Schlagwortarchiv für: Agota Lavoyer

Fakten, Fakten …

… und an den Leser denken. War mal ein Erfolgsgarant. Tamedia pfeift drauf.

Ein ganz normaler Freitagmorgen in der Woke-Küche namens Zentralredaktion. Da behauptet die Kolumnistin Nadine Jürgensen unter dem Brachial-Titel «Brechen wir das Schweigen!»: «Jede Frau ist von sexualisierter Gewalt betroffen.»  Und zitiert die Brachial-«Expertin» Agota Lavoyer, die Kreische der angeblich überall vorhandenen «sexualisierten Gewalt», was immer das sein mag. Aber auf jeden Fall geht sie nur von Männern aus.

Das hat Tamedia schon des Langen und Breiten bis zum Überdruss ausgebreitet. Aber Jürgensen scheint gerade das Buch dazu gelesen zu haben. Immerhin relativiert sie: «Nicht alle Männer sind sexuell übergriffig.» Gut, nur sind keineswegs alle Frauen «von sexualisierter Gewalt» betroffen. Nur interessiert diese larmoyante Wiederholung sicherlich die Mehrheit der Tamedia-Leser einen feuchten Dreck.

Der missglückte Online-Auftritt macht mit der Hammer-Meldung auf: «Mein Sohn geht ins Gymi: Es ist der Himmel – und die Hölle». René Hauri weint den Lesern mit seinen höchstpersönlichen Erfahrungen ins Hemd. Aber da die Mehrheit der Tamedia-Leser keinen Sohn haben, der ins Gymi geht, und wenn, dann wohl auch nicht so drunter leiden …

Dann jubelt Paul Munzinger von der «Süddeutschen Zeitung» über die erste Präsidentin Namibias, weil sie eine Frau ist. Grossartig. Dass sie gegen Abtreibung und Homosexualität ist, nun ja, aber he, sie ist eine Frau, und das ist doch super. Versteht der Tamedia-Leser nicht, interessiert ihn auch nicht gross. Wie viele könnten spontan angeben, wo Namibia liegt? Und ist die Geschlechtszugehörigkeit wirklich wichtiger als die politischen Auffassungen?

Dann nahm der Bote des Gottseibeiuns an einem Ministertreffen der OECD teil. Die Rede von Sergei Lawrow fasst der SZ-Mann Matthias Kolb mit aller gebotenen Objektivität zusammen: «Er warnt, die Sache könne «in ein heisses Stadium» übergehen. Es folgen Verdrehungen, Lügen und Phrasen des Kreml inklusive der Behauptung, in der Ukraine regiere ein Naziregime, das Russland bekämpfen müsse.»

Im Titel behauptet Tamedia, dass es einen «Schlagabtausch mit Baerbock» gegeben habe. Allerdings muss die deutsche Aussenministerin, die ansonsten von Fettnapf zu Fettnapf eilt, ins Leere geschlagen haben, denn Lawrow hatte nach seiner Rede den Saal verlassen.

Roger Köppel interviewt Aleksander Vucic, Anlass für kübelweise Häme. Wenn Richard Gere über die durchaus kontroverse Figur des Dalai Lama schwärmt, der sich auch schon mal von einem Knaben die Zunge küssen lässt, verschont ihn Pascal Blum von jeder kritischen Frage, möchte vielmehr leicht schleimig wissen, wie er selbst denn zum Buddhisten werden könnte.

Dann drückt immer wieder die Gutmenschensprache durch, die jeden Liebhaber von gutem Deutsch die Wände hochtreibt: «Mehr Platz für Pendelnde». Die Armen, sie sind keine Pendler, sondern pendeln unablässig, Tag und Nacht.

Will der Tamedia-Leser das über Ronja Fankhauser wissen? «In meiner Krankenakte habe ich drei Diagnosen für meine Psyche, bald kommt eine vierte hinzu.» Will ihre Mutter wirklich so öffentlich vorgeführt werden? «Du, Mama, hältst davon nicht viel. Als Kind wolltest du mich und meine Geschwister nie abklären lassen.» Brr.

Dann darf ja nicht zu viel vorweihnachtliche Stimmung aufkommen:

Soll man, darf man, soll man nicht, gewichtige Fragen, die sicherlich alle Tamedia-Leser brennend interessieren.

Dann liefert Eva Novak ein klassisches Einerseits-Andererseits ab, das dem Leser beim Einordnen unglaublich hilft: «Der Freihandelsdeal Schweiz – Indien kann ein Lottosechser werden. Oder ein Debakel». Um ein Debakel zu verhindern, weiss die praktizierende Wirtschaftskennerin Novak, tue die Wirtschaft «gut daran» sich an ihre Ratschläge zu halten: «Will sie von den unbestrittenen Vorteilen profitieren, muss sie darlegen, wie sie die Milliarden in Indien umweltverträglich und unter Einhaltung der Menschen- und Arbeitnehmerrechte zu investieren gedenkt. Damit sich der vermeintliche Lottosechser nicht als Fehltipp erweist.»

Wie soll sie das, warum soll sie das, reicht es etwa nicht, wenn sich die Wirtschaft an die indischen Gesetze hält? Interessiert «die Wirtschaft» diese Meinung von Novak? Interessiert sie den Leser? Nein.

Ganz zuunterst, nur noch vor den Rätseln und dem Inhalt des «Magazins», hängt immer noch die Kochserie «Elif x Tagi», die keinen interessierte und einer der vielen Flops der inzwischen eingesparten Kerstin Hasseoffen für Neues») ist.

Soviel als Schnelldurchlauf. Mal im Ernst, liebe Tamedia-Redaktion, liebe Leitung: meint ihr wirklich, damit könnt Ihr den Leserschwund aufhalten? Habt Ihr auch schon mal etwas davon gehört, dass der Leser an Fakten interessiert ist, nicht an Meinungen? Denkt irgend einer von Euch beim Schreiben an den Leser? Also anders, als dass er zu erziehen, zu massregeln, mit Betrachtungen des eigenen Bauchnabels zuzumüllen ist?

Besteht eigentlich das Personal von Tamedia nur noch aus Kamikaze-Piloten (generisches Maskulin)? Oder soll das ein Wettkampf mit dem «Blick» sein, wer besser und schneller Leser und Abonnenten vergrault?

Wieso kann man die ganze Webseite durchscrollen, das ganze schwindsüchtige Blatt lesen – ohne irgendwo Lesespass zu empfinden?

Und wieso wird dem meistgelesenen Verkaufs-Titel von Tamedia, der noch einigermassen Niveau hält, die eigene Redaktion weggenommen? Will man denn unbedingt, dass Arthur Rutishauser, der einzige kompetente Macher, auch noch scheitert? Weil er den anderen Nulpen sonst in der Sonne stünde?

Oder arbeitet Pietro Supino schon an seiner Grabrede für den Tagi plus Kopfsalat?

 

Aktivismus statt Journalismus Teil 2

«Rundschau»-Beitrag über Schaffhauser Prügelattacke: ein demagogisches Meisterwerk. Die minutiöse Aufarbeitung.

