Amtszeit keine einzige Beschwerde über den Chefredaktor zu Ohren gekommen sei. Fall 3, stimmt nicht.

28. «Längst wissen auch der Verwaltungsrat und der Verleger Pietro Supino von den Vorfällen.» Was R. nicht schreibt: Über ihren Mann, den Verleger Peter Haag, liess sie ihre Beschwerden, deren erste Untersuchung nichts ergeben hatte, durch ein Mitglied des VR dort zum Thema machen. Fall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

29. «Bis Frühjahr 2022 machte ich gute Miene zum bösen Spiel.» Was R. nicht schreibt: Im Jahr 2020 hatte sie sich in einer Blindbewerbung um die Stelle von Canonica beim VR beworben. Darin hatte sie sich als bessere Chefredakteurin angepriesen, die das «Magazin» viel besser leiten könne. Diese Bewerbung wurde nicht berücksichtigt. Fall 1 und 3, reine Rhetorik und Demagogie, stimmt nicht.

30. «So wie sich Canonica anstrengte, mich kleinzukriegen, versucht Tamedia, mich in die Knie zu zwingen. Deren Anwältin behauptet, dass ich alles nur inszeniert hätte, um Canonicas Chefposten zu bekommen. Was mich an die Berichterstattung über den Weinstein-Skandal erinnert …» R. wollte Canonicas Chefposten bekommen. Nach ersten Befragungen und als man sie bat, auf Widersprüchlichkeiten in ihren Aussagen einzugehen, verweigerte R. die weitere Mitarbeit an der Untersuchung, die aufgrund ihrer in den VR getragenen Anschuldigungen durchgeführt wurde. Sie meldete sich krank, ohne dafür ein Arztzeugnis vorzulegen. Klarer Fall 3, stimmt nicht, und der Vergleich mit Weinstein ist Fall 1, Rhetorik und Demagogie.

31. «Aus der Redaktion hieß es, er habe eine hohe Abfindung bekommen.» Das schreibt R. über den Abgang von Canonica. Fall 4, Hörensagen.

32. «Ende September hat mir Tamedia ohne Angaben von Gründen gekündigt. Ich habe gegen Tamedia Klage eingereicht wegen Verletzung der Fürsorgepflicht aufgrund sexistischer Diskriminierung und Mobbings. Und dem Gericht Zeugen für einzelne Fehlverhalten genannt.» Tamedia äussert sich nicht zu dieser Kündigung. Daher Fall 5, kann nicht beurteilt werden. Allerdings würde es interessieren, wen R. als Zeugen benannt hat.

33. Abschliessend zitiert R. eine Filmszene des Streifens über Weinstein: «Keine Frau sollte jemals Missbrauch oder Mobbing akzeptieren, Dann fügt sie hinzu: «Ich will meine Stimme zurück.» Das will ich auch.» Fall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

Es ist davon auszugehen, dass R. das für sie vernichtende Resultat der Untersuchung ihrer Vorwürfe durch die angesehene Kanzlei Rudin und Cantieni nicht kannte. In ihr werden fast alle ihre Vorwürfe entkräftet oder als nicht belegbar zurückgewiesen. Das gilt zudem für die Behauptungen des 2015 im Unguten gegangenen «Magazin»-Redaktors Mathias Ninck, der die Lügengeschichte in Umlauf brachte, dass Canonica bei Einstellungsgesprächen mit weiblichen Mitarbeitern anzüglich eine Frauenbrust aus Plastik gestreichelt habe, die auf seinem Schreibtisch gelegen sei.

Kassensturz

Wir haben (fast) alle Behauptungen von Roshani in ihrem Artikel einer faktischen Prüfung unterzogen. Das Resultat sieht bei den 33 untersuchten Behauptungen so aus (einzelne Passagen können mehreren dieser Kriterien entsprechen, bspw. 3 und 4):

  1. Was ist reine Rhetorik und Demagogie? 8 Fälle
  2. Welche Anschuldigung stimmt? 2 Fälle
  3. Welche stimmt nicht? 24 Fälle
  4. Welche beruht auf Hörensagen? 9 Fälle
  5. Welche kann nicht beurteilt werden? 3 Fälle

Das Ergebnis spricht für sich. Dass sich noch niemand die Mühe gemacht hat, den Text von Roshani einem simplen Faktencheck zu unterziehen, ist ein Armutszeugnis.

Es bleibt die (geringe) Hoffnung, dass alle Journalisten, von Salome Müller abwärts, die mit angeblichen «anonymen Quellen» gearbeitet haben, die Unschuldsvermutung in die Tonne traten und eine wahre Hexenjagd auf einen unbescholtenen Menschen veranstalteten, entsprechend sanktioniert werden.

