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Wer war’s?

Nicht nur in einem Krimi eine gute Frage.

Die TV-Serie Columbo war grossartig. Nicht nur wegen des Hauptdarstellers, sondern auch, weil sie das klassische Krimimuster auf den Kopf stellte. Denn am Anfang konnte man dem Mörder beim Mord zuschauen. um dann gebannt zu verfolgen, wie es dem Kommissar («ich hätte da noch eine Frage») gelang, ihm auf die Schliche zu kommen.

Beim barbarischen Terrorakt von Moskau (ja, das ist eine Formulierung von Putin, ertappt) reklamiert eine Abspaltung des Islamischen Staats die Urheberschaft für sich. Offensichtlich kann sie das mit einigen Videos untermauern,

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ihr das alle abnehmen. Präsident Putin hat den Islamischen Staat Provinz Khorasan (IS-K) bislang mit keinem einzigen Wort erwähnt. Dafür macht er die Ukraine verantwortlich, zumindest als Helfershelfer. Sie habe den Attentätern, die laut russischen Aussagen in einer Grenzprovinz zur Ukraine festgenommen wurden, ein Fluchtfenster geöffnet.

Ganz anders sieht das der Militärexperte Albert Stahel. Der poltert auf «Inside Paradeplatz»: «Aufgrund ihrer Wirkungslosigkeit in Afghanistan ist es kaum vorstellbar, dass diese Splittergruppe von ihrer afghanischen Machtbasis aus, fähig gewesen wäre den Anschlag in Moskau zu planen, geschweige denn auszuführen.» Stattdessen sieht Stahel den russischen Geheimdienst FSB als möglichen Urheber, währenddessen SRF eine «Märchenstunde» abhalte, angefüttert von den Geheimdiensten BND und CIA.

Dieser Position kann man eine gewisse Originalität nicht absprechen. Der Terroranschlag auf einen Zug in Spanien, Bataclan in Paris, Nizza, Berliner Weihnachtsmarkt und nicht zuletzt 9/11: immer wieder zeigt es sich, dass westliche Gesellschaften nicht gegen brutale Terrorattacken gefeit sind. Ebenso wenig die autoritär kontrollierte russische.

Selbst in der überkontrollierten chinesischen Gesellschaft gab es Terroranschläge. Früher waren es häufig Links- oder Rechtsterroristen, wenn man beispielsweise an Italien denkt. Auch die spielen noch eine gewisse Rolle, vielleicht sollte man bei all diesen Anschlägen die Autobombe nicht vergessen, die der Rechtsextremist Timothy McVeigh 1995 in Oklahoma City zündete und die 168 Menschenleben forderte.

Die Liste ist leider endlos, auch wenn islamische Fanatiker in den letzten Jahren eindeutig die Haupttäter sind. Von ähnlichen Anschlägen in dieser Dimension durch christliche oder jüdische oder anderen Religionen angehörenden Fanatikern ist jedenfalls nichts bekannt.

Allerdings gibt es auch eine fatale Reaktion auf solche barbarischen Attentate. Die USA behaupteten nach 9/11 fälschlich, der Irak sei neben Afghanistan daran beteiligt. Resultat: völliges Desaster. Frankreich schlug in Mali zu, völliges Desaster. Israel wütet im Gazastreifen, Desaster.

Wer war’s nun in Moskau? Es sieht ganz danach aus, dass der Anschlag von Mitgliedern des IS-K durchgeführt wurde. Taten sie das ungeholfen – oder wurden sie unterstützt? Wenn ja, von wem? Dem russischen, ukrainischen, einem westlichen Geheimdienst? Die Lage ist unübersichtlich. Alleine Arthur Rutishauser versucht, eine kleine Kerze zu entzünden:

«Der einzige Hoffnungsschimmer, den es in dieser düsteren Lage gibt, ist, dass es doch ausgerechnet die Amerikaner waren, die Moskau vor Terroranschlägen warnten. Und dies, obwohl die Beziehungen zwischen Russland und den USA, zwischen Putin und Joe Biden, so schlecht sind wie kaum je zuvor.»

Zumindest wäre es interessant zu wissen, wie konkret diese Warnungen waren, ob sie Putin zu recht als «Provokationen» abtat – oder ob sich der autokratische Lenker im Kreml einmal mehr vertat.

Wer’s war, das ist hier wie in einem Columbo-Krimi von Anfang an klar. Motiv, Hintergründe, Helfershelfer? das würde nicht mal der geniale Detektiv herausfinden.

Da war doch noch was?

Die schwindsüchtigen Medien können kein Multitasking.

Eigentlich ist der ukrainische Präsident Selenskyj fast zu bedauern. Da ist er extra nach Brüssel gereist, wird dort auch mit allem Brimborium empfangen, fordert wie immer mehr Geld und mehr Waffen, kann das sogar auf Englisch sagen – aber irgendwie verhält sich die Öffentlichkeit so wie der Teenager, der so tut, als würde er dem Vater zuhören, während er in Wirklichkeit seine Social Media Kanäle überprüft.

Richtig Schlagzeilen macht das nicht.

Dabei verging doch bis zum vorletzten Samstag kein Tag, an dem nicht neue Theorien über die Erfolge (oder Misserfolge) der ukrainischen Offensive aufgestellt wurden. Besonders blamiert hat sich dabei der ETH «Militärökonom» Marcus Keupp. Die «Weltwoche» haut ihm um die Ohren, dass er im November 2022 einen furchtbaren Fehler machte. «Russland wird den Krieg im Oktober verloren haben», wagte er eine Prognose mit Zeitangabe. Schwerer Fehler, so vom Oktober 2023 aus gesehen. Könnte man meinen. Der Nachfrage nach seinem «Expertenwissen» hat das aber keinen Abbruch getan.

Schade, früher wurde der Seher, der sich mit seiner Prognose getäuscht hatte, mit Schimpf und Schande in die Wüste geschickt – wenn er den Zorn seiner Gläubigen überlebte. Heute darf Quatschkopf Keupp einfach weiterfaseln. Sicher bald über Israel, Vorläufig diagnostiziert er aber eine «Woche des russischen Blechhaufens». Endlich wissen wir, woher der Ausdruck «Blech reden» kommt …

Aber das macht alles nix, die Ukraine ist einfach nicht sexy im Moment.

