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Nach dem Portrait kam das Kontrollamt

Laut der NZZ verpfiff ein Fotograf des Zürcher Oberländers eine Pferdehalterin.

Eine besondere Art von Kollegenbashing betrieb die NZZ vor einigen Tagen. Der Artikel des freien Mitarbeiters Andreas Leisi hatte es in sich. Er beschrieb, wie eine «stolze Besitzerin von vier Islandpferden ihre Tiere auf ihrem grossen Anwesen in Wermatswil hält». Für eine Sommerserie zum Thema «Oasen» habe die 52-Jährige Anfang August einem Journalisten und einem Fotografen der Regionalzeitung «Zürcher Oberländer» (ZO) die Türen geöffnet. «Die Zusammenarbeit mit der Zeitung war gut, und der Artikel zwei Tage später hat mir gefallen», äusserte sich die Portraitierte rückblickend in der «NZZ». Was die Pferdehalterin jedoch nicht bemerkte: Gemäss dem NZZ-Bericht «schlich sich der Fotograf während des Besuchs in den Stall und vermeldete einer Bekannten später, dass dort das Tierschutzgesetz verletzt werde». Ende August erhielt die Wermatswilerin dann unangekündigt Besuch von zwei Vertretern des Veterinäramts, so Andreas Leisi. «Wenig später wurden mir Massnahmen angedroht», äusserte sich die Tierhalterin gegenüber der NZZ.

«Wütend auf die Zeitung»

Soweit, so schlecht. Doch Andreas Leisi prangerte den «Zürcher Oberländer» zusätzlich an. Er schrieb, die Pferdestallbesitzerin sei «wütend auf die Zeitung: Der Fotograf hat meine Gastfreundschaft auf üble Art missbraucht». Leisi erwähnt, wie es sich journalistisch gehört: «Die Regionalzeitung bestätigt in einer Mail den Sachverhalt».

Lässt nun niemand mehr den Zürcher Oberländer herein?

Es ist wohl der Horror jedes Interviewten. Die Redaktion fährt ein mit einem versierten Journalisten und mit einem preisgekrönten Fotografen. Alles bestens. Doch später folgt der Hammer, in diesem Fall der Staat mit einer Art Hausdurchsuchung und Bussenandrohung. Doch wie lief das Ganze aus Sicht des ZO ab? Wie beurteilt Christian Brändli, Chefredaktor des Zürcher Oberländers, den Fall? Besteht nicht eine Art Schweigepflicht im Journalismus, das Redaktionsgeheimnis? Streng genommen findet man doch bei jeder Homestory irgendwas, was man gegen den/ die Porträtierte verwenden könnte. Christian Brändli: «Dem Fotografen wurde im Nachgang klar gemacht, dass ein solches Vorgehen nicht akzeptabel sei.

Er hätte mit dem Reporter Rücksprache nehmen und ihn über seine Wahrnehmungen informieren sollen. Dann wäre es am natürlichsten gewesen, wenn die Dame auf die Verfehlungen aufmerksam gemacht worden wäre».

Weitergehende Sanktionen gegen den Fotografen seien aber nicht hat ergriffen worden. Er arbeitet also weiterhin im Auftragsverhältnis für den ZOL, daneben auch für Keystone/SDA und die Blickgruppe. «Wusste denn der Journalist, dass sich der Fotograf davonschlich, wie es in der NZZ heisst?» Brändli stellt klar: «Der Fotograf hat selbst keine Bilder vom Innern des Stalles geschossen und diesen auch nicht betreten. Der Stall ist vom öffentlichem Grund her einsehbar.» Damit scheint es, wie wenn im NZZ-Artikel ein wenig dramatisiert worden wäre.

Leisi bleibt bei seinen Aussagen – und widerspricht Christian Brändli

Zudem schreibt Leisi «die Regionalzeitung bestätigt in einer Mail den Sachverhalt». Doch was wie eine offizielle Anfrage beim Zürcher Oberländer wirkt, war keine. Leisi hat einfach aus dem Entschuldigungsmail der Zeitung an die Pferdehalterin zitiert. Er hat also die Richtlinie 3.8 des Presserats verletzt, die Anhörung bei schweren Vorwürfen. Darauf angesprochen, wehrt sich Leisi. «Ich bleibe dabei. Christian Brändlis Aussage stimmt nicht. Ich war den Hof anschauen, wie es sich für eine Recherche gehört. Den Stall kann man definitiv nicht einsehen vom öffentlichen Grund».

Und: Weil das Denunziantentum lediglich ein Nebenschauplatz der NZZ-Geschichte war,  verzichtete Leisi bewusst auf eine Nachfrage beim ZOL. «Journalistisch ist die Sache aber unglaublich und würde Stoff bieten, für eine zweite Geschichte», so Andreas Leisi.

Der Chefredaktor des ZO meint abschliessend: «Ein solches Vorgehen des Fotografen – also die Information einer dritten Person über derartige Feststellungen – ist nicht akzeptabel, da so unsere Glaubwürdigkeit im Umgang mit Ansprechpartnern Schaden nehmen kann. Ich bedaure diesen Vorfall sehr.»

Der Autor des Portraits über die Pferdenärrin im «Zürcher Oberländer» arbeitet übrigens nicht mehr beim ZO. Er hat unabhängig vom beschriebenen Fall gekündigt.

Weil die NZZ das Mail von ZACKBUM.ch an Andreas Leisi nicht wie versprochen sofort an ihn weiterleitete, konnte Leisi erst in der aktuellen Textversion Stellung nehmen zu den Vorwürfen.