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Genervter Molina

Sein Wunsch nach Weltfrieden wurde nicht erhört. Kritischen Nachfragen wollte er sich zunächst nicht stellen.

In einer ersten Schweigerunde verzichtete SP-Nationalrat Fabian Molina auf die Beantwortung zweier höflich formulierter Fragen, da wir bei ZACKBUM immer allen Gelegenheit zur Stellungnahme geben:

Sie fordern, dass die Schweiz «sofort 10’000 Geflüchteten aus Afghanistan Schutz gewähren» müsse.

Zudem müssten «die Taliban mit Anreizen und Sanktionen» dazu gebracht werden, «die Menschenrechte zu respektieren».

Dazu habe ich zwei Fragen:

  1. Wie sieht bei Ihnen persönlich die Hilfsbereitschaft aus? Wären Sie zum Beispiel bereit, ein, zwei Afghanen Schutz zu gewähren?

  2. Im Fall von Venezuela haben Sie sich vehement gegen Sanktionen ausgesprochen, obwohl dort auch die Menschenrechte nicht respektiert werden. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

Gar nicht erst ignorieren, sagte sich der Nationalrat. Unverdrossen schob ZACKBUM eine weitere Frage nach:

Inzwischen habe ich auf ZACKBUM den Hilferuf eines afghanischen Journalisten veröffentlicht, der seit drei Jahren ohne Asylantenstatus in der Schweiz lebt.

Halten Sie es für möglich, statt vollmundig Forderungen aufzustellen, sich konkret für diesen Menschen einzusetzen?

Ismael Shahamat ist ein Mensch, in erster Linie, erst danach Afghane, Flüchtling, Vater, Ehemann, Journalist. Er ist seit drei Jahren in der Mühle der Schweizer Asylgewährung und kann über die ewigen Politikerfloskeln der unbürokratischen Behandlung angesichts der Katastrophe in Afghanistan nur bitter lachen.

Gestern bekam er ein Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts, wo sein Fall liegt. Und liegt. Und liegt:

Wenn der richterliche Amtsschimmel wiehert und labert.

Shahamat fürchtet nicht nur um das Leben seiner Frau und Töchter in Afghanistan. Er möchte auch gerne wissen, ob er in der Schweiz eine berufliche Perspektive bekommt, sich nach drei quälenden Jahren mit seiner Familie wiedervereinigten kann. Dazu meint das BVG zunächst einfühlsam:

«Den Wunsch nach einem baldigen Verfahrensabschluss haben wir zur Kenntnis genommen.»

«Verständnis, grosse Sorge um Ihre Familie, angesichts jüngster Entwicklungen, berufliche Perspektive», blabla.

Schnurstracks zur guten Nachricht: «Wir können Ihnen mitteilen, dass das Verfahren in Bearbeitung ist.» Breaking News, würde CNN oder BBC aus dieser Ankündigung machen. «Baldigen Abschluss, bemüht, viele Verfahren, seit längerer Zeit hängig

Aber: «Wir können Ihnen deshalb keine verbindlichen Angaben über die voraussichtliche Dauer bis zum Urteilszeitpunkt machen. Freundliche Grüsse, Instruktionsrichterin.»

Auf Deutsch: Ja, ja, schlimm das mit Afghanistan, dumme Sache mit Ihrer Familie und Ihrer Zukunft. Aber wissen Sie was: Das Verfahren dauert doch erst drei Jahre, zwar haben nun die Taliban wieder die Macht ergriffen, aber kein Grund zum Hyperventilieren. Wir tun halt mit peristaltischen Bewegungen, was wir können. Schliesslich liegt doch alles in Gottes, Pardon, Allahs Hand.

Zurück zum solidarischen, fordernden, aber leicht angepissten SP-Genossen. Den machte unsere absichtsvolle Ankündigung bei der zweiten Frage hellhörig: «Gerne werde ich über Ihre Reaktion berichten

Als junger, aber dennoch schon abgewetterter Poltiker befürchtete Molina einen möglichen Reputationsschaden, sollte er weiterhin verkniffen schweigen. Also raffte er sich zu einer Antwort auf, nicht ohne zunächst ein talibanartiges Verständnis von Pressefreiheit zu zeigen:

«In der Tat habe ich auch noch anderes zu tun, als auf Ihre unqualifizierten Gehässigkeiten zu reagieren.»

Obwohl ihn diese Gehässigkeiten daran hindern, die Welt, Afghanistan und die Schweiz zu retten, holte er immerhin drei Antworten aus dem Stehsatz. Und schloss mit der Bemerkung: «In der Hoffnung, dass Sie meine Ausführungen zur Kenntnis nehmen und in ihrem Blog entsprechend berücksichtigen.»

Mindestens so nett wie die Taliban: Fabian Molina.