Das gilt aber eigentlich immer für die Schlachtereien in Gegenden der Welt, die nur von Schwarzen bewohnt werden, die nicht auf bedeutenden Rohstoffen hocken. Das gilt auch für Myanmar, wo die Militärdiktatur immer mal wieder ein Massaker an den Rohingya verübt. Das gilt für Afghanistan, wo nach Nachbeben ganze Landstriche völlig verwüstet sind, Tausende von Menschen gestorben und Hilfe nur ganz schwer zu den Einsatzorten gelangt, weil die Infrastruktur inklusive Strassen verkommen ist.

Das gilt für Millionen von Frauen, die in einer der wohl grausamsten und brutalsten Riten, die es gibt, verstümmelt werden. Rund 200 Millionen Mädchen und Frauen sollen nach Schätzungen weltweit beschnitten worden sein. Ihnen wurde mit oftmals primitivsten Werkzeugen die Klitoris ohne Betäubung herausgeschnitten.

In rund 30 Ländern Afrikas und des Nahen Ostens sowie in einigen Ländern Asiens und Lateinamerikas wird Genitalverstümmelung praktiziert. Im Sudan oder in Guina zum Beispiel sind über 90 Prozent aller Frauen verstümmelt; beschnitten kann man das nicht nennen.

Damit soll die Libido der Frau verringert werden und sichergestellt, dass sie vor der Ehe keine sexuellen Beziehungen hat und währenddessen treu bleibe. Wer das durchführt, duldet oder gar befürwortet, ist ein Verbrecher. Erfreut sich aber des weitgehenden Desinteresses der westlichen Medien.

Dann gibt es die lange Liste von korrupten, menschenverachtenden und ihre Bevölkerung in Armut haltenden Diktaturen oder Regimes, die aber eine Eigenschaft haben, weswegen sie mit Nachsicht rechnen können. Sie sind dem Westen zugetan und lassen westliche Transnationale mehr oder minder ungehemmt die Rohstoffe ausbeuten, die das Land hergibt.

Natürlich möchte kein Medienkonsument von morgens bis abends mit solchen Meldungen beschallt werden. Das wäre ja nur mit Aufhellern oder grösseren Mengen Alkohol zu ertragen.

Aber diese repetitiven, um die gleichen Fakten und Bilder herummäandernde Berichterstattung über das Grossereignis des Tages, der Woche, gar des Monats, das ist mindestens so schwer zu ertragen. Genau wie die sehr selektive Auswahl, was denn nun gerade der Riesenrumms ist.

Aber nicht nur das Gelärme ist schwer zu ertragen, auch das Schweigen ist oftmals widerwärtig. Während ein paar Todesmutige versuchen, noch etwas Verständnisvolles über die Hamas zu sagen, haben sich alle Palästinensertuchträger, alle Lagerbesucher, alle Solidaritätsredner mit der palästinensischen Sache in ihre Löcher verkrochen und hoffen, dass man nicht an alte Aussagen von ihnen erinnert.

Nicht minder widerlich ist das kollektive Schweigen aller Kampffeministinnen. Geht es darum, die vermeintlichen Untaten eines Pop- oder Filmstars zu beklagen, dann sind ganze Chöre unterwegs, die sich vor Entrüstung nicht mehr einkriegen. Ungeachtet, ob die Vorwürfe auch nur einen Hauch von Plausibilität haben.

Nun hat es mehr als einen Hauch von Plausibilität, dass die Hamas-Horden in Israel nicht nur getötet haben, sondern auch massenhaft vergewaltigt. Nur: da schweigt das «#metoo»-Lager stille. Selbst bei angeblichen russischen Vergewaltigungen erhebt sich noch Protest, aber hier? Bislang null.

Das gilt im Übrigen auch für die islamischen oder islamistische Organisationen in der Schweiz. Natürlich wird die Gewalt verurteilt, ungefähr so butterweich wie vom Palästina-Freund Fabian Molina die «Gewalteskalation». Aber eine klare Aussage dazu, ob sich die Hamas zu Recht auf den Islam, auf den Koran beruft oder nicht? Schweigen.

Wie dichtete Bertolt Brecht in anderen Zeiten, in unseren nicht mal so fernen Zeiten an die Nachgeborenen:

«Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!»

Nur: vielleicht wollen die Klimakleber über Bäume sprechen, aber die anderen wollen lieber über alles schweigen, was ihnen nicht zupass kommt. Wie armselig.

Geschichte, reloaded

Der NZZ-Redaktor im Unruhestand schreibt die Geschichte neu.

Wer pensioniert ist, hat viel Zeit. Wer als Journalist pensioniert ist, hat meistens noch Schreibdrang. Da seine Werke wohlfeil zu haben sind, bringt sie sein ehemaliges Organ NZZ gerne. Dort sondert er dann Einschätzungen ab, die meistens schon veraltet sind, sobald er sie formuliert hat.

Nun fasst er gewaltig unter den Mantel der Geschichte und bläst in ihn, bis er kräftig flattert:

Denn er hat eine Idee, die auf den ersten Blick ausbaufähig erscheint. Im Februar 1989 zogen sich die letzten sowjetischen Truppen aus Afghanistan zurück. Natürlich soll das der Anfang eines Vergleichs mit der Invasion der Ukraine in der Jetztzeit sein. Rund zwei Jahre später hörte die UdSSR offiziell auf zu existieren. Bevor Schmid aber parallelisieren kann, muss zuerst eine Packungsbeilage her: «Natürlich kollabierte die Sowjetunion nicht wegen der Invasion in Afghanistan – nicht nur.» Nicht nur, oder eher nicht. Oder eigentlich überhaupt nicht.

Aber man soll sich doch nicht von Fakten eine schöne Story kaputtmachen lassen. Um die Grundlagen für Parallelen zu schaffen, pflügt Schmid nun die Geschichte der sowjetischen Intervention in Afghanistan kräftig um und holzt mal los:

«Moskau handelte in Afghanistan imperialistisch, völkerrechtswidrig und verbrecherisch: in der Ukraine genauso

Das ist natürlich, gelinde gesagt, Unsinn. In Afghanistan war eine kommunistische Regierung an der Macht, die fortschrittliche Reformen durchsetzen wollte und durch fundamentalistische Wahnsinnige in ihrer Existenz gefährdet war. Ihr wollte die Sowjetunion zu Hilfe eilen. Denn was immer man von der UdSSR und dem Kommunismus halten mag: für die afghanische Bevölkerung, in erster Linie für die Frauen, für die Analphabeten, für die Armen und Geknechteten war es ein Segen, ein Lichtblick, der Anfang des Weges ins 20. Jahrhundert.

