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«Republik» ganz unten

 Feuern, ohne zu fragen: Genau so sollte man es nicht machen.

Was tut man, wenn man ein Organ der politischen Korrektheit ist, der inkludierenden Sprache, abhold jeglicher Unterdrückung, Feind des Sexismus, Kämpfer gegen übergriffige Männer und auch sonst alles Üble auf der Welt?

Was tut man, wenn man zwar spärlich, aber doch täglich gute Ratschläge gibt, die Welt besser machen möchte, die Demokratie retten, die Umwelt, den Menschen, die Gesellschaft? Wenn man immer mit dem strafenden Zeigefinger wackelt, üble Missstände bei anderen Medien anprangert, wo Frauen Übergriffigkeiten, sexuellem Missbrauch, verbalen Attacken, Machotum, gar Diskriminierung ausgesetzt sind?

Was macht man, wenn man selbst Opfer seiner selbst wird? Opfer, weil offenbar mehrere Mitarbeiterinnen – und auch eine der WoZ – Anschuldigungen gegen den Star-Reporter des Blatts der guten Denkungsart und korrekten Lebensführung erheben? Er habe sie verbal sexuell belästigt, lauten die Denunziationen. In einem Fall sei es sogar zu einem massiven sexuellen Übergriff gekommen, behauptet eine.

Problemlage der «Republik»: alle diese Anschuldigungen wurden nur anonymisiert an sie weitergereicht. Sie liegen teilweise viele Jahre zurück. Sie wurden zuvor nie erhoben. Es wurde niemals Anzeige erstattet. Allerdings: als die «Republik» den Star-Reporter bei der WoZ abwarb, soll es sogar den Versuch gegeben haben, sein angebliches verbal übergriffiges Verhalten zu thematisieren und zu einem Artikel zu verarbeiten. Das sei dann als nicht opportun abgewürgt worden.

Es gibt also – wie meistens bei der ungemein transparenten «Republik» – eine ganze Latte von ungeklärten und unbeantworteten Fragen in eine intransparente Dunkelkammer hinein.

  •  Wieso mussten sich die Denunziantinnen an die «Fachstelle für Gleichstellung» der Stadt Zürich wenden? Gab es etwa intern keine inzwischen überall übliche Anlaufstelle?
  • Diese informierte die Geschäftsführung und Chefredaktion Ende Juni mittels eines Dossiers über die Anschuldigungen. Wieso dauerte es bis zum 23. August, dass der eigene VR darüber informiert wurde?
  • Wieso dauerte es gleichlang, dass der Betroffene informiert – und sofort freigestellt wurde?
  • Wie ist es möglich, dass weder die «Republik» noch der Beschuldigte bis heute die Namen der Denunziantinnen kennen?
  • Was hat es mit diesem Vermerk «See only» auf diesem Dossier für eine Bewandtnis? Die Fachstelle sagt glasklar, dass sie ihn nicht angebracht habe. Die «Republik» sagt, dass er auf dem Dossier stand, als sie es bekam – und er  ihr so erklärt wurde, dass das bedeute, dass weder der Beschuldigte noch andere Stellen über den Inhalt des Dossiers informiert werden dürften.
  • Welche Rolle spielt die «Mittelsperson» Rena Zulauf, die inzwischen nicht mehr mit Klagen droht, wenn man sie so bezeichnet – allerdings auch keine Fragen beantwortet?
  • Wie ist es möglich, dass erst nach dem Aufplatzen dieser Affäre eine «Meldeplattform» von der «Republik» eingerichtet wurde?
  • Wieso übernahm erst Anfang September der VR der «Republik» die Federführung und gab – bei völlig unbekannten Personen – entsprechende externe Untersuchungen in Auftrag?
  • Wieso bekam der Beschuldigte keine Möglichkeit, seine Denunziantinnen direkt zu konfrontieren?
  • Noch Mitte September war noch im Plural von «allfälligen Beschuldigten» die Rede. Gibt es nun nur noch einen?

Als ob das der offenen Fragen noch nicht genug wären: Am 5. Oktober teilte die «Republik» in einem «Update» mit, dass sie sich vom «Beschuldigten» getrennt habe. Oder auf Deutsch: sie hat ihn nach der fristlosen Freistellung auch noch fristlos gefeuert.

