Dschihad im Tagi
Anti-israelische Schmierereien, Beschimpfungen und Meinungszensur.
Der Gaza-Krieg reicht inzwischen weit in den Schweizer Alltag. «Fuck Israel» hat ein Unbekannter am Montag in grossen Lettern auf den Asphalt geschrieben. Dies geschah nicht irgendwo, sondern vor dem Eingang des vielbesuchten Coop-Supermarkts an der Zürcher Bahnhofbrücke. Über lange Zeit dachte niemand daran, das Gekritzel zu entfernen, das nicht nur Einheimische, sondern auch viele Sommertouristen aus aller Welt befremden musste. Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Ende Juni beunruhigten in Zürich verschiedentlich grosse rote Dreiecke an Betonwänden und linksautonomen Begegnungsorten. Mit diesem Symbol hat die Terrororganisation Hamas nach dem 7. Oktober israelische Ziele zum Abschuss freigegeben. Auch bei den Schmierereien an fünf jüdisch geführten oder mit jüdischen Künstlern verbundenen Zürcher Galerien tauchten rote Dreiecke auf. Die deutsche Wochenzeitung Jüdische Allgemeine kommentierte: «Juden als Zielscheibe. Ein glasklarer Mordaufruf».
Bei den Parolen an den Kunstgalerien ging es keineswegs um einigermassen versteckte Symbolik. «No Art for Genocide» stand da sowie «Free Palestine» oder «Not Support Zionism». Bereits Mitte März hat die Zürcher Stadtpolizei nicht weniger als vier Dutzend Ereignisse mit mehr oder weniger klar antisemitischem Hintergrund vermeldet. Bei drei Vierteln handelte es sich um Graffitis oder Schmierereien. Trauriger Höhepunkt bildete indessen die Messerattacke mit fünfzehn Einstichen auf einen orthodoxen Juden, verübt von einem aus Tunesien stammenden Fünfzehnjährigen.
Ob die Schmierattacken von Migranten mit muslimischem Hintergrund oder von hiesigen Linksaktivisten stammen, bleibt vorderhand unklar. Sicher ist aber, dass es pro-israelische Stimmen in gewissen Medienforen schwer haben, überhaupt zu Wort zu kommen. Entsprechende Kommentare werden beim Tages-Anzeiger oder beim Bund massenweise abgelehnt, während pro-palästinensische und Hamas-freundliche Einträge selbst bei fragwürdigsten Inhalten die Kontrolle problemlos passieren. Der Weltwoche liegen unzählige Beiträge vor, die von Tamedia mit der Standardmitteilung abgelehnt wurden: «Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehört die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken.»
So unterbindet die «manuelle Moderation» Begriffe wie «verarmte Terroristenbasis» oder «Raketenterror» im Zusammenhang mit Gaza. Auch der Kommentar «Der Plan der Hamas geht auf: Alle Welt empört sich über Israel» wurde gestrichen, ebenso der «andauernde Beschuss der Hamas Richtung Israel». Dasselbe geschah mit der Aussage: «Antisemitismus und Rassismus sind Gewalt. Gewalt hat an unseren Schulen nichts verloren.» Nichts zu suchen hat beim Tages-Anzeiger die Feststellung, dass sich in Gaza «die Terroristen» während der Kämpfe in «Gebäuden verschanzen». Genau so wenig wie, dass «mehr als 300 000 Menschen in Israel aufgrund des Krieges nicht in ihren Häusern leben können». Nicht einmal die Richtigstellung der Behauptung, dass «Netanjahu schon immer die Palästinenser ausrotten wollte», hat eine Chance. Auch gelöscht wurden die Zeilen «Die Vereinten Nationen sind ein Auslaufmodell», oder die Uno foutiere sich um die israelischen Geiseln und erkläre damit ihren «moralischen Bankrott».
Selbst der Hinweis auf «linke Antisemiten» oder auf den «Antisemitismus an der ETH, den Eliteuniversitäten in den USA, der Uni Bern, der Uni Basel» war den Tamedia-Zensoren zu viel. Oder auch die Frage «Wie würden Sie den Terror (zum Beispiel hier in der Schweiz) bekämpfen, wenn nicht militärisch?» Oder der Einwand «Terror gegen Juden gab es schon vor der Gründung Israels, in den zwanziger und dreissiger Jahren», sowie der Hinweis: «Dieser Krieg wurde durch die Hamas mit dem grössten Massaker seit dem Holocaust an Juden begonnen.»
Gleichzeitig publizierte der Tages-Anzeiger ohne jeden Skrupel Sätze über den «aktuellen Völkermord an den Palästinensern, dieses rücksichtslose Abschlachten und Aushungern» oder Israels «pure hasserfüllte Rache im Exzess». Den Israelis darf problemlos «Genozid», «Apartheid» und «Rassismus» unterstellt werden. Überhaupt sei Israel ein «geplantes Projekt für die unerwünschten Juden in Europa». Ein anderer ungelöschter Kommentator meint, dass Israels «Lobby mit Geld Politiker kauft und auch mit anderen Mafia-Stil-Machenschaften versucht, die Wahrheit zu manipulieren». Selbst bei folgendem Beitrag hatten die Tagi -Kontrolleure nichts zu beanstanden: «Auf der ganzen Welt die Opferrolle spielen und Wiedergutmachung verlangen und Raubkunst zurückfordern, aber selber die schlimmsten Räuber sein und seit Jahrzehnten ungehindert enteignen und morden.»
*Der Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe der «Weltwoche». Mit freundlicher Genehmigung des Autors.