Dass sie vom «Spiegel» abwärts auf eine offensichtlich rachsüchtige Journalistin hereinfielen, deren Motive glasklar auf der Hand liegen (vergebliche Bewerbung als Chefredaktorin, erfolgloses Mobbing gegen ihren Vorgesetzten mit fast ausschliesslich nicht belegbaren Vorwürfen, Verweigerung der Mitarbeit am Untersuchungsbericht, als erste Widersprüche auftauchen, Resultat Kündigung), das ist ein weiteres Armutszeugnis.

Es ist nicht zu hoch gegriffen, dass sich hier für den «Spiegel» – und für die hinterherhechelnde Medienmeute – ein zweiter Fall Relotius mit weiblichem Vorzeichen entwickelt.

Hier schreibt der Chef

Ob Supino um Erlaubnis fragte?

«Ausgehend vom «Tages-Anzeiger» hat Tamedia darum in den letzten 15 Jahren massiv in den Ausbau des Portefeuilles und in die journalistische Wertschöpfung investiert.»

Es ist Ausdruck des Elends im Journalismus, dass der Big Boss, der «Verleger des «Tages-Anzeigers» und Präsident von Tamedia» unwidersprochen solchen Stuss auf fast einer ganzen Seite veröffentlichen darf.

In Wirklichkeit löste eine Millionen-Sparrunde die nächste ab, wurde zusammengelegt, geschrumpft und geknausert, bis es quietschte. Damit auch die Medien im Tx Konzern den allgemein vorgeschriebenen Return on Investment ablieferten, damit sich die Verlegerfamilie auch mal eine Sonderdividende leisten konnte.

Damit – und auch dank des ungeschickten Wirkens von Pietro Supino – schafften es die Schweizer Medien, bei der Abstimmung über die Subventions-Milliarde eine krachende Niederlage einzufahren.

Wer dieses inhaltsleere Geschwafel liest, bekommt eine Vorstellung davon, wie perspektivlos, geradezu desinteressiert der Vertreter des Coninx-Clans den Absturz der einstmals bedeutenden Marke «Tages-Anzeiger» verfolgt.

«Im letzten Jahr hat die Redaktion wichtige Grundlagen für die Weiterentwicklung ihres Angebots erarbeitet, die nun schrittweise eingeführt werden.» Das ist nun am Leser, Konsumenten und Zahler spurlos vorbeigegangen.

Aber nicht nur im Grossen und Ganzen spielt Supino Nullnummer. Auch im Mikromanagement versagt er. Wie der Roshani-Skandal von Tamedia behandelt wird, ist ein Musterbeispiel für: so sollte man es nicht machen.

Bislang hat Tamedia auf die brutalen Anschuldigungen der ehemaligen Mitarbeiterin gegen ihren ehemaligen Chef und gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber mit einer einzigen, dürren Stellungnahme reagiert. Während die Anschuldigungen von Roshani bei genauerer Betrachtung und Untersuchung zusammenbröckeln, kleine Medien wie der «Schweizer Journalist» die Recherchierarbeit leisten, die Tamedia in eigener Sache hätte betreiben sollen, während Radio 1 dem Angeschossenen Gelegenheit gibt, auf die Vorwürfe zu reagieren, während Roger Schawinski den Inhalt des von Tamedia in Auftrag gegebenen Untersuchungsberichts veröffentlicht – und während ZACKBUM als eines der ganz wenigen Medien objektiv und ausgewogen berichtet –, herrscht bei Tamedia Schweigen. Tiefes Schweigen.

Sämtliche «Magazin»-Mitarbeiter, sonst immer mit Werturteilen über jeden und über alles schnell zur Hand, haben ein Schweigegelübde wie in einem Kloster abgelegt.

Kein Redaktor traut sich ein eigenes Wort, niemand wagt Kritik am Big Boss, der lediglich in eigener Sache aktiv wurde und bei der Konkurrenz CH Media mit rechtlichen Drohungen eine Entschuldigung ihm gegenüber herausquetschte. Aber Fürsorgepflicht gegenüber dem medial hingerichteten ehemaligen Chefredaktor Finn Canonica? Eine Reaktion auf die unselige Verwendung angeblicher «anonymer Quellen», die Pech und Schwefel auf ihn herabregnen liessen, es sei alles noch viel schlimmer gewesen?

Rechtliche Schritte gegen den «Spiegel» oder gegen «Die Zeit», die im Indikativ blosse Behauptungen kolportierte und auch angeblich mit ungenannten Zeugen gesprochen haben will? Ach was, das interessiert Supino viel weniger als seine eigene Ehre.