Von Thomas Baumann

Hier geht es zu Teil 1.
Eine Vergewaltigung zur Einschüchterung — in der Wohnung eines Anwalts? Starker Tobak!
Selektive «Filmrisse»
All diese geschickten rhetorischen Verknüpfungen verdecken einige Widersprüche:
Fabienne W. soll möglicherweise zweimal innerhalb von etwas mehr als einer Woche vergewaltigt worden sein. An beide Vergewaltigungen kann sie sich nicht mehr explizit erinnern, in beiden Fällen wird ein Filmriss geltend gemacht.
In beiden Fällen erfolgt weiter der Hinweis auf die Aufnahme von Speisen oder Getränken. Im ersten Fall behauptet der Sohn, jemand habe der Mutter etwas ins Getränk gemischt — die Begründung dafür steht allerdings argumentativ auf ziemlich schwachen Füssen.
Im zweiten Fall ging es Fabienne W. nach dem «Dessert» nicht mehr gut. Das Dessert ist an sich völlig unerheblich — entsprechend wird nicht einmal gesagt, was es zum Dessert gab. Trotzdem wird es erwähnt.
Auch das ist kein Zufall. Das meiste Unwohlsein nach dem Genuss einer Nachspeise wird durch verdorbene Lebensmittel hervorgerufen. Wäre tatsächlich ein solches Unwohlsein vermutet worden, wäre nach der Art des Desserts gefragt worden. Doch natürlich ist nicht eine solche Form von Unwohlsein gemeint: Das Dessert ist in der Schilderung ein rein ‹neutrales› Medium, in das man gegebenenfalls KO-Tropfen geben könnte.
Im Widerspruch zu diesem Filmriss-Narrativ steht allerdings, dass an dem Abend, an dem Fabienne W. gemäss ihrem Sohn «etwas ins Getränk gemischt» wurde, diese einen sexuellen Kontakt ausgerechnet mit der Begründung «Weil ich davon nichts weiss» in Abrede stellt. Auch SRF scheint dieser Widerspruch nicht aufgefallen sein: Ist es doch gerade die Eigenschaft von KO-Tropfen, dass sich das Opfer an nichts mehr erinnern kann.
Geschickte Verknüpfungen und strategische Auslassungen
Schaut man sich die Sendung wiederholt an, fallen einem immer neue geschickte rhetorische Verknüpfungen und Auslassungen auf:
Obwohl es um eine «Einladung zum Abendessen» ging, wird mit keinem Wort erwähnt, welche Speisen dort verzehrt wurden. Ein richtiges Festessen würde natürlich dem Narrativ widersprechen, dass es sich bei der Einladung bloss um einen geschickt kalkulierten Hinterhalt handelte. Eine wohlkalkulierte Auslassung.
Dennoch wird erwähnt, dass es Dessert gab. Weil sich damit ein neuer Verdacht bedienen lässt.
Auch die Auswahl aus dem Videomaterial ist selektiv. So meint SRF zu einer Sequenz: «Die Aufnahmen zeigen auch, wie der Anwalt den Kampfsportler auffordert, auf W. loszugehen.» Ganz offensichtlich hat SRF aus dem gesamten Videomaterial bloss die Szenen ausgesucht, welche ihr Narrativ unterstützen.
Widersprüche — und eine versteckte Agenda?
Während rund der Hälfte des Beitrags lässt sich SRF darüber aus, dass die Behörden die Beweismittel offenbar unsachgemäss sicherstellten. Währenddessen werden den Zuschauern die Aufnahmen der Überwachungskameras in allen Details serviert.
Auch diesen Widerspruch vermag SRF nicht aufzulösen: Entweder sind auch die Strafverfolgungsbehörden im Besitz dieser Aufnahmen — und damit ist mehr als genug Beweismaterial für eine Verurteilung der Täter vorhanden. Die ganzen Vorwürfe an die Strafverfolgungsbehörden lösen sich in nichts auf.
Oder aber SRF verfügt tatsächlich exklusiv über diese Aufnahmen — und die Strafverfolgungsbehörden nicht. Dann fragt sich aber, wie SRF in deren Besitz gelangt ist. Der Anwalt dürfte sie ja kaum an SRF durchgestochen haben.
Einen Hinweis, worum es SRF in seiner Berichterstattung wirklich gehen könnte, zeigt eine Sequenz ganz am Schluss des «Rundschau»-Berichts vom 22. Mai: «Das Verfahren wegen Vergewaltigung beziehungsweise Schändung [in der Nacht vom 16. Dezember 2021] wurde inzwischen eingestellt. Fabienne W. hat dagegen Beschwerde eingelegt.»
Warum wird das erwähnt? In erster Linie hat diese Angelegenheit mit der Prügelattacke vom 28. Dezember 2021, welche im Zentrum der Berichterstattung steht, erst einmal nichts zu tun. Auch SRF dürfte zudem klar sein, dass es aufgrund der erdrückenden Beweislage in der Prügel-Affäre mit grösster Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung der Täter kommen wird.
Die Frage stellt sich: Warum rennt SRF mit der Berichterstattung über die Ereignisse in der Anwaltswohnung quasi offene Türen ein? Geht es letztlich gar nicht um diese Angelegenheit, sondern etwas anderes, eine Angelegenheit, wo SRF keine offenen Türen einrennen würde und wo die Beweislage viel dünner ist — nämlich die Ereignisse vom 16. Dezember 2021?
Dem Anwalt geht es an den Kragen
Auch in den Anwalt scheint sich SRF recht eigentlich verbissen zu haben: «Der Anwalt praktiziert weiter. Obwohl ihm das Anwaltspatent entzogen werden könnte, wenn die Aufsichtsbehörde zum Schluss kommen würde, dass er nicht mehr handlungsfähig oder vertrauenswürdig ist.»
SRF bedient sich hier derselben Methoden wie die Antifa: Man begnügt sich nicht mehr mit Kritik, sondern versucht, den Gegner auch in seiner beruflichen Existenz zu zerstören. Der Hinweis auf einen möglichen Entzug des Anwaltspatents ist nur zu durchsichtig: Es ist geradezu ein Wink mit dem Zaunpfahl an die zuständigen Behörden.
Dabei geht es hier nicht etwa um einen Anwalt, der seine Klienten schlecht beraten hätte und vor dem deshalb das Publikum geschützt werden müsste. Nein, hier soll ein Anwalt dafür bestraft werden, dass er sich mit den falschen Leuten abgibt.
Macht dieses Beispiel Schule, sind wir auch in der Schweiz bald bei chinesischen Verhältnissen: Dort werden nach den Angeklagten jeweils auch gleich noch deren Anwälte verurteilt und ins Gefängnis gesteckt.
Feministische Kreise dürften sich die Hände reiben: Haben wegen Vergewaltigung Angeklagte keinen oder nur noch eingeschränkten Zugang zu Anwälten, weil das Berufsrisiko für diese zu gross wird, dürfte die Zahl der Verurteilungen zunehmen.
Funiciello verirrt sich nach Schaffhausen
Eine klassisch unehrliche Masche ist auch das Lead zum verschriftlichten Bericht: «Der Polizei wird kriminalistisch unhaltbares Vorgehen und Unprofessionalität vorgeworfen», so SRF. Ja, von wem stammt denn dieser Vorwurf? Doch bloss von SRF selber.
Erst wirft SRF der Polizei Unprofessionalität vor und schreibt dann, der Polizei werde Unprofessionalität «vorgeworfen». Der Trick ist nur zu durchsichtig. Dass SRF zu diesem Zweck einen Experten herbeizieht, ändert nichts an der Masche.
Voreingenommene journalistische Arbeit hin oder her: Der Schaden ist angerichtet und die übrigen Verdächtigen springen auf den anfahrenden Zug auf, sofern sie nicht gleich von SRF selber eingeladen werden, wie die «Expertin für geschlechterspezifische Gewalt» Agota Lavoyer.
So krakeelte SP-Nationalrätin Tamara Funiciello an einer Demonstration in Schaffhausen: «Soll ich dort beginnen, wo einmal mehr eine Frau von einer Gruppe Männer zusammengeschlagen, gedemütigt, vergewaltigt wurde
Aus sechseinhalb Minuten in einem Schlafzimmer ohne Überwachungskamera und einer unbelegten Insinuation, dass dort eine Vergewaltigung passiert sein könnte, wird so eine scheinbare ‹Gewissheit›: Es gab dort eine Gruppenvergewaltigung — ausgeführt von einer Horde Männer innerhalb von sechseinhalb Minuten, inklusive dem Opfer die Kleidung wieder vollständig anzuziehen.
Was eine Berner Nationalrätin überhaupt im Kanton Schaffhausen verloren hat und ob es wirklich ihre Aufgabe ist, die Arbeit der Ermittlungsbehörden in einem anderen Kanton zu kritisieren — danach fragt schon gar niemand mehr.
Fortsetzung folgt.

Her mit dem Experten

Pech für den Leser: Da kommt Agota Lavoyer.

Eine Marklücke gefunden, mit Wissenslücken aufgefüllt, schon läuft das Geschäft. Agota Lavoyer ist selbsternannte «Expertin für sexualisierte Gewalt und Opferberatung». Was das ist? Alles ist sexualisierte Gewalt, also ist sie Expertin für alles. Oder für nichts.

