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Leserverarsche, Part II

Tamedia als Leserforum.

Ob das Jessica Peppel-Schulz (oder ihr plappernder Avatar), ob das Simon Bärtschi, die publizistische Leiter nach unten, ob das Pietro Supino, der profitorientierte Oberboss, lustig finden?

Ihnen allen geht es doch um nichts anderes, als die Qualität des Angebots von Tamedia hochzuhalten und mit allen Mitteln (vor allem mit Sparmassnahmen und Rausschmissen) zu verteidigen.

Besonders wichtig ist dabei natürlich auch die Reaktion des Publikums. Denn obwohl das die vielen Rechthaber und Oberlehrer und Besserwisser in der Redaktion nicht wahrhaben wollen: eigentlich sollten sie ein Produkt herstellen, dass der Konsument ihnen deswegen abkauft, weil er darin einen Mehrwert sieht, einen Return on Investment.

Nun scheinen aber diese Tamedia-Macher der Auffassung zu sein, dass die Mehrheit ihres zahlenden Publikums aus Masochisten besteht. Also aus Menschen, die sogar etwas dafür zahlen, dass man sie quält.

Mit Leiden an sich selbst, Bauchnabelbetrachtungen, wokem Sternchenjournalismus, Mohrenkopf-Denunziationen, damit, einer übergriffigen und frechen ukrainischen Botschafterin mit zweifelhafter Vergangenheit eine Plattform zu bieten. Als Höhepunkt des Qualitätsjournalismus dann noch das:

Die Qualitäts-Bildredaktion weiss nicht mal, wie Anna Netrebko aussieht? Würde ZACKBUM dazu seine Meinung schreiben, würde die garantiert nicht publiziert.

Zum Versuch, den schönen Schein zu polieren, gehört die Behauptung, dass Tamedia die Lesermeinung überaus wichtig sei. Allerdings gibt es keinen öffentlich zugänglichen Leitfaden, nach welchen Kriterien Kommentare veröffentlicht oder abgelehnt werden.

Immer mal wieder bekommt ein Kommentarschreiber das hier als Antwort:

«Guten Tag
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Leider müssen wir Ihnen jedoch mitteilen, dass Ihr Kommentar nicht veröffentlich werden kann.
Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehört die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken. Ebenso persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer sowie Dritte oder auch ein grundsätzlicher Ton «unter der Gürtellinie». Als beleidigend gelten auch Verunstaltungen von Namen, entweder von anderen Diskussionsteilnehmern, aber auch von dritten Personen oder Einrichtungen.»

Es gibt auch diese Variante:
«Guten Tag
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Leider müssen wir Ihnen jedoch mitteilen, dass Ihr Kommentar nicht veröffentlicht werden kann.
Um anderen Lesern und Leserinnen das Verständnis Ihrer Beiträge zu erleichtern, schreiben Sie bitte Hochdeutsch und achten Sie auf eine korrekte Rechtschreibung. Vermeiden Sie dabei Ausrufezeichen und das Schreiben ganzer Wörter in GROSSBUCHSTABEN.»

Es ist natürlich löblich, dass sich Massenmedien wie Tamedia-Produkte darum bemühen, die Kommentarspalte nicht zur Kloake verkommen zu lassen. Ganz abgesehen davon, dass ein Medienorgan (im Gegensatz zu Social Media) auch für den Inhalt publizierter Kommentare verantwortlich und haftbar ist.

Welche polemischen oder beleidigenden Ausdrücke wurden hier wohl verwendet? Wie vergriff man sich im Ton? Gab es persönliche Angriffe? Formulierungen «unter der Gürtellinie»? Verunstaltung von Namen? Verstösse gegen die deutsche Rechtschreibung, gar das Verwenden von Ausrufezeichen oder wurden Wörter in GROSSBUCHSTABEN geschrieben?

Nichts von alledem. Der abgelehnte Kommentar war noch schlimmer. Er war unerträglich. Ungeheuerlich. Gemein, hinterlistig, bösartig, einen Blutrausch auslösend.

Denn ein solcher Kommentar geht nun einfach gar nicht:

Ich lese jeweils die Zusammenfassung des täglichen Tagi-Outputs auf Zackbum.”

