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Balzli hat’s schon wieder getan

Der Könner des verpeilten Editorials läuft zu Höchstformen auf.

Man müsste unbedingt herausfinden, wer eigentlich daran schuld ist. Oder vielleicht ist es die Folge eines autodidaktischen Vorgehens. Auf jeden Fall ist Beat Balzli der festen Überzeugung, dass ein Editorial ein Leitmotiv braucht. Das letzte Mal war das Sugus, diesmal ist der Gugus «die verspannten Streber aus der ersten Reihe».

Leider hat ihm niemand beigebracht, dass so Rätseleinstiege schon ganz, ganz lange und zu recht ausser Mode gekommen sind: «Sie sind unbeliebt und bewundert. Sie nerven und schüren Neid. Sie führen uns unsere eigenen Schwächen schonungslos vor Augen. Wer kennt sie nicht …»

Dann kommt, Achtung, Überraschung, der Vergleich zur Schweiz, diesem Streber. Der wird kurz auf die Couch gelegt:

«Doch der Stolz auf die Perfektion mischt sich mit einem Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den Grossen dieser Welt. Wie bei einem kleinwüchsigen Musterschüler auf dem Pausenplatz der Oberstufenschüler. Verkrampfte Aussenpolitik war stets die Folge. Früher stand er dort unauffällig stumm, aber nützlich in der Ecke. Heute will er unbedingt gefallen, vorauseilend gehorsam das Klischee erfüllen, womit die helvetischen Streber in die Falle streben.»

Das nennt man eine Schimäre zu Tode reiten, eine Metapher zu Tode quälen. Apropos Tod, damit endet Balzli sein Quäl-Editorial: «Die Musterschülerin Schweiz sollte sich also entspannen. Niemand wird geliebt, weil er aus Gefallsucht Selbstmord begeht

Hä? Offenbar ist ihm dieser Schluss noch nicht abwegig genug, also lädt er noch drauf: «Ich wünsche Ihnen viel Glück beim ­Sonntagspoker.» Hä? Am dritten Advent Sonntagspoker? Irgendwie gewinnen mit unbewegtem Gesicht wie Buster Keaton? Und was hat das mit dem entspannten Musterschüler zu tun? Aber man soll nicht grübeln, sagte schon Gotthelf (und Züri West) so richtig.

Wenn wir schon dabei sind: lassen wir mal einige interessante Höhepunkte (so eine Reportage aus St. Denis) weg und konzentrieren uns auf ein Gebiet, wo die Kernkompetenz von ZACKBUM ungefähr so gross ist wie die der «NZZamSonntag»: die visuelle Gestaltung.

ZACKBUM will krampfhaft das Positive sehen: da gab es schon schlimmere Illustrationen. Aber eine Asiatin, die so etwas wie Spaghetti Carbonara mit krümeligem Löffel vors Gesicht hält? Und so geht’s weiter:

Ist es Angst vor Originalität, dass mal wieder der uralte Topos der fallenden Dominosteine halbseitengross ins Bild gerückt wird? Und wieso vor rotem Hintergrund? Waren die anderen Farben gerade aus? Fiel dem Illustrator nach dieser Grosstat nichts mehr ein? Darf man voraussetzen, dass alle Leser spontan alle Köpfe mit Namen und Funktion zuordnen können?

Diese Doppelseite zeigt doch, dass man es eigentlich könnte:

Aber was soll dann das hier?

Gewollt, aber nicht getraut? Dien anderen Teilnehmer am ««Vernetzungstreffen» von extremen Rechten in Prag» werden zwar nicht identifiziert, aber gezeigt. Nur der Schweizer Teilnehmer nicht. Wieder mal ein typisches Beispiel dafür, dass das Ausland gegendarstellungsfreier Raum ist, während die NZZaS beim Schweizer Teilnehmer offensichtlich Lämpen fürchtet, sollte sie ihn kenntlich zeigen.

Dann wird’s wieder ganz, ganz schlimm:

Das sieht so aus, als hätte ein Stümper mit einer uralten Version von CorelDraw gebastelt, wäre unzufrieden mit dem ersten Resultat gewesen und hätte dann noch ein paar pinke, orange und fehlfarbene Akzente gesetzt. Und wieso ausgerechnet der blasse Bundesrat Cassis ein koloriertes Hemd bekam, Rätsel über Rätsel.