Im Walliser Boten lässt sie sich zitieren: «Eine Verletzung der sexuellen Integrität eines Menschen ist eine Menschenrechtsverletzung.» Was ist «sexuelle Integrität»? Gute Frage. Was ist eine Verletzung? Zweite gute Frage. Was ist sexuelle Belästigung? Zum Beispiel «Catcalling». Hätten fast alle Frauen schon mal erlebt, dass man ihnen nachgepfiffen hat. Nicht selten muss das jahrelang therapiert werden, können diese Frauen erst zwanzig Jahre später darüber sprechen, dass man sie gar zu küssen versucht habe.

Männer, die «eher nicht zur Seite gehen, wenn ihnen jemand auf der Strasse entgegenkommt. Das sind alles Formen der Machtausübung.» Weiss Lavoyer. Es ist furchtbar, alles ist furchtbar, aber immerhin, Lavoyer weiss auch Rat. Sie ist zur Stelle, wenn sich der Journalist fragt, wie man eine Story noch weiterdrehen könnte. Wenn sie sonst nix mehr hergibt, hilft vielleicht das Interview mit dem Experten (generisches Maskulin, höchstwahrscheinlich männliche Sprachgewalt).

Nun wurde ein Lehrer verhaftet, den eine Kollegin bei einem angeblichen «grenzüberschreitenden Verhalten» gegenüber einem Schüler beobachtet habe. Was immer das sein mag. Theoretisch gilt die Unschuldsvermutung. Aber natürlich nicht für Lavoyer.

Die weiss, wie man ein Titelzitat für Tamedia absondert: «Wir sagen der Nase auch nicht «Rohr», und die Vulva ist nun man kein «Schlitz».» Hä? Was ist dann die Vulva? Und tatsächlich, niemand nennt eine Nase Rohr, was soll dieser Vergleich? Niemand nennt Lavoyer Kommode, na und? Auf gerüttelten und geschüttelten 11’659 A sondert Lavoyer gequirlten Unsinn ab, wenn man das als Mann sagen darf, ohne sich gleich gewalttätig sexualisierter Sprache schuldig zu machen.

Das liegt auch daran, dass die Interviewerin Angela Barandun der Pseudoexpertin den roten Teppich ausrollt. «Wir wissen noch nicht viel, aber klar ist: Für Eltern ist das ein Albtraum.» Wenn wir noch nicht viel wissen, wieso soll es dann ein Alptraum sein? Kein Problem für Lavoyer, loszugaloppieren: «Die Vorstellung, das eigene Kind könnte sexualisierte Gewalt erfahren, gehört für Eltern zu den grössten Ängsten.» Bislang war von grenzüberschreitendem Verhalten die Rede, nun ist es schon sexualisierte Gewalt?

Denn, schlimm: «Sexualisierte Gewalt geschieht meist im Geheimen, ist oft nicht erkennbar, erst recht, wenn das Kind nichts erzählt.» Wenn man sexualisierte Gewalt, was immer das sein mag, nicht erkennen kann, wie erkennt man sie dann? Oder ist das sexistische, männliche Logik?

Indem man jede Annäherung an ein Kind problematisiert, offensichtlich: «Wenn ich ein komisches Gefühl habe, weil mein Bekannter mein Kind immer auf den Schoss nimmt, muss ich das thematisieren.»

Und wie steht es bei Lehrern? «Als Eltern wünschen wir uns von einer Lehrperson, dass sie den Kindern zugewandt ist, dass sie präsent und empathisch ist. Dafür braucht es keine körperlichen Berührungen.»

Und was sollte man sonst noch so im Unterricht beachten?

«Mir hat eine Kollegin erzählt, sie hätten sich im Lehrerkollegium entschieden, sich nicht mehr von hinten über die Kinder zu beugen, wenn sie ihnen etwas erklären. Man kommt ihnen dabei unweigerlich sehr nahe. Das kann sehr unangenehm sein. Die Kinder würden sich kaum dagegen wehren. Darum hat das Kollegium entschieden, nur noch vor die Kinder zu stehen oder vor ihnen zu kauern, wenn sie etwas erklären. Das ist vielleicht ein wenig umständlicher und etwas unangenehmer für die Lehrpersonen.»

Wäre es denkbar, dass spätestens hier Barandun mal Einhalt gebietet? I wo.

Vielleicht darf man noch erwähnen, dass Lavoyer gerade ein neues Buch herausgebracht hat, dessen Verkauf sie gerne befördern möchte. Schliesslich ist ihre Mission «das Ende der Rape Culture». Was das wieder ist? Nun wenn der arglose ZACKBUM-Leser das noch nicht wusste: wir leben – so die Definition –«in sozialen Milieus oder Gesellschaften, in denen Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt verbreitet sind und weitgehend toleriert oder geduldet werden».

Nun sind Vergewaltigungen in der Schweiz weder verbreitet (2023 wurde 839 Anzeigen erstattet, selbst wenn wir eine gewaltige Dunkelziffer dazuzählen, ist das im Promillbereich), und sie werden weder toleriert noch geduldet. Aber wieso soll sich Lavoyer durch solche sexistische Einwände ihr Geschäftsmodell vermiesen lassen?

Dass aber Tamedia ihr die Möglichkeit gibt, vor Millionenpublikum – ohne von einer einzigen kritischen Frage belästigt zu werden – unverständlichen Stuss zu erzählen, das ist zwar keine sexualisierte Gewalt, aber eine Art intellektuelle Vergewaltigung des armen Lesers. Der sich nun fragt, wenn sein Kind nach Hause kommt und erzählt, dass sich der (oder die) Lehrperson von hinten über es gebeugt habe, um eine Aufgabe zu erklären, ob das bereits ein «grenzüberschreitendes Verhalten» war.

Oder wenn der (oder die) Sportlehrer mit einem beherzten Griff an den Po den Absturz vom Barren verhinderte – steht der (oder die) dann auch schon mit einem Bein im Gefängnis? Oder ansonsten wegen unterlassener Hilfeleistung, wenn der (die/das) Schüler mit dem Kopf auf den Turnhallenboden knallt?

Gibt es denn, wir wiederholen verzweifelt die Frage, bei Tamedia überhaupt keine Qualitätskontrolle mehr? Ist Pietro Supinos volles Vertrauen in die Redaktionsleitung (Schreibverbot für Kritiker!) wirklich verblendet unerschütterlich?

 

 

Tamedia im Sturzflug

Noch ein Interview mit Agota Lavoyer. Auch das noch.

Die selbsternannte «Expertin für sexualisierte Gewalt» hat ein Buch geschrieben. Der Inhalt (und das Thema) geht ungefähr 80 Prozent aller Tagi-Lesern schwer an einem hinteren Körperteil vorbei. Aber natürlich nicht dem Woke-Kuchen, der gnadenlose Jagd auf die verbliebenen Abonnenten macht.

Immer, wenn es einen «Catcalling-Selbstversuch» gibt, der eigentlich nur ergibt, dass selbst an der Zürcher Langstrasse Sitte und Anstand herrschen, ist Lavoyer mit Pauschalverurteilungen zur Stelle. Nachdem schon die WoZ die Autorin sagen liess, was sie schon immer unwidersprochen sagen wollte, interviewt nun auch Tamedia die weibliche Ausgabe eines Marko Kovic.

Dass Jessica King zuvor bei «Alliance F» gearbeitet hat, ist bestimmt Garant für kritisches Hinterfragen. Oder auch nicht, denn schon das Titelzitat ist eine Frechheit:

Eine reine Unterstellung, bar jeder Empirie oder Vernunft. Aber Lavoyer kann noch mehr, einleitend wird sie gefragt: «Sie schreiben in Ihrem neuen Buch: Die Frage ist nicht, ob eine Frau je sexuell belästigt wird, sondern bloss wann. Ist das eine Zuspitzung, oder meinen Sie das genau so?» Und Lavoyer antwortet tatsächlich, sie sei überzeugt,

«dass es keine Frau – beziehungsweise keine weiblich sozialisierte Person – auf der Welt gibt, deren sexuelle Integrität in ihrem Leben nicht in irgendeiner Form verletzt worden ist».