Dann lässt Schmid ungefähr die Hälfte der Wahrheit einfach weg:

«Die Hilfe für die Mujahedin lief schleppend an, aber nach ein paar Jahren hatten die USA zusammen mit Pakistan und den Saudi effiziente Nachschubnetze aufgebaut.Heute statten die USA und Europa die Ukraine mit Geld, Waffen und geheimdienstlichen Erkenntnissen aus. Was sie wieder nicht schicken, sind Truppen.»

Die andere Hälfte wäre: nachdem nicht zuletzt durch die Lieferung von Stinger-Raketen die Sowjetunion zum Rückzug gezwungen wurde, errichteten die sogenannten «Freiheitskämpfer» der Mujahedin ein mittelalterliches, frauenfeindliches, religiösen Wahnsinn verherrlichendes Regime – und wurden zur Brutstätte des internationalen Terrorismus, boten sich als Operationsbasis für eine Unzahl von Terrororganisationen an – auch Bin Laden machte davon gerne Gebrauch.

Als die USA nach 9/11 davon genug hatten, versuchten sie selbst – letztlich genauso erfolglos wie die UdSSR – in Afghanistan militärisch einzugreifen. Zu ihrem besonderen Ärger mussten sie feststellen, dass Stinger-Raketen keinen Unterschied zwischen sowjetischen oder US-Helikoptern machten. Die USA hatten sich hier selbst eine Brutstätte von fundamentalistischem Terror herangezüchtet und die sogenannten «Freiheitskämpfer» mit Waffen ausgerüstet, die die nun gegen die USA einsetzten. Welch Absurdität.

Diesen Teil der Geschichte lässt Schmid einfach weg, denn das würde ja nicht in die Parallelität passen – denn die Ukrainer mögen zwar teilweise angebräunt sein, aber fundamentalistische Wahnsinnige sind sie sicher nicht.

Aber was soll’s, wie schreibt Schmid entlarvend offenherzig: «Droht Russland heute dasselbe Schicksal? Wird Putin nach einer Niederlage stürzen wie einst Gorbatschow? Wird Russland zerfallen wie die Sowjetunion? Niemand kann es sagen. Doch die Freunde der historischen Analogie frohlocken: Tatsächlich finden sich Ähnlichkeiten, Parallelen und Übereinstimmungen zuhauf

Parallelen finden sich immer, wenn man sie selbst in die Geschichte hineinträgt, um sie dann frohlockend zu «entdecken». Während aber zuvor im Artikel Putin noch sicher im Sattel sitzt, lässt Schmid am Schluss seiner Wunschvorstellung freien Lauf:

«Der Westen könnte sich noch wundern, wie schnell das Volk von Putin und seiner kriegslüsternen Kamarilla abrückt, wenn ihm das Wasser zum Hals steht. Jahrelang werden auch die an Leib und Seele Verwundeten zurückkehren. Sie werden in ein Land kommen, das wirtschaftlich ermattet ist und kaum noch in der Lage sein wird, sie zu unterstützen.»

Bevor das passiert, wundert sich allerdings der Leser, wieso die NZZ einem dermassen ahistorischen, einäugigen, polemischen Artikel eine ganze Seite einräumt. Sicher, ehemalige Mitarbeiter soll man ehren, aber auf Kosten des Lesers?

Beknackt gegen den Strom

Alle sagen weiss, wir sagen schwarz. Damit will die WeWo punkten.

Putin ist unverstanden, nur die «Weltwoche» weiss, was die Neutralität der Schweiz beinhaltet. Im Zweifel herrscht der Reflex für das Konservative, gegen alles Linke. Das kann Spass machen, das kann Widerhaken setzen, das kann die Debatte anregen. Oder aber, es ist einfach nur aschgrau und bedenklich, wenn die Methode aufs falsche Objekt angewendet wird. Vom falschen Autor.

Das hier ist ein gutes Beispiel dafür:

«Die Verteufelung der Taliban durch den Westen ist falsch und gefährlich. Sie vernebelt den Blick für drei verheissungsvolle Entwicklungen und verhindert eine Wende zum Besseren.»

Hört sich schön knackig gegen den Strom an. Die Autorin Cheryl Benard (Achtung, Sexismusverdacht) beschäftigt sich mit einer breiten Palette von Themen; da ihr Mann, ein gebürtiger Paschtune, ehemaliger US-Botschafter in Afghanistan ist, gehört auch das Land der Taliban dazu.

Während sich alle zivilisierten Beobachter Afghanistans darüber entsetzen, dass die Taliban Schritt für Schritt zu ihrem Terrorregime der letzten Herrschaft zurückkehren; Frauen vom öffentlichen Leben ausschliessen, sie nicht mehr in die Schule gehen lassen und gerade dekretierten, dass sie sich nur im Stoffgefängnis Burka in der Öffentlichkeit blicken lassen dürfen, sieht das Benard anders: «Keiner scheint im Moment ein Auge zu haben für die ziemlich dramatischen Spaltungen innerhalb der Taliban

Sie gibt zwar selbst zu, dass die Fundamentalisten gegen aussen geeint auftreten und ein rückwärtsgewandter Mullah fast wie Chomeini selig im Iran das Sagen hat. Aber: «Zweitens ist die pauschale Ablehnung der neuen Regierung durch so gut wie die gesamte Aussenwelt nicht hilfreich.»

Die pauschale Ablehnung einer nur mit Waffengewalt legitimierten Junta, die nach lügnerischen Schalmeienklängen inzwischen wieder offen zeigt, dass sie das Land ins finsterste, fundamentalistischste Mittelalter zurückstossen will. Was empfiehlt denn die grosse Taliban-Kennerin stattdessen? «Ein nuancierter Umgang mit den Taliban-Fraktionen ist daher der beste und momentan auch der einzige Weg, in Afghanistan eine Wende zum Besseren zu erreichen.»

Welchen Fraktionen? Meint sie den Unterschied zwischen finsterstes Mittelalter und finsteres? Dass alle Fundamentalisten, wenn sie an der Macht sind, nur durch Gewalt oder schärfste wirtschaftliche Sanktionen von ihr entfernt werden können, ist Benard offenbar entgangen.

