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Faszinierende Gesinnungsblase

Im Nahkontakt mieft es bedenklich.

In aktuellen Debatten wird gerne der Begriff Gesinnungsblase verwendet. Er bezeichnet das Phänomen, dass meist unter Luftabschluss in einem Debattierraum nur geäussert wird, was sich innerhalb einer festgefügten Weltsicht abspielt. Rücksichten auf die Wirklichkeit, auf ihr widersprechende Fakten werden nicht genommen. Im besten Fall werden sie sophistisch und mit Wortklaubereien weggedrückt.

Was zudem extrem auffällt: eine Auseinandersetzung mit einer Meinung ausserhalb der Blase findet inhaltlich nicht statt. Das war ZACKBUM aus anderen Zusammenhängen und als eher abstraktes Ordnungskriterium bereits bewusst.

Doch nun kommt die direkte Erfahrung hinzu. Sie war zu erwarten, aber Ausmass, Massivität, Uniformität und vor allem die geradezu religiöse Fähigkeit, eine runde Erde als Scheibe zu betrachten, das verblüfft dann doch. Das genau zu diesem Zweck veranstaltete Experiment war eine Replik auf eine der vielen Kriegsgurgelkommentare im Gutmenschenblatt «Tages-Anzeiger». Dem muss man immerhin zugute halten, dass es eine zwar vom Autor gekürzte und stark abgeschwächte, aber dennoch dem Mainstream widersprechende Meinung zuliess.

Sie trug den recht banalen Titel «Waffen für die Ukraine? Das wäre gegen die Verfassung». Es ist eigentlich unbestreitbar, dass die vor allem auf Drängen der Linken verschärften Schweizer Waffenexportvorschriften solche Lieferungen nicht zulassen. Zudem hat das Parlament bekanntlich den Versuch, hier eine Ausnahme zu machen, klar abgelehnt.

Das sind die Fakten. Die Replik provozierte 70 Kommentare. Sie lassen sich in vier Kategorien einteilen, wobei sie sich teilweise auch überschneiden.

  1. Die argumentationslosen persönlichen Angriffe. Ein paar Duftmarken: «Ziemlich daneben und arrogant, dieser Gastbeitrag von Zeier», «Ein absolut arroganter, peinliche absurder Kommentar von R. Zeyer». «Was für eine gehässige Replik!» Das ist das übliche frustrierte Gewäffel  als Triebabfuhr von Genervten und Beleidigten, die aber nichts Sachdienliches zur Debatte beizutragen haben.
  2. Die Parallelisierer nach der Devise «dort doch auch». Duftmarken: «Nach Zeyer dürften keine Waffen nach Saudi Arabien geliefert werden.» «Was Herr Zeyer unterschlägt ist, dass Waffen sehr wohl in Kriegsführende Länder wie die USA oder Saudi Arabien ausgeführt werden.» «Wenn der so genannte «kriegsführende Fremdstaat» Saudi-Arabien ist, dann sehen das unsere Neutralisten nicht mehr so eng.» Das ist die absurde Argumentation im Sinne von: Andere klauen doch auch, dann werde ich ebenfalls zum Ladendieb. Wenn Waffenlieferungen an Saudiarabien einen (nicht geahndeten) Verstoss gegen das Kriegsmaterialgesetz bedeuten, dann wäre das noch lange kein Argument, einen neuen Verstoss damit zu legitimieren.
  3. Die Moralapostel, bei denen der angeblich gute Zweck alle Mittel heiligt. Duftmarken: «Verfassung und Gesetze dürfen nicht Unmoral legitimieren.» «Als neutrale Macht hat die Schweiz das Recht, jegliches Kriegsmaterial an kriegsführende Mächte zu liefern.» «Letztendlich ist es eine ethische und politische Frage. Für mich hat Solidarität Vorrang.» Der Verweis auf den geltenden Gesetzen angeblich übergeordnete Prinzipien sollen den Rechtstaat von Fall zu Fall aushebeln, wobei der Kommentator genau weiss, wann das erlaubt sein sollte.
  4. Die Schlaumeier, die sich an Wortklaubereien versuchen. Duftmarken: «Das Schweizer Waffenausfuhrgesetz ist kein göttliches Prinzip und auch kein Naturgesetz welches unsere Denkfähigkeit einschränkt.» «In der Schweiz hergestellte Rüstungsgüter könnten konform mit dem Bundesgesetz über das Kriegsmaterial (KMG) in seiner derzeitigen Form wie folgt an die Ukraine zur Verfügung gestellt werden …» «Als neutrale Macht hat die Schweiz das Recht, jegliches Kriegsmaterial an kriegsführende Mächte zu liefern.» Hier herrsche gar kein Krieg, sondern eine Partei verteidige sich gegen einen Aggressor, da gälten dann die entsprechenden, glasklaren Gesetze nicht. Sozusagen Anwendung von Fall zu Fall.