Begründung: «Aufgrund der Ergebnisse einer Untersuchung unter externer Leitung wird das Arbeits­verhältnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst

Welche Ergebnisse? Schweigen. Noch Mitte September hatte der VR-Präsident Michel Huissoud getönt: «Ende September werden allfällige Beschuldigte angehört, Sie werden dann Gelegenheit haben, sich zu all den Vorwürfen zu äussern.» Ein hohles Versprechen, jetzt heisst es:

«Da eine sofortige Trennung aufgrund des ausgewerteten Materials für uns als Arbeit­geberin alternativlos war, hat keine Konfrontation des Beschuldigten mehr stattgefunden.»

Das nannte man früher Geheimjustiz. Das nannte man früher Inquisition. Ein Angeschuldigter weiss nicht, wer ihn beschuldigt, er weiss nicht, wessen er genau beschuldigt wird, er kann die Beschuldiger nicht konfrontieren, er kann sich nicht wehren, und am Schluss wird er abgeurteilt, ohne dass ihm die zuvor zugesicherte Möglichkeit einer Stellungnahme gewährt wird.

Es ist bis heute völlig ungeklärt, ob die Vorwürfe zutreffen oder nicht. Das Einzige, was klar ist: es gab niemals – vor diesen gesammelten Anschuldigungen – aktenkundige Beschwerden. Es gab niemals eine Anzeige wegen eines angeblichen massiven sexuellen Übergriffs. Es ist zudem davon auszugehen, dass die meisten Anschuldigungen längst verjährt sind. Es konnte niemals ein unabhängiges Gericht entscheiden, ob sich der Angeschuldigte eines strafbaren Vergehens schuldig gemacht habe oder nicht.

Die «Republik» erreicht damit eine neue Stufe der verantwortungslosen Hetze. In den jüngsten Fällen Kevin Spacey oder Till Lindemann kolportierten die Medien nur fleissig Anschuldigungen von Frauen und Männern, die sich so ihre fünf Minuten Ruhm – oder erkleckliche Geldsummen – verschaffen wollten. Als das dann verröchelte, verfielen die Medien in tiefes Schweigen.

Hier aber masst sich eine Redaktion an (denn die Mitteilung über den Rausschmiss ist nicht einmal unterzeichnet), aufgrund von nur ihr bekannten Denunziationen einen Mitarbeiter fristlos zu feuern. Von Denunziationen, die zumindest zum Teil von Personen stammen, deren Namen weder dem Angeschuldigten, noch der Redaktion bekannt sind.

Das ist einfach unglaublich.

Dazu passt auch, dass nicht mehr wie bis anhin die angefragte Geschäftsleitung antwortet, sondern der VR-Präsident Huissoud persönlich. Allerdings knüpft er seine Antworten an inakzeptable Bedingungen, weshalb wir auf eine Wiedergabe verzichten.

Wenn das ihre Art von Gerechtigkeit, Justiz, von Anstand, korrektem Vorgehen, vom Wahren des Grundprinzips «im Zweifel für den Angeschuldigten» ist, wie sie die «Republik» gerne für allgemeinverbindlich erklären möchte, dann ist das eine wahre Horrorvorstellung.

Schliesslich möchten die Besserwisser von der «Republik», das tropft bei jedem ihrer Artikel aus jedem Buchstaben, der Gesellschaft vorschreiben, wie sie besser funktionieren würde, wie es gerechter auf dieser Welt zuginge. Wenn man nur auf die Schreiber dieses Organs mit ihrem schnarchlangem Geseier hören würde.

Spätestens nach dieser Affäre ist klar: ja nicht. Die grosse Erleichterung besteht nur darin: auf diese Weltverbesserer mit unerschütterlicher Überzeugung, das Gute und Richtige zu kennen, hört sowieso keiner. Ihre schrumpfende Schar von Unterstützern, die ihnen mit Abos und Almosen diese völlig überflüssige Tätigkeit ermöglichen, wird nach dem Steuerskandal (und seiner Handhabung) und diesem Sexismus-Skandal (und seiner Handhabung) zunehmend das Vertrauen verlieren, dass diese Leute wenigstens den eigenen Laden im Griff haben.

Und wenn sie das nicht schaffen, was sind dann ihre gesammelten guten Ratschläge, Forderungen, Empfehlungen und Kritiken für und an der ganze Welt wert?

Nichts.

 

Lieber Leser

Machen wir Dich zum Betroffenen.