Aber natürlich, Herr Nationalrat, machen wir gerne. Hier seine Originalantwort, ungekürzt und unzensiert. Packungsbeilage: der Leser möge Schäfchenzählen als Einschlafhilfe vergessen, das hier wirkt viel besser:

«1) Das Recht auf Asyl ist ein grundlegendes Menschenrecht, zu deren Gewährung alle Staaten auf Grund der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet sind, wenn eine Person an Leib und Leben bedroht oder aufgrund einer persönlichen Eigenschaft verfolgt ist. Das Recht auf Asyl ist auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Bundesverfassung verankert. Menschenrechte sind Rechte gegenüber Staaten. Sie werden sicher festgestellt haben, dass ich kein Staat bin. Entsprechend kann ich auch niemandem Asyl und Schutz gewähren. Bereits letztes Jahr haben sich aber 16 Schweizer Städte bereit erklärt, mehr Geflüchtete aufzunehmen. Die Justizministerin hat diese humanitäre Geste bisher erfolgreich verunmöglicht. Kurz: Ihre Frage stellt sich nicht. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass staatliche Verpflichtungen durch Staaten eingehalten werden sollten. Sollte die Schweiz nicht mehr in der Lage sein, ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, bin ich selbstverständlich bereit zu helfen, wie ich es bereits heute mit der finanziellen Unterstützung von Menschenrechts- und Asylorganisationen tue.

2) Gerne verweise ich Sie in diesem Zusammenhang auf diesen Beitrag. Ich bin und war nie grundsätzlich gegen Sanktionen im Falle Venezuelas. Sanktionen sind ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung der internationalen Rechtsordnung. Ich setze mich deshalb für eine Rechtsgrundlage für eigenständige Smart Sanctions ein. Die aktuelle venezolanische Regierung hat ihre internationalen Verpflichtungen, insbesondere zum Schutz der Menschenrechte, zweifellos mehrfach verletzt, so wie es auch die Uno-Hochkommissarin für Menschenrechte festgestellt hat. 2018 habe ich mich gegen die neuen Schweizer Sanktionen ausgesprochen, weil sie den damals laufenden Verhandlungsprozess zwischen Regierung und Opposition sabotierten und einer eben verabschiedeten Resolution im Uno-Menschenrechtsrat widersprachen. Gegen gezielte Sanktionen gegen venezolanische Funktionäre, wie sie heute in Kraft sind, spricht aber nichts.

3) Der tragische Fall von Herrn Shahamat ist mir bekannt. Als Mitglied des Parlaments habe ich auf Grund der Gewaltenteilung keinen Einfluss auf Einzelfälle. Die SP fordert aber die unbürokratische Familienzusammenführung für alle Afghan:innen, die sich bereits in der Schweiz befinden. Auch haben wir uns stets für den grosszügigen Schutz von Afghan:innen in der Schweiz eingesetzt. Nach der heutigen Kommunikation des Bundesrats ist leider nach wie vor unklar, wie die Schweiz mit der Frage der Familienzusammenführungen umgeht. Ich stehe dazu aber in Kontakt mit dem SEM und werden gegebenenfalls entsprechend parlamentarisch aktiv werden.»

 

 

 

 

 

 

 

Taliban, ganz lieb und zahm

Sie wollen doch nur spielen. Diesmal ist alles anders und viel lockerer.

 

In eigener Sache: Das ist der 1000. Artikel auf ZACKBUM*

Schlimmer noch als das Desaster eines 20 Jahre lang andauernden Versuchs, in Afghanistan eine Zivilgesellschaft aufzubauen. Schlimmer noch als die katastrophale Fehleinschätzung über die Verteidigungskraft der afghanischen Armee. Schlimmer noch als die Ferndiagnosen vom Schreibtisch in Indien, Deutschland oder der Schweiz. Schlimmer als all das ist nur noch eins: wenn westliche Medien den fundamentalistischen Wahnsinnigen auf den Leim gehen.

Es ist natürlich verständlich, dass der westliche Afghanistan-Korrespondent oder -Spezialist oder -Analyst seiner Aufgabe mit genügend Sicherheitsdistanz nachgeht. Könnte ja sein, dass die Taliban doch nicht so nett sind, wie sie sich offiziell geben.

Netter Taliban spricht mit Frau, vor laufender Kamera!

Aber eigentlich sind sie so nett. Ein Taliban lässt sich sogar im TV von einer Frau (!) ohne Gesichtsschleier (!!) interviewen. Er kündigt an, dass Frauen selbstverständlich weiter zur Arbeit gehen dürften, auch in die Schule. Kein Ding, meint der nette Taliban.

Andere noch nettere Taliban kündigen an, dass man sogar darüber nachdenke, Frauen in die Übergangsregierung aufzunehmen. Westliche Hilfsorganisationen, die wagemutig in Afghanistan ausharren, berichten erfreut, dass man mit den neuen Machthabern durchaus zusammenarbeiten könne. Plünderungen, Massenvergewaltigungen, Zwangsehen, das alles sähen die Taliban überhaupt nicht gerne.

Fundamentalismus reloaded: diesmal wird alles viel netter

Zudem überschlagen sich die Taliban mit Ankündigungen, dass sie keine Rache nehmen wollten, eine Amnestie für alle Helfershelfer der ausländischen Besatzer gelte, auch für Regierungsangestellte, Armeeangehörige und alle, die etwas gegen die Taliban gehabt haben sollten.

Es fehlt nur, dass sich die bärtigen Kämpfer demonstrativ eine Mohnblume in die Maschinengewehre stecken, mit denen sie martialisch durch die Strassen von Kabul patrouillieren. Gibt’s nun also Fundamentalismus light? Kann man Afghanen im Allgemeinen und afghanischen Frauen im Speziellen ruhigen Gewissens empfehlen, ihr Schicksal in die Hände der gütigen Gotteskrieger zu legen?

Macht sich der Mann unnötig Sorgen um seine Familie?

