Schlagwortarchiv für: Antonio Horta-Osório

Obduktion des Medienkörpers

Erstaunliches und Verwunderliches aus dem täglichen Schaffen.

Das muss man dem «Blick» lassen. Zäh ist er, und António Horta-Osório wird die Medienschau nicht gerade zur Lieblingslektüre des Tages erklären. Oder vielleicht lässt er sich’s einfach nicht mehr übersetzen und schaut nur noch, ob Krawatte und Frisur auf den Fotos sitzen.

Wohnsitz als Steuersparmodell? Vermuten darf man ja.

Nachdem das lustige Leben des Jetsetters in jeder Facette beschrieben wurde, hat der Whistleblower in der Credit Suisse offensichtlich die Bitte nach Nachschub erhört. Ist nicht mehr der Überknaller, aber bei möglichen Steuersparmodellen ist der «Blick»-Leser immer spontan sauer.

Kann man nun aus dem Ort der Einreichung der Selbstanzeige wegen Quarantäneverstoss schliessen, wo sich der wahre Wohnsitz des Bankenlenkers mit Lizenz zum Vielfliegen befindet? Schwer zu sagen.

Aber dem «Blick» gebührt zumindest ein kleiner Prix Courage. Der grosse Zampano des Hauses hatte ja in seiner SoBli-Kolumne verkündet, dass solche Vorwürfe gegen einen Manager völlig überflüssig seien, wenn sie zudem moralinsauer aufgeschäumt daherkämen. Da scheint’s um seinen Einfluss nicht mehr so rosig bestellt zu sein, denn früher wäre jeder Chefredaktor auf dem Absatz umgekehrt, inklusive Bückling. Oder gefeuert worden. O tempora, o mores.

Wenn der Cartoon den meisten Platz bekommt …

Nichts gegen die Würdigung des Künstlerwerks. Aber Übervater Nico (35’000 Karikaturen) kam noch mit Schwarzweiss und vergleichsweise bescheidenem Platz aus. Aber so Frechheiten, wie die Offiziersbeförderungsliste der Schweizer Armee mit der Vignette einer sprudelnden Champagnerflasche zu verzieren, unter der stand: «hoch die Flaschen», das ginge heute natürlich nicht mehr. Abgesehen davon, dass sich niemand mehr für den Generalstab der besten Armee der Welt interessiert.

Aber, Lob, wem Lob gebührt:

Das ist nun ein feines Stück Kleinrecherche und tut erst noch der eigenen Klientel mit vielen Anhängern in der Redaktion weh. Man kann höchstens meckern, dass auch hier der Bildanteil viel zu gross ist.

Aber herauszuarbeiten, dass der mediengeile Grünen-Präsident Balthasar Glättli den Bundesrat scharf kritisiert, gar von «Regierungsversagen» spricht und viel, viel schärfer Massnahmen gegen Corona fordert – während seine Parteikollegen still und heimlich in der Gesundheitskommission (SGK) gegen striktere Massnahmen stimmen, das ist ein hübscher Blattschuss.

«Dabei taten die drei grünen SGK-Mitglieder das Gegenteil von dem, was ihr Parteichef öffentlich sagt: Sie versuchten nicht etwa, die von der Regierung vorgeschlagenen Massnahmen zu verschärfen – sie versuchten sie massiv abzuschwächen»,

erzählt Markus Häflinger genussvoll. Lustig ist nebenbei, dass die Online-Version des Artikels um diesen Satz hier ergänzt ist, der in der Printausgabe fehlt:

«Weichelt kritisiert auf Anfrage, dass diese Informationen überhaupt bei dieser Zeitung gelandet seien. Dies sei «eine Verletzung des Kommissionsgeheimnisses und schädlich für die Demokratie».»

Dabei ist das in erster Linie schädlich für die Glaubwürdigkeit der Grünen.

Ist die alte Tante noch wiederzukennen?