Man nehme einen Schaumgummibegriff wie «sexuelle Integrität», ohne den auch nur umrissartig zu definieren, und stülpe dann eine völlig unbelegte Behauptung drüber. Das soll jemand ernst nehmen?

Eigentlich müsste man nach so einem Unsinn das Interview (oder seine Lektüre) abbrechen. Aber ZACKBUM geht für seine Leser durchs Fegefeuer von Wahnwelten. Denn alles, schlichtweg alles ist sexuelle Gewalt, sexuelle Gewalt ist überall um uns, noch schlimmer: «Solange frauenfeindliche Botschaften an die nächste Generation weitergegeben werden, wird es in der Schweiz auch sexualisierte Gewalt geben

Allerdings macht es einem Lavoyer mit jedem Nonsens, den sie auf den anderen stapelt und sich dabei sogar noch steigern kann, immer schwerer, durch diesen Sumpf von unbelegten Vorurteilen zu waten:

«Es kann ja nicht sein, dass schon so viele Frauen in der Schweiz vergewaltigt worden sind, dass jede Frau schon sexuell belästigt wurde, aber keine Männer Täter sein sollen.»

So viele Frauen? Jede ist eine zu viel, aber laut Polizeistatistik wurden 2023 in der Schweiz 1371 Frauen vergewaltigt. Es leben rund 4,5 Millionen Frauen in der Eidgenossenschaft. Das sind also 0,03 Prozent. Nehmen wir noch eine gewaltige Dunkelziffer dazu, kämen wir auf vielleicht 0,1 Prozent. Also eine Unsinns-Behauptung, nur noch getoppt vom Zusatz, dass schon wirklich jede Frau sexuell belästigt worden sei.

Das ist genauso wie die Mär von «Dick Pics», die angeblich schon jede zweite Frau unverlangt zugeschickt bekommen habe. Obwohl natürlich völlig unrepräsentative Umfragen im weiteren weiblichen Bekanntenkreis immer ergeben: null Betroffene.

Man muss sich mal vorzustellen versuchen, dass ein wahnhaft Religiöser, ein Apokalyptiker, der das Ende der Welt vorhersagt, ein rassistischer Spinner, der von der Verunreinigung der weissen Rasse faselt, solchen Bruch ungebremst und ohne in die Schranken gewiesen zu werden, vor Millionen von Lesern ausbreiten dürfte.

Es gäbe – zu recht – einen Aufschrei und einen Shitstorm in Orkanstärke. Aber wenn eine völlig jedes Mass verloren habende Promotorin ihres Buchs (das übrigens in scharfer Konkurrenz zu ähnlichen Machwerken steht) buchstäblich reinen Stuss erzählt und behauptet, dann wird sie höchstens pseudokritisch («Sie nennen dieses System im Buch «Rape Culture». Worauf basiert diese?») abgefragt.

Es ist wie bei den Genderwahnsinnigen und den faschistoiden Sprachreinigern, die alle «bösen» Wörter wie Mohr eliminieren wollen, weil es dann eine bessere Welt gäbe. Langsam aber sicher verlieren sie an Terrain, und auch die rachsüchtige oder öffentlichkeitsgeile Denunziation eines Jahre zurückliegenden angeblichen verbalen sexuellen Übergriffs verliert an Strahlkraft und Wirkung. Oder erinnert sich noch jemand an den neusten Angeschuldigten? Tipp: es ist ein Zauberer.

Aber je mehr sie sich ins Abseits gedrängt fühlen, wo sie auch hingehören, desto rabiater und radikaler werden sie mit ihren unverschämten Behauptungen.

Den Tagi lesen und analysieren müssen, das wird immer mehr zum Martyrium. Dafür noch Geld verlangen statt Schmerzensgeld zahlen, das ist eine Frechheit.

 

Die Gewalt, die sexualisierte

Wenn die WoZ Journalismus über Bord wirft.

Ein Interview ist eine interessante Sache. Ein hoffentlich vorbereiteter Journalist fragt eine Person des öffentlichen Interesses dies und das. Durch die Gesprächssituation entsteht ein lebhafter Dialog, dem der Leser mit Interesse folgen kann.

Das wäre die Theorie.

In der Praxis wird im deutschen Sprachraum etwas getan, wo es jedem angelsächsischen Journalisten den Hut lüpfen würde. Das abgetippte Interview wird zum sogenannten Autorisieren dem Interviewten gegeben. Ursprünglich war die Idee, dass der offensichtliche Versprecher oder Falschaussagen in der Hitze des Gesprächs korrigieren kann.

Heute ist es so, dass das Interview glattgeföhnt wird, ganze Passagen umgeschrieben werden oder gestrichen. Falls nicht schon vorher abgemacht wurde, was ja nicht gefragt werden darf. Damit ist diese interessante Form des Journalismus eigentlich schon auf den Hund gekommen.

Schlimmer wird’s nur noch, wenn sich Interviewer und Interviewter sowieso in den Armen liegen. Also eigentlich nur Stichworte gegeben werden, worauf der Interviewte sich ungebremst aussprechen kann. Das ist dann die langweiligste Form eines Interviews: das Gesinnungsgespräch.

Erkenntnisgewinn für den Leser null; so ein Stück ist so peinlich langweilig, dass den Lesern (und Leserinnen und everybody beyond) zuerst das Gesicht, dann die Füsse und am Schluss das Gehirn einschläft.

Ein besonders abschreckendes Beispiel gelang vor Kurzem der WoZ. Die freie Journalistin Naomi Gregoris interviewte die selbsternannte «Expertin für sexualisierte Gewalt» Agota Lavoyer. Die lässt keine Gelegenheit aus, sich mit grenzwertigen Behauptungen ein paar Sekunden medialer Aufmerksamkeit zu ergattern. Und nun hat sie auch noch ein Buch geschrieben, mit dem Titel «Jede_ Frau. Über eine Gesellschaft, die sexualisierte Gewalt verharmlost und normalisiert».

Über die Gewalt, die der deutschen Sprache hier angetan wird, redet wieder niemand.

Darin hantiert Lavoyer mit den üblichen Worthülsen in diesem Genre. «Victim Blaming», «Täter» seien hauptsächlich «cis-Männer», «Rape Culture», «Dick Pic», und dann die grossen Zahlen, deren Behaftbarkeit niemals validiert wurde:  «Diesen Zahlen zufolge erlebt jede dritte Frau in ihrem Leben einen körperlichen, sexualisierten Übergriff. 97 Prozent der Frauen haben sexuelle Belästigung in Form von Nachrufen und Pfeifen («Catcalling») erlebt» entsetzt sich der Beitrag bei SRF Kultur.

Diesmal werde Lavoyer sogar persönlich, denn: «Aber auch sie sei «Jede_ Frau», der nachgepfiffen wurde, die gestalkt wurde, unangenehm berührt und vergewaltigt wurde.» Wobei nicht ganz klar wird, ob sie sich einfach die Opferrolle leiht oder tatsächlich solche Übergriffe erlebt hat.

Die WoZ geht allerdings noch einen Schritt weiter ins völlig Absurde. Das Interview ist über 10’000 A lang. Aber es gelingt keiner der beiden Beteiligten, zunächst einmal eine Definition des Gummibegriffs «sexualisierte Gewalt» zu geben. Sondern beide gehen davon aus, dass es diese «sexualisierte Gewalt» einfach gebe. Definition: all das, was wir als solche bezeichnen. Oder soll das sogenannte «Catcalling» tatsächlich schon sexualisierte Gewalt sein? Wäre das so, würde ganz Lateinamerika, würden die meisten südlichen Länder Europas, ja sogar einige mehr, vor «sexualisierter Gewalt» nur so brodeln.

Aber es geht noch weiter im Absurden. Das als Frage verkleidete Stichwort: «Ein «blöder» Spruch ist weniger gravierend als eine Vergewaltigung. Sie plädieren dennoch dafür, das Ganze nicht vertikal, sondern horizontal zu sehen: Alle Formen sexualisierter Gewalt seien Teil des gleichen Kontinuums.»