Religiöse Wahnsinnige sind weder belehrbar, noch zu Reformen fähig. Umso schneller sie von der Macht vertrieben werden, desto besser für Afghanistan und vor allem für Afghaninnen. Wer Frauen als Wesen zweiter Klasse behandelt, sie unter einen Ganzkörperpräservativ zwingt und ihnen den Zugang zu Ausbildung, Selbstständigkeit und Selbstbestimmung verwehrt, mit dem ist kein nuancierter Umgang möglich.

Mit solchen Beiträgen, die nur publiziert werden, weil sie das Gegenteil einer weitverbreiteten Ansicht behaupten, macht sich die «Weltwoche» leider lächerlich.

Wumms: Fabian Molina

Pavlovsche Reflexe bei den Medien.

Der SP-Nationalrat weiss, wie man sich eine Dauerkarte für mediale Aufmerksamkeit besorgt. Indem man fordert. Was? Ach, egal, morgen redet sowieso keiner mehr darüber.

Da war doch mal Afghanistan: «Ziel muss sein, die Taliban mit Anreizen und Sanktionen dazu zu bringen, Menschenrechte zu respektieren

Molina forderte gleichzeitig, dass die Schweiz mindestens 10’000 afghanische Flüchtlinge aufnehmen müsse. Ob er vielleicht einen beherbergen würde?  Genervte Antwort auf Anfrage von ZACKBUM:

«Sie werden sicher festgestellt haben, dass ich kein Staat bin. Entsprechend kann ich auch niemandem Asyl und Schutz gewähren.»

Andere Baustelle: «Die NATO gehört endlich aufgelöst.» Auch an diese Forderung gegen den «gewalttätigen Sonderbund des Westens» will Molina heute nicht mehr so gerne erinnert werden.

Hat er gerade keine anderen Forderungen zur Hand, ist die nach «raschen Beitrittsverhandlungen mit Brüssel» immer der Notnagel in allen Lebenslagen. Leider erfüllte auch niemand seine Forderung vom Mai 2020, an «alle Konfliktparteien rund um den Globus, sich unverzüglich an einem weltweiten Waffenstillstand zu beteiligen».

Mehr Freiheit durch Impfpflicht, das war auch mal so eine Gaga-Forderung von ihm. Aber nun ist ja Ukraine, und da muss auch gefordert werden: «Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie zentral es ist, Einzelpersonen wie Putin und seine Entourage oder Firmen gezielt mit Sanktionen belegen zu können.» Das will Molina.

Nützt das was? Ist doch egal, Molina fordert heute, was er morgen schon vergessen hat. Denn morgen gibt’s eine neue Forderung.

 

 

 

Wumms: Markus Somm

Wenn ein Historiker die Geschichte umbiegt.

Da kaum jemand hinter der Bezahlschranke den «Nebelspalter» liest, versucht es Chefredaktor Markus Somm auf anderen Kanälen, zum Beispiel mit seinen «Memos». In Nummer 68 schreibt er unter anderem:

«Gleicht damit die Lage nicht der Situation in Afghanistan? Nachdem die Sowjets das Land 1979 überfallen hatten, um ein kommunistisches Regime in Kabul an der Macht zu halten, unterstützte der Westen den afghanischen Widerstand – mit Waffen, mit Material, mit Geheimdienstinformationen. Zehn Jahre lang bissen sich die Sowjets die Zähne aus, bis sie 1989 abzogen, ohne gewonnen zu haben. Fast 15’000 sowjetische Soldaten waren gefallen.»

Dass Russland die Ukraine überfallen hat, das ist genauso unbestreitbar wie die historische Tatsache, dass damals die UdSSR einem Hilferuf der afghanischen Regierung nachkam. Die Sowjetunion wollte das linke und sekuläre Regime (Bodenreform, Entmachtung der Oberschicht und der Clans, Bildung für alle) gegen die Mudschahedin unterstützen, reaktionäre und fundamentalistische Islamisten.

Durch die Unterstützung dieses «afghanischen Widerstands» züchteten die USA eine Generation von nicht nur fanatischen, sondern bestens ausgerüsteten Gotteskriegern heran.

Die zu Tode gefolterten Leichen des letzten Präsidenten
und seines Bruders wurden öffentlich zur Schau gestellt. 

Die nach dem Rückzug der UdSSR die Regierung massakrierten und unter Führung der Taliban einen grausamen, mittelalterlichen Gottesstaat errichteten. Als Treppenwitz der Geschichte versuchte die CIA später, die von ihnen gelieferten Stinger-Luftabwehrraketen zurückzukaufen – weil sie von islamistischen Terroristen gegen die USA selbst eingesetzt wurden.

Nach der damaligen Logik des Kalten Kriegs war der Feind meines Feindes mein Freund. So unappetitlich der auch sein mochte. Für breite Bevölkerungsschichten in Afghanistan, vor allem Frauen, war der Rückzug der UdSSR keinesfalls Anlass für Triumphgefühle.

Über all das huscht Historiker Dr. Somm hinweg, um sein Bild von der historischen Parallelität – Überfall Ukraine, Überfall Afghanistan – aufrecht zu erhalten.

Dabei ist es ein ahistorisches Zerrbild. Ein völlig untauglicher Vergleich.

 

Das erste Opfer des Kriegs

Nein, das ist nicht die Wahrheit. Weil es immer nur Wahrheiten gibt.

Das erste Opfer eines Kriegs ist die Bereitschaft zur Nachdenklichkeit. Ist der Verlust der Einsicht, dass niemand die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. Stattdessen ist der Wettbewerb eröffnet: wer formuliert mit möglichst wenig Kenntnissen eine möglichst starke Meinung?

Dabei gibt es bislang nur eine unumstössliche Tatsache: Es ist ein durch nichts zu rechtfertigender Angriffskrieg. Es ist keine präventive Verteidigung. Es ist keine Aktion zur Entnazifizierung und auch nicht zur Verhinderung eines Genozids.

Sonst aber ist es alles, was Grossmächte halt ab und an so tun. Was die USA samt ihren westlichen Verbündeten in Vietnam, in Afghanistan, im Irak und in den Gebieten des sogenannten arabischen Frühlings taten und tun. Es ist das, was die europäsichen Verbündeten und die NATO insgesamt in Jugoslawien taten. Einen völkerrechtswidrigen Krieg zu führen nämlich, der nicht zuletzt in der völlig illegalen Abspaltung des Kosovo von Serbien endete, begleitet von Massakern allerorten.