Da werden sich manche altgediente Redaktoren fragen, ob es wirklich eine gute Idee war, vom jahrhundertelangen Prinzip abzuweichen: Auf der Frontseite der NZZ gibt es keine Fotos. Nicht mal schwarzweiss …

Aber, auch hier ein Lob; Zwiegespräch zwischen dem langjährigen Wirtschafts-Chef der NZZ, Gerhard Schwarz, und Werner Widmer, ehemaliger Spitaldirektor und Präsident der Zürcher Krebsliga, über Corona.

Das ist mal ein Hammersatz:

«Es kann doch nicht sein, dass sich die ganze Bevölkerung einschränken muss, um das Gesundheitswesen zu schützen.»

Und wenn Widmer schon mal in Fahrt ist: Wir geben 82 Milliarden Franken im Jahr dafür aus, «doch die Spitäler sind offenbar nicht in der Lage, mehr als 865 zertifizierte Intensivbetten zu betreiben.» Aber hallo.

Wir wollten eigentlich am Schluss hier zum Sturzflug ansetzen. Aber leider entzog sich der Landeplatz unserem Anflug:

ZACKBUM gibt niemals so schnell auf, aber mehr als das kam nicht:

Vielleicht sollte sich Online-Guru Hansi Voigt mal um seinen Maschinenraum kümmern. Oder sind das schon die ersten Vorboten des Endes?

 

 

Schelte vom Hausgespenst

Lasst endlich Bürger Horta-Osório in Ruhe.

Das nennt man Pech. Nun hat die «Blick»-Familie endlich mal wieder einen hübschen Skandal ausgegraben. Alles drin, was auf dem Boulevard Spass macht. Ein im wahrsten Sinne des Wortes abgehobener Bankenlenker, Privatjets, Wichtigkeit, pfeift auf Quarantäneregeln, hält sich wohl für etwas Besseres.

Es sieht zwar so aus, als gelänge es nicht, Antonio Horta-Osório damit vom bequemen Sessel des VR-Präsidenten der angeschlagenen Credit Suisse zu lupfen. Aber ein guter Versuch war’s. Ist’s noch, denn es wird weiterhin leise nachgemopst.

Das findet aber allerhöchstes Missfallen im Hause Ringier. Besserwisser Frank A. Meyer benützt seine SoBli-Kolumne, um den eigenen Leuten die Kappe zu waschen. «Ein fehlbarer Bürger», überschreibt er milde gestimmt seine Verteidigungsrede.

Ein Bankmanager habe sich angeblich unmoralisch verhalten, es werde sein Rücktritt gefordert, beobachtet Meyer übellaunig. Und was macht sein Hausorgan daraus:

«Es gehört zur moralingetränkten Medienmentalität, dass jedes fehlerhafte oder gar unanständige Verhalten einer irgendwie herausgehobenen Person eilfertig zum Sündenfall hochstilisiert wird.»

Hui, nehmt das, ihr moralingeschwängerten Medienmentalen. So geht das ja nicht, donnert Meyer: «Die Überhöhung des Managertums ist grotesk

Was soll denn der «Blick» machen? Denn von Meyer lernen, heisst bekanntlich siegen lernen und Erfolg haben. Schliesslich hat er schon höchstpersönlich gigantische Zeichen im Journalismus gesetzt. Zum Beispiel … öhm, also zum Beispiel, hüstel, na, räusper, hm, da waren ja nur Flops auf seinem langen Lebensweg bei Ringier.

Nun gut, aber man kann dennoch Ratschläge erteilen:

«Der Bürger António Horta-Osório soll sich in Zukunft benehmen wie andere Bürger: möglichst anständig – und ein wenig bescheidener. Das genügt. Mehr moralische Aufmerksamkeit gebührt seinem Alltagsverhalten nicht.»

Schreib Dir das hinter die Ohren, Christian Dorer. Denn es ist wohl immer noch nicht ratsam, im Hause Ringier bei Meyer in Ungnade zu fallen. Gerade vor Weihnachten.

Dorer, lass das, wird von höherer Warte dekretiert.

 

 

 

Endlich! «Blick» lebt

Ob Plisch und Plum nochmal so beknackt zusammensitzen werden?

CS-Manager mit Verdauungsproblemen? Gottstein und Horta-Osório im «Blick»-Interview.