Genauso arschkalt wird der langjährige Oberchefredaktor Arthur Rutishauser abserviert und unter Verdankung geleisteter Dienste auf den Posten des Chefredaktors der «SonntagsZeitung» zurückgeschoben. Dafür wird die mediokre Quotenfrau Raphaela Birrer über den grünen Klee gelobt: «Mit Raphaela Birrer übernimmt eine ausgezeichnete Führungskraft der nächsten Generation die Leitung der neu aufgestellten Redaktion des «Tages-Anzeigers».» Ausgezeichnete Führungskraft? Wenn sie so führt, wie sie Kommentare schreibt, dann Gnade Gott der Redaktion.

Angeblich gibt es doch bei Tamedia eine strikte Trennung zwischen Verlag und Redaktion. Muss man sich das nun so vorstellen, dass Supino höflich bei Birrer anklopfte, ob er ausnahmsweise mal im «Tages-Anzeiger» das Wort ergreifen und viel zu lange nicht mehr loslassen dürfe?

Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Wir basteln uns einen Skandal

Recherchieren war gestern. Anonyme Quelle ist heute.

Was im Grossen schlecht ist, wird im Kleinen nicht besser. In einer unseligen Reihe von angeblichen «Leaks» und «Papers» schlachteten internationale Konsortien von Journalisten gestohlene Geschäftsunterlagen aus, die ihnen von anonymen Quellen zugespielt worden waren.

Ohne sich einen Moment die Frage zu stellen, welche Motive dahinterstecken könnten, aufwendig geraubte Datenberge mit ungeheuerlichem Erpressungspotenzial einfach wegzuschenken, versuchten die Journalisten dann mit viel Aufwand, daraus gigantische Skandale zu basteln. Die regelmässig verröchelten, bis ein Mitglied des sogenannten «Investigativ Desk» von Tamedia frustriert über einem «Skandal, der keiner wurde» jammerte. Weil nach der x-ten Wiederholung das Publikum sich gähnend abwandte.

Hier sind die Quellen anonym und trübe, aber was aus ihnen heraustropfte, war tatsächlich echtes Material, echte Hehlerware mit echten Namen und dann auch echten Opfern. Im Kleinen ist es allerdings noch viel schlimmer.

In der Affäre um die Anschuldigungen von Anuschka Roshani ist wenigstens die Motivation der Anklägerin klar. Sie wollte selbst Chefredaktorin des «Magazin» werden, scheiterte mit ihrer Blindbewerbung und scheiterte im ersten Anlauf mit ihren internen Vorwürfen gegen ihren Chef. Darauf sorgte sie dafür, dass es eine zweite Untersuchung gab, die aber leider auch zum Schluss kam, dass fast alle ihrer Behauptungen nicht erhärtet werden konnten. Das hatte dann die unselige Konsequenz, dass zwar ihr Chef gefeuert wurde, sie aber auch.

Nach Ablauf ihrer Kündigungsfrist holte sie dann zum grossen Schlag aus und hatte das Glück, bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber «Der Spiegel» eine Trommel zur Verfügung gestellt zu kriegen, mit der sie einen wahren Paukenschlag landen konnte.

In ihrer vierseitigen Anklageschrift kolportiert sie Anschuldigungen, die ihr offenbar zugesteckt worden waren. Natürlich ohne ihre Quellen zu nennen. Eine ist inzwischen enttarnt.

Was in dem Monat seit dieser Veröffentlichung geschah, ist ein weiterer Niedergang zu einem neuen Tiefpunkt der medialen Berichterstattung. Der Angeschuldigte wurde öffentlich hingerichtet, die Unschuldsvermutung bis zur Lächerlichkeit missachtet. Die Anschuldigungen wurden ungeprüft und unrecherchiert kolportiert. Aber damit nicht genug.

In allen Konkurrenzmedien wurden angebliche «anonyme Quellen» zitiert, die die Anschuldigungen Roshanis bestätigen würden, sogar behaupteten, es sei alles noch viel schlimmer gewesen. Nun weiss jeder Journalist, dass einer Quelle, die darauf besteht, nicht namentlich genannt zu werden, mit äusserster Vorsicht zu begegnen ist. Was sind ihre Motive, will da jemand als Heckenschütze Rache nehmen, wie stichhaltig sind seine Behauptungen? Kann er sie belegen oder ist es bloss Hörensagen?