Darauf die Antwort: «Klar gibt es weitaus brutalere sexualisierte Übergriffe als sexistische Sprüche. Doch eine objektive Einordnung sagt nichts darüber aus, wie schlimm die Tat für die betroffene Person war. Eine Hierarchisierung der Taten wertet die Erfahrung der meisten Betroffenen ab, denn meistens war es in den Augen der Gesellschaft nicht «schlimm genug», was wiederum dazu führt, dass so viele schweigen. Es ist wichtig zu verstehen, dass alle Formen sexualisierter Gewalt Teil desselben Problems sind.»

Das Problem bestehe darin, dass Männer zum Beispiel

«eher nicht zur Seite gehen, wenn ihnen jemand auf der Strasse entgegenkommt. Das sind alles Formen der Machtausübung. Im Kleinen werden sie vielleicht als nicht so schlimm wahrgenommen, im Grossen sind sie aber gewaltfördernd.»

ZACKBUM fragt schüchtern zurück: und was ist, wenn eine Frau nicht zur Seite geht? Ist das dann auch Machtausübung? Oder Gegenmachtausübung? Und wenn das schon Machtausübung ist, wo fängt dann die sexualisierte Gewalt an? Wenn ein Mann zwar höflich beiseite tritt, um der Frau den Vortritt zu lassen, ihr dann aber anerkennend nachpfeift, ist das dann nur sexistisch oder schon sexualisierte Gewalt?

Die Absurdität liegt in der Behauptung, dass es auf «die Erfahrung der Betroffenen» ankomme, also auf das subjektive Empfinden. Das öffnet Willkür und Wahnsinn Tür und Tor. Wenn jemand, also natürlich ein cis-Mann, zu einer Frau sagt «elegantes Kleid», dann soll es schlichtweg dem Empfinden der Frau überlassen sein, ob sie das als nettes Kompliment oder als unverschämt-verletzende sexualisierte Gewalt auffasst?

Kann jemand, der einen anderen öffentlich bezichtigt, ihm den Geldbeutel aus der Hosentasche gestohlen zu haben, sich mangels Beweis darauf zurückziehen zu sagen: «Aber ich habe es so empfunden?»

Wenn ZACKBUM daran denkt, dass solche und ähnliche Fragen an Universitäten, an anderen Bildungsstätten und im Kulturbetrieb ernsthaft diskutiert werden, dann ist klar, dass unsere Gesellschaft an fortgeschrittener Dekadenz und Hirnerweichung leidet.

 

 

Das grosse Ausschliessen

Im Namen von Diversität und Inklusion wird übel gehetzt.

Der Samstag schliesst den Freitag und den Sonntag aus. Wer das für trivialen Gaga hält, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden.

Es gibt Vollpfosten, die sich für staatenlos erklären, solange nicht eine absurde, zusätzliche Genderbezeichnung in den Pass eingerückt wird. Natürlich benützen sie dieses Dokument der Schande dennoch, um fröhlich durch die Welt zu reisen.

Es gibt Vollpfosten, die sich für nonbinär erklären und weibliche Kleidungsstücke aneignen, dazu Attribute wie Schminke und lackierte Fingernägel. Wer mit einem Sombrero auftritt, als Weisser Rastalocken trägt oder sich gar das Gesicht schwarz anmalt, wird wegen kultureller Aneignung ans mediale Kreuz genagelt. Aber hier schweigt die Frauenbewegung.

Ein unzüchtiger Blick in einen Ausschnitt kann die Karriere gefährden, die Verwendung von brutaler Männersprache wird als Verwendung eines repressiven Herrschaftsinstruments denunziert. Weil sich die Sprache nicht wehren kann, bedeutet hier ein grammatikalisches Nein kein Nein, sie wird vergewaltigt, das Partizip Präsens wird massenhaft missbraucht.

Es gibt Lehrstühle für Genderfragen und Figuren wie Agota Lavoyer, die selbsternannte «Expertin für sexualisierte Gewalt und Opferberatung», die sich mit einem dünnen Leistungsausweis ihre 15 Minuten Ruhm abholt.

Dabei sind Probleme wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit, genügend Möglichkeiten zur Kinderbetreuung weiterhin ungelöst. Aber die anzugehen, das würde ja in Arbeit ausarten, da ist das Setzen eines Gaga-Sternchens oder Dada-Binnen-I mit entschieden weniger Mühe verbunden.

Es gibt Ukraine-Fans und Israel-Groupies, die holzen und hetzen und jeden, der nicht ihre Meinung teilt, aufs Übelste verleumden.

Das alles sind Symptome einer Zeit, in der Koordinatensysteme verlorengegangen sind, Menschen «wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen, Jahr lang ins Ungewisse hinab» stürzen. Sich verzweifelt an einfachen Schwarzweissmustern orientieren, an brunzdummen Schlagworten festklammern.

In ayatollen und fundamental-wahnsinnigen Staaten – wie auch in Diktaturen – ist die Methode des Erkenntnisgewinns durch freien und rationalen Diskurs ohne Tabus verboten. Wer’s dennoch wagt, wird drakonisch bestraft, nicht zu selten mit dem Tod.

Solch finsteres Mittelalter herrscht in grossen Teilen der Welt, beherrscht die überwältigende Mehrheit der Menschen.

Da können wir auf den kleinen Inseln der Vernunft doch froh sein, dass hier im Sinne von Diversität und Inklusion LGBTQ-Anhänger friedlich im Sangeswettbewerb mit einer israelischen Schlagersängern auftreten. Das Stimmwunder Anna Netrebko darf überall auf der Welt, auch im KKL Luzern, die Zuhörer mit ihren Arien verzaubern.

Wenn das Internet-Radio «Kontrafunk»* einen Tagungsort sucht, dann stehen ihm alle Türen offen. Weil es anfänglich von einem AfD-Exponenten empfohlen wurde, ist es nun der AfD-Funk, Inhalt völlig egal.

Im missbrauchten Namen von Solidarität und Freiheit müssen Zeichen gesetzt werden. Zeichen der Ausgrenzung, der Denunziation, müssen Meinungen mit Haltungen verwechselt werden und deren Träger persönlich angerempelt. Im Kampf um die Lufthoheit der Begrifflichkeiten wird auch vor absurden Bezeichnungen wie Klimaleugner oder Covidgegner nicht zurückgeschreckt.

Statt offenem, konfliktivem, aber konstruktivem Dialog findet eine Verwilderung der Sitten statt. Die NZZ zitiert eine Sumpfblüte dieser Entwicklung, die wahrlich ein Zeichen setzt und an Dadaismus schwer zu überbieten ist:

«In vielen Fällen kommt es aber auch einfach zu einer sektiererischen Selbstisolation. Anschauungsmaterial lieferte hier jüngst das Schauspielhaus Zürich. Sein Verwaltungsrat, der von der Stadt und dem Kanton Zürich dominiert wird, hat ganz bewusst einen «transdisziplinären, inklusiven und intersektionalen Ansatz» gewählt,«der sowohl bei den Mitarbeiter*innen wie auch beim Publikum grösstmögliche Diversität (. . .) anstrebt»».

Das Resultat ist, dass das nicht so transdisziplinäre, inklusive und intersektionale Publikum in Scharen davonlief, das Gaga-Theater aber zu über 90 Prozent mit Steuergeldern finanzieren muss.

«Fridays for Future», «The Last Generation», «#metoo», «Black lives matter», «Palestine will be free», im Namen der Menschlichkeit und der Sorge um die Zukunft werden im sicheren Wissen um die alleinseligmachende Wahrheit moderne Kreuzzüge durchgeführt. Unblutig, zumeist, auch wenn ein Abgleiten in Terrorismus nie ausgeschlossen ist, wenn man zum Beispiel an militante Tierschützer oder Abtreibungsgegner denkt.

All diese Krakeeler, die so schnell böse werden, wenn es um die Verteidigung des Guten geht, eint eine Eigenschaft: sie sind zutiefst verunsichert. Ihr Weltbild ist nicht gefestigt, ihr Bildungsrucksack leicht gepackt, ihre Kenntnisse von Geschichte oder gesellschaftlichen Entwicklungen sind nur rudimentär ausgebildet.