Natürlich, wer will’s bestreiten, bedient die Berichterstattung über Rammstein alle niederen Instinkte. Sänger, Macho, Provokateur, sieht irgendwie auf der Bühne so aus, als könnte man ihm alles zutrauen, inklusive Kinderschändung.

Hat doch offensichtlich mit germanischer Effizienz das Groupie-Wesen durchorganisiert. Statt – wie das alle Bands machen – per Zufall Groupies in die Garderobe und zu den After-Partys zu lotsen, werden sie vorselektioniert, inklusive Hinweise zur Kleiderordnung. Dafür war offenbar eine Casting-Managerin zuständig. Bislang hat noch niemand behauptet, er – vielmehr sie – sei gegen ihren Willen in die «Row Zero» gezwungen oder anschliessend mit Gewalt an Partys geschleppt worden.

Aber tut nichts, wer solche Texte singt, sich so schminkt, so den Tabubruch, die Provokation zelebriert wie Till Lindemann, der muss ein Schweineigel sein. Dass sich Groupies hier auf seine Kosten ihre 15 Minuten Ruhm abholen wollen, unterstützt von von «#metoo»-besoffenen Medien – ausgeschlossen.

Persönliche Betroffenheit kann heilsam wirken. Nehmen wir an, der Leser (sorry, nur Männer diesmal) war in einem Club. Das Übliche. Es wurde spät, es gab Alkohol, auch das eine oder andere Strässchen wurde geschnupft, um den Durchhaltewillen zu steigern. Nebenwirkung: am nächsten Morgen musste sich der Partygänger eingestehen, dass es da schon ein paar Filmrisse gab.

Aber macht ja nix. Denkt der Leser, bis er darauf aufmerksam gemacht wird, dass in den Asozialen Medien ein Shitstorm gegen ihn tobt. Eine Clubgängerin behauptet offenbar, er sei zu- und aufdringlich geworden, habe sie auf die Toilette verfolgt, ihr hier- und dorthin gegriffen. Als Beleg filmt sie ein paar blaue Flecken auf ihrem Körper ab.

Sie wolle weiter nichts behaupten, nur: auf der Toilette habe sie einen Filmriss gehabt, sei mit dem Slip an den Knöcheln auf der Kloschüssel wieder aufgewacht. Aber ein Drogentext und ein Abstrich habe kein Resultat gezeigt. Nichtsdestotrotz wolle sie alle Girls vor dem Leser warnen, der sei ein Sexmonster.

Aus dieser einzelnen Meldung, wie’s halt so Brauch ist, entsteht eine Welle. Andere Betroffene melden sich, berichten von ähnlichen Erlebnissen. Der Leser ist fassungslos, er sei in Clubs gewesen, die er noch nie besuchte, zu Zeiten, an denen er brav im Bett lag. Er habe Frauen angemacht, die er noch nie im Leben gesehen hat.

Auf der anderen Seite sagt sich der Leser: also ehrlich, ich hatte in dieser Nacht auch einen Filmriss, das stimmt schon. Aber alles andere stimmt nicht.

Frage: was macht der Leser? Ja, bitte? Abgesehen davon, dass seine Lebensgefährtin mit Abbruch der Beziehung droht, sein Arbeitgeber mit Beendigung der Anstellung? Sein Freundes- und Bekanntenkreis sich schlagartig ausdünnt, viele, die er zwecks Alibi anrufen will, nicht mal das Telefon abnehmen. Abgesehen davon, dass eine Eltern und seine Geschwister ihn mit dem Blick anschauen: also das hätten wir niemals von dir gedacht.

Was macht er? Klagen? Wogegen genau? Niemand bezichtigt ihn einer Straftat, alle berufen sich darauf, dass ihre Schilderungen dem persönlichen, subjektiven Erleben entsprächen. Wenn er nun richtig Pech hat (oder ein wenig prominent ist), bekommen die Medien von diesem neuerlichen #metoo-Skandal Wind. Und giessen kübelweise Unrat über ihn, zitieren weitere Opfer, die natürlich nur im Schutz der Anonymität aussagen. Und vergessen nie, «es gilt die Unschuldsvermutung» in den Text zu streuen.

Was macht der Leser? Da ist guter Rat teuer. Auswandern, den Namen ändern, ein neues Leben anfangen. Wenn er kann …