Der Untersuchungsbericht exerzierte eine solche Quellenkritik in einem Fall vor. Und kam zum Ergebnis, dass die Behauptungen von Mathias Ninck nicht glaubhaft waren, nicht zutrafen, mit den Fakten nicht übereinstimmten. Oder in einem Wort: frei erfunden waren.

Ein ehemaliger redaktioneller Mitarbeiter des «Magazin» setzte einen Tweet ab, in dem er behauptete: «Wer es auf der Redaktion miterlebte, kann immer noch schwer begreifen, dass Canonica danach noch sieben Jahre länger Chefredaktor bleiben konnte.» Immerhin stand er mit seinem Namen dazu. Aber auf die Frage von ZACKBUM, was genau er denn miterlebt habe, verfiel Dominik Gross dann in tiefes Schweigen.

Machen wir doch ein rein theoretisches Beispiel. ZACKBUM würde behaupten, dass Pietro Supino unbefugt in die Kasse von Tamedia gegriffen habe, um die Renovation seines Luxusanwesens in Zürich zu finanzieren. Das würden mehrere, voneinander unabhängige Quellen bestätigen, deren Namen leider nicht genannt werden könnten, die aber glaubwürdig und mit dem Vorgang vertraut seien.

Supino würde sofort seinen Anwalt in Marsch setzen, der ohne Federlesens die sofortige Löschung dieser Behauptung und eine Entschuldigung fordern würde. Sich zudem weitere Schritte wie Verurteilung samt Schadenersatz ausdrücklich vorbehielte. ZACKBUM wäre sehr gut beraten, allen diesen Forderungen sofort nachzugeben, zu Kreuze zu kriechen und darum zu betteln, keinen Krach vor Gericht anzufangen.

Ausser, wir würden tatsächlich über Versicherungen an Eides statt plus entsprechende Dokumente verfügen. Aber die blosse Behauptung, darüber zu verfügen, reicht eben nicht. Da nützt auch die Berufung auf Quellenschutz nichts, wie schon Philipp Gut schmerzlich erfahren musste.

Denn der Trick ist einfach. Der Journalist selbst stellt eine ehrenrührige und geschäftsschädigende Behauptung auf. Dafür muss er den Beweis antreten. Er kann nun aber nicht den Trick verwenden, als Quelle einen Informanten anzugeben, den er mit Berufung auf sein Recht auf Quellenschutz leider nicht identifizieren könne, der es ihm aber mit heiligen Eiden versichert habe.

Im Fall Roshani kann nun der Schweizer Journalismus seine neuerlich verlorene Ehre und seine Glaubwürdigkeit nur zurückgewinnen, wenn Auskünfte über diese allgemein verwendeten «anonymen Quellen» erteilt werden. Zuvorderst sind da «Spiegel» und «Die Zeit» gefordert. Auch ZACKBUM gegenüber behauptet beispielsweise «Die Zeit», dass ihr die Quellen der einschlägig vorbelasteten Mitarbeiterin Salome Müller bekannt seien. Hand aufs Herz: das kann doch wohl nicht stimmen, behauptet ZACKBUM, ohne dafür eine andere Quelle als den gesunden Menschenverstand zu haben.

Denn es ist absurd anzunehmen, dass ein Journalist selbst seinem Verlag gegenüber die Namen seiner Quellen preisgäbe. Daher können wir der «Zeit» nur raten, dementsprechend auf Müller einzuwirken. Um dann ein blaues Wunder zu erleben. Denn Müller war schon Rädelsführerin, als vor ziemlich genau zwei Jahren 78 erregte Tamedia-Mitarbeiterinnen ein Protestschreiben verfassten, in dem sie mit über 60 Beispielen belegen wollten, welche frauenverachtenden, demotivierenden und sexistischen Zustände in ihrem Verlag herrschten. Nur: bis heute wurde kein einziges dieser anonymisierten Beispiele verifiziert …

Canonica spricht

Dank Roger Schawinski und Radio 1. Endlich.

In seiner Sendung «Doppelpunkt» vom Sonntag hatte der Radiopirat, der inzwischen auch so aussieht, den ehemaligen «Magazin»-Chefredaktor Finn Canonica vor dem Mikrophon. Nachdem der ausgiebig durch den Dreck geschrieben wurde, hatte er offensichtlich nur mehr Vertrauen in Schawinski.

Wohl auch deshalb, weil Schawinski als ziemlich Einziger neutral über den Fall berichtet und ebenfalls als Einziger ausführlich aus dem Untersuchungsbericht zitierte, der Canonica weitgehend entlastet. Freundlicherweise erwähnte Canonica in dem langen Gespräch, dass René Zeyer und ZACKBUM zu den wenigen Berichterstattern gehören, die sich ebenfalls um eine neutrale Darstellung bemühen. Im Gegensatz zu eigentlich allen anderen, die unkritisch der Anklage im «Spiegel» glaubten und sie mit immer anonymen weiteren Anschuldigungen garnierten.