Dumm und fanatisch, diese Mischung ist in islamischen Staaten der Horror. Aber sie greift auch bei uns immer mehr um sich – und löst auch entsprechend harsche Gegenreaktionen aus. Und nicht viele haben das Privileg wie ZACKBUM, es sich gemütlich zwischen allen Stühlen einrichten zu können und vom Balkon der unabhängigen und keinerlei Verpflichtungen unterliegenden Meinung Brosamen auf die Bühne des wilden Getümmels werfen zu können.

Wobei: das unendliche Meer der Dummheit, das schon Einstein, Feuchtwanger und viele andere beklagten, ermüdet auch den Langstreckenschwimmer …

*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer hat eine zweiwöchentliche Wirtschaftssendung auf «Kontrafunk».

Ach, Tagi, wohin nur?

Wir führen die Sonde in den Online-Auftritt am Mittwoch ein.

Eine Momentaufnahme des Niedergangs. Das bietet der Tagi online am Mittwoch um 15.00 Uhr als Aufmacher:

Die grosse News: es geht (mal wieder) gegen Christoph Blocher. Da holt der eingeschrumpfte Mario Stäuble gross aus: «87 Persönlichkeiten fordern, dass die Schweiz die Neutralität neu denkt. Sie skizzieren ein Gegenmodell zur Initiative des SVP-Doyens – und setzen den Bundesrat unter Druck.»

Das ist nun eine sehr kühne Behauptung. Wenn man sich alleine das «Kernteam» anschaut, handelt es sich hier doch eher um eine Muppetshow als um eine ernsthafte Veranstaltung. Dass man das nicht ernst nehmen kann, dafür garantiert schon mal der «Ex-Diplomat» Daniel Woker, der in den letzten Jahren immer wieder mit verbalen Amokläufen verhaltensauffällig wurde, in denen er auf das Übelste gegen die SVP und Blocher austeilte. Wer sich mit dem an den gleichen Tisch setzt, hat ein ernsthaftes Haltungsproblem.

Dann rapportiert der Tagi den geplanten Abbau von Poststellen; eine Information, die jeder gratis überall beziehen kann. In Indien war’s heiss, das interessiert natürlich Klimabewegte ungemein. Und die betroffenen Inder. Aber sonst?

Dann kümmert sich eine Michelle Muff, deren Qualifikation nicht bekannt ist, weil ihre Autorenseite leer ist, um den «Ukraine-Blog». Darin berichtet sie, was sich Kiew von der Konferenz auf dem Bürgenstock erhoffe. Das sind brandheisse News, von vorvorgestern. Das einen «Friedensgipfel» im Titel zu nennen, ist doch eher kühn. Denn wenn eine der beiden Kriegsparteien sowie wichtige Player wie China nicht daran teilnehmen, auch der US-Präsident höchstwahrscheinlich Besseres zu tun hat, dann sollte man so etwas eher «Meinungsaustausch über nichts mit wichtiger Miene» nennen.

Werfen wir noch einen Blick auf die «Empfehlungen der Redaktion»:

Die richten sich alle an Abonnenten; wer nichts zahlt, kriegt auch nichts empfohlen. Marketingtechnisch grossartig.

Der erste am Mittwoch empfohlene Artikel stammt vom Dienstag. Auch grossartig. Die vier Spassbremsen Jacqueline Büchi und Philippe Zweifel, unterstützt von Patrick Vögeli und Thomas Weyress, versuchen sich an einer Satire. Aber schon der Titel und der Lead sind so abschreckend, dass man sich die umzingelten Scherze nicht weiter antun will: «Vulva, Wolf und Geri: Wie die neue SRG-Chefin die Parteien glücklich machen würde Keramik-Vulven auf dem SP-Kanal, «Putin, der Unverstandene» auf SVP 1 – und Geri total bei der Mitte: So sähe der Service public aus, wenn Parteien das Fernsehprogramm gestalteten.»

Auch der nächste empfohlene Artikel ist von gestern, weiterhin toll. Hier geht es um das schockierende Video über eine Prügelattacke auf eine Frau in Schaffhausen. Das ist alles bekannt, seit SRF-«Rundschau» die schockierenden Bilder gezeigt hat. Was tun, fragte sich der Tagi, und kam auf die schlechte Idee, der selbsternannten «Expertin für geschlechtspezifische Gewalt», Agota Lavoyer, Gelegenheit zu geben, sich öffentlich lächerlich zu machen.

Die sagte schon so absurde Sachen wie: «Es ist nicht zuletzt der fehlenden Gleichberechtigung geschuldet, dass sexualisierte und häusliche Gewalt an Frauen in der Schweiz noch immer so verbreitet sind.» Aber gut, wenn die Alternative wäre «wir haben nix zu dem Thema», dann halt Lavoyer.

Dann halt «Showdown in Lower Manhattan». Ist halt blöd, wenn man sich etwas aus den Fingern saugen muss, wo das Urteil im Prozess gegen Donald Trump noch nicht bekannt ist. Dass auch der Artikel vom Vortag stammt, macht die Sache nicht besser.

Und schliesslich «Feiern und hetzen: Das Sylt-Video ist kein Einzelfall». Der Artikel ist, richtig geraten, vom Vortag. Für Schweizer Leser: Sylt ist eine kleine Insel ganz hoch oben im Norden Deutschlands. Dort haben ein paar besoffene Deutsche Nazi-Sprüche geklopft und «Ausländer raus» gegrölt. Das zeichnen gleich vier Mitarbeiter der «Süddeutschen Zeitung» nach, das ist in Deutschland ein überproportional aufgeblasenes Thema. Denn Ähnliches ist auch aus Sachsen-Anhalt, Stuttgart, von einem «Erntefest im vorpommerschen Bergholz» oder gar Hamburg zu vermelden.

Natürlich darf hier auch die fragwürdige Amadeu-Antonio-Stiftung zu Wort kommen, die in der Schweiz keiner kennt. Dass deutsche Gutmenschen in deutschen Gazetten in Wallungen geraten, wenn mal wieder Bräunliches und Angebräuntes gegrölt wird, ist verständlich – für Leser in Deutschland.

All diese Empfehlungen der Redaktion von gut abgehangenen Stücken, von denen jedes einzelne so seine gravierenden Probleme hat, sind eigentlich eine Bankrotterklärung für ernstzunehmenden Qualitätsjournalismus. Alle vier sind hinter der Bezahlschranke, genau wie der aufgepumpte Aufmacherartikel gegen Blocher.

Und mal ehrlich, man muss zwar weit, ganz weit nach unten scrollen, um die in den höchsten Tönen angepriesene «Kochserie «Elif x Tagi»» noch zu finden. Aber wenn ZACKBUM nochmals «Eiersalat à la Mama» lesen muss, dann bekommen wir echte Magenprobleme. Immerhin, weiter unten kommt nur noch der Ratgeber «Was Sie gegen Heuschnupfen tun können». Auch so ein Thema aus der Reihe «es fällt uns aber gar nichts Originelles mehr ein, und das Feierabendbier lockt.».

Eine Momentaufnahme, sicherlich. Aber entweder hat ZACKBUM die absolut schwächste Stunde des «Tages-Anzeigers» erwischt, oder aber, dem Blatt ist so nicht mehr zu helfen. Denn fällt irgend jemandem irgend ein Grund ein, wieso man für irgend etwas hier Eintritt bezahlen soll?

Opfergang einer Journalistin

Eine «Blick»Redaktorin hat Unfassbares durchgemacht.

Für unsere Leser, die mit diesem Begriff vielleicht nicht vertraut sind:

«Catcalling – das können sexuell anzügliche Bemerkungen, Pfeif- oder Kussgeräusche, aufdringliche Blicke, obszöne Gesten oder Kommentare über das Äußere einer Person sein. Catcalling ist eine Form sexueller Belästigung im öffentlichen Raum.»

Das haben wir natürlich den italienischen Bauarbeitern zu verdanken, die mit dieser Unsitte in der Schweiz anfingen, unter der heute noch Hunderttausende von Frauen leiden. Darunter auch Gina Sergi. Sie hat es auf sich genommen, ihren schrecklichen Alltag für den «Blick» und zur Abschreckung dokumentarisch festzuhalten.