Sind das alles unberechtigte Ängste, die von allzu vielen afghanischen Frauen und kompetenten Beobachtern oder Betroffenen geäussert werden? Sind diese Zeugnisse und Aussagen glaubhaft?

Wie lange darf Clarissa Ward sich das noch trauen?

Nein, ZACKBUM ist keinesfalls im Besitz der göttlich offenbarten Wahrheit, das unterscheidet uns schon mal von diesen Gotteskriegern. Aber kann man sich der «Liga maghrebinischer Gelehrter» mit Sitz in Genf anschliessen, die sich darüber freuen, dass «Allah unseren afghanischen Brüdern einen eindeutigen Sieg bescherte»?

Vergessen und Verzeihen für die Massaker und Greueltaten?

Soll man nun die Burka des Vergessens über all die Greueltaten legen, die die Taliban während ihrer Schreckensherrschaft ab 1996 begangen haben? Ihre unablässigen Attentate auf Bildungseinrichtungen von Frauen, ihr Gemetzel an Schülerinnen und Lehrerinnen, ihren Hass auf alles, was Afghanistan aus steinzeitlichen Stammeswelten ins 21. Jahrhundert führen könnte?

Selbstmordattentäter: 48 Tote bei Angriff auf Schule.

Über 50 Tote nach Bombenattentat auf Mädchenschule in Kabul.

Ihren nackten Terror gegen alles und alle, die islamistische Regeln, uralte Stammesstrukturen, menschenverachtendes Verhalten gegenüber Frauen kritisierten, gar etwas dagegen unternahmen, soll man das vergessen?

Während sich süssholzraspelnde Taliban medial über die dummen Westler lustig machen, reicht ein Blick auf den starken Mann der fundamentalistischen Irren, Hibatullah Achundsada:

Hibatullah Achundsada ist der Nachfolger von Akhtar Mansur,  der von den USA per Drohne erledigt wurde. Mansur seinerseits trat die Nachfolge des Blutsäufers Mullah Omar an. Also eine Linie von Garanten der Frauenrechte, weichgespülte Taliban ohne jeglichen brutalen Fanatismus.

Oder einfacher gefragt: würden Sie diesem Mann ihre 12-jährige Tochter anvertrauen?

Vielleicht fragt sich der eine oder andere, wieso der aktuelle Präsident Afghanistans so schnell Fersengeld gab und ins Exil abschwirrte, bevor die Taliban Kabul einnahmen. Wohl weil er nicht wie sein Vorgänger enden wollte, als die Fundamentalisten das letzte Mal die Macht übernommen hatten. Mohammed Nadschibullāh, der damalige gewählte und amtierende Präsident, hatte es nicht rechtzeitig aus Kabul heraus geschafft. Wikipedia erzählt sein Ende:

«Nach seinem Sturz versuchte Nadschibullāh, Kabul zu verlassen, wurde aber von Einheiten Raschid Dostums daran gehindert. Er suchte Schutz im UN-Hauptquartier von Kabul. Dort blieb er bis zur Eroberung Kabuls durch die fundamentalistischen Taliban, die ihn am 27. September 1996 abholten, folterten und ermordeten[1] und den Leichnam, aufgehängt an einer Betonplattform für Verkehrspolizisten, vor dem Präsidentenpalast zur Schau stellten.»

Zurschaustellung Nadschibullahs: Aber heute sind die Taliban ganz anders.

Keine Ahnung zu Afghanistan haben, das ist schon ein Armutszeugnis für die sogenannten Qualitätsmedien in der Schweiz. Diese Lücke kann der interessierte Zeitgenosse noch mit der Lektüre angelsächsischer Medien einigermassen schliessen.

Dass bislang weitgehend Berichte über Reaktionen Schweizer Muslims fehlen, ist ein gesondertes Armutszeugnis. Dass alle kompromisslosen Kämpferinnen gegen die Unterdrückung der Frau und für das Gendersternchen keinen Mucks machen, wenn es um die Behandlung ihrer Schwestern in Afghanistan und den Applaus von Gesinnungstätern in der Schweiz geht, das ist der schwarze Rand der Armseligkeit und Heuchelei.

Länder, in denen die Scharia angewendet wird.

Dass aber aus Unkenntnis die Schalmeienklänge der inzwischen PR-geschulten Taliban nur mit leisen kritischen Tönen kolportiert werden, mit zaghaften Zweifeln, aber durchaus von der Haltung «man muss halt mal schauen» begleitet werden, das schlägt wirklich dem Fass die Krone ins Gesicht.

 

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*JUBILÄUM: Das ist der 1000. Beitrag auf ZACKBUM

 

Seit dem 25. Juli 2020 wird hier Medienkritik betrieben. Innert eines Jahres ist ZACKBUM nicht nur zu einer vielgelesenen, kritischen Stimme im Mediensumpf geworden.

Es wurde auch immer einsamer; NZZ, «Schweizer Journalist», «Medienwoche», gar «Edito»: alle anderen kritischen Begleiter der Medien sind verkümmert, entmannt oder verschwunden.

Dabei war es nie so nötig wie heute, die immer noch entscheidend wichtigen Organe der öffentlichen Meinungsbildung zu beobachten, zu analysieren und zu kritisieren. Das werden wir weiterhin tun. Mit Spass und Biss. Unabhängig, unparteiisch, keiner Korrektheit verpflichtet.

