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Kriegssirene «Blick»

Es gibt Themen, mit denen spielt man nicht.

Will man Alarmismus verbreiten, ohne dafür haftbar gemacht zu werden, dann probiert man’s mit dem Fragetitel:

«Putin steht vor einem Angriff auf die Nato», das wäre eine behaftbare Aussage; sollte sie nicht eintreffen, hätte sich der «Blick» blamiert. Aber so kann er die Alarmsirene erschallen lassen, war ja nur mal so eine Frage.

Allerdings braucht’s auch in den Niederungen des Nicht-Boulevards einen Vorwand, um so einen Titel durch das Regenrohr im Logo rauschen zu lassen. Darum muss sich «Redaktor Politik» Daniel Ballmer kümmern. Der kratzt mühsam zusammen, was sich als gebrechliche Stütze für den Titel eignen könne.

Der Einstieg ist nicht schlecht: «Boris Pistorius (63) lässt sämtliche Alarmglocken schrillen. Der deutsche Verteidigungsminister warnt vor einer Ausweitung des Ukraine-Kriegs.» Tut er das? Ach was, der «Blick» bezieht sich – auf sich selbst, bzw. auf ein durchgestochenes Strategiepapier aus dem Verteidigungsministerium, wo Sandkastengeneräle alle möglichen Varianten durchspielen, inklusive eines Angriffs aus dem All. Das Papier setzt inzwischen schon Staub an. Dann noch der schwedische Verteidigungsminister und der auch schon vom «Blick» breitgeschlagene «Nuklearforscher» Fabian Hoffmann, der an der Uni Oslo unter einem Aufmerksamkeitsdefizit leidet.

Anschliessend legt sich Ballmer mit quietschenden Reifen in die Kurve: «Ist das alles nur Alarmismus, um die erlahmende Unterstützung für die Ukraine wieder neu anzukurbeln?» Es folgen Zitate von weiteren «Experten», die kurze Antwort: ja, ist Alarmismus.

Aber damit ist der Slalom noch nicht zu Ende gewedelt. Denn liesse er seinen Artikel so ausklingen, hätte er sogar einem Fragetitel eins in die Fresse gehauen. Also letzte Wendung: «Entwarnung wollen die Experten denn auch nicht geben. Die Bedrohung durch Russland bleibt real.»

Oder anders formuliert: Steht Putin vor einem Angriff auf die Nato? Kann man so oder so sehen. Eher nicht. Vielleicht schon. Im Prinzip nein. Aber möglicherweise doch. Einerseits, andererseits. Weiss man’s?

Oder realistisch gesehen; fragt die Oberchefredaktorin: was haben wir heute zu Putin? Sagt der Redaktor: eigentlich nichts. Sagt die Chief of Content: so geht das nicht, ist mir zu sparsam. Sagt der Redaktor: okay, bevor meine Stelle eingespart wird, mach ich was.

 

Rafi rhabarbert

Wenn ein Mikrophonständer Pfeifgeräusche macht.

Wer vielleicht meint, der Titel seines Machwerks sei unverständlich, der hat noch nicht versucht, sich durch dieses Gestrüpp von wirren Gedankensplittern zu kämpfen.

Dem nachgerutschten Chefredaktor des «SonntagsBlick» sei eine Mailadresse ans Herz gelegt: gazawestbank@eda.admin. Dort könnte er sich erkundigen, wieso die staatliche Organisation Deza dort ein Büro unterhält – und Schweizer Steuerfranken ausgibt. Auch das HEKS will dort eine «starke Zivilgesellschaft für Frieden und Gerechtigkeit» unterstützen. Allesamt und insgesamt mit Millionen.

Mit grosser Kelle richtet auch Deutschland an: 350 Millionen Euro Zahlungen an Palästinensergebiete sind für 2024 vorgesehen. Bis in die SP, die Grünen oder die Grünliberalen hinein – politische Bewegungen, denen der SoBli nicht ablehnend gegenübersteht – gibt es Solidaritätsbesoffene mit der palästinensischen Sache.

Denn selbstverständlich beinhaltet das israelische Vorgehen innerhalb Israels und in den völkerrechtswidrig besetzten und besiedelten Gebieten Verbrechen. Oder wie das Reza Rafi formuliert: «Man soll die Sünden der israelischen Regierung, deren Siedlungspolitik, das Sägen am Rechtsstaat und anderes nicht verschweigen.»

Das ist aber auch schon der einzig zurechnungsfähige Satz in seinem Elaborat. Nach dem verabscheuungswürdigen Angriff der islamistischen Hamas auf Israel wäre vielleicht von einem Chefredaktor Einordnung, Analyse, Erklärung verlangt. Aber doch nicht der Mikrophonständer. Der übersieht den Balken im linken Auge und missbraucht die Gelegenheit, ein Narrativ zu schärfen, an dem auch Amoks in der NZZ basteln:

«Die palästinensischen Fundamentalisten unterhalten nicht nur beste Beziehungen zu Teheran, sondern auch zu Moskau.» So wie Israel nicht nur beste Beziehungen zu den USA, sondern zum gesamten Westen unterhält, der es bei reinen Lippenbekenntnissen belässt, wenn Israel beispielsweise mit seiner illegalen Siedlungspolitik fortfährt.