Daraus dürfen wir schliessen, dass das Wort ZACKBUM auch in Kleinbuchstaben auf der absoluten Shitlist bei der Kommentarzensur steht. Da muss nicht mal ein schlechtbezahlter Moderator irgendwo auf der Welt eingreifen. Da läuft bereits der Zensuralgorithmus rot an, kriegt einen digitalen Schluckauf. Braucht zusätzliche Kühlung und schüttelt sich vor Abscheu.

Recht so. Denn alles andere wäre ja ein Widerspruch zu dem, was ZACKBUM seit Jahren an diesem Elendsjournalismus aus dem Hause Supino kritisiert.

Ist Musk auf sich selbst reingefallen?

Viele Medien beschäftigen sich mit Musks Attacken auf England. Kaum einer fragt, wieso er das macht.

Elon Musk hat nicht nur den deutschen Bundeskanzler ScholzNarr») beschimpft, sondern noch viel massiver Kritik an der britischen Regierung geübt, die seiner Meinung nach einen Vergewaltigungsskandal, der bereits einige Jahre zurückliegt, nicht richtig aufgearbeitet und unter den Teppich gekehrt habe. Wobei der jetzige Ministerpräsident und damalige Staatsanwalt Keir Starmer eine besonders üble Rolle gespielt habe.

Musk fordert nichts weniger als die Auflösung des Parlaments und den Rücktritt der Regierung und fragt sich öffentlich, ob man Grossbritannien nicht von ihr «befreien» solle.

Das wird natürlich lauthals kritisiert, was für eine unziemliche, unanständige Einmischung in innere Angelegenheiten, noch schlimmer als das Plauderstündchen mit der deutschen Kanzlerkandidatin Alice Weidel von der AfD.

Aber keiner fragt nach, wieso eigentlich Musk sich dermassen in dieses Thema in Grossbritannien verbissen hat. Keiner? Doch, die «Financial Times» hat nachrecherchiert.

«Wie eine Handvoll X-Accounts Elon Musk in die britische Politik hineingezogen haben», titelt die FT. Der Begriff «rabbit hole» stammt aus «Alice im Wunderland» und steht für ein Thema, von dem man sich gedanklich auf Abwege führen lässt.

Die FT hat zunächst quantitativ untersucht, wie häufig sich Musk auf seiner Plattform zu diesem Thema geäussert hat:

Daraus geht hervor, dass Musk manisch postet oder repostet. Fast 1200 Mal in lediglich sieben Tagen. Dabei stellt Musk die kühne Behauptung auf, «dass Starmer, ein ehemaliger Leiter der Staatsanwaltschaft in England und Wales, „zutiefst mitschuldig an den Massenvergewaltigungen im Austausch für Stimmen“ war», schreibt die FT. Aber woher hat Musk diese grenzwertige These?

Offensichtlich bezieht sich Musk dabei auf Accounts von bekannten rechten Verschwörungstheoretikern in England. Dazu zitiert die FT: «„Musk ist anscheinend der erste Technologieführer, der durch sein eigenes Produkt in den Kaninchenbau der Radikalisierung fällt“, sagte Bruce Daisley, ehemaliger Leiter der Twitter-Aktivitäten in Europa, dem Nahen Osten und Afrika.»

Und wie passiert ihm das? Durch Mechanismen seiner eigenen Plattform:

«X ermöglicht es Benutzern, zwischen einem Feed nur der Konten zu wechseln, denen sie folgen, und einem algorithmischen Feed namens „Für Sie“, der Inhalte anzeigt, die ihren Interessen und früheren Aktivitäten entsprechen könnten. Je mehr Musk sich mit Inhalten über Großbritannien von rechtsextremen oder Nischenquellen beschäftigt, desto mehr ähnliche Inhalte werden ihm laut Experten auf seiner „Für Sie“-Seite präsentiert.»

Wenn die FT mit ihrer These recht hat, die sie ziemlich überzeugend vorträgt, dann ist auch Musk auf ein Phänomen hereingefallen, das sich immer mehr zum Problem in sozialen Plattformen entwickelt. Sie dienen immer weniger zur Informationsgewinnung oder -vermittlung, sondern bieten ihren Nutzern einen Resonanzverstärker der eigenen Ansichten an.