Wir danken allen Lesern für ihre Treue, ihre Kommentare und ihre Anregungen. Wir spüren den Leidensdruck in der Branche; so viele Whistleblower tragen Informationen an uns heran; auch dafür besten Dank. Wir scheuen uns nie, nach Überprüfung all die kleineren und grösseren Sauereien ans Tageslicht zu befördern.

Afghanischer Journalist bittet um Hilfe!

Ismael Shahamat war viele Jahre BBC-Korrespondent in Kabul. Er braucht Hilfe.

Shahamat lebt seit drei Jahren in der Schweiz ohne Anerkennung als Flüchtling. Mit dem folgenden Schreiben hat er sich an die «Reporter ohne Grenzen» gewandt, die zumindest behaupten, sie würden sich für Journalisten in Not einsetzen. Da er bislang keine Antwort erhielt, bat er mich, in seinem Namen bei der Organisation nachzuhaken und sein Schreiben hier auf Deutsch zu veröffentlichen.

Das tue ich gerne. Wer sich mit ihm in Kontakt setzen will, kann sich bei ZACKBUM melden; solche Anfragen werden an ihn weitergeleitet. Benützen Sie dazu zeyer@zackbum.ch.

 

Ismael Shahamat ist unverdrossen weiterhin als Journalist tätig.

Hilferuf an «Reporter ohne Grenzen»

«Ich bin ein afghanischer Journalist, der in der Schweiz Asyl beantragt. Meine ganze Familie lebt jedoch in diesen schwierigen Zeiten des Taliban-Aufstiegs, der Massenmorde an Zivilisten, die für die Regierung/NGOs arbeiteten, Journalisten, Zivilaktivisten und Soldaten, die sich ihnen ergeben haben, in Afghanistan.
Ich habe 15 Jahre für nationale und internationale Medien in Afghanistan gearbeitet. Die meiste Zeit arbeitete ich für BBC World Service und vor meiner Flucht aus Afghanistan arbeitete ich als Leiter von BBC Persian in Kabul; das bedeutet, ein großes Team aus TV, Radio, Online und Social Media zu leiten und für alle in Afghanistan produzierten Berichte und Inhalte verantwortlich zu sein. Aufgrund der ernsthaften Bedrohungen meines Lebens musste ich jedoch im November 2018 aus Afghanistan fliehen und habe noch im selben Jahr Asyl in der Schweiz beantragt.

Mein Fall:
Ich entkam zwei Entführungsversuchen in Kabul durch unbekannte Männer und erhielt viele Drohungen von Taliban und anderen extremistischen Gruppen in Afghanistan. Natürlich habe ich auch Berichte veröffentlicht, die auch die afghanische Regierung ins Visier genommen haben.
Darüber hinaus stand ich aufgrund der Art meiner Arbeit und meiner Verantwortung unter ständigem Druck und Drohungen von Taliban. Als leitender Korrespondent der BBC für Persien trat ich mehr als jeder meiner Kollegen auf der Leinwand auf und auch aufgrund meiner Online-Beiträge und -Berichte erhielt ich eine beträchtliche Popularität bei Journalisten, Politikern und unserem Publikum.
Wenn Sie meinen Namen speziell in Farsi googeln, finden Sie eine riesige Menge von Berichten von mir. In den meisten Berichten geht es um den Kampf gegen Terrorgruppen, darunter die Taliban.

In der Schweiz:
Ich mache weiterhin meinen Job als Journalist, der über internationale Konferenzen in Genf und Brüssel berichtet und mit afghanischen Fernsehsendern über die aktuelle Situation in Afghanistan, die Situation von Migranten in Griechenland und den europäischen Ländern spricht.
Außerdem wurde mein eigenes Facebook und Twitter zu einer Plattform für die neuesten Nachrichten über Afghanistan und die Brutalitäten der Taliban.
Wie oben erwähnt, habe ich aufgrund der ernsthaften Bedrohung meines Lebens Afghanistan verlassen und in der Schweiz Asyl beantragt. Es ist jedoch fast drei Jahre her, dass ich in Unsicherheit von meinen Kindern und meiner Frau getrennt lebe.

Meine familiäre Situation:
In diesen fast drei Jahren haben meine Frau und meine Kinder sehr gelitten. Sie können sich nicht vorstellen, wie sie diese schwierigen Zeiten mit Ängsten und Alpträumen überstanden haben! Aufgrund der Sicherheitsbedrohungen mussten sie ihre Adresse von Zeit zu Zeit ändern, nicht von einer Ecke der Stadt in eine andere, sondern von Kabul nach Ghazni und zurück. Ghazni ist meine Heimatstadt.
Meine Frau hat bereits ihre Gesundheit verloren. Mein Sohn und der Rest der Kinder leiden an psychologischen Problemen. Sie sind schwer depressiv und isoliert, weil ihnen der normale Kontakt zu den Kindern ihres Alters lange Zeit vorenthalten wurde und sie kein normales Leben wie andere führen.