Aber Rafi sieht einäugig die ganz grossen Zusammenhänge: «Russlands Kriegstreiber Putin versteht es bestens, auf dieser Welle zu reiten und die Staaten von Brasilien bis Indien, von China bis Iran zu einer vermeintlich stabilen Achse zu formen, zu einem Parvenu der Weltpolitik, einer antiamerikanischen Internationale.»

Nun ist es bekannt, dass es im Westen natürlich immer jede Menge nützliche Idioten gibt: «Unterstützt wird diese Bewegung im Westen von einer Phalanx aus Pazifismus-Parlierern und Klappentextphilosophen, zusammengesetzt aus rechtsnationalen und linksideologischen Publizisten im moralischen Niemandsland

Dazu gehören sicherlich auch diese Manifestanten in Zürich, über die vor zwei Jahren das Investigativteam Fabian Eberhard recht neutral berichtete: «Zürich, Bern, Basel: Mehrere Schweizer Städte erlebten am Samstag Solidaritätskundgebungen für Palästina. In Zürich zogen gegen tausend Menschen durch die Innenstadt, darunter viele Jugendliche.»

Wer den ganz grossen Hammer schwingt und gegen «Pazifismus-Parlierer» poltert und behauptet, dieser «Parvenu der Weltpolitik» werde von Publizisten im «moralischen Niemandsland» unterstützt, wäre gut beraten, dafür vielleicht ein, zwei Beispiele anzuführen. Gehört da schon jemand dazu, der jegliche Gewaltanwendung im Nahen Osten verurteilt? Ist jemand ein Unterstützer Putins, wenn er auf der Einhaltung von UN-Resolutionen beharrt? Oder ein Befürworter dieser «Achse», wer das Existenzrecht eines palästinensischen Staats einfordert?

Aber für Rafi, wie für jeden undifferenzierten Haudrauf, der nicht Gedanken ausdrücken will, sondern Gefühle massieren, geht es schnell und bei jeder Gelegenheit immer um alles. Um das Ganze, wie das Constantin Seibt so unübertroffen einfältig formuliert. Dem stimmt Rafi als Mikrophonständer, als Meinungsbüttel vollkommen zu: «Es gibt nur eine Wahl: jene zwischen der freien Welt und der unfreien

Das ist ungefähr so beknackt wie die Behauptung: Es gibt nur eine Wahl: jene zwischen Tag und Nacht. Zwischen Griessbrei oder Birchermüesli. Zwischen Pest und Cholera. Zwischen Mann und Frau.

 

Spielen mit nuklearem Feuer

Was ist gefährlicher als ein sowjetisches AKW?

Noch gefährlicher ist ein von russischen Truppen angegriffenes AKW. Die Ukraine war der Schauplatz der grössten Reaktorkatastrophe Europas. 1986 explodierte der Reaktor in Block vier von Tschernobyl und eine radioaktive Wolke breitete sich aus.

In der Nacht zum 4. März zeigen Videoaufnahmen den Beschuss des AKW Saporischschja in der Ukraine. Er soll durch russische Truppen erfolgt sein, die Bilder zeigen, wie auf dem Gelände ein Feuer ausbricht.

Schon damals wurde die «Havarie» zuerst heruntergespielt, dann scheibchenweise eingestanden. Auch heute heisst es beruhigend, dass keinerlei erhöhte Radioaktivität gemessen worden sei.

Wenn es aber tatsächlich so ist, dass russische Truppen um und auf dem Gelände eines AKW herumballern, dann ist das ein direkter Angriff auf unschuldige Menschen. Diesmal nicht nur in der Ukraine, sondern in ganz Europa. Denn falls es zu einem radioaktiven Fall-out kommen sollte, hängt es lediglich von der Windrichtung ab, ob es die Ukraine, Russland, andere Anrainerstaaten oder andere Teile von Europa erwischt.

Auch in Friedenszeiten tragen AKW, die mit sowjetischer Technologie gebaut wurden, nicht gerade zum ruhigen Schlaf bei. In Saporischschja haben sich seit Inbetriebnahme im Jahre 1984 diverse Zwischenfälle ereignet. Inklusive Tschernobyl gibt es fünf AKW in der Ukraine. Die Energieversorgung des Landes hängt weitgehend davon ab. Daher sind diese Stromproduzenten ein strategisches Ziel ersten Ranges für jede Invasion.

Immer vorausgesetzt, die Medienberichte treffen zu, ist es Ausdruck höchster Verantwortungslosigkeit, sich bei solch sensiblen Bauwerken nicht auf eine Verhandlungslösung zu konzentrieren, sondern sie offenbar mit Gewalt in Besitz zu nehmen.

Den Beobachtern im Westen, in der Schweiz, bleibt da nur ohnmächtiges Zuschauen.