Enteiert, ohne Busen, Blut und fast ohne Büsis: man musste sich ernsthaft Sorgen um den «Blick» machen. Denn der sollte Boulevard mit grossen Buchstaben ohne Boulevard und mit kleinen Aufregern machen.

Ähnlichkeiten sind rein zufällig und von Wilhelm Busch keinesfalls beabsichtigt.

Das geht natürlich nicht, auch wenn da noch so viel von Resilienz geschwurbelt wird. Und gesalbte Worte gesäuselt werden, dass man Frauen nicht mehr als Sexobjekt behandeln wolle, überhaupt das Thema Sex für Ratgeber auch Tabu sei.

Geradezu subversiv wurden dann doch Storys über Trash-Shows ins Blatt geschmuggelt, wo ein Prekariatsmitglied mit einem ohne Glied zugange ist, und das wiederum zu in diesen Kreisen üblichen Verkrampfungen und Geschimpfe führt.

So blubberte der «Blick» vor sich hin; das Regenrohr im Logo wurde mehr und mehr zum Symbol des Niedergangs. Alles «down the drain», wie man auf Englisch so schön sagt, alles im Abfluss.

Aus dem Koma plötzlich aufgewacht

Aber, Zeichen und Wunder in vorweihnachtlicher Zeit, mit einer Schlagzeile ist das Blatt wieder da:

Wunderbare Story, in der alles drin ist, was auf dem Boulevard Spass macht. Die da oben mit ihren Privilegien (Privatjet!), meinen, über dem Gesetz zu stehen, pfeifen auf Quarantäne-Regeln, fühlen sich zu wichtig dafür.

Frontseite, ausführlicher Erklärtext auf Seite 2 (7300 A, episch für «Blick»-Verhältnisse). Dann natürlich noch nachtreten, die «Corporate Governance»-Expertin Monika Roth waltet ihres Amtes und sagt das, was der «Blick» gerne hören möchte:

«Die Tage von António Horta-Osório an der Spitze der CS sind gezählt, Horta-Osório muss zurücktreten.»

Wahrscheinlich hätte der Noch-«Blick»-Wirtschaftschef Guido Schlätti den Skandal gerne als Einstandsgeschenk für seine neue Position als NZZaS-Wirtschaftschef mitgebracht. Aber man muss Geschenke auspacken, wenn man sie kriegt.

Vom Einzel- zum Dauerfeuer: so macht man das.

Denn ein Geschenk ist die Story natürlich. Offenbar hat der braungebrannte Sunnyboy Horta-Osório einige Feinde in der Credit Suisse. Denn alle saftigen Details wurden dem «Blick» zugehalten.

Abflug am 28. November mit dem Privatjet von London nach Zürich. Sein Pech: einen Tag vor Abflug setzt die Schweiz Grossbritannien auf die Liste von Hochrisikoländern. Das bedeutet: zehn Tage Quarantäne nach Einreise.

«Foda-se tudo»

Im Prinzip ja, denkt Horta-Osório, und begibt sich in seine Wohnung im steuergünstigen Wollerau. Aber bereits am 1. Dezember besteigt er den nächsten Privatjet. Westwärts, dann weiter nach New York, wie’s sich für einen furchtbar wichtigen Bankenlenker gehört, ohne den sich die Welt nicht weiterdrehen würde.

Das wäre schon genug für eine richtig saftige Story. Aber «Blick» kann noch eins drauflegen. Während er in Wollerau an den Fingernägeln knabberte, liess der VR-Präsident der zweitgrössten Bank der Schweiz offenbar abklären, ob es für ihn keine Ausnahmebewilligung geben könne. Felix Gutzwiller, der früher bekannte Gesundheitspolitiker und vernetzte ehemalige FDP-Nationalrat, ist laut «Blick» gerne zu Diensten und fühlt vor.

Aber zum grossen Frust des portugiesischen Granden geht so etwas in der republikanischen Schweiz nicht. Ausnahme? Für einen wichtigen Wichtigtuer? Nein, sagt der Kanton Zürich, nein sagt der Bund. So sorry, sagt wohl Gutzwiller, wird aber für seine Umtriebe sicherlich dennoch entlöhnt.