Aktuelle Bedrohungen:
Da die Taliban die volle Kontrolle über die Hauptstadt Kabul haben, sind die Ängste vor Vergeltungsmaßnahmen und Tötungen der Menschen, die gegen sie gekämpft haben, besonders bei Journalisten so groß, dass Ängste, Chaos und Panik entstanden sind. Es hat jedem meiner Kinder den Schlaf geraubt. Jeder Moment ist ein Albtraum für mich und meine Familie. Ich habe Informationen erhalten, dass sie anfangen, nach Leuten zu suchen, die für die Medien und Regierungsbeamte arbeiten.
Ich befürchte, dass sie zu meiner Familie kommen und sie unter Druck setzen, mich nach Kabul zurückzubringen, wie sie es bei den Familien einiger Militärkommandeure getan haben, um sie zu zwingen, ihre Waffen niederzulegen und sich den Taliban zu ergeben. Zusammen mit meiner Frau leben drei meiner Töchter über jeweils 12, was sie der Gefahr einer Zwangsheirat aussetzt, die als «Jihad u Nikah» bezeichnet wird! Meine Töchter haben solche Angst und rufen mich an, etwas für sie zu tun.

Es hat mir das Herz gebrochen, sie um Hilfe schreien zu hören …

Ich bin Journalist und habe mich in den letzten 20 Jahren der Förderung von Menschenrechten, Freiheit und anderen Werten verschrieben, die von den Taliban und anderen extremistischen Gruppen als westliche Werte angesehen werden!

Bitte helfen Sie mir, etwas für meine Familie zu tun, bevor es zu spät ist!»

Bleibt nur hinzuzufügen: Wieso unterstützt sonst niemand aus der Schweizer Journaille diesen Mann? Wieso hilft keiner der linken Maulhelden von Molina abwärts und aufwärts?

Afghanistan: Medien im Vollschleier

Der Verkauf einer Zeitung ähnelt immer mehr der Wegelagerei.

Kleine Meldungen können zumindest verzweifelt erheitern. So lud die US Army 640 Afghanen in ein einziges Flugzeug, um sie aus Kabul zu evakuieren. Das nennt man Effizienz. Deutschland, früher mal für Effizienz bekannt, hat auch eine Maschine zum Einsatz gebracht. Allerdings: bloss sieben Afghanen schafften es an Bord.

Immerhin: Das schafft die US Air Force.

Für solche Meldungen ist Tamedia zu haben:

Der «Tages-Anzeiger» erfreut seine Leser (sogar ohne Bezahlschranke) zudem mit einer Analyse zu einem Thema, das viele umtreibt: Wieso ist die afghanische Armee dermassen schnell zu Staub zerfallen?

Wie kann man es erklären, dass Multimilliarden in angeblich 300’000 Soldaten investiert wurden, Ausrüstung, Beratung, High-Tech-Waffen, unterstützt von allem, was moderne Drohnen-Kriegsführung zu bieten hat. Inklusive Fernbombardierungen von Zusammenballungen von Taliban-Kämpfern. Leider wurde ab und an eine Hochzeitsgesellschaft damit verwechselt. Im dümmsten Fall auch die anschliessende Trauerfeier nochmal bombardiert.

Die Analyse im «Tages-Anzeiger»: Qualität halt, die kostet.

Aber wie auch immer, wie kann das erklärt werden? Joachim Käppner hat ein paar Antworten, die Tamedia am Dienstag um haargenau 10.11 Uhr ihren Lesern serviert. Qualitätsmedien halt, das macht den Unterschied, das liest man nur hier, da steckt Eigenleistung dahinter.

Eigenleistung kann auch geliehen werden

Eigenleistung? Um 9.12 Uhr hatte die «Süddeutsche Zeitung» ihren Lesern bereits den gleichen Artikel kredenzt. Mit dem gleichen Titel, gleichen Inhalt, gleichen Autor. Offenbar brauchte die Qualitäts-Auslandredaktion von Tamedia eine Stunde, um das ß durch ss zu ersetzen, und falls irgendwo von «parken» die Rede war, musste das natürlich zu «parkieren» eingeschweizert werden. Ach, und ein anderes (schlechteres) Foto verwendet Tamedia auch.

Das Original; man beachte den gewaltigen Unterschied im Titel.

Wie das? Nun, Dr. Käppner ist «Leitender Redakteur, Innenpolitik» bei der SZ. Pardon, also Redaktor. Das befähigt ihn offensichtlich zu einer Ferndiagnose der Ursachen des widerstands- und beispiellosen Zusammenbruchs der afghanischen Armee (ANSF): «Die ANSF dagegen sind die Armee eines Staates, der nicht funktionierte, und so konnte sie das auch nicht tun.»

Die gleiche tiefschürfende Erkenntnis legte die SZ übrigens ihren Abonnenten bereits am frühen Morgen mit der Printausgabe in den Briefkasten. Denen würde die Wiederholung des Artikels um 10.11 Uhr in den Qualitätsmedien von Tamedia also nur ein müdes Gähnen entlocken.

Was der Artikel mangels Tiefe der Analyse allerdings überall und jederzeit schafft. Nebenbei drischt der Autor, das ist bei SZ obligatorisch, im Nachgang auf den Ex-Präsidenten Trump ein, dem das Schicksal Afghanistans herzlich egal gewesen sei. Was sein Versagen auch hier deutlich zeigt und in völligem Kontrast zu Onkel Biden steht; dem neuen US-Präsidenten liegt das Schicksal Afghanistans offensichtlich ausgesprochen am Herzen.

Ist nichts wert, kostet aber

Wohlgemerkt verlangt Tamedia für diesen aufgewärmten Dünnpfiff satte 581 Franken im Jahr, will man auch noch die SoZ in Print und digital, lässt man 751 Franken liegen. Will man’s digital als E-Paper, muss man immerhin 319 Franken abdrücken. Oder man wählt das schnuckelige Abo «Weekend». Für schlappe 399 Franken ist dann am Samstag und am Sonntag Papier im Briefkasten, das E-Paper während der Woche und alle Abo-Inhalte digital inklusive.