Es ist doch himmeltraurig, dass sich alle Mainstreammedien so ins Elend geschrieben haben, dass Canonica für seinen ersten und wohl auch einzigen Auftritt ein Privatradio wählt. Allerdings hat das sicherlich auch noch einen zweiten Grund. Radio macht authentisch. Im Radio kann man die Person spüren, wenn ein kritisch-fairer Interviewer am Gerät ist. Welch ein Armutszeugnis für die übrigen Medien, welch ein Triumph des Altmeisters*.

ZACKBUM macht daher hier etwas, was alle diese Organe auch vermeiden und vermeiden werden. Wir erteilen einfach Canonica das Wort. Natürlich können wir kein Transkript des gesamten Gesprächs veröffentlichen, aber Auszüge. Selbstverständlich unkommentiert.

Es muss vorausgeschickt werden, dass Schawinski auch Roshani und Ninck angeboten hat, in einem Interview Stellung zu nehmen. Beide lehnten ab, Ninck liess darüber hinaus durch seinen Anwalt ausrichten, dass gewisse Stellen in der Berichterstattung gelöscht werden müssten. Obwohl das nicht geschah, steht eine Klage bislang aus.

Nun aber O-Ton Finn Canonica:

«Als der Artikel erschien, ist für mich eine Welt zusammengebrochen, meine Familie, ich bin in eine Depression gestürzt, nahm Medikamente, war zwischenzeitlich in einer Klinik.»

«Meine Kinder gingen nicht mehr in die Schule, waren verunsichert, ich war in einem Panikzustand, traute mich nicht mehr auf die Strasse, verliess eine Woche lang das Haus nicht mehr. Auch meine Frau machte Homeoffice. Es war ein kompletter Absturz, ohne Medikamente unaushaltbar.»

«Man hat gemerkt, wer die wirklichen Freunde sind. Meine Familie war völlig aus der Bahn geworfen. Ich hatte Schamgefühle, wegen mir muss meine Familie das erleben.»

«Meine Mutter ist eine jüdische Französin, die den Zweiten Weltkrieg bei einer Familie versteckt überlebte. Ihr ging es lange Zeit sehr schlecht, es gab Medikamenten- und Alkoholkonsum. Als Reaktion darauf habe ich ein sehr distanziertes Verhältnis zu ihr. Über meinen Vater will ich nicht reden.»

«Das Wort «Machtrausch» ist mir völlig fremd, der Autor des NZZ-Artikels, der es verwendet, hat meines Wissens mit keinem einzigen «Magazin»-Redaktor gesprochen.»

«2014 gab es starke Spannungen, ich hatte den Auftrag, in einem Jahr das Redaktionsbudget von 3,2 auf 2 Millionen Franken zu reduzieren. Mir wurde klar gesagt: wenn ich das nicht schaffe, sei ich der falsche Mann am falschen Ort. Wir waren vorher eine schreibende Redaktion, diese Luxusposition gab es dann nicht mehr. Ich stand extrem unter Druck, musste Kündigungen aussprechen, einige Redaktoren waren mit dieser Veränderung nicht einverstanden, was ihr gutes Recht war. Ich zog es superhart und schnell durch, es kann sein, dass ich mich im Ton vergriffen habe.»

«Ich habe den zweiten Untersuchungsbericht nicht vollständig bekommen. Ich habe damals von Human Resources nie erfahren, dass sich Leute über mich beklagt hätten.»

«Ich wurde ein halbes Jahr vor Roshani im Jahr 2001 «Magazin»-Redaktor. Schon 2004 gab es eine extreme Sparrunde. Der damalige Chefredaktor verlangte einen Lohnverzicht von 7,5 Prozent von allen Mitarbeitern, dem wir zustimmten. Später verlangte Roshani eine Rücknahme.»

«Als ich 2007 Chefredaktor wurde, fragte ich Roshani, ob sie meine Stellvertreterin werden wolle. Sie lehnte ab, weil sie schwanger war, obwohl es für mich okay gewesen wäre, wenn sie nach dem Schwangerschaftsurlaub angetreten wäre. Wie kann sie dann schreiben, dass 2007 das Mobbing gegen sie begonnen habe.»

«Aus meiner Sicht kann man nicht sagen, dass überhaupt zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Streit zwischen Roshani und mir angefangen habe.»