Das macht die serbische Regierung nicht zu einer Versammlung von Chorknaben, genauso wenig wie die ukrainische. Noch 2014 gab es die Beteiligung von Neofaschisten an der ukrainischen Regierung, bis heute spielt das Regiment Asow, dem ukrainischen Innenministerium unterstellt und voller bewaffneter Neofaschisten, eine unrühmliche Rolle.

Die armen, uninformierten Russen

Weit verbreitet ist das Bedauern, dass die russische Bevölkerung leider nur von staatlich gelenkten Medien beschallt werde, was natürlich die Zustimmungswerte für Diktator Putin erkläre. Das ist ein typisches Beispiel für fehlende Fähigkeit zur Differenzierung.

Es ist grundsätzlich richtig, dass beispielsweise der auch auf Deutsch erhältliche Sender «Russia Today» die Karikatur eines nach journalistischen Prinzipien arbeitenden Newsverarbeiters ist. Die russischen TV-Programme, die grossen russischen Zeitungen, unbrauchbar. Aber: dank Internet kann sich jeder Russe, etwas Gelenkigkeit vorausgesetzt, beliebig informieren, aus allen erhältlichen Nachrichtenquellen der Welt.

Was die Schweizer Mainstream-Medien bieten, unterscheidet sich nicht gross von der disqualifizierenden Berichterstattung über die Pandemie. Repetitive Schwarzweiss-Malerei, oberflächliches Gehampel, verzweifelte Suche nach «Experten», die die Angst vor einem Atomkrieg zerstreuen sollen.

Jeder Schweizer kann sich aus allen alternativen Nachrichtenquellen der Welt bedienen. Wer sich die Zeit nehmen will, ein wenig Gegengift gegen den Mainstream aufzunehmen, dem sei ein schon älterer Artikel empfohlen.

Man bedauert, dass viele dieser warnenden Stimmen für immer verstummt sind. Unter den hier aufgeführten nur ein Zitat:

«Wir, die Unterzeichner, glauben, dass eine weitere NATO-Osterweiterung die Sicherheit unserer Alliierten gefährden und die Stabilität in Europa erschüttern könnte. Es besteht für die europäischen Nachbarn keine Bedrohung durch Russland.»

Welcher russlandhörige Kurzdenker hat denn das formuliert? Nun, es handelte sich um niemand geringeren als den für den Vietnamkrieg verantwortlichen ehemaligen US-Verteidigungsminister Robert McNamara.

Oder ein Zitat des Kriegsverbrechers und Kältesten aller kalten Krieger, Henry Kissinger: «Um zu überleben und sich zu entwickeln, darf die Ukraine Niemandes Vorposten sein. Vielmehr sollte sie eine Brücke zwischen beiden Seiten darstellen. … Dabei sollten wir uns um Versöhnung bemühen, und nicht um eine Dominanz einer der Fraktionen. … Die Dämonisierung von Wladimir Putin ist keine Politik. Sie ist ein Alibi für die Abwesenheit von Politik

Und der Elder Statesman Helmut Schmidt liess ebenfalls keinen Zweifel an seiner Meinung über eine mögliche Aufnahme der Ukraine in die EU und die NATO: «Das ist Größenwahn, wir haben dort nichts zu suchen.»

Jeder kann sich irren. Nur der «Experte» nicht

Natürlich können sich auch alle diese Herren irren. Darum geht es aber gar nicht. Es geht darum, dass in den Mainstreammedien, in der sogenannten freien Presse des Westens, in den von drei Medienclans beherrschten Tageszeitungen der Schweiz keine einzige Stimme Gehör findet, die sich um etwas Differenzierung bemüht.

Stattdessen geht die verzweifelte Suche nach Russland-Erklärern weiter. Genauer nach Figuren, die wie gewünscht in den Echo-Chor der Putin-Verdammer einstimmen. Neuster Versuch von «Blick TV»: Ulrich Schmid. Der HSG-Professor fantasiert von einem möglichen Zusammenbruch des Regimes und analysiert mit unglaublichen prognostischen Fähigkeiten: «Ich könnte mir vorstellen, dass die Einschüchterung massiver wird

Der Mann mit der Glaskugel: Zukunftsseher Ulrich Schmid.

Für solche Erkenntnisse sind wir echt dankbar, denn dafür muss man Slawistik studiert haben.

Der Medien-Molina

Wahrnehmung ist in der Politik alles. Wenn es nicht um Wirkung, sondern um Selbstvermarktung geht.

Fabian Molina ist süchtig. Oder er leidet unter einem Aufmerksamkeitsdefizit. Aber er therapiert sich selbst. Fast 1000 Treffer in der Mediendatenbank SMD in den letzten sechs Monaten. Das soll ihm mal einer nachmachen.

Der Zürcher SP-Nationalrat hat sich zwecks medialer Wirkung angewöhnt, eigentlich zu (fast) allem eine Meinung zu haben. Die ist dann nicht sehr nachhaltig, aber zumindest zitierfähig.

Molina: ist sich für keinen Medienstunt zu schade.

Ein paar Highlights aus seinem jüngsten Medienschaffen. Da hätten wir mal Afghanistan: Er weiss genau, was dort geschehen muss: «Ziel muss sein, die Taliban mit Anreizen und Sanktionen dazu zu bringen, Menschenrechte zu respektieren.»

Natürlich müsse die Schweiz auch sofort mindestens 10’000 afghanische Flüchtlinge aufnehmen, fordert Molina. Etwas verkniffen reagiert er allerdings, wenn man ihn fragt, ob er da mit gutem Beispiel vorangehen und selbst so ein, zwei Afghanen bei sich beherbergen könnte:

«Sie werden sicher festgestellt haben, dass ich kein Staat bin. Entsprechend kann ich auch niemandem Asyl und Schutz gewähren.»

Wo er recht hat: niemals würden wir den Möchtegern mit einem Staat verwechseln. Aber er stellt Forderungen, als wäre er einer.

Molina kümmert sich auch ums Ganze

Steht gerade nichts Aktuelles an, kümmert er sich um die grossen und letzten Dinge auf der Welt. Zum Beispiel: «Die NATO gehört endlich aufgelöst.» Denn sie sei «ein gewalttätiger Sonderbund des Westens

Da stellt sich allerdings die Frage, ob Secondo Molina eine Aufnahmeprüfung in Staatskunde bestanden hätte, wenn er beantworten sollte, was denn der Sonderbund genau war.