Bei einem solchen Angebot muss man doch zugreifen, liebe ZACKBUM-Leser. Wer’s schon hat, bereut es keine Sekunde, wer’s nicht hat, dem entgehen wichtige Informationen und Zusammenhänge. Nein, das ist nicht unser Ernst.

Die Bestseller aus dem Hause Tamedia.

Afghaninnen: achtlos

Solidarität mit Frauen in Afghanistan? Ach was, nicht mal verbal.

Die Aufgabe von Journalisten ist es, die Wirklichkeit abzubilden. Die Aufgabe von Journalistinnen ist es auch, auf Missstände hinzuweisen, sie anzuprangern. Mehr als 75 Mitarbeiterinnen von Tamedia haben das diesen Frühling getan.

Sie unterzeichneten ein Protestschreiben und sorgten dafür, dass es via einen anrüchigen Absender an die Öffentlichkeit gelangte. Sie beschwerten sich darin über demotivierende Zustände auf den Tamedia-Redaktionen. Dort herrsche Sexismus, Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen. Unerträgliche Zustände.

Es ist jedem Mitarbeiter freigestellt in unserer offenen Gesellschaft, sich über alles zu beschweren. Selbst über seinen Arbeitgeber, selbst mit unbelegten Behauptungen, selbst mit geschäftsschädigenden Auswirkungen. Selbst mit Klagen über Phantomschmerzen.

Erziehungsmassnahme in Afghanistan.

Vom Genuss selbstverständlicher Rechte

Dazu sind diese Frauen in der Lage, weil sie selbstverständliche Rechte geniessen. Sie konnten zur Schule gehen, sich ausbilden lassen, mehr oder minder frei ihre Berufswahl treffen. Sie sind sich gewöhnt, öffentlich aufzutreten, ihre Meinung mündlich und schriftlich, in Bild und Ton kundzutun. Unverschleiert, unzensiert, ohne deswegen um Leib und Leben fürchten zu müssen.

Schülerinnen in Afghanistan. Historische Aufnahme.

Seit sich das schwarze Leichentuch des islamischen Fundamentalismus über Afghanistan gelegt hat, seit religiöse Irre wieder die Macht ergriffen haben, sieht es dort anders aus. Da die Demokratie nicht mehr länger auch am Hindukusch verteidigt werden muss, hat der freie Westen alles und alle verraten. Alle Werte, die er den Afghanen vorgebetet hat. Alle armen Afghanen, die darauf vertrauten.

Alle, die sich kenntlich gemacht haben, indem sie moderne, zivilisatorische Werte verteidigten, sind lebende Tote, Zielscheiben mit aufgemaltem Fadenkreuz. Sie können nur, wohl vergeblich, auf ein schnelles Ende hoffen. Ohne vorangehende Vergewaltigung, Folterung, Entwürdigung.

Die Taliban haben dazugelernt

Selbst die Taliban sind nicht völlig verstockt und dumm. Sie haben, im Gegensatz zur letzten Machtübernahme, bei der Bedeutung von Bildern, Symbolen und von PR dazugelernt. Sie schaffen es sogar, einzelne Beobachter einzulullen. Die ihnen abnehmen, dass sie auch die Rechte der Frau respektieren wollen, sie nicht am Schulbesuch hindern, keinesfalls einzig im Vollpräservativ auf die Strasse lassen werden. Sie nicht als dem Mann völlig unteränige, zweitklassige Wesen betrachten werden, völlig der Willkür, der Herrschaft, den Launen ihres Gebieters, Herrn und Dominators ausgesetzt.

1996: So erging es dem damaligen Präsidenten Najibullah. Der aktuelle ist lieber geflohen.

Offenbar alles auch nur Phantomschmerzen, wenn sich afghanische Frauen, die sich exponiert haben, darüber beklagen, dass der Westen sie den Wölfen zum Frass vorwirft.

Ob es daran liegt, dass von den mehr als 75 Frauen von Tamedia, die sich so eloquent gegen Sexismus und Unterdrückung aussprachen, allerdings nur in eigener Sache, hier nichts zu hören ist?

Scherze sind völlig unerwünscht bei den Taliban.

ZACKBUM wollte es genauer wissen. Im Gegensatz zu immer mehr Medien halten wir eisern an einem journalistischen Prinzip fest: audiatur et altera pars. Man höre auch die andere Seite. Das wird zwar von «Republik» bis Tamedia, von «Blick» bis NZZ immer seltener eingehalten.

Wir hätten wieder ein paar Fragen an die Tamedia-Protestfrauen

Wir aber haben, ungeachtet der Tatsache, dass wir noch nie einer Antwort gewürdigt wurden, den erregten Tamedia-Frauen wieder Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Konkret haben wir ihnen diesen offenen Brief geschickt:

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Protestschreibens im Hause Tamedia, in dem Klage geführt wird über Sexismus, Diskriminierung und Unterdrückung gegenüber Frauen.

Seither haben Sie sich in dieser Sache nicht mehr zu Wort gemeldet.