Scheiss drauf, sagt Horta-Osório, oder wohl «foda-se tudo», was wir lieber nicht übersetzen wollen. Und schon hat er ein Scheissproblem an der Backe. Denn, weiterer Glücksfall für den «Blick», nun tut die Corporate Communication der Bank das, was sie am besten kann. Wenn sie nicht «kein Kommentar» sagen darf, setzt sie die Sache noch mehr in den Sand.

Der mit einem Beraterheer bis zur Hilfe bei der Auswahl der richtigen Krawatte umgebene VRP habe nicht gewusst, dass Quarantäne auch den Verzicht auf Auslandreisen beinhalte. Damit sorgt ein Sprecher der Bank für den nächsten Brüller.

Asche aufs Haupt, Schläge aufs eigene Haupt 

Horta-Osório selbst versucht es mit der alten Nummer, mit gesenktem Haupt zu Kreuze zu kriechen und sich wortreich zu entschuldigen. «Wichtig, Vorschriften einhalten, sorgfältig getan, unbeabsichtigt, bedauere aufrichtig, entschuldige mich, nicht wieder vorkommt», Blabla.

Geht da noch einer? Aber bei der CS immer:

«Herr Antonio Horta-Osório hat Selbstanzeige wegen möglicher Übertretung gemäss Epidemiegesetz Art. 83 eingereicht»,

schleimen seine Anwälte beim «Blick». Der VRP streut also nicht nur Asche auf sein Haupt, er haut auch drauf.

Alles andere ist ein Selbstläufer. Kann so einer Vorbild sein, gerade in dieser kritischen Lage der CS, «Hoffnungsträger», «Führen durch Vorbild», die Unternehmensspitze müsse «Werte wie Integrität vorleben, sagte er kürzlich in einem Interview mit dem «SonntagsBlick»».

Natürlich ist man in der CS «entsetzt», kratzt sich am Kopf, will vielleicht seinen auf dem Silbertablett serviert bekommen.

Kannst mir doch nicht erzählen, denkt sich Horta-Osório (links).

Der fliegende Banker versucht zurzeit sicher herauszufinden: wer war das? Als ob das noch etwas nützen würde. Bislang ein sauberer Blattschuss vom Boulevard, grosses Kino, alte Schule. Man könnte höchstens einwenden: schon ziemlich viel am Anfang verballert; für eine Kampagne muss man nachlegen können.

Die klassischen Nachzüge.

Bis am Wochenende wird sich entscheiden, ob Horta-Osório die Affäre überlebt, sie also aussitzt – oder nicht.

Den Leser am Portemonnaie packen …

ZACKBUM begrüsst den «Blick» wieder auf dem Spielfeld ernsthafter Boulevard.

 

 

Bankergequatsche

Was die Qualitätsmedien kritiklos publizieren und die Credit Suisse rausbläst.

Dieser Rückgriff in dunkle Zeiten muss sein. Es war ein genialer Propagandakniff, dass der deutsche Landser im Zweiten Weltkrieg in den Nazi-Wochenschauen immer von links nach rechts durchs Bild marschierte. Immer.

Daher konnte der Zuschauer nicht beurteilen, ob es vorwärts oder rückwärts ging. Ob triumphal erobert oder kläglich zurückgezogen wurde. Nach dem grossartigen Slogan: «Vorwärts, wir ziehen uns zurück».

Allerdings merkte selbst der blödeste Reichsbürger, dass die grossartigen Erfolge und vernichtenden Abwehrschlachten sich immer mehr den Reichsgrenzen näherten. Die der Feind aber nie überschreiten werde. Bis er es dann doch tat.

Leider liegt diese Analogie – natürlich nur in Bezug auf die Propaganda – mit den jüngsten Ankündigungen der Credit Suisse auf der Hand. Die «Financial Times» hat im Zusammenhang mit der Riesenschweinerei Milliardenkredit an Mosambik die Untaten der letzten zehn Jahre grafisch aufbereitet. Entlang des sich im stetigen Niedergang befindlichen Aktienkurses. Der niemals unter 10 Franken fallen werde, bis er es dann doch tat.