Molinas Schreckensvorstellung.

Aber gut, auch die NATO hat diesen Angriff überlebt. War ja auch nur so eine Idee für flaue Tage.

Dagegen hat Molina eine weitere Geheimwaffe im Gepäck: er ist «Schweizer Meister im Einreichen von Vorstössen», wie sich CH Media schon über ihn mokierte. Ist da gerade nichts los, fordert er unermüdlich rasche Beitrittsverhandlungen mit Brüssel, denn selbstverständlich muss die Schweiz in der Mitte Europas nicht abseits stehen. Dass nur 13 Prozent der Schweizer diese Meinung teilen, was soll’s, die müssen ja auch nicht immer in den Medien präsent sein.

Molina liebt den grossen Auftritt so sehr, dass es auch ein kleiner tut. So reiste er zusammen mit Céderic Wermuth und Jon Pult, zwei weiteren Kämpfern für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und vorbildliches Leben, nach Berlin, um dort dem Wahlsieger Olaf Schulz zu gratulieren.

Per Flugzeug natürlich.

Wieso dreht sich die Welt eigentlich weiter?

Allerdings musste Molina einräumen: «Die Schweiz ist für Deutschland etwa so wichtig, wie für uns Liechtenstein.» Was nahm er sonst so an Erkenntnissen aus der deutschen Hauptstadt mit?

«Die Party war ausgelassen! Es gab Bier und Musik im Willy-Brandt-Haus.»

Was tut man nicht für so einen Quatsch (Foto in Originalqualität).

Leider ist es so, dass die Welt nicht wirklich zur Kenntnis nimmt, was Molina so alles verlangt, wenn der Tag lang ist und er noch keinen Auftritt in den Medien hatte. Dabei hätte er sogar das Rezept für die Heilung des ganzen Planeten: So forderte er im Mai 2020 «mit einer Erklärung alle Konfliktparteien rund um den Globus auf, sich unverzüglich an einem weltweiten Waffenstillstand zu beteiligen.» Denn nur so könne die Pandemie effizient bekämpft werden.

Wir ahnen es: niemand hörte mal wieder auf ihn, es gibt weder weltweiten Frieden, noch ist die Seuche besiegt. Aber immerhin, das Thema Corona ist inzwischen ein Selbstläufer für den eitlen Selbstdarsteller. Daraus presst er unablässig Medienauftritte, wofür ihm kein auch noch so absurder Vergleich zu schade ist.

Die Impfpflicht für alle, die er mehr oder minder verklausuliert fordert, das sei so etwa wie die Dienstpflicht für Männer.

Corona gibt immer etwas her

Inzwischen will Molina auch äusserlich seinem erfolgreichen Vorbild Céderic Wermuth gleichen und hat sich für einen – allerdings eher schütteren – Dreitagebart entschieden.

Den hält er natürlich auch jederzeit dorthin, wo eine Kamera läuft und ein Mikrophon angeschaltet ist. So meint der zum Seuchenexperten mutierte Luftikus, dass natürlich «die aktuelle Durchseuchungsstrategie bei Kindern keine Lösung» sei.

Betroffener Blick, Meinung aus dem Stegreif: Molina.

Sollten also auch unsere Kleinen ein Zertifikat mit auf den Lebensweg bekommen? Denn das ist aktuell nur ab 16 Jahre nötig und möglich. Da wirft Molina alle Grundprinzipien der Logik über Bord: «Das Zertifikat ist eine Möglichkeit, mehr Freiheit zurückzubekommen.»

Welche Freiheit sollten Kinder «zurückbekommen»? Sie sind doch zertifikatsfrei. Ob das Zertifikat ein Schritt in die Unfreiheit wäre, sei dahingestellt. Aber auf jeden Fall bekommt jemand, der kontrollierbar geworden ist, dadurch kein Stück Freiheit geschenkt.

Aber um solche Finessen geht es Molina auch gar nicht. Denn er weiss genau: wen interessiert schon mein dummes Geschwätz von gestern. Heute ist ein neuer Tag, morgen auch, und immer wieder in den Medien aufzutauchen, das ist Knochenarbeit. Auch wenn längst schon kein Fleisch mehr an den vorhersehbaren Miniprovokationen des Dampfplauderers hängt.

Schliesslich gehört das zum Anforderungsprofil eines Berufspolitikers, der nichts anderes gelernt hat. So als Dauerstudent der Geschichte und Philosophie. Er wurde im zweiten Anlauf Juso-Präsident, ist ehemaliger Jugendsekretär der Gewerkschaft Unia, «wissenschaftlicher Mitarbeiter» bei «Swissaid» und in den Nationalrat nachgerückter SP-Genosse.

In Molinas Medienmaschinenraum.

Wir fordern, dass weniger gefordert wird

Umso bedeutungsloser die Medien werden, desto lauter krähen sie Forderungen heraus.

Die Taliban haben in Afghanistan die Macht ergriffen, der letzte US-Soldat ist in den letzten Flieger gestiegen, der den Flughafen von Kabul Richtung Rettung verliess. Das lässt der «Tages-Anzeiger» von München aus beobachten, weil man dort die grossen Fernrohre Richtung Kabul stehen hat.

Nun gibt es aber noch eine – eigentlich überflüssige – Auslandredaktion von Tamedia. Wenn’s der langweilig wird, die ß aus den Artikeln der «Süddeutschen Zeitung» zu entfernen und «parken» durch «parkieren» zu ersetzen, «grillen» durch «grillieren», dann schreibt man einen Kommentar.

Nicht man, der Auslandchef Christof Münger höchstpersönlich. Zunächst äussert er einen menschenfreundlichen Wunsch:

«Es wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn sich IS-Terroristen und die Taliban in einem abgelegenen Tal Afghanistans gegenseitig in die Luft sprengen

Aber, da ist Münger welterfahrener Realist: «Nur wird es nicht so laufen.» Schade auch, aber wie soll man dann mit dieser «islamistischen Brut» umgehen? Einfach ignorieren? Aber nein, meint Weltpolitiker Münger, denn «bereits erheben sich Stimmen, unter anderem der britische Premier Boris Johnson, die fordern, mit Verbrechern wie den Taliban zu verhandeln».

Sprengkommando aus dem Hause Tamedia.