Sie haben als Medienschaffende sicherlich die tragischen Ereignisse in Afghanistan zur Kenntnis genommen. Wie immer, wenn fundamentalistische Taliban die Macht ergreifen, bedeutet das vor allem für Frauen Knechtschaft, Unterdrückung, die Missachtung grundlegender Menschenrechte und Schlimmeres wie sexuelle Ausbeutung.

Dazu hat ZACKBUM ein paar Fragen:

  1. Wieso raffen Sie sich zu keinem Protestschreiben als Ausdruck der Solidarität mit den afghanischen Frauen auf?
  2. Wieso kündigen Sie nicht an, sich in der Schweiz intensiv um die Brüder im Geist zu kümmern, die mehr oder minder offen ähnliches Gedankengut wie die Taliban in Afghanistan verbreiten?
  3. Wieso zeigen Sie nicht tätige Solidarität, indem Sie das tun, wozu Sie eigentlich angestellt sind: journalistische Recherchen betreiben, um in diese Dunkelkammern hineinzuleuchten?
  4. Wann kann man mit den ersten Ergebnissen dieser gelebten Solidarität rechnen?
  5. Haben Sie bereits ein entsprechendes Protestschreiben vorbereitet, wenn ja, können wir das auf ZACKBUM veröffentlichen?

Gerne erwarten wir Ihre Reaktion bis Mittwoch, 18. August 2021, 10.00 Uhr und bedanken uns im Voraus dafür.

Bislang haben wir nur die üblichen Ferienabwesenheitsmeldungen gekriegt. Wetten, dass bis 10 Uhr keine weitere Reaktion eintreffen wird?

Strafe für Ehebruch muss unter den Taliban sein.

Denn, Hand aufs Herz, es liegt doch nicht an ZACKBUM, dass diesen Tamedia-Frauen nur ihr eigenes Schicksal nicht scheissegal ist. Wenn es über wohlfeiles Maulheldinnentum mit Solidaritätsadressen usw. hinausgehen müsste, also in Arbeit ausarten würde, dann herrscht Ruhe, dann verstecken sie sich hinter ihrer Art von Vollverschleierung. Schamlos schamvoll, feige und heuchlerisch.

GI, verloren in Afghanistans Labyrinth.

Mediales Desaster Afghanistan

Was bieten die Schweizer Medien? Erbärmliches, Newsticker und Wiedergekäutes.

Es ist ein Ereignis von der Dimension des Endes des Vietnamkriegs.

Das Dach der US-Botschaft in Saigon, 1975.

Das Dach der US-Botschaft in Kabul, 2021:

Zusammenstellung der deutschen «Bild»-Zeitung …

1975 war mediale Steinzeit, im Vergleich zu heute. Gerade war eine moderne Datenübertragungsmaschine erfunden worden: das Faxgerät.

Aller Anfang ist klobig.

Kein Vergleich zu heute; Internet, real time Videos, man kann live dabeisein, wie Kabul in die Hände der Taliban fällt. Kaum hat eine ihrer Horden am Schreibtisch des geflohenen Präsidenten Platz genommen, geht das Bild bereits um die Welt. Denn auch die Taliban sind nicht mehr die Steinzeitkrieger von früher. Sie wissen sehr genau, mit welchen Bildern und Aussagen sie die Medien beliefern müssen.

«Respekt vor dem Rechtsstaat», natürlich auch vor Frauen, keine Massaker mehr, keine Massenvergewaltigungen, keine Plünderungen, alles ganz friedlich und zivilisiert diesmal. Aber eben auch sehr überraschend für die ausgedünnten News-Redaktionen der Schweizer Medien. Was macht man da? Man verzichtet weitgehend auf alles, wofür man eigentlich Geld verlangen könnte. Nämlich Einordnung, Analyse, Hintergründe. Stattdessen gibt’s den «Newsticker».

Ein Euphemismus für: wir haben doch auch keine Ahnung und schütten einfach ins Blatt, was zugeliefert wird.

Die Newsquelle mit der höchsten Einschaltquote.

 

Es wird getickert, was der Ticker hergibt.

Neben Getickertem, was können die Qualitätsmedien sonst noch bieten? Natürlich, der «Experte» muss ans Gerät. Nur: wer? Glücklicherweise gibt es da die Allzweckwaffe für alle Gelegenheiten, der einzig wahre Nachfolger von Peter Scholl-Latour selig. Natürlich, es handelt sich um Erich Gysling, 85.

Der «Blick» war am schnellsten.

Aber immerhin, bislang hat noch keine Auslandredaktion, selbst wenn sie nur noch aus zwei Personen besteht wie bei CH Media, Afghane so verwechselt:

Handgeknüpfter, nicht aufgeknüpfter Afghane.

Aber wer nach Hintergründen, Analysen, Erklärungen sucht, der muss auf angelsächsische Medien ausweichen. Englischkenntnisse allerdings vorausgesetzt.

#Afghanin?

Was sagen denn die Schweizer Nabelbeschauer zu Afghanistan?

Reden wir nicht vom völligen Desaster von 20 Jahren westlicher Afghanistan-Politik. Militäreinsatz, Aufrüstung der Armee mit Multimilliarden, Zivilgesellschaft, Einhalten von primitivsten Menschenrechten, vor allem für Frauen – das zerbröckelt in atemberaubender Geschwindigkeit.

Stattdessen ein islamisches Emirat, Scharia, Frauen zurück ins Mittelalter. Alle, die sich für ein modernes Afghanistan engagierten, müssen um ihr Leben fürchten. Alle, die auf westliche Zusagen vertrauten, fühlen sich zu recht verraten und verkauft.