Es ist eine Reportage des Grauens geworden. «Fast jeden Tag werde ich und ein ganzer Haufen weiterer Frauen in diesem Land verbal sexuell belästigt. Ein Nachpfeifen oder ein Nachrufen auf der Strasse, das nennt man Catcalling.»

Erster Tatort, der Hauptbahnhof Zürich. da sitzt Sergi harmlos vor einem Drink und fummelt am Handy. Kommt ein Catcaller. Der fragt sie doch (auf Englisch), warum sie jemand so lange warten lasse, sie sei doch zu schön dafür. Als sie ihn abserviert, sie warte halt einfach, sagt er höflich, dass sie dann ihren Drink geniessen solle und wunderschön sei.

Furchtbar; es spricht für die Stabilität von Sergi, dass sie nach diesem Catcalling keine psychologische Betreuung brauchte, sondern einfach weitermachte im Spiessrutenlauf. Sie geht zu einem Gleis, um dort zu warten. «Hier erlebe ich den Klassiker», kündigt sie unheilschwanger an. Eine Gruppe von Männern nähere sich. Nun passiert das Unsägliche: «Es wird gepfiffen und mir ein «Hey, Perle» an den Kopf geworfen.» Und dann? Muss sie Pfefferspray zum Einsatz bringen? Nein, das war’s schon mit dem Catcalling.

Dann die Langstrasse, die Sündenmeile von Zürich. Zwei Männer heften sich an ihre Fersen und sagen «hey, Schönheit». Sie reagiere nicht, trotzdem laufen die beiden ihr noch anderthalb Minuten nach. Unerträglich.

Kaum ist sie diesem Übergriff entronnen, sagt doch ein anderer Herr im Vorbeilaufen «Eh, ciao, bella!». Wahnsinn, trotzdem zieht sie weiter in eine Bar. Schon der Türsteher, der ihr einen Stempel auf die Hand drückt, vergleiche sie «absurderweise» damit: «Schön wie du.» Wie erträgt sie das nur? Beim Weglaufen sieht sie mit ihren Augen im Hinterkopf, dass man ihr auch noch «auf den Arsch» schaue. Un-ver-schämt, un-er-träglich.

Aber sie bleibt tapfer und begibt sich an die Bar. Überraschung, nach nicht einmal einer Minute komme schon «der erste Typ». Schon wieder auf Englisch fragt der: «Was kann ich dir zu trinken bringen?» Sie lehnt dankend ab, schon wieder ein Catcalling überlebt. Aber nun kommt es knüppelhart. Sie zieht ihre Jacke aus, und es dauert nicht mal zwei Minuten, «da habe ich einfach eine Hand an der Hüfte». Aber dabei scheint es zu bleiben, denn der erste Mann meldet sich nochmal mit der lustigen Anmache, ob es ihr wohler wäre, wenn sie wüsste, «dass er ein Neurochirurg» sei. Eigentlich sagt er, er sei Neurowissenschaftler, aber Englisch ist Glücksache. Auf ihr dezidiertes «Nein» hin zieht er sich mit der leicht beleidigten Bemerkung, dass sie zu wählerisch sei, höflich zurück.

Und so weiter, und so fort. Als sie dann in der nächsten Bar einer sogar noch kurz am Oberarm berührt, ist die Schmerzschwelle für Sergi erreicht, sie «bricht das Experiment ab». Nun zur psychologischen Betreuung? Fast, in solchen Fällen hat die selbsternannte Agota Lavoyer ihren Auftritt. Sie ist bekannt dafür, sich selbstbewusst lächerlich zu machen. Als «Autorin und Fachexpertin für sexualisierte Gewalt». Wie sie von Sergi erlebt, erlitten, erduldet wurde. Weil Sergi ja erschüttert aufgab, werden nun noch Videoschnipsel von Catcalling worldwide eingespielt. Lavoyer ist bekannt für Absurd-Aussagen wie: «Es sei nicht zuletzt der fehlenden Gleichberechtigung geschuldet, dass sexualisierte und häusliche Gewalt an Frauen in der Schweiz noch immer so verbreitet seien». Sie ist sozusagen die weibliche Ausgabe von Marko Kovic. Apropos, wo ist der eigentlich abgeblieben?

Leider muss ZACKBUM zusammenfassen: wenn das alles ist, was einer Frau im Bahnhof oder an der Langstrasse oder in Bars passiert, dann kann sie den Pfefferspray ruhig zuhause lassen. Und das betroffene, ernste Gesicht auch.

Denn dass Männer mehr oder minder geschickt versuchen, mit einer Frau zu flirten, das ist nur für fanatische Woke-Anhängerinnen, die sich auch beim Anblick eines Mohrenkopfs spontan unwohl fühlen, ein Problem. Worauf wir allerdings immer noch vergeblich warten: Frauen, die sich darüber beschweren, dass sie diskriminiert werden. Indem sie niemand anflirtet.

 

Wie SRF News eine Welle bastelt

Manchmal hilft es, journalistische Leistungen mit etwas Distanz zu betrachten.

Am 8. Februar 2023 waltete «SRF News» seines Amtes und berichtete in mediengemässen 3.55 Minuten über die Erzählungen von Anushka Roshani im «Spiegel». Deren Inhalt war soweit durch, also musste natürlich weitergedreht werden. Ein wenig Drama am Anfang kann nicht schaden, sagte sich die seriöse Nachrichtenredaktion und unterlegte den Opener «Sexismus in der Medienbranche – ein systematisches Problem» mit Bildern einer Männerhand, die auf einem behosten Oberschenkel liegt. Statt sich diese Mühe zu machen, hätte SRF vielleicht eher den Unterschied zwischen systematisch und systemisch gelernt …

Dann wird es abstrus. Eine «Redaktionssitzung» von «ElleXX» wird gefilmt. Hier berichten völlig unbekannte Pseudo-Journalistinnen wie Miriam Suter oder Samantha Olivia Taylor von «krassen Beispielen» wie dass ein Chef gesagt haben soll, als junge Anfängerin solle man demütig sein oder dass es ein Mail gegeben habe solle, das eine anzügliche Bemerkung enthielt. Kleiner Formfehler: natürlich sind das zeitlich nicht genauer bestimmte angebliche Ereignisse mit unbekannten Teilnehmern und völlig ohne Beleg.

Patrizia Laeri behauptet dann, auf ihr Outing, dass vor mehr als 20 Jahren ein SRF-Mitarbeiter sie zu küssen versucht habe, hätten sich mehr als hundert Frauen bei ihr gemeldet, die auch «mit ihrem Namen hinstehen» würden. Kleiner Formfehler: das haben sie bislang nur bei Laeri gemacht. Angeblich.

Fehlt noch etwas? Natürlich, die «Fachexpertin». Auftritt Agota Lavoyer, die selbsternannte «Expertin für sexualisierte Gewalt» mit eher kleinem Fachausweis. Wenn die Postfinance ein etwas schräges Stelleninserat macht, wenn ein Gerichtsurteil in einem Vergewaltigungsprozess zu kritisieren ist – Lavoyer ist zur Stelle. Und lässt sich mit schräge Sachen wie dieser zitieren: «Es sei nicht zuletzt der fehlenden Gleichberechtigung geschuldet, dass sexualisierte und häusliche Gewalt an Frauen in der Schweiz noch immer so verbreitet seien». Sie ist sozusagen die weibliche Ausgabe eines Marko Kovic.

Und kommt auch bei dieser journalistischen Spitzenleistung von «SRF News» zum Handkuss (wenn man das noch sagen darf). Überrraschungsfrei meint sie: «Wir haben in der Schweiz ein Sexismusproblem.» Dazu «Machtasymmetrien, sexistische Kulturen, Blabla». Schlussfolgerung von «SRF News»: «Und Sexismus in der Medienbranche ist offenbar verbreitet.» Beweis? Die Behauptung von Laeri, bei ihr hätten sich über 100 Frauen gemeldet.