«Was ihr halbjähriges Sabbatical in London betrifft, habe ich sie da tatsächlich bevorzugt. Es hatte und hat sonst noch nie eins gegeben, das bezahlt wurde.»

«Wir haben zusammen Reportagen gemacht, wird sind beide fast gleichzeitig Eltern geworden, wir haben lange zusammengearbeitet, natürlich spricht man da anders miteinander. Anuschka hat viel kritisiert, das finde ich auch gut.»

«Als es die zweite Untersuchung gab, hat mein Stellvertreter von allen Redaktionsmitgliedern verlangt, dass sie sich schriftlich an den Verleger wenden. Was auch geschah, aber ich wollte den Inhalt nicht wissen, um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, ich wolle mich da einmischen.»

«Die Sache mit den Hakenkreuzen war als Joke gemeint, es war eine extreme Dummheit von mir.»

«Ich habe den Bericht von Christine Lüders nicht gesehen. Ich wurde aber vom damaligen Chefredaktor Arthur Rutishauser in sein Büro zitiert und mit Vorwürfen eingedeckt. Man sagte mir nicht, wer diese Vorwürfe erhoben habe. Es ist extrem schwierig, auf anonyme Anschuldigungen zu reagieren. Ich bin aus dem Gebäude gewankt und habe mich in die Sihl übergeben. Danach war ich sieben Wochen krankgeschrieben. Dann teilte mir die Verlagsleitung mit, dass die Vorwürfe nur von einer Seite gekommen seien, dass das so nicht gehe und dass die Anschuldigungen nicht zutreffen würden. Ich bin dann zu 60 Prozent wieder eingestiegen.»

«Nachdem diese Vorwürfe in den Verwaltungsrat getragen wurden, wurde beschlossen, sie nochmals untersuchen zu lassen, durch die renommierte Kanzlei Rudin Cantieni. Es war eine Tortur für mich, das nochmals durchleben zu müssen. Auch für meine Kollegen; ich wurde sieben Stunden lang befragt, musste alles so weit wie möglich belegen.»

«Bei der Passage über das «Tourette-artige ficken» konnte sich Anuschkas rhetorisches Talent voll entfalten. ich habe nie das Wort «ficken» verwendet, sicherlich «Fuck» und «Bullshit», vielleicht höre ich zu viel Rapmusik.»

«Wir hätten beim «Magazin» einen solchen Text mit so vielen Anschuldigungen gegen eine Person niemals veröffentlicht.»

«Es trifft mich wahnsinnig, in einem Text mein Bild neben einem Foto von Harvey Weinstein zu sehen. Das trifft übrigens auch auf den Verleger zu.»

«Ich möchte ausdrücklich René Zeyer erwähnen, der das Ganze als Erster kritisch hinterfragte.»

«Man hat einfach dem «Spiegel» abgeschrieben, dabei hätte man auch mal gegen die eigene These recherchieren sollen.»

«Viele «Magazin»-Mitarbeiter sind Autoren bei «Kein & Aber», dem Verlag von Peter Haag, dem Ehemann von Roshani. Es wäre natürlich unangenehm, sich öffentlich für mich zu äussern und sich damit in Konflikt mit seinem Verlag zu begeben.»

«Ich wusste nicht, wovon die Rede war, als ich zum ersten Mal vom Vorwurf mit der Brust hörte. Das ist eine Dimension einer Lüge, die einem den Boden unter den Füssen wegzieht. Das ist dermassen grotesk, wie aus einem Groschenroman.»

«Ich bin geschädigt von einer massiven Welle negativer Berichterstattung, lässt sich das korrigieren? In Momenten der Verzweiflung finde ich: niemals.»

«Im Moment habe ich das Gefühl, ich könne überhaupt nichts mehr machen, weil mein Ruf dermassen beschädigt wurde.»

*Packungsbeilage: René Zeyer ist gelegentlich Gast in Schawinskis Sendungen.

Sag mir, wo die Mädchen sind

ZACKBUM fragt unerschrocken: Chefinnen, wo seid ihr?

Im Konkurrenzkampf um Posten und Karriereschritte gibt es seit einiger Zeit eine neue Waffe. Eine wahre Atombombe. Mit der verhält es sich aber etwa so wie nach Hiroshima. Nur eine Weltmacht ist im Besitz dieser schrecklichen Bedrohung.

Damals waren es die USA, heute sind es die Frauen. Der Vorwurf eines sexuellen Übergriffs ist diese Waffe. Der mag schon viele Jahre zurückliegen, spielt keine Rolle. Der mag schon längst verjährt sein. Völlig egal. Der mag verbal stattgefunden haben. Ohne Belang. Es gibt keine Zeugen dafür. Unerheblich. Der einzige Beweis besteht aus der Behauptung des weiblichen Beteiligten. Unschuldsvermutung ade.