Dann ein Beitrag zu «ist das Foto auch riesengross, ist auf ihm nix los»:

Das hätte auch als Briefmarke noch die Aufmerksamkeit auf die rot lackierten Fingernägel gelenkt, was immer der Fotograf uns damit sagen wollte.

Wenn wir schon bei «Amateure toben sich aus» sind:

Ein solcher Schrott lässt sich nur mit äusserstem Zeitdruck, grober Magenverstimmung oder einem «leckt mich doch alle»-Gefühl erklären.

Auch dieses aufgeblasene Symbolbild macht den Leser nicht wirklich froh:

Genau, es ist ein kleines Bilderrätsel für den aufgeweckten Leser, der messerscharf schliesst, dass das, was hier wie Blutorangensaft aussieht, in Wirklichkeit Tomatensaft sein soll und der Artikel dem uralten Phänomen nachgeht, dass Getränke und Speisen in verschiedenen Umgebungen verschieden schmecken.

Diese Gestaltung ist fast verbrecherisch. Denn sie ist so hässlich, dass sie womöglich Leser davon abhält, den wirklich vergnüglichen Essay von Anna Kardos zu lesen. Was schade wäre:

Und als Absackerchen noch unsere Lieblingslektüre:

Der Typotitel mit etwas Gaga untendran, plus dem herbeigeprügelten Leitmotiv «Geschenkideen für jede seelische Eigenart». Man beachte das s am Ende von «Was» und das s bei «soll». Komisch, nicht?

Genau wie das Editorial (haben Paula Scheidt und Beat Balzli beim gleichen Meister gelernt?) über «U-Boot-Christen» und dass die Autorin im Zirkus bei der «artistischen Wippe» genau die «innere Ruhe» kriege, «die andere in der Kirche finden». Hä?

Aber wie versprochen gleich noch zwei Absackerchen aus dem bunten Geschenkebasar. Ach was, drei:

Mal raten, was der Wasserbehälter in der Mitte kostet? Nö, ist einfach Glas und uraltes Design. Nö, der angegebene Preis stimmt auch nicht. Denn das Magazin behauptet «etwa 2730 Franken». Falsch, es sind 2395 €, und sollte der nicht einen gewaltigen Sprung nach oben gemacht haben …

Ein Bikini als Feuerzeughalter? Echt? Aber immerhin, wer so geschmacklos sein wollte, sich das zuzulegen (oder gar zu verschenken):

Dumm gelaufen.

Gleich zwei Damen, Sonja Siegenthaler & Malena Ruder, braucht es, um diese Grässlichkeit hervorzubefördern:

Flos hat wirklich ikonische Lampen, echte Hingucker, allerdings zu Preisen, die sich nur gutverdienende NZZ-Redaktoren leisten können. Aber wieso sollte man für diesen Designunfall in Gross 2’200 € oder in Klein immer noch 1’200 Euro ausgeben?

Gut, wenn man das Teil der Schwiegermutter oder sonst jemandem, den man wirklich nicht mag, schenken möchte. Aber da tut’s doch auch eine geschmackvolle Vase in Rokoko-Imitat.

 

Künstliche oder keine Intelligenz?

Vor dieser Frage steht man bei der Sonntagslektüre.

ZACKBUM konnte der Versuchung nicht widerstehen. Denn wir wussten bei diesem Titel, dass sich Gieri Cavelty des Themas annehmen würde:

Sie warnen erstaunlicherweise nicht vor einem Editorial von Cavelty. Denn es ist ein wenig wie bei Loser und Künstliche Intelligenz: schwieriges, sehr schwieriges, eher einseitiges Verhältnis.

Zunächst erläutert Cavelty langfädig, was die neuste Entwicklung der Firma OpenAI (AI für Artificial Intelligence) denn so könne. Es ist schlichtweg ein Chatbot, der den Beweis antreten will, dass er den Turing-Test besteht. Was das ist, weiss Cavelty natürlich nicht, aber das macht ja nichts.

Das interessiert ihn auch nicht sonderlich, denn er hat eine andere Frage: «Wie wichtig ist KI fürs Militär?» Nun halte sich der Leser fest, schnaufe vor Überraschung tief durch und nehme überrascht zur Kenntnis: sehr wichtig.