Man sollte nicht verallgemeinern, das ist richtig. Aber wenn man diese 70 Kommentare als repräsentativ nimmt, dann handelt es sich bei den Tagi-Lesern (mit wenigen löblichen Ausnahmen) um antidemokratische Feinde des Rechtsstaats, an dessen Gesetze sie sich nur halten wollen, wenn die ihrer Meinung nach akzeptabel sind. Stehen sie Handlungen im Weg, die als moralisch geboten erscheinen, kann und soll man drauf pfeifen. Der übergesetzliche Notstand. Hilfsweise legitimiere ein mögliches Unrecht das andere.

Oder wie einer in unüberbietbarer Dummheit formuliert: «Direkte Waffenlieferungen sind gegen die Verfassung. Das stimmt. nur… Das hat die Schweiz bei anderen Gelegenheiten auch nie gestört.»

Ist das zum Lachen oder zum Heulen? Sagen wir so: offensichtlich sind Rechtsstaat und Demokratie in der Schweiz doch recht stabil. Bei solchen Staatsbürgern …

Bilder von Antidemokraten

In Liestal versammelten sich rund 10’000 Demonstranten gegen die Corona-Massnahmen.

Unter ihnen nahmen sicherlich auch Verschwörungstheoretiker, Halb- und Vollirre ihr demokratisches Recht in Anspruch. Aber wohl mehrheitlich besorgte, beunruhigte, zweifelnde Staatsbürger.

So nicht, sagt da der Twitter-Mob, und weil es einfach ist, nichts kostet und man mal wieder so richtig ein Zeichen setzen kann, knuddeln sich die üblichen Verdächtigen mit anderen zusammen.

Früher unterstellte man Demonstranten, dass sie Revolution machen wollen und am besten Moskau einfach lösen sollten. Gehört verboten. Heute unterstellt man Demonstranten, dass sie das Virus verbreiten wollen und am besten einfach verschwinden sollten. Gehört verboten.

Früher gab es zwei Arten von Demonstrationen. Bewilligte, so wie die in Liestal, und illegale, so wie die Besetzung des Bundeshausplatzes. Zu beiden Formen konnte man zwischen zwei Positionen wählen. Man nahm teil, oder man nahm nicht teil. Wenn man darauf lustig war und einem jemand zuhören wollte, konnte man auch zum Ausdruck bringen, dass man mit den Zielsetzungen einverstanden oder nicht einverstanden ist.

Neu hingegen ist, dass Antidemokraten sich im Nachhinein gegen eine legale, stattgefundene Demonstration wenden und das für furchtbar gut und richtig halten.

20 zufällig ausgewählte Exemplare von Demonstrationsgegnern sagen mehr als 20’000 Worte. Wer möchte sich von denen Demokratie lehren lassen? Wer möchte, dass die mehr Macht als Gefuchtel und Geschimpfe hätten?

Endlich: der Schuldige ist enttarnt.

Auch ein Menschenverächter …

Ein einziger, witziger Tweet …

Immer einen idiotischen Spruch auf den Lippen.

Meisterin der Binsenwahrheiten.

Und wer denkt an die verhungernden Kinder?

Das sagen sich Ameisen auch immer.

Hoffentlich sind die Vernünftigen mehr. Aber wo sind sie nur?

Wo ist hier? Wie Verantwortung übernehmen? Wer will Anarchie?

Wer ist denn ein «Pandemietreiber»?

Öhm. Mit gezeichneter Maske; echt jetzt?

Dumme Fragen stellen kann jeder.

Keine Blondinenwitze hier, bitte.

Wie steht es mit der medikamentösen Versorgung?

Flatten the curve? Wie machen «wir» das genau?

Meinungsfreiheit, das ist: meine Meinung.

Ist der das Gegenteil eines asozialen Idioten?

Fakt: Wer so etwas Dämliches tweetet, ist selber eine.

So sieht ein menschenfreundlich besorgter Bürger aus.

Wirklich? Ein PhD? Von welcher Uni denn?

Alle haben auf den gewartet; man erkennt ihn an der Locke!