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Weltfremde Provinzmedien

 Wie man in der Schweiz auf andere Sichtweisen reagiert.

Von Felix Abt

Meinen Artikel mit einem anschaulichen, aktuellen Beispiel über den Umgang mit «kultureller Aneignung» in Asien — in der Schweiz ein heisses, hier in Asien ein eher lauwarmes Thema — habe ich zeitgleich an die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), die Handelszeitung und die Weltwoche geschickt.

Wie es sich für eine vornehme Dame mit guten Manieren gehört, antwortete die alte Tante von der Falkenstrasse höflich und innerhalb von 48 Stunden: «Wir haben in den letzten Wochen schon sehr viele Beiträge rund um das Thema der kulturellen Aneignung veröffentlicht und weitere Artikel sind in Planung, sodass wir nichts Zusätzliches mehr entgegennehmen können.»  Natürlich kann ich verstehen, dass neue, etwas aus der Reihe tanzende Aspekte von der NZZ nicht mehr berücksichtigt werden können. «Don’t rock the boat!», ist wohl das Motto der Zeitung, die nur wenige Gehminuten vom sanften Wellengang, Ruhe und Erholung bietenden Zürichsees entfernt liegt.

Die Handelszeitung hat es sich wesentlich leichter gemacht, indem sie überhaupt nicht reagiert hat. Ich habe fälschlicherweise angenommen, dass das Thema für eine Zeitung, die «Handel» im Namen trägt, mit Lesern, die Handel in Asien treiben, von Interesse sein könnte. Diese waren aber wahrscheinlich klug genug, ihr Abonnement zu kündigen und sich direkt in asiatischen Medien zu informieren.

Im März dieses Jahres wurde ich von der «Weltwoche» kontaktiert: «Gerade habe ich Ihren hochinteressanten Artikel über die Uiguren im ‘CovertAction Magazine’ gelesen. Wäre es möglich, eine deutsche, allenfalls leicht gekürzte Version davon in der ‘Weltwoche’ zu veröffentlichen? Wir sind immer bemüht, unseren Leserinnen und Lesern neue Sichtweisen auf bekannte Themen zu präsentieren. Ihr Artikel erfüllt dieses Kriterium ideal.» Sehr gerne, war meine Antwort und in der ersten Aprilwoche wurde der Artikel von beiden Seiten mit «Gut zum Druck» abgezeichnet. Warum der Artikel aus mir unbekannten Gründen nicht veröffentlicht wurde, bleibt das Geheimnis der Weltwoche.

Daher war ich nicht ganz überrascht, dass ich keinerlei Reaktion auf meinen neuen Artikel erhielt. Wahrscheinlich ist die vielgepriesene Meinungsvielfalt in dieser Zeitschrift so wahr wie die «Welt» im Titel, aber als Verkaufsargument für Roger Köppel erfüllt sie dennoch ihren Zweck.

Als in Asien lebender Schweizer mit einer «anderen Sichtweise» (ein weiterer Begriff, den Köppel gerne verwendet), die durch meine verschiedenen Aufenthalte und beruflichen Tätigkeiten geprägt ist, kann ich vielleicht einige ungewöhnliche Denkanstösse geben. Zum Beispiel, dass ich als einer der wenigen Schweizer, vielleicht sogar als einziger, ausgerechnet in Nordkorea ein Schwingerfest besucht habe. Wäre das nicht eine interessante Geschichte für die Weltwoche: Wie beliebt ist das Schwingen in Nordkorea? Haben es die Koreaner von den Schweizern abgekupfert oder gar umgekehrt? Bekommt der Sieger auch einen Muni geschenkt, einen abgemagerten Lebendpreis? Aber wenn sich die Weltwoche zu diesem Thema an mich wenden würde, könnte meine Antwort nur so lauten: Einer echten Weltwoche würde ich gerne zu einem spannenden Artikel verhelfen, aber einer Provinzwoche, die Sie eigentlich sind, kann ich nur empfehlen, sich weiterhin ausschliesslich mit Schweizer Schwingfesten zu beschäftigen.

Der von den vereinten Schweizer Mainstream-Medien abgelehnte Artikel wurde inzwischen in den USA von «Eurasia Review», in Deutschland von den alternativen Medien «Ansage» und «Apolut» und in Österreich vom alternativen «tkp Blog für Science & Politik» veröffentlicht, wo Sie ihn unzensiert lesen und sich eine eigene Meinung bilden können.