Wenn eine mässig erfolgreiche Frau von der mickrigen Performance von ihr angepriesener Finanzprodukte ablenken will, die sie unter dem Label Feminismus verkauft, zieht sie die Sexismuskarte. Wenn die gleiche Frau sich mal wieder in die Medien bringen will, erzählt sie von einem x Jahre zurückliegenden Kussversuch. Den sie damals nicht meldete, obwohl es alle nötigen Institutionen gegeben hätte. Über den sie angeblich zuvor nie sprechen konnte. Der sie bis heute beschäftige.

Während man so einer Einlassung früher mit schallendem Gelächter begegnet wäre, müssen heute alle betroffene Gesichter machen und ohne loszuprusten Untersuchungen ankündigen. Und der damalige Küsser, wenn es ihn überhaupt gab, muss befürchten, dass er ernsthafte Probleme bekommen könnte. Heute.

Der Gipfel der Unverfrorenheit war der Protestbrief von 78 erregten Tamedia-Frauen. Indem sie nur anonymisierte Beispiele für ihre ruf- und geschäftsschädigenden Vorwürfe vorbrachten, stellten sie sämtliche männliche Tamedia-Mitarbeiter unter den Generalverdacht, sexistische Schweine zu sein. Kein einziger, ZACKBUM wiederholt, kein einziger dieser Vorwürfe ist bis heute erhärtet oder verifiziert. Wie auch, wenn er darin besteht, dass zu einem unbekannten Zeitpunkt ein nicht genannter Mann in einem nicht definierten Zusammenhang ohne Ohrenzeugen irgend etwas gesagt haben soll.

Das liefe eigentlich unter übler Nachrede. Aber stattdessen entschuldigte sich der damalige Oberchefredaktor Arthur Rutishauser präventiv, und der Big Boss von Tamedia Pietro Supino zeigte sich furchtbar betroffen. Statt die Rädelsführerinnen sofort zu feuern und die Unterzeichnerinnen abzumahnen. Deren weibliche Solidarität zeigte sich zudem darin, dass sie kommentarlos hinnahmen, dass das eigentlich für den internen Gebrauch vorgesehene Protestschreiben via eine sehr fragwürdige Botin an die Öffentlichkeit getragen wurde. Zahllose Fragenkataloge von ZACKBUM blieben unbeantwortet; keine einzige der 78 Frauen hatte den Anstand, darauf zu reagieren. ZACKBUM fragte auch alle Nicht-Unterzeichnerinnen an, gleiche Reaktion.

Eine Führungsperson, Voraussetzung männlich, erfährt heute, dass gegen sie Vorwürfe wegen angeblicher sexueller Belästigung erhoben werden. Sollen angeblich schon viele Jahre zurückliegen. Am besten sucht sie sich vorausschauend gleich eine neue Stelle und betet, dass diese Vorwürfe nicht öffentlich werden. Gegenwehr ist völlig zwecklos.

Grauenhaft ist der aktuelle Fall, der dieses System auf die Spitze treibt. Eine Mitarbeiterin, die die Stelle ihres Chefs wollte, dann so massiv gegen ihn vorging, dass eine externe Untersuchung zum Schluss kam, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich sei, erreichte ihr Ziel nicht, sondern wurde sogar selbst gefeuert. Nachdem sie sich in der Illusion wiegen konnte, nach der Entlassung ihres Chefs doch noch seinen Sessel besteigen zu können.

Diese Frau darf dann immerhin im «Spiegel» über vier Seiten vom Leder ziehen, dass es nur so kracht. Das wird als «persönlicher Erfahrungsbericht» verkauft, weil die Gegenseite keine Gelegenheit zur Richtigstellung bekam. Dazu wird behauptet, dass die inzwischen grösstenteils widerlegten oder zumindest stark in Zweifel gezogenen Anschuldigungen der Anklägerin nachrecherchiert und so weit wie möglich mit Dokumenten und Aussagen untermauert worden seien.

Inzwischen stellt sich heraus, dass es sich höchstwahrscheinlich um das Aufwärmen uralter Vorwürfe handelt, um eine gemeinsame Racheaktion der aktuell und von damals Entlassenen. Was dem «Spiegel» – gefangen in Framing und Narrativen von Frauen als Opfer und Männern als Schweine – offenbar entgangen ist. Selbst die «Zeit», sonst immer noch der Leuchtturm von seriösem und verantwortungsbewusstem Journalismus, lässt eine einschlägig parteiische Kraft in ihrem Schulaufsatzstil unbelegte Behauptungen aufstellen, anonyme Zeugen zitieren und Ereignisse im Indikativ darstellen, die in einem ernsthaften Journalismus eigentlich im Konjunktiv, weil noch nicht bewiesen und blosse Behauptungen, stehen müssten.