Dann folgt noch die lahme erste Stellungnahme von Tamedia «nehmen die Vorwürfe sehr ernst», etwas Selbstgeisselung (Skandal beim Westschweizer Staats-TV!) und tschüss.

Betrachtet man diese knapp vier Minuten journalistisches Versagen mit etwas Distanz, muss man konstatieren: Aufhänger nicht hinterfragt, aus dem Einzelfall Roshani mit untauglichen Mitteln eine Welle gemacht, eine untaugliche «Expertin» befragt, unfundierte Schlussfolgerungen gezogen. Dazu Gratiswerbung für «ElleXX».In jedem Anfängerkurs «wie mache ich einen Vierminüter nicht» könnte das als Paradebeispiel für Ausbildungszwecke verwendet werden. Stattdessen wurde es ausgestrahlt.

Man muss hier den Machern eine gewisse Schamlosigkeit in der Inkompetenz zubilligen.

Zahlen für Schrott

Auch bei CH Media gibt es eine Bezahlschranke. Leistung, Qualität. Ätsch, reingefallen.

Der Autor Stefan Ehrbar hat sich vom Sachbearbeiter Zahlungsverkehr zum freien Journalisten und schliesslich zum Journalist «Vollzeit» bei CH Media hochgearbeitet. Das ist eine Karriere. Bei CH Media wird alles – ausser dem Lokalen – von einer Zentralredaktion in Aarau abgefüllt. Daher prangte bei sämtlichen Kopfblättern online zuoberst ein Werk des Vollzeitjournalisten: «Sexismus? Postfinance sucht Leute, die Arbeitszeit «nicht dem Kampf für Gleichberechtigung» widmen – und will es gut gemeint haben.»

Diesen Titelbandwurm versteht nun nicht jeder Leser. Aber der zahlende kann hinter der Aboschranke auf Aufklärung hoffen. Ist Ehrbar hier einem Skandal auf der Spur? Werden ausgerechnet bei der Postfinance Frauen gemobbt, sexuell belästigt, marginalisiert, abgewertet, ignoriert?

Zunächst hat Ehrbar nix zu meckern: «Die Post-Finanztochter Postfinance hat theoretisch alles richtig gemacht für ein gendergerechtes Stelleninserat: Sie sucht nach «Softwareentwickler:innen».» Das mag zwar gendergerecht erscheinen, ist aber schlichtweg eine Vergewaltigung der deutschen Sprache. Das lobt Ehrbar, tadeln muss er hingegen den Inseratetext auf Linkedin. Er beginnt launig damit, dass die gesuchte Person (darf auch männlich sein) sich mehr für den binären Unterschied zwischen 0 und 1 als für den genetischen zwischen XX und XY interessieren sollte.

Sollten lesende Blondinen (Achtung, Sexismus) das nicht kapieren, wird es noch ausgedeutscht: «Wir suchen Softwareentwickler:innen, die Ihre Arbeitszeit dem Banking der Zukunft und nicht dem Kampf für Gleichberechtigung widmen wollen.»

Das ist nun eigentlich ein verständlicher Wunsch eines Arbeitgebers, dass der nicht für Genderdebatten, sondern für die Herstellung von Software bezahlen will. Aber in den heutigen Zeiten sind für einige Marktteilnehmer Genderdebatten entschieden wichtiger: «Ihr solltet den Unterschied zwischen misogynem Mist und unbedarftem LinkedIn-Post herausarbeiten.» Leider verzichtet der Nutzer auf eine Erklärung, wie das die Postfinance anstellen sollte. Mit dem Fremdwort misogyn (für frauenfeindlich) ist er wohl an seine Grenzen gestossen.

Die überschreitet dann aber Agota Lavoyer, «Expertin für sexualisierte Gewalt», problemlos. Damit werte die Postfinance den Kampf um Gleichberechtigung massiv ab, will sie wissen. Aber es wird noch viel schlimmer: «Es sei nicht zuletzt der fehlenden Gleichberechtigung geschuldet, dass sexualisierte und häusliche Gewalt an Frauen in der Schweiz noch immer so verbreitet seien», zitiert Ehrbar die Expertin. Und versetzt Postfinance sozusagen noch den Todesstoss:

«Frauen würden auch alleine deswegen getötet, weil sie Frauen sind.»

Angesichts all dieser Weiterungen muss man geradezu von Milde sprechen, dass Lavoyer nur eine «unsäglich miserable Leistung» von Postfinance kritisiert. Die wehrt sich – natürlich mit untauglichen Argumenten: «Die Botschaft dieses Werbemittels ist, dass Gleichberechtigung bei Postfinance in der Kultur fest verankert und so normal ist, dass die Mitarbeiter:innen keine Zeit im Job dafür aufwenden müssen.»

Aber das Finanzhaus gelobt Besserung; es weiss, wie schnell es in einen Shitstorm geraten kann, auch ohne den geringsten nachvollziehbaren Anlass. Bleibt vielleicht noch die Frage, welche Qualifikationen eigentlich diese «Expertin für sexualisierte Gewalt» mitbringt. Auf ihrer Webseite, jetzt wird’s natürlich ganz heikel für einen männlichen Autor, verzichtet sie auf jede Angabe zu Aus- oder Weiterbildung. Ausser: «Als Opferhilfeberaterin habe ich in den letzten Jahren hunderte Opfer sexualisierter Gewalt begleitet.»

Damit hat sie sich dann offenbar einen festen Platz im Adressverzeichnis von Journalisten erobert: «Ich berate, rede, schreibe über gesellschaftspolitische Aspekte sexualisierter Gewalt, Opferberatung und Opferhilfe.» Damit hat sie es schon als «Studiogast» in den «Kassensturz» geschafft oder in die Spalten des Weltblatts «Hauptstadt». Ausserdem erscheine im Juni ihr «erstes Buch». Das sei ein «Kinderfachbuch zur Prävention sexualisierter Gewalt.» Das Wort «Buch» ist dehnbar; das Bändchen umfasst ganze 73 Seiten, für die stolze 23 € fällig sind.

Nun kann sich jeder (und jede) zum «Experten» für irgendwas ernennen, sei es auch nur durch Praxiserfahrung. Also eine Hausfrau ist sicherlich Expertin für den Haushalt. Ein Müllmann Experte für Müll.

Wieso aber ein Journalist eines angeblichen Qualitätsmediums hinter der Bezahlschranke einer solchen «Expertin» unwidersprochen das Wort erteilt und nicht merkt, dass sie ein launiges, aber sicher nicht sexistisches Inserat zu einem Skandal aufblasen will, der in letzter Konsequenz zur Ermordung von Frauen führe, das ist ziemlich niveaulos.

Genau wie sein eigener besserwisserischer Hinweis am Schluss des Artikels: «Möglicherweise kann die Post-Tochter aus der Episode etwas lernen: A/B-Testing, also das Ausprobieren zweier Versionen, ist nicht nur in der Softwareentwicklung nützlich – auch die Marketingverantwortlichen könnten sich damit künftig einigen Ärger ersparen.»

Allerdings ist er offensichtlich kein Experte für Software. Dort gibt es nämlich A/B-Testing nicht. Und wie soll das bei einem Stelleninserat gehen? Sexistische Variante A, politisch und gendermässig völlig korrekte Version B? Also ev. mit Ansprache der rund 164 verschiedenen sexuellen Orientierungen und dem Hinweis, dass Postfinance als Arbeitgeberin besonderen Wert auf Engagement im Kampf für Gleichberechtigung legt und kein Problem damit hat, wenn darunter die Softwareentwicklung leidet?

Oder einfach gefragt: wie frech muss man sein, um für so etwas auch noch Geld zu verlangen? Wie vernagelt muss man sein, wenn man sich wundert, wieso immer weniger Leser bereit sind, für einen solchen Schrott etwas zu bezahlen? Zugegeben, das sind sicherlich schrecklich sexistische Fragen eines Mannes, der eine oder einen Softwareentwickler garantiert nur nach seinen Kompetenzen einstellen würde, während ihm seine Einstellung zum Kampf um Gleichberechtigung eher egal wäre. Dem er/sie sich mit voller Energie widmen dürfte – nach Ablieferung einer dem Gehalt entsprechenden Leistung.