Geben Sie zu, hätten Sie nie gedacht. Sehen Sie, deshalb erklärt es Ihnen Cavelty auch ganz langsam, so langsam halt, dass er seinen eigenen Gedanken noch knapp folgen kann. Das wäre es dann «mit der Unschuld unseres Sprachassistenten», warnt Cavelty. Nur: wen muss er davor warnen? Vielleicht sein eigenes Verlagshaus, das Software verwendet, die ideal zum Ausspionieren geeignet ist? Den Leser? Der hat KI noch nie für unschuldig gehalten.

Nun kommt noch der Stehsatz von Cavelty: «Die Politik wäre gefordert, Regeln und Standards zu formulieren, um jeglichen Missbrauch künstlicher Intelligenz zu verhindern.» Da muss man allerdings der Intelligenzbestie Cavelty entgegenhalten: Das geht gar nicht, Dummerchen. Das geht nirgends. Oder wie sollten Algorithmen verboten werden, die die USA verwenden, um angebliche Terroristen aufzuspüren und zu ermorden? Soll die Steuertechnik der dafür eingesetzten Drohnen verboten werden? Absurd.

Zweiter Bestandteil von Caveltys Stehsatz: «Die Schweiz spielt in dieser Debatte eine zwielichtige Rolle.» Natürlich, die spielt sie für ihn doch immer und überall. Denn einerseits sei der Bundesrat für ein Verbot von Killerrobotern, andererseits seien Schweizer Hochschulen «zugleich aber an der Entwicklung von KI-Systemen beteiligt, die für militärische Zwecke eingesetzt werden können». Wie fast alle Forschungen auf der Welt, die zudem überall stattfinden.

Was sollte die Schweiz also tun? Man braucht nicht die Hilfe von KI, um Caveltys Antwort vorherzusagen: «ein Zeichen setzen».

Es wäre eine friedliche Anwendung und zudem segensreich: lasst doch bitte, bitte in Zukunft GBT-3 die Editorials von Cavelty redigieren. Nein, bevor da dem Chatbot die Sicherungen durchbrennen und er anfängt, Bytes zu spucken: lasst ihn die Editorials schreiben. Der Leser würde es auf Knien danken.

By the way, ZACKBUM schaffte es noch knapp bis zum Titel «Neutral ist nicht neutral». Schon diese Aussage zeugt weder von künstlicher noch von echter Intelligenz. Es wird aber noch schlimmer:

«Wer der Ukraine militärisch nicht zu Hilfe eilt, obwohl er es könnte, der eilt Putin zu Hilfe: Wer die Ukraine schwächt, stärkt Russland

Hier erhebt sich Frage, ob wir ein gescheitertes Experiment erleben, nicht vorhandene Intelligenz durch künstliche zu ersetzen. Denn es ist – im Gegensatz zum Titel – ein verständlicher Satz. Ein ungeheuerlicher Satz. «Obwohl er es könnte» beinhaltet, dass dem widersprechende Gesetze bezüglich Kriegsmateriallieferungen und Grundsätze der Schweizer Neutralität einfach in den Kübel getreten werden sollen.

Keine Lieferung von Kriegsmaterial an Kriegsparteien? Pfeif drauf, meint Frank A. Meyer. Kein Re-Export via Drittländer, um diesen Taschenspielertrick zu unterbinden? Scheiss drauf, meint Frank A. Neutralität verbietet die Parteinahme mit Kriegsparteien, über die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte hinaus? Kotz drauf, meint Meyer.

Deutschland ist drauf und dran, seine fast gleichlautenden Gesetze in die Tonne zu treten. und ritzt damit, nein beschädigt damit sein wertvollstes Gut: den Rechtsstaat. Soll das die Schweiz wirklich nachahmen? Auch hier könnte KI segensreich wirken. Aber nur, wenn man sie ungestört machen lässt.

ZACKBUM will sich aus diesem Meer an Dummheit herausstrampeln und greift zur NZZamSonntag wie zum Strohhalm, der nicht mehr aus Plastic sein darf, wie die NZZ unnachahmlich schreibt (merke: eine Plastik ist ein Kunstwerk).

