Am Krankenlager des Tagi
Wie ist der Krankheitsverlauf? Gibt es Hoffnung auf Heilung?
ZACKBUM fühlt einfühlsam den Puls der verunstalteten Webseite des Tagi. Wir versuchen, uns von der Form zu lösen und auf den Inhalt zu konzentrieren.
Als Aufmacher haben wir einen Hammer, der das ganz breite Publikum interessiert:
Denn die Schweizer sind bekanntlich ein Volk von Untermietern. Äh, Mietern, aber ist das nicht das Gleiche?
Whatever, sagt Alexandra Kedves, «Redaktorin Ressort Leben». Sie hat ein breites Themenspektrum: «Comics und animierte Filme» sowie «allgemein gesellschaftspolitische Themen wie Armut, Mittelstand, Einsamkeit, Resilienz, Generationsgräben, Bildung, Flüchtlingswesen und dergleichen».
Trotz diesem grossen Feld sind ihre Arbeitseinsätze spärlich. Ihrer besonderen Aufmerksamkeit erfreut sich der US-Wahlkampf, über den sie in aller gebotenen Neutralität berichtet:
Nun hat sich bei einer Wahlkampfveranstaltung Trumps ein drittklassiger Komiker vergaloppiert. Seine geschmacklosen Witze trafen auf mässiges Amüsement des Publikums und auf scharfe Ablehnung aller Orten, selbst von Trump. Aber das kann eine Kedves nicht daran hindern, nochmal auf Tony Hinchcliffe rumzutrampeln. Allerdings ist Kedves so angewidert, dass sie dem Leser nur Bruchstücke überliefern kann:
««Ich begrüsse Einwanderer mit offenen Armen, und mit ‹offenen Armen› meine ich» – Hinchcliffe hob die Arme, wedelte heftig ablehnend mit den Händen und murmelte: «Geht zurück!» Zotig fuhr er fort: «Diese Latinos machen ja auch so gern Kinder. Die ziehen nicht raus. They come inside just like they did to our country.» (Bitte selbst übersetzen.)»
Der Tagi lässt seine Leser gerne vieles selber machen, wozu ist Qualitätsjournalismus sonst da, wenn es nicht gratis ein Do-it-yourself-Englischprogramm gibt. So mäandert sich Kedves lähmend lang durch das Thema, um dann in die Schlusspointe einzubiegen: «Auf seinem Kantengang zwischen moderat republikanisch und extrem rechtspopulistisch neigt sich Donald Trump oft der brutaleren Seite zu. Seine eingefleischten Fans gehen mit.»
Eigentlich hätte Kedves sich (und dem Leser) diese Suada ersparen können. Ein Satz hätte gereicht: Trump sucks. (Bitte selbst übersetzen). Oder wie die Demokraten dagegen niveauvoll Zeichen setzen: Trump sei ein Faschist, behauptet Kamala Harris aus heiterem Himmel und angesichts schwindender Wahlsiegaussichten.
Ach, und inzwischen hat offensichtlich die Woke-Fraktion im Tagi gegen den Rempler auf Rot-Grün protestiert; neue, noch mehr faszinierende Startstory:
Das ist mal ein Knaller, aber hallo.
Aber wieso nur im Lokalen verweilen, weltweit gibt es doch so viele interessante Storys:
Eine Nepalesin hat alle Achttausender bestiegen und hält Eingedenken, wie hätte der Tagi-Leser durch den Tag gehen können, ohne das zu wissen.
Aber es gibt noch mehr welterschütternde Ereignisse, die sogar eine eigene Rubrik verdienen:
Tagis Beitrag zum US-Kulturimperialismus.
Die Zeitumstellung war in der Nacht von Samstag auf Sonntag, aber der Tagi ist immer noch nicht aufgewacht:
Zurück in die grosse, weite Welt. Da gibt es Erstaunliches aus China und Getickertes von der Ukrainefront zu vermelden:
Wozu hält sich Tamedia eigentlich noch eine Auslandredaktion? Damit Christof Münger gelegentlich die Welt mit wirren Kommentaren erschrecken darf? Ukraine ist Schnipsel-Ticker, der reichste Chinese ist DPA, der Bericht über das Verbot der UNRWA in Israel ist auch DPA, und der vierte Beitrag unter «International» ist ein als Artikel verkleidetes Inserat für das Weinschiff in Zürich (!); nein bereits ausgewechselt mit dem hier:
Würde eigentlich in die Rubrik «Wirtschaft» passen. Da gibt es allerdings ein Problem: sie existiert nicht. Einfach weg. Stört, überflüssig, gespült.
Dafür gibt es das hier gleich zweimal:
Und weil’s so schön ist und man zum Thema ja nicht genug sagen kann, hätten wir noch den hier:
Man beachte den grossen Unterschied: «US-Wahl» und «US-Wahlen». Ist ja nicht das Gleiche. Wenn das die neue Digitalstrategie ist, dann gute Nacht. Oder sagten wir das schon?
So ab unteres Drittel wird die Webseite dann zum Gerümpelturnier der übelsten Sorte. Zuerst gibt’s was auf die Ohren:
Dann kommt der Teil Nutzwert, Nutzwert, Nutzwert:
Sozusagen ewige Werte werden hier verkündet; der Aufmacher-Artikel ist vom 23. Oktober. Aber dafür hat inzwischen die Auftaktstory oben schon wieder gewechselt; endlich ein Thema, das die breite Leserschaft interessiert:
Zurück in die Niederungen ganz unten. Der «Crime-Podcast», Videos (nochmals reingewürgt: «Elif – Das waren die Highlights unserer Kochserie», dabei war doch das einzige Highlight ihr Ende). Und wem die Highlights nicht genügen, bitte sehr:
Aber aufgepasst, wer meint, mit dem Rätsel sei dann Ende Gelände, irrt. Es folgt noch das «Magazin» und «US-Wahl» Part II, reloaded oder was auch immer.
Was soll man dazu sagen? Statt vieler Worte verleiht ZACKBUM das erste Mal Punkte nach der Bärtschi-Peinlichkeitsskala an ein Gefäss. Schliesslich muss das die publizistische Leiter nach unten verantworten. Dafür steigert er sich selbst von einer stabilen 10 auf eine noch stabilere 15. Und der Online-Auf- und Abtritt des Tagi kriegt eine 20.
Nein, eine 19. Denn alle Abo-Artikel sind weiterhin gratis lesbar, weil die grossartigen Schweizer Medienhäuser ihr gemeinsames Login immer noch nicht im Griff haben. Das ist aber mal nicht peinlich für Tamedia, sondern für Ringier.
Gibt es Hoffnung auf Heilung? Der Patient ist komatös, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.