Die Rohner-Strecke der CS.

Und jedes Mal, wenn er auch nur kurz die Schwelle von einstellig zu zweistellig überspringt, gibt’s Jubelchöre zu hören. Die sollen das Heulen und Zähneklappern der Aktionäre übertönen, die in den letzten zehn  Jahren Milliardenverluste ans Bein streichen mussten.

Ausser, sie gehörten zu erlesenen Kreis arabischer Investoren, die das Geld von der CS geliehen bekamen, das sie in die Bank investierten, und bis zu 9,5 Prozent Zinsen obendrauf. Aber dafür konnte die CS damals verkünden, dass sie im Gegensatz zur UBS keine Staatshilfe brauche.

Also war vor zehn Jahren die Ausgangslage doch besser für die eine der beiden Schweizer Grossbanken. Too big to fail, also mit Staatsgarantie, langer Tradition (Alfred Escher, you know) und dem Wort Suisse im Namen, immer noch mit Strahlkraft (Matterhorn, you know).

Nun aber klare Signale – oder nicht

Aber in Wirklichkeit taumelt die Bank von einer Peinlichkeit zur nächsten, ist so ziemlich an allen internationalen Skandalen beteiligt, schafft es sogar, im Doppelpack Milliardenverluste zu kassieren. Ist zum Schnäppchen geworden, das nur deswegen nicht aus der Portokasse aufgekauft wird, weil alle potenziellen Käufer Schiss haben, welche Leichen im Keller sie einkaufen würden.

Also höchste Zeit für klare Signale, einen «Big Bank», wie Lukas Hässig auf «Inside Paradeplatz» kalauert. Schliesslich ist doch mal wieder ein neues Dreamteam angetreten, auch wenn das nicht wirklich so wirkt.

Zwei strahlende Siegertypen: Thomas Gottstein (l.) und António Horta-Osório.

Nein, die beiden sehen nur so aus, als könnten sie sich nicht ausstehen und wären schwer angegurkt von ihrer Aufgabe. Der Schweizer CEO hat den letzten Milliardenflop überstanden und ist bereit für neue. Der neue VR-Präsident hat vom Vorgänger die weisse Weste geerbt und wurde als Sanierer, Ruderrumwerfer, neue Kraft mit Vorschusslorbeeren überschüttet.

Nun brütet man heutzutage, das ist ja nicht schlecht, ein Weilchen darüber, wie man neue Akzente setzt, das Steuer rumreisst, die Bank aus den Sandbänken der ständigen Bussen und Verluste befreit, wieder Wind in die Segel des verunglückten Banklogos pustet. Zum Beispiel, indem man sich vom Investment-Banking trennt, das seit dem Ankauf von Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ) unter dem Allfinanz-Versager Lukas Mühlemann für garantierte Verluste und Probleme sorgt. 20 Milliarden kostete damals der Ankauf der US-Investmentbude, als die Schnarchschweizer meinten, da ginge die Post ab und sich von aalglatt dampfschwätzenden Amis über den Tisch ziehen liessen.

First Boston, second flop, last survival.

Die 20 Milliarden lösten sich in Luft auf. Allerdings nicht ganz, ein guter Happen Goodwill wurde in den Büchern mitgeschleppt und konnte bis heute nicht abgeschrieben werden; die Zahlen sahen meistens auch ohne sehr trübe aus.

Aber nun, aber jetzt, nach mehrmonatigem Brüten, jetzt kommt die neue Strategie, der Ansatz, the winner, das Ergebnis scharfen Nachdenkens, von bis zur Kernschmelze getriebenen Computern, unter Verwewndung von Formeln und Algorithmen, die sich dreimal um den Paradeplatz schlängeln, so lang sind die.

Frischer Wind in die Segel der Bank der Seefahrernation Schweiz?