Aber:

Fangen wir oben links an. Die Schauspielerin Birgit Minichmayr wird von Anna Kardos hemmungslos angeschwärmt. Urs Gehringer von der WeWo verkörpert die männliche Ausgabe des Journalisten-Groupie, wenn er Herr und Frau Trump anschwärmt. Die NZZaS hat eine ganze Riege aufzubieten; Rafaela Roth schwärmt hemmungslos eine von Niederlagen gedeckelte Anwältin an («eine der geschicktesten Medienanwältinnen des Landes»), Kardos wiederholt das nun bei einer –mit Verlaub – nicht gerade zur ersten Garde gehörenden Schauspielerin. Um ihr Bedeutung zu verleihen, zählt Kardos unter anderem ihr Mitwirken an «Michael Hanekes Jahrhundertwerk «Das weisse Band»» auf. Jahrhundertwerk? Hand hoch, wer noch nie von dieser auf Schwarzweiss umgemechten und digital schwer nachbereiteten düsteren Landsage gehört hat. Hand hoch, wer sich an die (Neben)rolle von Minichmayr erinnert.

Daneben: «Die Haute Cuisine muss sich neu erfinden», auch so ein Stehsatz, der immer hervorgekommen wird, wenn mal wieder ein berühmtes Sternelokal schliesst. Das war beim «El Bulli» in Spanien so, nun ist das «Noma» in Kopenhagen Anlass zum Recycling. Wobei man bei beiden Restaurants sagen muss, dass für die meisten Gernesser weder Molekular- noch Naturholzküche besonders attraktiv erscheint.

Wenn wir schon bei Stehsatz sind: «Platznot im Schweinestall: Tierschutz klagt die Bauern an», da fällt einem beim Gähnen der Unterkiefer auf die Tischplatte. Und schliesslich, man kriegt ihn kaum wieder hoch, halluzinogene Pilze. Der Einzige, der dieses Thema unglaublich gut abhandeln konnte, war William S. BurroughsJunkie», «Auf der Suche nach Yage», «Nacked Lunch»), aber der ist schon ziemlich lange ziemlich tot.

Seither ist auch nicht viel passiert. Studien sagen dies und das, eher das. Ernsthafte Wissenschafter finden halluzinogene Pilze super, andere weniger. Und ein Hinweis auf LSD-Guru Timothy Leary darf nie fehlen, obwohl das eine künstlich hergestellte Droge ist. Mal wieder etwas Burroughs in die Debatte werfen, das gäbe vielleicht einen Kick. Dafür bräuchte es allerdings einen gewissen Bildungshintergrund … Aber eine KI würde das grossartig hinkriegen.

Ach, ebenfalls auf die Front hat es noch die Meinung von Wirtschaftredaktor Markus Städeli geschafft, der erklärt: «KI rebkombiniert Bestehendes. Nur Menschen sind in der Lage, etwas gänzlich Neues zu entwerfen.» Lustiger Ansatz, den er lustig vertieft: «Was Sie den KI-Schwurblern in Davos antworten können.» Wirklich spassig, nicht unlustig durchgeschrieben. Hätte eine KI vielleicht noch etwas schmissiger hingekriegt, aber wir wollen nicht meckern. Nur: bei allem Geschwurbel in Davos sollte die Grundthese schon stimmen. Der schöpferische Mensch im Gegensatz zur mechanisch-repetitiven KI? Sie könne nur rekombinieren, der Mensch alleine entwerfe «Neues»?

Da begibt sich Städeli auf ganz dünnes Eis, und er weiss es. Denn natürlich vermeidet er es, «Neues zu entwerfen» auch nur ansatzweise zu definieren. Dafür käme er wohl um den Begriff Kreativität nicht herum und wäre schnell in der Bredouille, dass Kreativität keinesfalls im luftleeren Raum nur bislang Ungehörtes, Ungesehenes, Ungedachtes, eben genuin «Neues» erschafft. Also ist das auf keinen Fall ein Unterscheidungsmerkmal, aber entspricht einer Vorstellung, die nun nicht gerade auf der Höhe der aktuellen KI ist. Das muss übrigens nicht nur Sprache betreffen; hier wurde von einer KI gefordert, sie solle ein farbiges Selbstporträt eines Roboters malen.

Nicht schlecht, oder:

Wollen wir nach diesem schöpferischen Kunstwerk wirklich noch weiter in der NZZaS wühlen? Eben. Wollen wir überhaupt einen Blick in die «SonntagsZeitung» werfen? Eben.