Denn es ist klar: jeder liest lieber Posts, die ihn in seiner Meinung bestätigen als solche, die ihr widersprechen. Daraus ergibt sich eine Selbstverstärkung, eine Rückkoppelung. War der Nutzer am Anfang vielleicht noch leicht schwankend oder skeptisch, so bestätigt ihn jeder neue Feed darin, dass er eben völlig richtig mit seiner Ansicht liegt.

Ob und wie weit die mit der Realität zu tun hat, das ist dann ein weites Feld. Aber im Fall Musk gegen GB scheint es klar zu sein, dass der erratische Multimilliardär auf die Algorithmen seiner eigenen Plattform reingefallen ist.

Das entbehrt nicht einer gewissen Komik. Dass es allerdings nicht nur Musk so geht, sondern vielen Millionen seiner Nutzer, das ist entschieden weniger komisch.

Bitte mehr Kultur!

Also Culture. Also «Culture Audit».

Zunächst einmal: der Ausdruck «Culture Audit™» ist eine geschützte Trademark. Die gehört «Great Place To Work®». Auch ein geschützter Name. Die Bude geht bei Ringier ein und aus und hat bereits festgestellt, dass die allgemeine Rate der «Zufriedenheit» bei sagenhaften 87 Prozent liege.

Allerdings scheint die Zufriedenheit der obersten Chefetage mit den Häuptlingen im Laden nicht ganz so hoch zu sein. Wir hätten da den tragischen Abgang von Werner de Schepper nach langer Karriere. Den völlig freiwilligen Rückzug des SoBli-Chefredaktors und seinen Ersatz durch einen Mikrophonständer. Und schliesslich die abrupte Zwangspause für den Oberchefredaktor Christian Dorer.

Da sei einiges an seinem Verhalten abzuklären, raunte Ringier dunkel. Nach fast sechs Monaten scheint das Resultat festzustehen: auch Dorer wird ersetzt. Natürlich durch Frauenpower, was denn sonst. Dass er nicht mehr zurückkehren kann, das habe nicht zuletzt ein «Culture Audit™» ergeben.

Was ist das eigentlich genau? Erteilen wir «Great Place To Work®» das Wort: «Durch die Auswertung des Culture Audits™ mittels Algorithmus können Arbeitsplatzkulturen genau analysiert werden, wodurch aufgezeigt werden kann, wie sich eine Arbeitsplatzkultur von einer anderen unterscheidet.»

Aha. Ist Dorer durch einen Algorithmus enttarnt worden? Hatte er eine so schädlicher Ausstrahlung auf die «Arbeitsplatzkultur», dass er den Mitarbeitern nicht mehr zugemutet werden konnte? Man weiss nicht Genaues, und die Resultate des «Culture Audit™» will Ringier diesmal weder im Allgemeinen noch im Speziellen bekanntgeben.

Aber wir hatten da ein paar Fragen:

Könnten Sie mir in allgemein verständlichen Worten erklären, was ein «Culture Audit» ist? Wie geht so etwas von statten, wer führt das durch, welche Kriterien werden hier angelegt?
Bei einem Audit handelt es sich um eine Überprüfung. Überprüft wird, ob vorgegebene Kriterien oder Massstäbe eingehalten werden. Um welche handelt es sich hier?
Ist ein solches «Culture Audit» ausser bei Christian Dorer schon einmal im Hause Ringier durchgeführt worden? Wenn ja, bei wem? Oder falls Persönlichkeitsschutz, bei wie viel Personen?
Werden solche Audits auch bei den Mitgliedern des Group Executive Boards durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?
Gab es ein solches Audit schon mal bei Ladina Heimgartner oder Marc Walder?
Wer entscheidet, dass ein solches Audit durchgeführt wird? Was sind die Gründe dafür?
ZACKBUM wollte wirklich Aufklärung, schlauer werden, vielleicht gar bei sich selbst so ein Ding durchführen. Aber leider antwortet Ringier:
«Wir werden das Culture Audit nicht weiter kommentieren.»
Das ist ernüchternd. Bedauerlich. Damit dürfte feststehen: ZACKBUM wird nie ein «Great Place To Work». Schluchz.