Was auch niemandem auffällt: wenn Anuschka Roshani über Jahre hinweg angeblich diesen fürchterlichen Misshandlungen durch ihren Chef ausgesetzt war und damals zu den Unterzeichnerinnen des Protestschreibens gehörte, wieso benützte sie dann nicht diese Gelegenheit, um auf ihr schreckliches Schicksal hinzuweisen? Oder hatte sie damals noch die Hoffnung, Finn Canonica wegmobben zu können und selber Chefin zu werden?

Aber das ist noch nicht die ganze Misere. Wo sind eigentlich die weiblichen Führungsfiguren im Journalismus, die – Feministen, aufgepasst, Grund zur Erregung – nicht aus Quotengründen an ihre Stelle kamen und dort etwas wuppen? Eine der auffälligsten Aufsteigerinnen ist Ladina Heimgartner bei Ringier, die eine extralange Visitenkarte bräuchte, um all ihre Titel aufzuzählen. Die Darstellung ihrer Leistungen hätte ebenfalls auf einer Visitenkarte platz, aber im Normalformat. Die bestehen aus einer Kastrierung und Verweiblichung des «Blick», der sich damit als ernstzunehmendes Boulevard-Organ verabschiedete. Und im fleissigen Gebrauch des nichtssagenden Modeworts «Resilienz».

Kerstin Hasse, der «Digital Editor en Chief» von Tamedia, ist auch so eine Nullnummer ohne Anschluss an Leistungen, die niemals eine solche Karriere gemacht hätte, wenn es nicht konjunkturelle Umstände gäbe. Ähnliches gilt auch für die beiden Führungskräfte Aline Wanner und Nicole Althaus bei der NZZ. Während es im Hause Wanner bei CH Media interessanterweise kaum zu solchen Vorkommnissen kommt. Aber CH Media ist auch (bislang) bei der Sexismusdebatte ungeschoren davongekommen. Ob da ein Zusammenhang besteht?

ZACKBUM gönnt allen Menschen, auch weiblichen, jeden Karriere- und Einkommensschritt. Aber hier greift eine Entwicklung um sich, vor der nur gewarnt werden kann. Es gibt viele Gründe und Ursachen, wieso der Journalismus vor die Hunde geht. Die Anwendung der Sexismus-Atombombe ist einer davon, und nicht mal der unwichtigste. Denn wenn es Figuren wie eine Patrizia Laeri, eine Salome Müller, eine Raphaela Birrer, von der hasserfüllten Kämpferin gegen Hass im Internet ganz zu schweigen, die aus einem weinseligen Abend ein ganzes Geschäftsmodell aufbaute, wenn es also solche Randfiguren in die Medien und dort in wichtige Positionen spült, dann kann man nur recht hoffnungslos in die Zukunft der Presse blicken.

Wenn dann noch Dünnbrettbohrer wie Franziska Schutzbach, die immer mit zwei Rudern unterwegs ist, eines nach vorne, eines nach hinten, wenn Pseudowissensschaftler wie Marko Kovac ernsthaft und unwidersprochen zitiert werden, wenn «Fachexperten» nur noch so ausgewählt werden, dass sie ins vorgegebene Framing passen und die gewünschten Narrative abliefern, dann ist’s aschgrau.

Gibt es Hoffnung? Nun, genauso, wie sich in fünf Jahren niemand mehr an Werke eines Bärfuss oder gar eines Zwitterwesens mit bescheuertem Pseudonym erinnern wird, sollte auch hier passieren, was bei solchen Modewellen immer der Fall ist. Sie ebbt ab, und in fünf Jahren kann niemand mehr verstehen, welcher Wahnsinn auf dem Gebiet Sexismus, Gendern, Inkludieren und Kampf gegen kulturelle Aneignung tobte.

Aber der Schaden ist dann bereits angerichtet, und ob sich vor allem die Medien von dieser Enteierung jemals wieder erholen werden, wenn diese nur aus Quotengründen in Positionen der völligen Überforderung gespülten Frauen endlich entsorgt sind, das ist fraglich. Denn die Frage ist weiblich. Die Antwort allerdings auch, um aus diesem Genderschwachsinn noch einen müden Scherz zu melken.