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Das Alien komme über Obrist

HR Giger ist tot. Das ist in dem Sinn gut für ihn, dass er das «Magazin» nicht mehr lesen muss.

Manchmal tun auch kürzere Texte länger weh. Die «Republik» braucht immerhin mindestens 15’000, eher 25’000 Anschläge, damit sich beim Leser das Gefühl einstellt, in ein nasses Handtuch zu beissen.

Hans Ulrich Obrist reichen schon 2662 Buchstaben, damit es einem den übrigen Tag übel ist. Dabei soll er doch einer der einflussreichsten Kuratoren im Kunstbereich sein. Aber, Hand aufs Herz, würden Sie diesem Mann dieses Buch abkaufen?

Endlich. Die Fortsetzung von «A Brief History of Curating».

Wer noch mehr will: Obrist hat auch noch «Kuratieren!» im Angebot, für Deutschsprecher. Oder wie wäre es mit «Everything you always wanted to know about curating»? Gerüchte besagen, dass Obrist an «Curating, the Beginnings», «Curator returns», «Curator, Reloaded» und an «Curator, the Making of» arbeitet. Patrick Frey plane bereits eine hochwertige und hochpreisige Gesamtausgabe.

Vielleicht hat Obrist nur sein sonst viel höheres Niveau für Tamedia niedriger gelegt.

Beim «Horror-Giger» ist Etikettenschwindel. Es ist beim «Horror-Obrist».

Schon hier stimmt mal genau nichts. Man kann HR Giger als vieles bezeichnen, aber ganz sicher nicht als den «Salvador Dalí der Schweiz». Das ist ungefähr so bescheuert, wie wenn man Greta Thunberg als «Heidi des Nordens» verkaufen möchte. Aber eigentlich geht es – ein Schuss ins eigene Knie für jeden Kurator – Obrist nicht um den genialen Künstler – sondern um sich selbst. «Wenige Monate vor seinem Tod habe ich ihn gemeinsam mit Patrick Frey besucht und ein Interview mit Giger aufgezeichnet.»

Das könnte Giger den Rest gegeben haben. Aber nun ist Obrist voll in Fahrt, Versuche, Gigers Kunst zu erklären, seine Motive, sein Ringen, sein Abgründe? I wo, da gibt es wichtigere Befindlichkeiten: «Es war mein zweiter Besuch bei ihm, nachdem der erste, dreissig Jahre zuvor, für mich ein wenig panisch verlaufen war.»

Wieso über Giger schreiben? Obrist ist doch viel beängstigender

Das ist ja spannender als der erste, unerreichte Alien-Film. Als damals der Taxifahrer dann noch sagte, dass man sich nun der Gegend nähere, wo «der Horror-Giger» wohne, da gesteht der Bauchnabelbetrachter Obrist, «dass ich plötzlich Angst bekam». Leider hatte die Giger nicht vor ihm und öffnete seine Türe.

Nun ist es Zeit für Obrist, Weltläufigkeit sprühen zu lassen: «In Tokio ist Giger eine Bar gewidmet.» Nicht nur das:

«In Geschäften und Arztpraxen begegnen einem Gigers Werke als Poster in schöner Regelmässigkeit.»

Ist ja aber auch. Da muss man schon das Auge des wichtigen Kunstvermittlers haben, um das zu beobachten. Dass es in Chur eine von Giger eingerichtete Bar gibt, in Gruyière nicht nur Käse, sondern auch ein Giger-Museum, das wäre sicherlich zu banal, um es zu erwähnen.

Dafür aber das schweineteure Buch «Alien Tagebücher», das aufgebrezelt in der «Edition Patrick Frey» erschienen ist. Kostet schlappe 111 Franken und bietet dafür so viel Hintergrund zum ersten Alien-Film, den man gar nicht so genau wissen möchte. Da gibt es viel bessere – und viel billigere – Einführungen in Gigers Werk und Welten.

Giger, der Künstler, seine Motive, seine vielen verschiedenen Welten?

Abgesehen davon, lieber Kunstüberflieger mit Bruchlandung, HR Giger war nun überhaupt nicht nur Alien, nicht nur Monstermaler. Er war vieles mehr, was eine ernsthafte Beschäftigung mit ihm verdient hätte. Nur schon aus Respekt. Vielleicht sollte Obrist das nächste Mal nicht einen toten Künstler missbrauchen, um über sich selbst zu schreiben.

Zudem noch mit fantasievoller Ausschmückung: «Sein Angebot, den Garten zu besichtigen, nahm ich dankbar an, doch weil er dort eine Art Geisterbahn installiert hatte, kam ich klopfenden Herzens schnell wieder zurück.» Das Züglein im Garten eine Geisterbahn? Das ist nicht künstlerische Freiheit, das ist schlicht Fake News.