Das geht gar nicht, donnert Münger von seinem Kommandopult an der Werdstrasse oder vielleicht aus dem Homeoffice: «Die Taliban sind und bleiben eine Terrororganisation. Mit ihnen zu verhandeln, ist keine Option, ausser es geht um humanitäre Hilfe für die leidgeprüfte Bevölkerung.»

Verhandlungen sind für den Arsch, meint Münger

Verhandeln ist nicht, meint Münger fundamentalistisch, er hat auch eine putzige Begründung dafür: «Wohin das führen kann, hat das Abkommen von Doha gezeigt, das die US-Regierung an der afghanischen Regierung vorbei mit den Taliban erzielt hat. Donald Trumps Deal hat es den selbst ernannten Gotteskriegern erst ermöglicht, Afghanistan handstreichartig zu erobern.»

Wenn ein Volonteur als Fingerübung so einen hanebüchenen Unsinn absondern würde, würde man ihn darauf aufmerksam machen, dass selbst in einem Kommentar die Vergewaltigung der Wirklichkeit ihre Grenzen hat. Weder der korrupten und weitgehend machtlosen afghanischen Marionettenregierung, noch der Militärmacht NATO war es in 20 Jahren gelungen, eine Art Zivilgesellschaft gegen die Stammeskrieger zu errichten.

Mangels funktionsfähiger Alternative war es nur konsequent, nach Zehntausenden von Toten die Besatzung zu beenden.

Schlimmer noch ist, dass Münger kategorisch jede Verhandlung mit den Herrschern des Landes ablehnt. Gilt das auch für Burma? Für alle gescheiterten Staaten in Afrika? Für Venezuela? Für Saudi-Arabien? Für den Iran? Dort herrschen doch auch entweder Terrororganisationen oder Regimes, die Terrororganisationen unterstützen.

Wenn Münger verhandeln würde …

Was heisst da «ausser es geht um humanitäre Hilfe»? Wie würde das Münger machen, sässe er nicht hinter einem Bildschirm, sondern vor den Taliban?

«Hört mal, ihr islamistische Brut, ich will jetzt über humanitäre Hilfe verhandeln. Könntet ihr euch währenddessen in einem abgelegenen Tal gegenseitig in die Luft sprengen? Danke.»

Aber die Welt kann aufatmen: die Meinung Müngers interessiert wirklich nicht. Ausser den armen Abonnenten eines Produkts von Tamedia, die sogar noch für diesen Stuss etwas bezahlen müssen.

Was Münger recht ist, kann Cavelty nicht unrecht sein

Nur schon aus Gründen der Ausgewogenheit fügen wir ein Beispiel aus dem Hause Ringier hinzu. Dort will man ja den Lead bei der Bekämpfung von sogenannten Impfgegnern nicht aus der Hand geben. Dafür ist die indirekte Bewirtschaftung des Themas geeignet:

So sieht ausgewogene Berichterstattung aus.

Aber auch vor direkten Forderungen, Ratschlägen und Urteilen schreckt man nicht zurück. Der Chefredaktor des «SonntagsBlick» muss sowieso eine Scharte auswetzen, die er sich mit dem Versuch der Berichterstattung über den ehemaligen VR-Präsidenten von Raiffeisen eingehandelt hatte.

Der donnerte doch in einem Editorial:

«Die Impfgegner machen mit dem Virus gemeinsame Sache».

So interpretiert Gieri Cavelty kühn die Aussagen eines Immunforschers: «Die Impfgegner identifizieren sich nicht bloss sprachlich mit dem Virus, sie machen gemeinsame Sache mit ihm und sichern seinen Fortbestand

Unangenehme Unwahrheiten: Editorial von Cavelty.

Impfen als Allheilmittel? Das durchgeimpfte Israel wandelt sich vom Musterknaben zum neuen Brutherd der Pandemie. Wirksamkeit der Impfung? Fehlen eines Impfzwangs? Was kränkeln Cavelty solche Probleme an, für die zusätzlich beschlossenen Staatssubventionen macht er doch gerne das Sprachrohr der Landesregierung.

Wer hört schon noch auf Journalisten?

Aber auch er trompetet so kräftig, weil er eigentlich weiss: die Meinungsmacht «Blick» ist längst ins Grab gesunken, auch ohne Virus. Die Zeiten, als nicht nur in Bern ängstlich darauf geschaut wurde, ob der «Blick» eine Kampagne für oder gegen etwas führt, sind längst vorbei.

Zu beobachten ist eine allgemeine Verzwergung der Medienhäuser. Den Zusammenschluss von ein paar Mücken jubeln sie zu einem «Digital-Riesen» hoch. Dabei spüren das die wirklichen Riesen nicht einmal. Mangels Möglichkeiten zur Recherche oder fundierter Analyse werden weiterhin ungeniert Forderungen aufgestellt, Behauptungen, unqualifizierte Meinungen geäussert.

Fröstelnd in der Abenddämmerung ihres Bedeutungsverlusts wollen sie sich wie in alten Zeiten an den Flammen der feurigen Meinungsäusserung wärmen. Es den Taliban, dem Virus, den Impfgegnern mal so richtig zeigen. Dabei braucht man schon die Ohren eines Elefanten, um das Gesumme dieser Fliegengewichte überhaupt noch zu hören.

11. September 2001

Afghanistan ist das vorläufige Ende einer fatalen Entwicklung.

Es fehlen noch 11 Tage, dann jährt sich einer der brutalsten Terroraktionen der jüngeren Geschichte zum 20. Mal.

Es sind Bilder, die sich ins kollektive Gedächtnis der Welt eingegraben haben. Jeder weiss noch, wo er war, als er das erste Mal die einstürzenden Zwillingstürme in New York am TV gesehen hat.

Wenn es – innerhalb der perversen Logik dieser religiösen Fanatiker – einen erfolgreichen Anschlag gegeben hat, dann war es dieser. Er führte zwar dazu, dass in Afghanistan die Steinzeit-Taliban von der Macht verjagt wurden, weil sie Osama Bin Laden und vielen anderen Terrororganisationen Unterschlupf gewährt hatten. 

Aber derselbe Bin Laden konnte dann unbehelligt viele Jahre in Pakistan leben. Nicht zuletzt deswegen, weil sich die USA nicht so leicht an ein Land herantrauen, das die Atombombe besitzt. Also wurde die logistische und sonstige Unterstützung islamistischer Terrororganisationen durch das pakistanische Militär und den Geheimdienst toleriert.