Afghanistan ist aktuell wohl die grösste zivilisatorische Katastrophe auf der Welt, und die ist daran nicht arm. Nun ist Kabul auf dem Landweg rund 6900 Kilometer entfernt; ohne gröbere Hindernisse wäre man um die 80 Stunden unterwegs.

Also kann man sich sicherlich fragen, was uns das denn in der Schweiz angeht, was die Katastrophe in Afghanistan vom jüngsten Erdbeben in Haiti unterscheidet. Von vielen anderen Elendslöchern, Schlachtfeldern, korrupten gescheiterten Staaten in Afrika.

Gibt es Afghanistan auch in der Schweiz?

Es gibt tatsächlich einen Aspekt, der Afghanistan zuvorderst auf die Agenda auch in der Schweiz setzen sollte. Auf die Agenda von allen, die sich intensiv, ausführlich, wortgewaltig dem Kampf gegen Sexismus, Frauenverachtung, Diskriminierung und Unterdrückung aufgrund des Geschlechts widmen.

Denen die Sprache gar nicht gendergerecht genug sein kann. Die mit äusserster Sensibilität in ach so vielen Worten, Verhaltensweisen, Beschreibungen versteckten oder offenen Sexismus denunzieren, die sich dadurch verletzt, erniedrigt, unterdrückt, diskriminiert, als Menschen zweiter Klasse empfinden.

Währenddessen in Afghanistan viele Berichte belegen, dass die Taliban trotz guter PR sich so verhalten, wie es diesen fundamentalistischen Irren eben gemäss ist: Frauen sind zu behandeln wie Vieh, Schulen, Bildung, Gleichberechtigung, das sind dekadente Verirrungen, das Abweichen von angeblich klaren islamistischen Prinzipien. Schlimmer noch, wer sich dafür engagierte, ob Mann oder Frau, ist an Leib und Leben gefährdet.

Welche dieser Afghaninnen ist in Lebensgefahr?

Bedauerlich, aber weit weg. Weniger weit weg sind Vertreter dieses Gedankenguts, dieser Ideologie in der Schweiz. Zur Klarstellung: Die meisten Muslime sind keine Islamisten. Die meisten Islamisten sind keine Terroristen, keine Taliban.

Aber diese Fanatiker, Fundamentalisten, Terroristen, Gotteskrieger verüben ihre Verbrechen im Namen des Islams. In Afghanistan, in Frankreich, in Deutschland, überall auf der Welt. Nur einzelne Hassprediger in der Schweiz wagen es, sich offen zu den Zielen der Taliban zu bekennen, offen deren Greueltaten als gottgefällig zu loben.

Wie halten es islamische Organisationen mit den Taliban?

Aber Organisationen wie der Islamische Zentralrat in der Schweiz, die Fids, die Dachorganisation der sunnitischen Muslime in der Schweiz, KIOS, VIOZ, die «Türkisch Islamische Stiftung für die Schweiz» und all die Tarnorganisationen, die von Saudi-Arabien, Katar usw. unterstützt werden, wie steht es mit denen? Nein, es geht hier nicht um das Einfordern einer wie auch immer deutlichen Distanzierung oder Bekenntnisse zu westlichen Werten. Es geht nicht um den Kampf gegen Bestrebungen, die Scharia auch in der Schweiz zu ihrem Recht zu verhelfen.

Es geht auch nicht um das peinlich berührte Schweigen der Linken, wenn es vor allem um den Antisemitismus all dieser Organisationen oder sie unterstützenden Staaten geht. Es geht um etwas ganz Banales:

Wieso kümmern sich all die #metoo-Kreischen, die #aufschrei-Aufschreienden, die in eigene Nabelschau Versunkenen nicht um ein zum Himmel schreiendes Unrecht, das vor allem gegen Frauen verübt wird? Nicht mit wohlfeilen und nutzlosen Solidaritätsadressen an die mutigen, aber zum Tode verurteilten Frauen in Afghanistan. Sondern mit Aktionen gegen Vertreter dieser Ideologie, dieser Verlierer-Religion in der Schweiz.

Hat dieses Mädchen eine menschenwürdige Zukunft?

Statt seitenlange Grübeleien, wie man die deutsche Sprache gendergerecht machen könnte, wieso nicht Recherchen, Reportagen, Analysen aus diesen Dunkelkammern? So als Wiedergutmachung dafür, dass sich Teile der Frauenbewegung im Kampf gegen das Burkaverbot lächerlich machten?

Müssen wir hier Namen von Exponentinnen nennen, die den Ganzkörperpräservativ als freie Entscheidung von Frauen hochjubelten, mit dem sie sich in unserer sexistischen Gesellschaft lüsternen männlichen Blicken entziehen wollten?

Man kann doch für Verirrungen, Fehlmeinungen und Irrtümer auch tätige Reue leisten. Hier und heute. Nicht im fernen Afghanistan, sondern in der Schweiz. Wie wär’s? Wollen die 75 Unterzeichnerinnen des Protestschreibens gegen Sexismus bei Tamedia nicht den Anfang machen?

Wie lange wird es das in Kabul noch geben?

ZACKBUM wird sehr gerne eine entsprechende Stellungnahme veröffentlichen. Unzensiert. Grosses männliche Ehrenwort.