Was verkündet die Schweizer Wirtschaftspresse mit offenem Mund? Auch wenn’s weckert, das muss in (fast) vollständiger Länge zitiert werden:

Hier sprechen die Chefs 

Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório: «In den vergangenen Monaten haben der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung gemeinsam unermüdlich an der Gestaltung der neuen Strategie gearbeitet, die uns künftig als Kompass dienen wird. Die heute bekannt gegebenen Massnahmen bilden den Rahmen für eine deutlich stärkere, kundenorientiertere Bank mit führenden Geschäftsbereichen und regionalen Angeboten. Das Risikomanagement, das alle unsere Handlungen prägt und stets von grösster Wichtigkeit ist, wird zur Förderung einer Unternehmenskultur beitragen, welche die Bedeutung von Rechenschaftspflicht und Verantwortung weiter stärkt.» Daher «ist die Credit Suisse gut positioniert, um auf den Stärken ihrer hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihrer Geschäftsbereiche aufzubauen.»

Nein, nicht um Gnade winseln, das war erst die Hälfte:

Gruppen CEO Thomas Gottstein: «Dank dieser strategischen Überprüfung haben wir eine klare und überzeugende Stossrichtung festgelegt, die auf bestehenden Stärken aufbaut und das Wachstum in wesentlichen strategischen Geschäftsbereichen beschleunigt. Wir werden zu einer effizienteren Bank mit voraussichtlich geringerer Volatilität der Erträge und einer verstärkten Ausrichtung auf die Märkte, in denen wir tätig sind. Wir wollen unsere Position als einer der führenden Anbieter in der Vermögensverwaltung weiter ausbauen und werden verstärkt in Bereiche investieren, in denen wir über Wettbewerbsvorteile verfügen: in unserer fokussierteren und weniger kapitalintensiven Investment Bank, in unserer führenden, kundenorientierten Swiss Bank sowie in unserem Asset Management mit Mehrfachspezialisierung.»

Das ist Banglish. das ist die ausführliche Fassung von: «Vorwärts, wir ziehen uns zurück.» Denn nun müssen wieder viele, viele neue Organigramme gepinselt werden, Schnittstellen, Raportwege, Rhomben und Quadrate, kreuzende Linien und überspringende Linien. The Works, wie der Banker sagt.

Dieses Dampfgeplauder muss jedem CS-Mitarbeiter echt Schiss machen. Von Kunden und Aktionären ganz zu schweigen. Denn wenn man die heisse Luft aus den Ballons lässt, bleibt – nichts. Nichts Neues. Das ist so, wie wenn man einen Rosthaufen mit defektem Motor, platten Reifen und knirschendem Getriebe mit Wasserfarbe abduscht und sagt: et voilà, wie neu. Läuft wieder spitze, bald kommt noch ein Elektromotor rein.

Was ist betrüblicher? Solches Dampfplaudern oder seine weitgehend kritiklose Abbildung in den Medien? Schwer zu sagen. Immerhin gibt es eine einzige Ausnahme. Hässig titelt frech: «Das Ende der Credit Suisse».

«Blick» aufs Halszäpfchen

Aber von unten. Ringier setzt die Lobeshymne auf die Credit Suisse schamlos fort.

Vielleicht lag’s an der Fotografie, mit der der SoBli das Doppelinterview mit dem VRP Antonio Horta-Osório und dem CEO Thomas Gottstein von der CS begleitete.

Er war’s! Nein, der war’s! Nein, selber nein, nein du. Das Bildzitat des Grauens.

Darauf sehen die beiden, wir formulieren in Rücksicht auf das Legal Department der Bank vorsichtig, wie zwei ertappte Sünder, wie zwei Männer aus, denen es peinlich an der Seite des anderen ist. Dabei sollte doch die Message sein: Differenzen zwischen den beiden? Niemals, alles in Butter, alles gut. Alles happy, so wie die CS selbst.

Besonderen Wert wurde bei der als Interview verkleideten PR auf das Menschliche gelegt. Der Burn-out des VRP, das Golfhandicap des CEO, sind sie nicht sympathisch mit ihren kleinen Schwächen und Hobbys?