Der irakische Diktator Saddam Hussein hingegen konnte sich zu Recht darüber beschweren, dass er mit falschen Anschuldigungen («the guy who tried to kill my daddy», George W. Bush Junior) von der Macht vertrieben wurde.

Er hatte – unterstützt durch die USA – jahrelang einen mörderischen Angriffskrieg gegen den Iran führen dürfen. Er durfte Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzen. Ungestraft. Er hatte aber weder Osama Bin Laden, noch andere Terrororganisationen unterstützt, geschweige denn Massenvernichtungswaffen in seinem Besitz. Aber mit dieser Begründung wurde er gestürzt.

Chaos durch den Kampf gegen den Terrorismus

Und der Irak ins Chaos gestürzt, kurz darauf die halbe arabische Welt. Libyen, Syrien, eine Blutspur der Verwüstung, Zerstörung, begleitet von der wöchentlich durch den Friedensnobelpreisträger Präsident Obama abgenickten «Kill List», seine Autorisierung für die Liquidation angeblicher Terroristen, meistens mit Drohnenangriffen. Dass dabei Kollateralschäden wie die Bombardierung von Hochzeitsgesellschaften und gar anschliessender Trauerfeierlichkeiten hingenommen wurden, trieben den religiösen Fanatikern scharenweise Anhänger zu.

Die wichtigsten Unterstützer des islamistischen Terrors, die Staaten der arabischen Halbinsel, in erster Linie Saudi-Arabien und Katar, kamen aber immer ungeschoren davon. Verbündete des Westens, wichtige Öllieferanten, Verbündete im Kampf gegen den Iran.

Das Kalifat, der Islamische Staat, das Wiedererstarken einer mittelalterlichen Verliererreligion, all das hatte seinen Anfang im Terroranschlag von 9/11.

Ein Anschlag in dieser Dimension hat sich in den letzten 20 Jahren nicht mehr wiederholt. Das mag an den hochgerüsteten Sicherheitsmassnahmen liegen. Das mag an der Unfähigkeit der Terroristen liegen, eine vergleichbare logistische Leistung nochmal hinzukriegen. Aber vor allem in Europa wurden viele Staaten, darunter Grossbritannien, Spanien, Frankreich, Deutschland, mit brutalen terroristischen Kleinaktionen gequält.

Autos, Bomben, ja Messer kamen dabei zum Einsatz, plus ein Fanatismus entwurzelter Gläubiger einer Verliererreligion. Befeuert durch ihre Wiederauferstehung als vermeintlicher Halt in zerfallenden Staatswesen. Während die Kolonialisten im 19. Jahrhundert wenigstens noch Nation Building betreiben wollten, sorgte der Westen diesmal nur für den Zerfall jeglicher staatlicher Ordnungsmacht.

Nicht mal mehr der Schein …

Nirgends zeigte sich das brutaler als in Afghanistan. Es sollte der Schein gewahrt werden, dass eine Zentralregierung in Kabul das Fortschreiten in eine moderne Gesellschaft leite. In Wirklich beherrschte diese Marionette, korrupt und durch und durch morsch, kaum die nähere Umgebung der Hauptstadt.

Wie selten in der Militärgeschichte erwies sich die afghanische Armee als reiner Popanz, als Showveranstaltung. Teuer ausgerüstet, aber schlecht bezahlt, gut ausgebildet, aber schlecht motiviert. Die Kämpfer der Taliban mussten kaum Waffengewalt anwenden, um diese Karikatur einer Armee in Staub zu verwandeln.

Eine Billion Dollar (das sind 1000 Milliarden) und viele Tausend Tote später wiederholt sich in Afghanistan die Geschichte. Nicht einmal einen anständigen Abzug kriegen die westlichen Alliierten hin. Gedemütigt haben sie Tausende ihrer Unterstützer verraten, die im Vertrauen darauf, am Aufbau einer modernen Gesellschaft mithelfen zu können, unter dem militärischen Schutzschirm der NATO, sich engagierten und nun erkennen müssen, dass der Westen einen Scheiss auf ihr Schicksal gibt.

Strahlende Sieger auf allen Kampfplätzen sind bislang die Taliban. Mit kaum mehr Aufwand, als aufs Gaspedal von ihnen in die Hände gefallenen Militärfahrzeugen der aufgelösten Armee drücken zu müssen, haben sie die Macht in der Hauptstadt übernommen.

Dem kläglichen Rest der Invasionsarmee überlassen sie den Flughafen. Die Elendsbilder von verzweifelten Massen entschädigen die Taliban für den Verlust von ein paar tausend gutqualifizierten Afghanen. Ausserdem ist nun Schluss mit der Scharade,  ein blutiger Anschlag sorgte noch für den letzten Tritt in den Hintern, damit keiner auf die Idee kommt, das Ende der Evakuierung heute noch hinausschieben zu wollen.

Im Elendstal der modernen Medien

Während verzweifelte lokale Helfer zurückgelassen werden, laden die USA gegen deren Willen Journalisten in die letzten Flieger – als wollten sie Hand in Hand mit den Taliban eine weitere Berichterstattung nach Möglichkeit verhindern. Darunter eine Reporterin des «Guardian» und einer des «Spiegel».

Die Elendsgestalten zum Skelett heruntergesparter deutschsprachiger Medien versuchen, die Lage in Afghanistan mit dem Fernrohr oder dem Teleskop zu beobachten. Aus Unkenntnis oder Unfähigkeit geben sie Lautsprechern der Taliban Gelegenheit, von einer neuen Regierung mit menschlichem Antlitz zu schwafeln. Aus Unkenntnis oder Unfähigkeit bieten sie alle Zukunftsperspektiven von «könnte was werden» bis zu «wird grauenhaft».

Über die eigentlich entscheidenden Entwicklungen und Kräfte, also die Atommächte China, Pakistan und Indien und deren Absichten, wird kaum ein Wort verloren.

Kümmert sich jemand um die Frage, ob der Westen zum 20. Jahrestag von 9/11 mit einem neuerlichen grossen Terroranschlag rechnen muss? Nein, all das liegt ausserhalb der intellektuellen Reichweite und hat vor allem nichts mit der Bauchnabelschau zu tun, der sich in Schweizer Medien die meisten Journalisten vornehmlich widmen.