Nächster Akt: vierhändige Massage des VR-Präsidenten

Aber nach dem PR-Artikel ist vor dem PR-Artikel. Das Autoren-Dreamteam Guido Schätti und Nicola Imfeld macht weiter. Diesmal massiert es vierhändig den VR-Präsidenten. Einen menschlichen Übermenschen.

«Ein Chrampfer, der bis zum Letzten geht», «von filigraner Statur und vollendeter Eleganz», «im Gespräch strotzt der neue VR-Präsident vor Energie», «die Bank braucht eine solide Defensive und einen verlässlichen zweiten Aufschlag».

Irgendwie ist man froh, dass in der Schweiz gerade die Ehe für alle angenommen wurde.

Ein Leitmotiv ist ein Leitmotiv ist ein Leidmotiv

Der Mann ist nicht nur all das, er hat auch Visionen: «Die Bank sei weltweit eine der ganz wenigen, die im aktuellen Umfeld hervorragende Wachstumschancen hätten», zitieren ihn die Autoren hingerissen. «Dass seine Vorgänger dasselbe verkündeten, ohne zu liefern, lässt ​ihn kalt», natürlich, die waren ja auch nicht wie Horta-Osório.

Wie ist er denn nun? Dazu haben die «Blick»-Anhimmler das Leitmotiv des Tennismatchs gewählt. Ass, Doppelfehler, Aufschlag, wunderbar, das passt doch zu einem Tennisspieler wie Horta-Osório. Golf ist für Gottstein, aber hier geht’s um den Filzball. Und seine Drescher. Natürlich muss der VRP Roger Federer toll finden, den Werbeträger der CS. Aber, so vermuten die Autoren feinsinnig, eigentlich möge der VRP eher Rafael Nadal.

Der Chrampfer, der bis zum Letzten geht.

Das sei eben auch ein Chrampfer, aber damit der Ähnlichkeiten nicht genug: «Es gibt zwei Dinge, die den CS-Präsidenten António Horta-​Osório (57) mit dem Tennisspieler Rafael Nadal (35) verbinden. Beide sind falsche Linkshänder. » Nadal sei das antrainiert worden, Horta-Onório habe eine Verletzung dazu gezwungen. Wahnsinn, und das zweite Ding?

«Der neue CS-Präsident ist ein grosser Bewunderer Nadals.» Öhm, also Nadal ist ein grosser Bewunderer von sich selbst?

Interessant, interessant.

Ein Glücksfall für die CS, aber auch für den «Blick»?

Schätti und Imhof sind da klar orientiert; sie bewundern nicht sich selbst, denn für eine solche Schmiere wäre das auch oberpeinlich. Neben allen Versuchen, das Halszäpfchen von Horta-Osório von unten zu liebkosen, ziehen sie das Tennis-Leitmotiv mit unüberbietbarer Aufdringlichkeit durch: Der VRP sei eben «ein harter Arbeiter – wie sein Seelenverwandter Nadal –geblieben». Trotz Burnout, als er angetreten sei, die englische Bank Lloyds «vor dem Kollaps zu retten». Operation gelungen, aber Operateur anschliessend so ausgebrannt, dass er sich «in einer Klinik auskurieren» musste.

Nun wird alles gut: «Für die Credit Suisse könnte er ein Glücksfall sein.» Wunderbar, das kann die Bank auch dringend brauchen. Vermutlich beim Durchlesen fiel den beiden Autoren dann doch auf, dass sie vielleicht zu viel Schmiere aufgelegt hatten. Längeres Brainstorming, wir brauchen noch einen leicht kritischen Schluss, war offensichtlich die Vorgabe. Aber am besten im Tennis-Leitmotiv, sagte dann einer von beiden.

Et voilà: «Einen weiteren Doppelfehler wie bei Archegos und Greensill können sich weder Horta-​Osório noch Gottstein leisten. Die Aktionäre haben genug geblutet. Sie warten auf ein Ass.»

Man gestattet sich aber schon die Frage: Ob das wirklich gut kommt, wenn sich ein VRP derart peinlich im Qualitätsorgan der gehobenen Finanzberichterstattung «Blick» anhimmeln lässt?